Titel: | Zur Theorie leuchtender Flammen; von Dr. Karl Heumann. |
Autor: | Karl Heumann |
Fundstelle: | Band 223, Jahrgang 1877, S. 196 |
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Zur Theorie leuchtender Flammen; von Dr.
Karl Heumann.
Heumann, zur Theorie leuchtender Flammen.
Nachdem constatirt worden war, daß ein kalter Gegenstand, welcher in eine Flamme
gebracht wird, dieselbe in seiner unmittelbaren Nähe zum Erlöschen bringt (1876 221 263), und daß auch Wärmeentziehung für sich allein
die Leuchtkraft einer Flamme aufzuheben vermag (vgl. 1875 217 199), ist es jetzt geboten, solche Fälle zu untersuchen, bei welchen
beide Wirkungen gleichzeitig auftreten.
Die erste Reihe von Versuchen über die Abstände zwischen den Flammen und den sie
berührenden Gegenständen wurden an nichtleuchtenden Flammen angestellt; doch bieten
die hellleuchtenden dieselben Erscheinungen, nur muß zu deren Beobachtung das Auge
durch passende Schirme vor dem blendenden Lichtmantel geschützt werden.
Führt man einen kalten Metalldraht in eine leuchtende Gas- oder Kerzenflamme,
so zeigt sich unter Anwendung der erwähnten Vorsichtsmaßregel, daß in der nächsten
Umgebung des Drahtes die Flamme völlig erloschen ist, daß aber in einem weit größern
Umkreis die Leuchtkraft aufgehoben wird. Gase sind zwar außerordentlich schlechte
Wärmeleiter; aber hier kommt ihre aufsteigende Bewegung und
Diffusionsgeschwindigkeit der Wärmeentziehung zu statten, wodurch stets neue
glühende Gastheilchen mit dem abkühlenden Drahte in unmittelbare Berührung gebracht
werden. In Folge dessen müssen sich die Wirkungen der Wärmeentziehung in um so
größerer Entfernung vom Drahte geltend machen, je kälter dieser selbst ist; besitzt
er nur eine geringe Dicke, so wird nach verhältnißmäßig kurzer Zeit seine Temperatur
so hoch steigen, daß die immer schwächer werdende Wärmeentziehung schließlich zu
unbedeutend ist, um eine auffallende Verminderung der Lichtstärke veranlassen zu
können.
Bei einem dünnen Metalldraht wird also im ersten Augenblick des Einführens in die
Flamme der Umkreis der erloschenen, sowie der entleuchteten Gase am größten sein;
beide concentrische Kreise werden kleiner werden, je mehr sich der Draht erhitzt,
und schließlich für unsere Beobachtung verschwinden, wenn das Metall Glühhitze
erreicht hat.
Bei dickem Metallstab dagegen muß so lange eine Verminderung beider Umkreise
eintreten, bis ein gewisser Gleichgewichtszustand erreicht ist und die Temperatur
des Stabes sich so gesteigert hat, daß alle neu zutretende Wärme nur noch den durch
Ausstrahlung und Fortleitung bedingten Wärmeverlust des Metalles ersetzen kann.
Hieraus ergibt sich, daß ein metallener Gegenstand von einiger Dicke die Leuchtkraft
einer ihn berührenden Flamme auf die Dauer bedeutend beeinträchtigen kann. –
Da es im Allgemeinen gleichgiltig ist, an welcher Stelle der Flamme sich der Wärme
entziehende Körper befindet, so spielt offenbar auch der Brennerkopf eine derartige entleuchtende Rolle, und der dicht über dem
Brenner befindliche, mehr oder weniger ausgedehnte, dunkle Theil der Flamme verdankt
nicht am wenigsten jener abkühlenden Wirkung des Brenners sein Vorhandensein. Um
letztere mit Sicherheit beurtheilen zu können, war es nöthig, über das Verhalten
einer leuchtenden Flamme bei Berührung mit einem Wärme entziehenden Gegenstand
präcise Versuche anzustellen, weil Alles darauf ankommt, in dieser Beziehung eine
Summe sicherer Kenntnisse zu erlangen, welche zu weitergehenden Schlüssen
berechtigen. Die demnächst anzuführenden Beobachtungen werden zum Theil mehr oder
weniger bekannt erscheinen, doch um so mehr ist eine scharfe Beweisführung nöthig,
als wir seither statt einer solchen nur mehr oder weniger unbestimmte Vermuthungen
besaßen, so daß zur Erklärung einer und derselben Thatsache bald von Abkühlung und
Verdünnung, bald von der Ausbreitung der Flamme nach Belieben gesprochen wurde.
Wenn eine leuchtende Gasflamme z.B. durch eine Porzellanschale wenig niedergedrückt wird, so büßt die Flamme etwas von ihrer Leuchtkraft
ein, und das Porzellan überzieht sich mit dicker Rußschicht. – Senkt man
jedoch von Anfang an rasch den Wärme entziehenden Gegenstand tief in die Flamme bis
zu deren untern Hälfte, so verschwindet die Leuchtkraft vollständig und das
Porzellan wird nicht im geringsten berußt.
