Titel: Notizen von der Weltausstellung in Philadelphia 1876; von Ingenieur Müller-Melchiors.
Fundstelle: Band 223, Jahrgang 1877, S. 18
Download: XML
Notizen von der Weltausstellung in Philadelphia 1876; von Ingenieur Müller-Melchiors. Mit Abbildungen im Text und auf Tafel I. (Fortsetzung von S. 524 des vorhergehenden Bandes.) Müller-Melchiors, Notizen von der Weltausstellung in Philadelphia 1876 59. Automatische Eisenbahnbremse von Westinghouse. (Holzschnitt und Fig. 1 bis 14 [a.b/2].) Eine bezeichnende Eigenthümlichkeit des amerikanischen Eisenbahnwesens sind die continuirlichen Bremsen bei Personenzügen. Nur wenige Bahnen der ganzen Union dürften dieses kräftigen Sicherheitsmittels entbehren; von großen Bahnen ist wohl die „New-York Central and Hudson River Railroad“ die einzige, die sich auch bei ihren Personenzügen mit den alten Handbremsen behilft, während dieselben bei Lastzügen noch immer allgemein angewendet sind. Es ist dies gleichzeitig ein Beweis dafür, wenn diese Thatsache trotz übereifriger Behauptungen der Anhänger des neuen Systemes überhaupt eines Beweises bedürfte, daß die continuirlichen Bremsen unter keinen Umständen billiger als die Handbremsen zu bedienen und zu unterhalten sind; dagegen ist selbstverständlich die unvergleichlich größere Leistungsfähigkeit continuirlicher Bremsen keinem Zweifel unterworfen. In Folge dessen müssen die continuirlichen Bremsen in erster Linie als Sicherheitsvorrichtungen betrachtet werden, und dem entsprechend läßt sich folgern, daß ihrer Anwendung um so weiterer Spielraum gegeben ist, je mehr der Eisenbahnbetrieb in anderer Beziehung der Sicherheit entbehrt. Aus diesem Grunde erklärt sich daher die allgemeine Anwendung dieser Bremsen auf den amerikanischen Eisenbahnen, bei welchen durchschnittlich die Ueberwachung des Bahnkörpers gleich Null und die Signaleinrichtung sehr mangelhaft ist; aus demselben Grunde wurde bei einigen englischen Bahnen mit überhäuftem und unregelmäßigem Verkehr die Einführung continuirlicher Bremsen versucht, und wir gehen vielleicht nicht fehl, wenn wir im gleichen Gedankengange die Nichtanwendung derselben auf der oben erwähnten amerikanischen und unsern continentalen Bahnen von dem Umstande ableiten, daß hier die übrigen Sicherheitsmaßregeln bei den bestehenden Betriebsverhältnissen ausreichen, um ein solches Hilfsmittel für den äußersten Nothfall missen zu können. Und wenn bei der heutigen Ausbildung des Blocksystemes zugegeben werden muß, daß es selbst bei ungünstigen Betriebsverhältnissen stets möglich ist, die Bahn für jeden Zug entsprechend frei zu halten, so glauben wir, daß in der allgemeinen und vollkommenen Anwendung dieses Systemes eine größere Gewähr für die Sicherheit des Eisenbahnbetriebes liegt als in der continuirlichen Bremse, welche selbst bei der vortrefflichsten Ausführung stets nur den Werth eines Palliativmittels beanspruchen kann. Während wir somit – von der Ansicht ausgehend, daß Zusammenstöße rationeller durch gute Betriebseinrichtungen vermieden als durch continuirliche Bremsen gemildert werden sollen – eine Empfehlung continuirlicher Bremsen als Nothbehelf perhorresciren, kann anderseits nicht geläugnet werden, daß auch der regelmäßige Betrieb genugsam Fälle ergibt, bei denen aus der vollkommenen Controle über den Zug, wie sie die continuirliche Bremse ermöglicht, Nutzen gezogen werden kann. Es geschieht dies speciell beim Einfahren in die Stationen. Jeder, der einmal auf amerikanischen Bahnen gefahren ist, wird den Unterschied der raschen Geschwindigkeitsabnahme eines amerikanischen Zuges mit dem bei uns üblichen Hineinschleichen in die Stationen lebhaft im Gedächtnisse haben. Die Zeitersparniß, welche dort gegen hier erzielt wird, ist nicht gering anzuschlagen. Ferner ist zu bemerken, daß die continuirlichen Bremsen vom Locomotiv- oder Zugführer jedenfalls rationeller gehandhabt werden, wie die von einzelnen Bremsern bedienten Handbremsen; in Folge dessen wird bei gut construirten continuirlichen Bremsen das Festbremsen und Flachlaufen der Räder