Titel: | Ueber Indicatordiagramme; von Paul Käuffer in Kaiserslautern. |
Autor: | Paul Käuffer |
Fundstelle: | Band 223, Jahrgang 1877, S. 132 |
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Ueber Indicatordiagramme; von Paul Käuffer in
Kaiserslautern.
Mit Abbildungen auf
Texttafel A.
Käuffer, über Indicatordiagramme.
In den meisten Schriften über Dampfmaschinen, Steuerungen,
Schwungmassen-Berechnungen etc. werden die Diagramme aufgezeichnet und in
Rechnung gezogen genau so, wie sie der Indicator liefert, und doch ist dies ganz
falsch. Zur Berechnung der in dem Maschinencylinder geleisteten Gesammtarbeit kann
man sich wohl mit Recht der Diagramme in dieser Form bedienen, aber nicht, wenn man
die arbeitenden Druckdifferenzen auf den Kolben von Augenblick zu Augenblick
verfolgen will, z.B. um die nöthige lebendige Masse dem Schwungrad zu ertheilen zur
Erreichung eines vorgeschriebenen Gleichförmigkeitsgrades im Verlauf jeder einzelnen
halben Umdrehung, oder um, nach Radinger, die
erforderlichen lebendigen Massen in Kolben und Lenkstange zu bestimmen.
Taf. A. P. Käuffer. Ueber Indicatordiagramme. S.
132–133.
Es besteht jedes Diagramm aus der Arbeitscurve und aus der Widerstandscurve; diese
beiden Curven sind aber nicht gleichzeitig gezogen worden, sondern beispielsweise
die Arbeitscurve beim Hingang von links nach rechts und die Widerstandscurve beim
Rückgang von rechts nach links. Um einen arbeitenden Dampfcylinder genau zu prüfen
(zu indiciren, wie man wohl sagt), habe ich, wo ich es konnte, an jedem Ende des
Cylinders einen Indicator aufgeschraubt, und es ist bei der Analyse eines solchen
Falles gewesen, wo ich zuerst die Nothwendigkeit dieser Correction einsah.
In den Figuren
1 und 2 habe ich diesen Fall möglichst klar zu illustriren versucht.
Die Maschine, oder besser gesagt die Steuerung, arbeitet ganz gleichmäßig und beide
Diagramme, links und rechts sind sich einander ganz gleich. Das vom Indicator
gezogene Diagramm links
Figur 1 habe
ich in Figur 2
mit den Buchstaben abcd und das vom rechten Ende
gezogene mit a₁b₁c₁d₁ umschrieben. Hier ist nun Folgendes wohl zu beachten: Beim
Hingang des Kolbens von links nach rechts wurden gleichzeitig gezogen die Curven abc und
c₁d₁. Es
war also am Anfang dieses Hubes die arbeitende Druckdifferenz auf den Kolben nicht
die Höhe ad wie das uncorrigirte Diagramm es
erscheinen läßt, sondern ac₁, sowie die
Druckdifferenz am Hubende nicht mehr gleich Null war, wie das uncorrigirte Diagramm
es erscheinen läßt, sondern cd₁. Wir sind hierbei
den voll gezeichneten Pfeilen gefolgt, entsprechend der Kolbenbewegung von links
nach rechts. Ebenso ist es natürlich mit dem Diagramm auf der rechten Seite, wo die
zwei zu gleicher Zeit gezogenen Curven den punktirt gezeichneten Pfeilen folgen. Das
Bild ist nun ein ganz anderes, das schraffirte Diagramm in Figur 2, als das vom
Indicator gelieferte uncorrigirte Diagramm Figur 1. Hat man nun ein
Diagramm zur Hand, und sollte man annehmen können, daß die Steuerung ganz
gleichmäßig auf beiden Seiten des Cylinders arbeitet, so ist die Correctur des
Diagrammes sehr einfach; man hat nur die Widerstandscurve herum zu legen, das rechte
Ende nach links und das linke nach rechts.
Ich führe einige Beispiele an, um den Werth dieser Correctur zu zeigen. Figur 3 ist ein
Diagramm aus Bauschinger's Indicatorversuchen an
Locomotiven. In Figur 4 ist dieses Diagramm corrigirt. Eine eincylindrige Maschine ohne
Schwungmassen würde ein solches Diagramm gar nicht fertig bringen, und wie groß
müßten dann die Schwungmassen sein, um im ersten Theile des Hubes so viel lebendige
Kraft in sich aufzunehmen, damit der dunkler schraffirte Widerstand im letzten Theile des Hubes, Figur 4,
überwunden werden könne. Nach Figur 3 zu urtheilen,
könnte man die Arbeitsleistung kaum gleichförmiger wünschen, und doch ist sie
wirklich stark ungleichmäßig.
Mit Fig. 1 und
2 war es
umgekehrt. Ein nach Figur 1 berechnetes Schwungrad war um Vieles zu schwer, weil der
Gleichförmigkeitsgrad der Arbeitsleistung im Cylinder viel niederer erscheint, als
er nach dem corrigirten Diagramm Figur 2 wirklich ist.
Diese Correctur wird sehr bald viele Dampfmaschinen von der ihnen unnatürlichen hohen
Compression vor dem Kolben, am Hubende, befreien. Ein
Blick auf Figur
4 zeigt sofort die sehr schädliche Einwirkung solcher Compression. Um dies
noch an einigen Beispielen zu zeigen, entnehme ich Fig. 5 und 7 dem gediegenen Werk von
Radinger: Ueber Dampfmaschinen etc. (2. Auflage S. 92
und 93). Diese beiden Diagramme sind so gezeichnet, wie sie von einem Indicator
geliefert würden. Diesen gegenüber habe ich diese Diagramme corrigirt aufgezeichnet,
und überlasse es dem Leser selbst zu urtheilen, ob er noch ferner ein solcher Freund
der vielfach empfohlenen Compression bleiben wird, wie er es vielleicht bis heute
war.