Ich habe früher bewiesen, daß die Ausbreitung der Flamme und die hierdurch bedingten
Einflüsse im vorliegenden Fall unwesentlich sind, und daß die eintretende
Entleuchtung der Wärmeentziehung durch den kalten Gegenstand zugeschrieben werden
muß. Wenn nun, was leicht auszuführen ist, in beiden Fällen eine gleich große Fläche
der Porzellanschale von der Flamme bespült wird, so ist die Wärme entziehende
Wirkung etwaDem obern heißern Theil der Flamme wird wegen der größern Temperaturdifferenz
durch die Porzellanplatte in derselben Zeit etwas mehr Wärme entzogen. die nämliche, und doch wird die Fläche berußt, wenn sie sich im obern Theile
der Flamme befindet, im untern Theile dagegen nicht.
Zur Aufklärung dieser Thatsache wurde das Verhalten einzelner Theile des Lichtmantels
in folgender Weise geprüft: Ein weißes Porzellanstäbchen, welches in die untere
Hälfte einer aus runder (8mm weiter)
Oeffnung brennenden Gasflamme gebracht worden war, bewirkte, daß der hier ziemlich
dünne Lichtmantel in weitem Umkreis völlig blau wurde; diese Erscheinung war am
leichtesten zu beobachten, wenn das Auge durch einen passenden Schirm vor den
blendenden Partien der Flamme geschützt wurde. Auf dem Porzellan war auch nach
längerer Zeit keine Rußabscheidung zu bemerken. In den oberen Theil des Lichtmantels
gehalten, überzog sich das Stäbchen sofort mit Ruß, und die Rußschicht erlangte sehr
bald eine ziemliche Dicke. Daß auch in diesem Fall Schwächung des Lichtes eintrat,
war sehr deutlich zu bemerken.
Zur Erklärung für diese Erscheinungen stelle ich folgende Hypothese auf, zu deren
Begründung die Fortsetzung dieser Arbeit weiteres Material liefern wird.
„Die kohlenstoffhaltigen Leuchtmaterialien können in zweierlei Art
verbrennen, leuchtend, d.h. unter Kohleabscheidung in der Flamme, und
nichtleuchtend, d. i. ohne diesen Zwischenproceß.Die frühere Annahme, daß das Leuchten jener Flammen durch ausgeschiedenen
festen Kohlenstoff bedingt ist, halte ich – der Hypothese Frankland's gegenüber – mit
Enschiedenheit fest und werde in einer spätern Abhandlung neue Beweise
für jene Ansicht beibringen. Zu der erstgenannten Verbrennungsart ist eine gewisse, von der Natur des
Brennstoffes abhängige hohe Temperatur der Flamme nöthig, während die durch
künstliche Mittel abgekühlte Flamme nicht im Stande ist, jene Ausscheidung von
Kohlenstoff zu bewirken. Brennmaterialien, welche durch indifferente Gase
verdünnt sind, erfordern eine höhere Temperatur um jene Zersetzung zu erleiden,
als dies sonst der Fall sein würde.“
Bezüglich des letzterwähnten Punktes, welcher schon früher besprochen worden ist, bietet die Chemie
viele analoge Beispiele, indem verdünnte Lösungen häufig
erst beim Erhitzen Zersetzung erleiden, Niederschläge erzeugen etc., während dies
bei concentrirtern schon bei niedrigerer Temperatur der Fall ist.
Die verschiedenen Theile des Leuchtmantels einer Flamme besitzen nun sehr ungleiche
Temperatur, und ein kalter Gegenstand wird den heißen obern Theil des leuchtenden
Flammenmantels nur auf eine sehr kleine Strecke bis unter die zur Kohleabscheidung
nöthige Temperatur abkühlen, in Folge dessen dauert dieser Proceß ringsum ungestört
fort; dazu kommt noch der durch geeignete Versuchsbedingungen zwar zu beseitigende,
im Allgemeinen jedoch vorhandene Umstand, daß bereits an einer tiefer gelegenen, als
der abgekühlten Stelle der Flamme Kohleausscheidung stattfindet, und daß diese
Kohletheilchen bei ihrem Aufsteigen wider den in die Flamme gebrachten Gegenstand
stoßen und ihn berußen. Wird der letztere jedoch in den tiefer gelegenen, an sich
weniger heißen Theil des Leuchtmantels eingeführt, so sinkt die Flammentemperatur in
weitem Umkreis unter jene tiefste, zur Kohleabscheidung absolut nöthige
Grenztemperatur herab. Es kann somit weder ein Leuchten des betroffenen
Flammentheiles, noch ein Berußen des eingebrachten Gegenstandes stattfinden, da auch
der oben erwähnte Umstand, daß bereits weiter unten in dem nicht abgekühlten Theile
der Flamme Kohle abgeschieden sein könne, bei geeigneter Stellung des Porzellanstabs
nicht in Betracht kommt.