gänzlich vermieden. Es ist darum nicht unmöglich, daß im Laufe der Zeit die continuirliche Bremse auch auf deutschen Bahnen eingeführt wird, wie ja thatsächlich mit der Heberlein'schen Bremse (1873 207 81) 257) in diesem Sinne der Anfang gemacht wurde. Auf der Ausstellung waren vier Systeme von continuirlichen Bremsen vertreten. Die hydraulische Bremse von Henderson, welche in Nr. 19 unserer Notitzen (vgl. *1876 221 299) beschrieben wurde, ferner die automatische Bremse von Westinghouse, über welche nachstehend berichtet werden soll, und die Vacuumbremse von Smith, deren Darstellung in dem nächsten Artikel folgt. – Außerdem war noch an einer Locomotive mit Tender der „Baltimore and Ohio Railroad“ die Luftbremse von Loughridge ausgestellt, welche ganz ähnlich der ältern Westinghouse-Bremse fungirt und die Priorität der Erfindung beansprucht. Die Luft wird hier wie bei Westinghouse in ein Sammelreservoir gepreßt, jedoch nicht mittels einer directwirkenden Dampfpumpe, sondern durch eine mit der Treibachse der Locomotive verbundene Excenterpumpe, welche außer Thätigkeit gesetzt wird, sobald die gewünschte Spannung im Reservoir erreicht ist. Sowohl die Henderson'sche als die Loughridge- und die Smith-Bremse sind im ständigen Gebrauche auf großen Bahnen; die weitaus größte Verbreitung hat jedoch die Luftbremse von Westinghouse. Dieselbe ist in diesem Journal (*1872 205 180) *1873 213 7) ausführlich beschrieben und steht in dieser Gestalt bei etwa 3000 Locomotiven und 10000 achträdrigen Personenwagen der Nordamerikanischen Vereinstaaten in Verwendung, und verdankt diese Verbreitung zweifellos ihrer verläßlichen und dauerhaften Construction, gewiß aber auch zum großen Theil dem selbst für Amerika ungewöhnlichen Geschick, mit welchem die erforderliche Reclame inscenirt und das allgemeine Interesse fortwährend wach gehalten wird. Dies sprach sich auch in der effectvollen und imposanten Anordnung aus, womit die „Westinghouse Air Braks Company“ ausgestellt hatte. Hier war die Anwendung des neuesten Patentes, der Automatic brake, für einen Zug von 9 achträdrigen Personenwagen zu sehen, mit allen dazu gehörigen Rohren und Verbindungen, nur daß statt der Bremsklötze Federn substituirt waren, durch deren Zusammenpressung die Kraft der Bremse ermessen werden konnte. Daneben war die Smith'sche Vacuumbremse, deren Patent die Westinghouse-Gesellschaft erworben hat, in gleicher Weise ausgestellt, und jedem Fachmann wurde bereitwilligst die Wirkung beider Apparate gezeigt und die Superiorität des erstern erwiesen. Damit aber auch das weitere Publicum seine Rechnung fand, war ein äußerst interessantes Phänomen zu sehen, das stets große Zuschauermengen anlockte. Durch eine schief stehende Düse von etwa 3mm Durchmesser wurde Luft aus einem Reservoir mit 5at Pressung ausströmen gelassen und in die Richtung des Luftstromes ein Ball gesetzt, der dann entweder unbeweglich oder rasch rotirend in der Luft schwebend erhalten wurde, so lange Luft der Düse entströmte. Die dazu benutzten Kugeln waren entweder Glaskugeln von beiläufig 40mm Durchmesser oder Holzkugeln von 80 bis 100mm; auch gelang es zuweilen, zwei Kugeln – eine über der andern – im Luftstrome schwebend zu erhalten. Eine sehr treffende Erklärung dieses überraschenden Phänomens ist in der Polytechnic Review durch beistehenden Holzschnitt geliefert. Textabbildung Bd. 223, S. 21 Der aus a entströmende und bei b die Kugel treffende Luftstrahl wird nicht in der Richtung bc, sondern nach be abgelenkt, da sich durch die Anwesenheit der Kugel und die saugende Wirkung des Luftstrahles auf der rechten Seite desselben ein Vacuum bildet. Dem entsprechend wirkt der Auftrieb der Luft an der untern Hälfte der Kugel und erzeugt die Kraftcomponente oq im Schwerpunkt derselben; die Kraft op entspricht dem Anprall des Strahles bei b und die Componente beider or hält dem Eigengewicht der Kugel das Gleichgewicht. Zur Vervollständigung dieser Erklärung haben wir nur noch hinzuzufügen, daß die Kugel dann in Ruhe bleibt, wenn der Schwerpunkt der Kugel