Titel: Schieberumsteuerung ohne Anwendung von Excentern oder Gegenkurbeln: von J. Hofmann, Lehrer an der Baugewerkschule in Höxter.
Autor: J. Hofmann
Fundstelle: Band 223, Jahrgang 1877, S. 30
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Schieberumsteuerung ohne Anwendung von Excentern oder Gegenkurbeln: von J. Hofmann, Lehrer an der Baugewerkschule in Höxter. Mit Abbildungen im Text und auf Taf. II [d/4]. Hofmann's Schieberumsteuerung. Ich gehe aus von der Steuerung Heusinger's von Waldegg Es ist unbegreiflich, daß diese in Belgien so sehr verbreitete Steuerung (dort allerdings unter dem Namen Walschaert) in Deutschland bis auf die neueste Zeit fast gar nicht in Anwendung gekommen ist.; dieselbe besteht aus einem Excenter oder einer Gegenkurbel und einer Hebelverbindung. Das Excenter ist hierbei mit einem Winkel von 90° vor- oder rückwärts gegen die Kurbel versetzt; somit hängt die Voreilung lediglich von der Hebelverbindung ab. Vorliegende Construction hat nun den Zweck, die Functionen des einen Excenters ebenfalls einem Hebelmechanismus zu übertragen. I) Für die Lösung der Aufgabe drängt sich zunächst der Gedanke auf, einen Lenker KJ an der Pleuelstange selbst zu befestigen und diesen durch einen Gegenlenker zu führen. Hierbei fällt aber der Mittelpunkt des Kreises, in welchem J geführt wird, immer auf die Seite der Kurbel, und die Aufgabe würde sich so verhältnißmäßig noch am günstigsten stellen, wenn man den Punkt K in den Kurbelpunkt M selbst verlegte. Ferner muß der Lenker KJ aus später folgenden Gründen lang sein; zugleich soll aber der Schieber nicht zu weit von der Cylinderachse abstehen. Um also beiden Forderungen gerecht zu werden, und um zugleich die ganze Construction möglichst auf die Kreuzkopfführung zusammenzudrängen, habe ich den Punkt K unter der Pleuelstange gelegt. Nimmt man nun die Lage von K und die Länge KJ als gegeben an, so handelt es sich darum, die Länge des Gegenlenkers BJ und dessen festen Punkt B zu finden. Zu diesem Zwecke stellt man sich die gleichen Kolbenwegen entsprechenden Lagen von K her und beschreibt daraus mit der angenommenen Länge KJ Kreise x. Verbindet man dann die Durchschnittspunkte je zweier, gleichen Kolbenwegen zugehörigen, geometrischen Orte (x) durch einen Kreis, so ist dessen Mittelpunkt der Punkt B und der Gegenlenker BJ somit gefunden. Auf dem Wege von J liegen aber die den Kurbelstellungen über der Achse entsprechenden Punkte viel weiter aus einander als die für die Kurbelpunkte unter der Achse. Deshalb muß der Punkt G der Coulisse so in die (willkürlich gewählten) geometrischen Orte (y) gelegt werden, daß sich diese Ungleichheit wieder aufhebt. Man hat es hier also noch vollständig in der Hand, der Coulisse resp. dem Schieber einen größern oder geringern Ausschlag zu geben, und kann den Coulissenmittelpunkt und die Neigung der Schieberschubstange so günstig annehmen, wie man will. Die Schieberschubstange EH ist der Radius der Coulisse. Die Bewegung des Punktes F (bei D geführt) ist die Bewegung des Schiebers. Die Untersuchung der Bewegung des Schiebers ist ganz analog der bei der Heusinger'schen Steuerung. Denkt man sich nämlich zuerst den Kreuzkopf als in Ruhe befindlich, dann wird die von der Stange JK allein abhängige Bewegung folgende sein: Hebt sich die Pleuelstange