außerhalb des Mittelpunktes gegen den auffallenden Strahl zu liegt, weil dann das Moment desselben dem durch die Reibung des Luftstrahles an der Kugeloberfläche entstehenden Drehmoment das Gleichgewicht hält; ist die Kugel genau homogen, so muß sie rotiren. Zur Beschreibung der Bremse selbst übergehend, ist zu bemerken, daß sie im Allgemeinen auf denselben Principien wie die ältere im Journal a. a. O. beschriebene Luftbremse beruht. Durch eine auf der Locomotive angebrachte directwirkende Pumpe wird comprimirte Luft von 5 bis 8at Spannung in ein Reservoir von etwa 0cbm,33 Inhalt gepumpt, welches gewöhnlich unter dem Führerstande angebracht ist. Ein dem Führer zur Hand befindlicher Dreiweghahn steht einerseits in Verbindung mit der längs des Zuges durchgehenden Druckleitung, welche die comprimirte Luft zu den Bremscylindern führen soll, anderseits mit dem Druckreservoir und führt endlich durch eine dritte Oeffnung in die freie Luft. Je nach der Stellung des Dreiweghahnes ist die Druckleitung geschlossen, offen, oder mit dem Druckreservoir in Verbindung. Während jedoch die Druckleitung bei der ältern Construction direct mit den Bremscylindern in Verbindung stand und beim Anziehen der Bremse denselben durch die ganze Länge des Zuges hindurch die zum Ausgange des Kolbens erforderliche comprimirte Luft zuführen mußte, erhalten jetzt die Bremscylinder die comprimirte Luft von eignen Hilfsreservoirs, die einen Vorrath comprimirter Luft enthalten und für jeden Wagen unmittelbar neben dem Bremscylinder angebracht sind. Die Druckleitung hat beim Anziehen der Bremse keine weitere Function zu erfüllen, als den Communicationsschieber zu bewegen, welcher die Verbindung zwischen Bremscylinder und Hilfsreservoir bildet, und zwar geschieht dies durch Spannungsermäßigung in der Leitung. Wenn somit der Zug durch irgend einen Unfall getheilt und dadurch die Druckleitung zerrissen wird, kommen in beiden Hälften sofort alle Bremsen zur Wirkung – eine Eigenschaft, die keine andere Luft- oder Wasser-Bremse besitzt und wegen deren die automatische Bremse mit Recht den Vorzug verdient.Die Heberlein'sche sowie andere Kettenbremsen (z.B. jene von Clark * 1870 195 302) lassen gleichfalls diesen Vortheil erreichen.M-M. Außerdem kann in Folge dieser Eigenschaft der zweite Rohrstrang, mit dem die ältere Bremse der Sicherheit halber ausgerüstet war, entbehrt werden, da jede größere Undichtheit desselben sich durch Anziehen der Bremsen geltend macht und daher sofort entdeckt wird. Durch Entfallen dieses Reservestranges mit seinen Kupplungen wird das Mehrerforderniß eines Hilfsreservoirs und Communicationsschiebers theilweise ausgeglichen. Die Einrichtung dieses Systemes für einen Waggon europäischer Construction der englischen Midland-Eisenbahn ist in Fig. 1 und 2 dargestellt, in welchen B den Bremscylinder, C den Communicationsschieber, H das Hilfsreservoir und L die Druckleitung bezeichnet; h ist die Leitung vom Communicationsschieber zum Hilfscylinder, b die Leitung zu den Bremscylindern, von denen hier zwei in verticaler Anordnung, nach Art einer Kniehebelpresse auf die Bremsklötze wirkend, gezeichnet sind, während selbstverständlich ebensowohl die horizontale Disposition mit einem Bremscylinder (vgl. * 1874 213 9) gewählt werden kann. Die Wirkungsart der Bremse ist nun im Allgemeinen leicht ersichtlich; um die Bremse anzuziehen, verbindet der Führer die Druckleitung mittels des Dreiweghahnes mit der freien Atmosphäre, in Folge dessen Spannungsermäßigung in der Leitung L, Niedergang des Communicationsschiebers C und Ueberströmen comprimirter Luft vom Hilfsreservoir H durch die Leitung h nach C, von C nach dem Bremscylinder B. Zum Entlasten der Bremsen wird der Dreiweghahn beim Führerstand so verstellt, daß comprimirte Luft aus dem Hauptreservoir an der Locomotive in die Druckleitung L gelangt, in Folge dessen Aufgang des Communicationsschiebers und Ausströmung der comprimirten Luft aus den Bremscylindern, während das Hilfsreservoir nunmehr in Verbindung mit der Druckleitung kommt und von dieser neu gespeist wird, um zu abermaliger Action bereit zu sein. Nach dieser allgemeinen Erörterung gehen wir zur Besprechung der einzelnen bemerkenswerthen Details über, und zwar möge zunächst das der automatischen Bremse eigenthümliche Communicationssystem zwischen Leitung, Bremscylinder und Hilfsreservoir besprochen werden, im Anschlusse hieran der damit verbundene Signalisirungsapparat, sowie endlich die Pumpe, Schlauchkupplung und der Bremscylinder, welche auch der ältern Westinghouse-Bremse angehörten, neuerdings aber wesentlich verbessert wurden. Der Communicationsschieber C ist mit seinem Gehäuse und den zugehörigen Theilen in Figur 3 [c/3] abgebildet. Bei L mündet in das Gehäuse die längs des ganzen Zuges durchgehende Druckleitung; bei b ist das zum Bremscylinder führende Rohr eingeschraubt, bei h endlich, durch den Communicationsschieber C verdeckt, der zum Hilfsreservoir führende Rohrstrang. Sämmtliche Leitungen aus halbzölligem (12mm,7 weitem) Gasrohr. Eine vierte Oeffnung f mündet in die freie Luft. Der Schieber C ist in dem obern Theile des cylindrischen Gehäuses eingeschliffen und wird durch den Stift t gerade geführt; die auf- und niedergehende Bewegung erhält er durch die Anschläge der Spindel s, die an ihrem untern Ende einen Kolben k trägt, welcher die untere Hälfte des Gehäuses von der obern luftdicht abschließt. In der gezeichneten Stellung jedoch vermag durch eine centrale Bohrung des Kolbens und eine diametrale Bohrung der Spindel Luft von unten nach oben zu gelangen; es kann deshalb die in der Richtung des Pfeiles bei L eintretende Luft der Druckleitung zur Leitung h des Hilfsreservoirs gelangen, während der Bremscylinder durch b unterhalb der Schiebermuschel mit f und der freien Luft communicirt. Auf diese Weise wird beim Ruhezustande der Bremse das Hilfsreservoir stets gespannt erhalten, so daß gleicher Druck in Druckleitung und Hilfsreservoir herrschend ist. Zur Anwendung der Bremse wird erstere entlastet; die Luft im Hilfsreservoir ist nicht im Stande, durch die kleinen Bohrungen nachzudringen, und drückt in Folge ihrer Ueberpressung den Kolben k nach abwärts. Dann wird durch einen Dorn d die kleine Oeffnung im Kolben vollends geschlossen und der Kolben k vollkommen nieder gedrückt, – mit ihm die Spindel s und der Communicationsschieber C, bis der Canal b blosgelegt wird und nun comprimirte Luft durch die Leitungen h und b vom Hilfsreservoir zum Bremscylinder gelangen kann. Auf diese Weise wird die Bremse angezogen – so lange, bis das Druckrohr L neuerdings mit comprimirter Luft gefüllt und dadurch der Kolben k gehoben wird; dadurch kommt der Schieber C wieder in die gezeichnete Stellung, und das Hilfsreservoir H erhält neue Füllung durch die Bohrungen des Kolbens k und der Spindel s. In die Canäle L und d ist ein Vierweghahn eingesetzt, den man nur um 90° nach links zu verdrehen braucht, um das Hilfsreservoir und den Communicationsschieber außer Thätigkeit zu setzen und die Bremse nach dem ältern System fungiren zu lassen, wie dies für die Einschaltung eines Waggon mit automatischer Bremse nothwendig ist. Endlich ist noch in die Leitung b zwischen Communicationsschieber und Bremscylinder das in Figur 4 dargestellte Leckventil eingeschaltet. Dasselbe hat den Zweck, das selbstthätige Einlösen der Bremse zu verhüten, wie dies durch Undichtheit des Schiebers C oder auch durch ein Leckwerden oder eine Druckschwankung der Druckleitung L erfolgen könnte. Hierdurch würde ein successives Herabgehen des Kolbens k veranlaßt werden, bis endlich ein schwacher Luftstrom vom Hilfsreservoir über die Kante von C in die Leitung b zum Bremscylinder strömt. Damit derselbe jedoch nicht fortwährend an Kraft zunimmt, bis sich der Bremskolben heben würde, so ist das erwähnte Leckventil eingeschaltet, welches aus einem oben offenen Gehäuse besteht, in das ein cylindrisches Kolbenventil lose eingesetzt ist. Dieses gestattet nun dem in die Rohrleitung d eintretenden schwachen Luftstrome ins Freie zu entweichen, so daß dann entsprechend der durch