aus ihrer todten Lage bis zur Höhe der Kurbelstellung vom Winkel ω, so geht K und somit auch J annähernd in die Höhe um a/(a + b) r sin ω; daher Constructionsbedingung, KJ möglichst lang zu nehmen. Ist nun n die mit Rücksicht auf die Schieberbewegung und die Lage des Coulissenmittelpunktes gewählte Verhältnißzahl zwischen dem Wege, welchen der Punkt G zurücklegt, und dem Wege, den J beschreibt, während die Kurbel von ihrem höchsten zu ihrem tiefsten Punkte geht, so geht G nach links um den Betrag n a/(a + b) r sin ω Folglich geht H und ebenso E nach rechts um (p/o) n a/(a + b) r sin ω Und somit geht F nach rechts um (f + g)/g p/o n a/(a + b) r sin ω    (1) Nun denke man sich die Hebestange KJ unberührt, und die Bewegung des Punktes F lediglich veranlaßt durch die Bewegung des Kreuzkopfes: Geht die Kurbel aus ihrer todten Lage heraus um den Winkel ω nach M, so geht der Kreuzkopf von A nach A'. Es ist aber AA' = r (1 – cos ω). Da bei ruhig gedachtem KJ auch der Punkt E als ruhig anzunehmen ist, so geht Punkt F nach links um (f/g) r (1 – cos ω)    (2) Die Summe beider Bewegungen (1) und (2) ist die wirkliche Bewegung des Punktes F. Daher geht, wenn sich die Kurbel aus ihrer todten Lage um ω heraus dreht, der Punkt F nach rechts um die Größe (f + g)/g p/o n a/(a + b) r sin ω – (f/g) r (1 – cos ω)    (3) Dreht sich die Kurbel bis zu ihrem zweiten todten Punkte, d.h. wird ω = 180°, so ist die ganze vom Schiebermittelpunkt zurückgelegte Wegeslänge = (2f/g) r. Wenn der Schieber auf gleiches Veröffnen montirt ist, dann liegt das Schieberspiegelmittel in der Mitte dieser Strecke, d. i. in – (f/g) r    (4) Der Ausdruck (3) gibt die Entfernung des Schiebermittels von dessen Lage im todten Punkte der Kurbel, der Ausdruck (4) die Entfernung des Schieberspiegelmittels von derselben Lage; folglich ist der Schieberweg ξ, d.h. die Entfernung des Schiebermittels vom Schieberspiegelmittel, gleich der Differenz der beiden Ausdrücke (3) und (4), oder ξ =(f + g)/g p/o n a/(a + b) r sin ω + (f/g) r cos ω   (5) Setzt man f/g r = A und (f + g)/g p/o n a/(a + b) r = B, so stellt sich die Gleichung (5) dar in der Form: ξ = A cos ω + B sin ω Der Schieberweg befolgt demnach hier ganz dasselbe Gesetz, wie wenn er hervorgerufen wäre durch die Bewegung eines Excenters, und läßt sich daher auch durch dasselbe Polardiagramm darstellen. Die Centralcurve für dieses Diagramm ist eine Gerade, senkrecht zur Schubrichtung; denn der Ausdruck für die Abfassen A/2 = 1/2 f/g r enthält p nicht, ist also constant. Somit ist auch das Veröffnen bei allen Expansionsgraden dasselbe. Die Ordinaten berechnen sich aus B/2 = 1/2 (f + g)/g p/o n a/(a + b) r. Für größte Füllung ist p/o = q/o, und hierfür wird B/2 zunächst bestimmt. Will man die Schieberkreise für die andern Expansionsgrade, so hat man nur die Centralcurve der Stellung des Punktes H entsprechend zu theilen. Z.B. für p = 1/2 q ist p/o = (1/2) (q/o); daher die Ordinate gleich der Hälfte der vorigen u.s.w. II) Die vorstehend entwickelte Construction ist natürlich ganz allgemein giltig; aber die Werthe werden um so schlechter, je mehr der Punkt K sich dem Kreuzkopf nähert (wegen des Ueberschneidens der verschiedenen Pleuelstangenneigungen). Anders verhält sich die Sache, wenn man den Punkt K grade unter den Drehpunkt