Undichtheit entstandenen Druckabnahme in der Hauptleitung nun auch im Hilfsreservoir langsame Druckabnahme erfolgt; dadurch bleibt das Gleichgewicht auf beiden Seiten des Kolbens k erhalten und es findet kein weiterer Niedergang des Schiebers C statt. Sobald jedoch zur Anwendung der Bremsen die Druckleitung völlig entlastet wird, sinkt der Kolben k mit dem Schieber C nach abwärts, die Leitung b wird ganz geöffnet und vom Hilfsreservoir mit comprimirter Luft erfüllt, welche den Kolben im Leckventil nach aufwärts gegen eine Kautschukplatte preßt und hierdurch ein weiteres Entweichen der Luft verhindert, so daß nun der volle Druck auf die Bremsen wirksam wird. Insoweit dient die hier beschriebene Einrichtung dem Zwecke des Bremsens von der Locomotive aus; um den Zug auch von dem Hüttelwagen aus bremsen zu können, ist in demselben ein Ventil in die Druckleitung eingeschaltet, um dieselbe auch von hier aus völlig entlasten zu können. Um endlich aber von jedem Waggon aus Signale zu geben, enthält jeder derselben gleichfalls ein Entlastungsventil, welches jedoch nur eine theilweise Entlastung der Druckleitung gestattet – eben groß genug, um den Kolben k und den Communicationsschieber C so weit zu verstellen, daß das Leckventil Figur 4 zur Wirkung kommt. Wenn somit eines der theilweisen Entlastungsventile geöffnet wird, bläst längs des ganzen Zuges ein schwacher Luftstrahl aus allen Leckventilen heraus. Das an dem Tender befindliche hat eine Pfeife aufgesetzt und gibt somit ein hörbares Signal, auf welches der Führer in dem betreffenden und durch ein selbsttätiges Signal kenntlich gemachten Waggon nachsehen lassen und eventuell die Bremse in Thätigkeit setzen kann. Das Entlastungsventil ist in Figur 5 [d/1], welche die hintere Ansicht eines Wagens darstellt, unterhalb des Rahmens bei e ersichtlich und in Figur 6 [b/3] im Schnitte dargestellt; Figur 7 [b.c/4] stellt den Cylinder m dar, dessen Kolben (Fig. 5) mittels der Zugstangen a zwei Signalscheiben A auf beiden Seiten des Wagens herausdreht. Die Oeffnung des Ventiles 1 (Fig. 6) geschieht durch einen Hebel, von dem aus eine Schnur durch alle Coupés des betreffenden Waggon geht; beim Anziehen derselben hebt der Hebel mittels des Bolzens i das cylindrische Gehäuse g, welches mit seiner untern Scheibe in das Ventilgehäuse luftdicht eingepaßt ist. Sobald das Gehäuse g etwas gehoben ist, stößt es an die Ventilspindel und hebt das Ventil, worauf durch die Oeffnung L Luft aus der Druckleitung eingelassen wird, durch Ausschnitte in der Bodenscheibe von g nach unten tritt, durch den Ueberdruck auf die Scheibe das Gehäuse q und das Ventil völlig hebt und unabhängig von der Stellung des Hebels gehoben erhält. Die durch das gehobene Ventil tretende Luft entweicht durch einen links ersichtlichen Spalt der Bodenscheibe von g und gelangt zur Oeffnung l und von hier mittels der Rohrleitung l der Figur 5 zur Oeffnung l des Cylinders m Figur 7. Dadurch wird der Kolben des Cylinders m nach rechts getrieben und die Signalscheiben werden ausgedreht; die Luft entweicht continuirlich durch zwei im Cylinder m befindliche Löcher, welche der Kolben überschritten hat, und da durch Entlastung der Leitung alle Leckventile abblasen, so ertönt die Signalpfeife. Dies dauert so lange fort, bis der Ueberdruck der Druckleitung auf 2at gefallen ist, worauf sich das Ventil durch den Druck der Feder, welche den Gegendruck unter der Scheibe g überwindet, selbstthätig schließt; man kann somit durch eine momentane Entlastung der Druckleitung das Ventil e wieder in den normalen, geschlossenen Zustand bringen und hierauf die Signalscheiben A wieder nach einwärts drehen. Das so erzielte Signalsystem ist äußerst vollkommen zu nennen und läßt sich ohne große Kosten mit der automatischen Bremse verbinden; bemerkenswerth ist, daß zur Herstellung der Signalvorrichtung keine besondere Verkupplung erforderlich ist, sowie auch die Signalleine entfallen kann. Daß die Signalvorrichtung im Moment des Bremsens den Dienst versagt, ergibt sich aus der Wirkungsweise der Leckventile von selbst. Die Construction der Pumpe ist aus Fig. 8 und 9 im Vertical- und Horizontalschnitt ersichtlich. Zu oberst ist der Dampfcylinder und empfängt Dampf durch einen rohrartigen Ansatz a auf der linken Seite, während der gebrauchte Dampf rechts durch b entweicht. Das obere und untere Ende des Rohres a communicirt mit b; zwischen diesen Oeffnungen hat a Gehäuse eingesetzt, welche durch im Umfang gebohrte Löcher mit dem Dampfcylinder in Verbindung stehen. In diesen Gehäusen spielen die beiden Steuerkolben, welche durch eine gemeinsame Stange verbunden sind und in Folge der größern Fläche des obern Kolbens die Tendenz zur Bewegung nach aufwärts haben. Diesem Bestreben wird in der Stellung der Figur 8 durch einen dritten Kolben c entgegen gewirkt, dessen Stange auf die Verbindungsstange der Steuerkolben aufstößt; oberhalb des Kolbens c herrscht die gleiche Spannung wie im Raume a, da der Cylinder von c mit einem Raume d communicirt, welcher durch die Bohrung e (Fig. 9) mit dem Rohre a in Verbindung steht und dadurch stets mit frischem Dampfe gefüllt ist. Der Kolben des Dampfcylinders bewegt sich in der Richtung des Pfeiles, das Spiel der unterhalb befindlichen Luftpumpe ist dabei durch die Pfeile der Figur 8 deutlich angezeigt; die Stellung der Steuerkolben gibt Dampfeintritt unten, Dampfaustritt oben. So gelangt der Dampfkolben ans Ende seines Hubes und stößt hier mit der aufgeschraubten Platte p an eine Verdickung der Spindel s, welche in eine Bohrung der Dampfkolbenstange hinein ragt. Dadurch wird ein im Gehäuse d befindlicher Schieber nach aufwärts bewegt, was zur Folge hat, daß der Raum des Kolbens c nunmehr unter der Schiebermuschel in d mit dem Dampfaustritt communicirt, und so dem Steuerkolben gestattet, sich zu heben. Darauf folgt Niedergang des Kolbens, bis die Platte p an das andere Ende der Spindel s anschlägt und abermalige Umsteuerung erfolgt. Diese verhältnißmäßig einfache Steuerung bedingt geringere Dampfverluste als viele andere jetzt moderne Steuerungen direct wirkender Pumpen und arbeitet mit bewundernswürdiger Ruhe und Regelmäßigkeit. Die Schlauchverkupplungen, welche zur Verbindung der Druckrohre zwischen zwei Waggons dienen, bestehen aus einem einfachen Bajonnetverschluß, sind aus Gußeisen hergestellt und wesentlich billiger wie die ältere, gleichem Zwecke bestimmte Construction. Die zusammengestellte Kupplung ist in Fig. 10 und 11 [b/2] in Längs- und Querschnitt, in Fig. 13 und 14 in den äußern Ansichten gezeichnet; Figur 12 endlich stellt das äußere Gehäuse b dar, wie es ganz symmetrisch an jedem Wagenende angebracht ist. Bei der automatischen Bremse, für welche die Kupplung in der untern Hälfte von Figur 11 dargestellt ist, wird in das Bajonnetgehäuse d ein Kautschukring eingelegt, auf diesen ein Korb d ausgesetzt, die Spiralfeder eingelegt und das ganze mit der Kappe K verschlossen, welche mit vier vorstehenden Armen den Kautschukring innen festklemmt und den Korb mittels der Spiralfeder gegen die freie Fläche des Kautschukringes preßt. Die so beschaffenen Kupplungstheile werden unter rechtem Winkel wider einander gelegt und dann um 90° verdreht. Dabei schleift der Zahn z (Fig. 13) eines jeden Bajonnetgehäuses auf der schiefen Ebene y des andern, so daß beide Gehäuse fest gegen einander gepreßt werden. Der innere Ueberdruck, welcher auf die freie Fläche des Kautschukringes wirkt, erhöht dadurch noch den dichten Abschluß. Die Bajonnetgehäuse haben an den Enden geriefte Rohrstücke, um den Kautschukschlauch aufzunehmen, welcher an das Druckrohr befestigt ist; die Schläuche müssen so angebracht sein, daß die zusammengestellte Kupplung wie in Figur 14 herabhängt, derart, daß die Anschlagstiften a, welche ein selbstthätiges Auslösen durch das Eigengewicht verhindern sollen, nach unten kommen. Bei der in der untern Hälfte von Figur 11 gezeichneten innern Anordnung muß an beiden Enden des am Waggon befindlichen Druckrohres ein Wechsel eingeschaltet sein, um die Leitung am letzten Wagen absperren zu können; statt dessen kann