A der Pleuelstange legt; dann fallen die verticalen Erhebungen von K (annähernd) ganz weg, und ich habe hierauf folgende Construction gegründet: Mit dem Kreuzkopf verbunden ist der um den festen Punkt S drehbare Hebel OP, mit der Pleuelstange der im Punkte G der Coulisse schwingende Hebel UV. Beide Hebel sind durch die Stange PV mit einander verbunden. Die Bewegung von G ist hierdurch vollständig unabhängig von der Bewegung des Kreuzkopfes; denn wäre U statt an der Pleuelstange am Kreuzkopfe befestigt, so würde nach den Eigenschaften des Parallelogramms der Punkt G bei allen Stellungen des Kreuzkopfes in Ruhe sein. Weil aber U an der Pleuelstange befestigt ist, so beschreibt G den durch das Hebelverhältniß n/(m + n) bestimmten Theil des Weges BK. Es haben also hier die drei Stangen OP, UV und PV ganz dieselbe Function wie früher die Stangen KJ, JG und BJ; aber die Construction ist nun vollständig auf die Kreuzkopfführung zusammen gedrängt und besonders gut für die Fälle anzuwenden, wo zwischen Cylinder und Kurbel nur ein geringer Raum disponibel ist, also für kurze Stangen bei großem Hub. Vom Punkte B des Kreuzkopfes wird, wie im erstern Falle durch die Lenker QB verbunden, der Hebel QF bewegt, die Schieberstange bei D geführt u.s.w. Die Untersuchung der durch diesen Mechanismus hervorgerufenen Schieberbewegung ist ähnlich der vorigen. Denkt man sich den Hebel QF losgekuppelt, dann wird, wie sich der Kreuzkopf von A nach A' bewegt, die Kurbel aus ihrer todten Lage um den Winkel ω herausgehen, und der relative Weg zwischen B und K wird sein: a/b r sin ω. Folglich gehen G bezieh. H und E nach rechts um n/(m + n) a/b r sin ω, bezieh. p/q n/(m + n) a/b r sin ω. Somit geht F nach rechts um die Größe (f + g)/g p/q n/(m + n) a/b r sin ω    (1) Denkt man sich nun Q wieder an den Kreuzkopf angekuppelt, dann geht Q nach rechts um r (1 – cos ω). Daher geht F nach links um f/g r (1 – cos ω)    (2) Die Summe beider Bewegungen gibt die Bewegung des Punktes F nach rechts um den Betrag (f + g)/g p/p n/(m + n) a/b r sin ωf/g r (1 – cos ω)    (3) Die weitere Entwicklung ist nun ganz gleich der vorigen; daher ist der Schieberweg ξ = A cos ω + B sin ω. Hierin ist A = f/g r und B = (f + g)/g p/q n/(m + n) a/b r. Somit ist auch hier wieder das Veröffnen bei allen Expansionsgraden dasselbe. Um die erlangte Dampfvertheilung an einem Beispiele zu ersehen, füge ich die für eine kleinere Versuchsmaschine (zu einem Dampfschiffe für 8 Personen) nach beiden Constructionen I und II projectirten Verhältnisse bei. I. f =    16mm n = 0,51 g = 298 a/(a+b) = 0,476 q =   60 A/2 für die größte Füllung = 2mm,95 o = 111 B/2  „    „       „          „      = 7mm,60 r = 110 Lage von K unter der Pleuelstangenachse 70mm Länge von KJ = 300mm, JG = 140mm, BJ = 291mm Länge der Pleuelstange A'M = 840mm Die festen Punkte B und C sind auf einem gemeinsamen Ständer. II. f =    15mm n/(m+n) = 0,5 g = 276 r = 110 a/b = 0,19 q =   78 A/2B/2 für größte Füllungd. i. für p/q = 1 = 2mm,99= 5mm,51 Fig. 1–2., Bd. 223, S. 35 Wie aus den Diagrammen ersichtlich, gibt die Construction II bei raschem Oeffnen des Schiebers kleine Schieberwege, kleinere Füllungs- und stärkere Expansionsverhältnisse als Construction I.

Tafeln

Tafel Taf. II
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