man auch in die Kupplung selbst ein Absperrventil legen, welches so eingerichtet ist, daß es sich bei geschlossener Kupplung öffnet. Dies ist die Einrichtung der Figur 10 und der obern Hälfte von Figur 11. Der innere Rand des Kautschukringes ist wie früher durch die Abschlußkappe K festgeklemmt; statt des Korbes d aber ist eine Ventilplatte v eingesetzt, die in einen durchbrochenen Cylinder übergeht und mit diesem im Kautschukringe Führung hat. Bei geschlossener Kupplung stoßen die cylindrischen Fortsätze beider Ventile wider einander wie in Figur 10, oder gegen den engern Kautschukring der einfachern Kupplung wie in Figur 11, so daß das Ventil geöffnet bleibt; beim Lösen der Kupplung drückt die Platte v die untere schwache Spiralfeder zusammen und schließt auf dem Kautschaukringe dicht. Die Anordnung des Bremscylinders endlich ist aus Figur 1 ersichtlich. Der plungerartige Fortsatz des mit Lederstulp abgedichteten Kolbens geht aus dem obern Deckel des Bremscylinders heraus und trägt hier zwei abgekröpfte Arme angelenkt, deren untere Enden die Druckstangen zu den Bremsklötzen tragen. Oberhalb des Angriffes derselben ist auf jedem Arme ein Sector aus Schalenguß angebracht, welche wider einander anliegen und durch zwei am Boden des Bremscylinders befestigte Stangen getragen werden. Beim Aufgange des Bremskolbens wälzen sich die Quadranten auf einander ab und zwängen die abgekröpften Arme sammt den Druckstangen nach auswärts. Ein nach diesem System ausgerüsteter Zug der Midland Eisenbahn nahm voriges Jahr an den großen vergleichenden Versuchen Theil, welche in England über die Wirksamkeit continuirlicher Bremsen angestellt wurden, und brachte einen Zug von 200t Gesammtgewicht von 84km stündlicher Geschwindigkeit in 16 1/2 Secunden auf 265m zum Stillstand – eine Leistung, die von keiner andern Bremse erreicht wurde und Zeugniß gibt, wie die Ingangsetzung der Bremsen fast momentan erfolgt. Zu demselben Zwecke wurden auch von der „Westinghouse Aire Braks Company“ unter der Leitung des bekannten Schriftstellers und Herausgebers der „Railroad Gazette“ M. N. Forney Versuche angestellt, welche ergaben, daß für einen Zug von 10 Waggons die Bremse von Westinghouse in 2 3/4 Secunden in voller Kraft fungirt, während bei der Vacuumbremse von Smith zu demselben Zwecke 12 bis 16 Secunden erforderlich waren. In Folge aller dieser Vorzüge, welche diese durchdachte Construction auszeichnen und sich in der Praxis vollkommen bewähren, ist die automatische Bremse trotz der kurzen Zeit ihres Bestehens schon auf zahlreichen Bahnen zur Anwendung gekommen, wie auch die zum Verkehr der Ausstellung dienenden Züge mit derselben ausgerüstet waren. 60. Vacuumbremse von Smith. (Fig. 15 und 16 [c/2].) Während die Westinghouse-Bremse comprimirte Luft zum Austreiben der Bremskolben benutzt, wird bei der Smith-Bremse der Bremskolben durch den Ueberdruck der äußern Luft gegen ein im Innern des Bremscylinders erzieltes Vacuum bewegt. Da im erstern Fall ein Ueberdruck von 5at und mehr leicht herzustellen ist, während im letztern nur mit Mühe 0at,66 effectiver Druck entsprechend einem Vacuum von 500mm Quecksilber erreicht werden kann, so ist von vornherein klar, daß die Smith-Bremse bedeutend größere Dimensionen erfordert; außerdem ist die Dichtung empfindlicher, die Wirkung entschieden langsamer als selbst bei der alten Westinghouse-Bremse, so daß es schwer erklärlich wird, warum diese Bremse überhaupt je in Aufnahme gekommen ist, wenn man nicht vielleicht das nette Detail des Luft saugenden Ejectors als genügenden Grund anführen sollte. Derselbe ist in Figur 15 dargestellt; er wird auf der Locomotive angebracht und besteht aus dem Gehäuse g, in welches am untern Ende das Dampfrohr A seitlich einmündet. In das Gehäuse g eingesetzt ist die Düse d, welche von einem Querrohr durchbrochen ist, das eine zweite Düse f trägt. Unterhalb d und durch ein Ventil abgeschlossen ist ein Kreuzstück, in welches die Enden der beiden Saugrohre S einmünden, die unter dem ganzen Zug durchgehen. Der bei A eintretende Dampf strömt durch die mittlere Düse f und den ringförmigen Querschnitt zwischen der Düse d und dem Gehäuse g aus, erzeugt ein Vacuum, öffnet das Absperrventil und saugt die Luft aus den beiden Saugrohren S und den Bremscylindern an sich. Es wurde durch Versuche ermittelt, daß bei 7at Kesselspannung der beschriebene Ejector in 2 Secunden ein Vacuum hervorbrachte von 50mm, in 6 Secunden von 125mm, in 10 Secunden von 220mm, in 22 Secunden von 500mm und in 29 Secunden ein Vacuum von 600mm Quecksilber als äußerste Grenze der Leistungsfähigkeit. Die Saugrohre S gehen in einer doppelten Reihe und auf ähnliche Art verkuppelt wie bei der Compressionsbremse mit 40mm innerer Lichte unter dem ganzen Zug hindurch; dabei ist zu bemerken, daß alle Kautschukschläuche mit eingelegten Drahtspiralen versehen sein müssen, um von der äußern Luft nicht zusammengepreßt zu werden. Die Bremscylinder endlich bestehen gleichfalls aus Kautschuk, durch Drahtringe versteift, mit gußeisernen Deckeln an beiden Enden versehen. Der eine dieser Deckel ist an dem Wagengestell befestigt und steht in Communication mit dem Saugrohre, das andere Ende des Bremscylinders ist mit dem zum Anpressen der Bremsklötze bestimmten Hebel verbunden. In der Ausstellung waren statt des Widerstandes der Bremsklötze Spiralfedern in die Kautschuksäcke eingelegt (Fig. 16), welche beim Gange des Ejectors durch den Druck der äußern Luft comprimirt wurden. 61. Scofield's Geraderichtmaschine. (Fig. 17 [c/4].) Dieses einfache Werkzeug, welches in vielen Fällen die Schrauben-Presse ersetzt, aber handlicher ist als diese, scheint bei uns noch gänzlich unbekannt zu sein. Es besteht aus einem entsprechend verstrebten Gehäuse aus Eisenblech, welches über das zu biegende Stück geschoben und dann mit den Oesenringen geschlossen wird. Dann wird mittels des Handhebels und der Schraubenspindel, die in eine am Gehäuse angeschweißte Mutter eingreift, der mittlere Backen des Geraderichters gegen das ausgebogene Stück angepreßt, während die beiden äußern Backen so verschoben werden, daß sie an den beiden Endstellen der Biegung anliegen. Die leichteste Nummer dieser Vorrichtung für Wellen von 25 bis 40mm Durchmesser, 400mm lang, wiegt nur 6k,5 und kostet 25 Dollars (etwa 90 M.); es ist jedoch kein Zweifel, daß sich dieselbe auch zu billigerm Preise mit Vortheil herstellen lassen kann und dann insofern wesentlich zur Erhaltung der Drehbank beitragen wird, als der Arbeiter weniger leicht in Versuchung kommt, etwaige Ungenauigkeiten abzudrehender Stangen durch Hammerschläge zu reguliren. 62. Pratt's Bohrkopf. (Fig. 18 und 19 [d/4].) Dieser in Fig. 18 und 19 dargestellte Bohrkopf besteht aus dem auf die Bohrspindel aufzuschiebenden Futter A und dem Kopf B, welcher die zum Festklemmen des Bohrers bestimmten radialen Backen b enthält. Von denselben sind drei Stücke, unter 120° geneigt, angebracht, zwischen welchen der Bohrer eingelegt und dann durch Anziehen des Kopfes B genau centrisch festgeklemmt wird. Zu diesem Zwecke ist ein Ring C zwischen A und B eingelegt und mit denselben so verbunden, daß er sich mit dem Kopf B drehen muß, aber der Längsbewegung desselben nicht folgen kann. In C sind drei geneigte Schlitze, auf welchen die hintern Enden dreier Hebel s aufliegen, deren anderes Ende je einen der drei Spannbacken b erfaßt, während die Mitte der Hebel kugelförmig abgedreht und, durch eine Schraube gehalten, den Drehungspunkt bildet. Auf dem Futter A ist ein Schraubengewinde eingeschnitten, in welches das Muttergewinde des Kopfes B eingreift, so daß beim Rechtsdrehen des letztern A und B zusammen rücken. Dabei werden die äußern Enden der doppelarmigen Hebel s nach auswärts, die innern nach einwärts gepreßt und somit die Spannbacken b gegen den Schenkel des eingesteckten Bohrers geklemmt. Um den Bohrer zu lüften, wird der Kopf B links gedreht, wodurch die hintern Enden der Hebel s durch die Stifte a, welche in seitliche Schlitze des Ringes C eingreifen, nach einwärts gezogen werden. (Fortsetzung folgt.)

Tafeln

Tafel Tafel I
Tafel I