Gedenken wir nun des Versuches, welcher zu diesen Beobachtungen Veranlassung gab, so
finden wir jetzt die Erklärung für die Thatsache, daß eine Porzellanschale sich
berußt, wenn man eine leuchtende Flamme wenig durch sie
niederdrückt, in den zwei Umständen gegeben, 1) daß die Wärmeentziehung nicht
ausreicht, um die hier sehr heißen Flammengase auf einige Entfernung hin unter die
für Kohleabscheidung nöthige tiefste Temperaturgrenze abzukühlen, sowie 2) daß die
in den untern, nicht abgekühlten Flammentheilen zur Ausscheidung gelangten
Kohlestäubchen in die Höhe steigen und sich an den festen Gegenstand anlegen.
Das Nichtberußen eines kalten Gegenstandes, aber völlige Entleuchten der Flamme,
welches eintritt, wenn diese stark niedergedrückt wird,
hat seinen Grund hingegen darin, daß durch die frühzeitige Abkühlung die Flamme
nirgends eine so hohe Temperatur erreicht, als zur Kohleabscheidung nöthig ist.
Diese Betrachtungen lehren, daß, um kräftige Berußung eines Gegenstandes (z.B. bei
der Fabrikation von Oelruß oder beim Anwärmen von Glasbläserwaaren) zu veranlassen,
die Flamme nicht zu sehr abgekühlt werden darf, sondern genügende Hitze entwickeln muß, um
eine möglichst vollständige Kohleabscheidung herbeizuführen. Anderseits ist
natürlich auch allzu hohe Temperatur und zu unbeschränkter Luftzutritt von
Nachtheil, weil dann ein größerer Theil des abgeschiedenen Kohlenstoffes wieder
verbrennt.
Weiter ergibt sich aus obiger Ueberlegung, daß eine Abkühlung
der Flamme zum Zweck des Berußens gar nicht nöthig ist, denn der
Kohlenstoff wird ja nicht in Folge der eintretenden Temperaturerniedrigung in der
Flamme abgeschieden, sondern eine recht hohe Temperatur ist im Gegentheil gerade das
Mittel, um die Abscheidung zu bewirken. Hieraus folgt die Nothwendigkeit, daß auch
an einer glühenden Fläche, welche in die leuchtende Flamme gesenkt wird, Berußung
stattfinden muß. Da die Luft nicht völlig abgehalten werden kann, so verbrennt
fortwährend ein Theil des bereits abgelagerten Rußes, und aus diesem Grund ist die
Rußabscheidung an glühenden Flächen niemals so groß wie an weniger heißen; an ganz
kalten Körpern kann es sich jedoch unter Umständen ereignen, daß die Berußung
bedeutend geringer wird oder überhaupt nicht eintritt. – Der Versuch, eine
glühende Fläche zu berußen, erfordert einige Vorsichtsmaßregeln, weil sonst der Ruß
momentan abbrennt, sobald die Leuchtflamme entfernt wird.
Da also die gleichzeitig eintretende Wärmeentziehung bei der Berußung einer (kalten)
Fläche Nebenfache ist, so spielt der in die Flamme gebrachte Gegenstand nur die
Rolle einer Schanze, in welcher die abgeschossenen Kugeln aufgefangen werden, und
seine Wärme entziehende Wirkung kommt der Berußung nur in sofern zu statten, als
dadurch ein zu reichliches Verbrennen des in der Flamme suspendirten, sowie des
bereits abgelagerten Kohlenstoffes vermieden wird. Als sprechendes Zeugniß dafür,
daß der sich berußende Körper wirklich nur jene Function erfüllt, ist noch der
Umstand anzuführen, daß ein in die Flamme gebrachter Gegenstand sich fast einzig an
seiner untern, dem Gasstrom entgegenstehenden Fläche berußt; die obere Fläche nimmt
erst viel später einen ganz dünnen, schwärzlichen Hauch an.
Jene Thatsache ist ein erneuter Beweis, daß der Ruß in der Flamme bereits als fester Körper vorhanden ist und nicht in Dampfform, wie
Frankland meinte, denn sonst müßte die Berußung eine
Folge der Wärmeentziehung sein und auch auf der obern Fläche des Gegenstandes
Condensation der dichten, lichtgebenden Kohlenwasserstoffdämpfe stattfinden. Mit
Hilfe der vorstehend erwähnten Erfahrungen sind wir nunmehr im Stande, den
entleuchtenden Einfluß des Brennerkopfes und des nachströmenden kalten Gases zu beurtheilen und die
sich darbietenden Mittel zur Verminderung jener nachtheiligen Wirkung einer Prüfung
zu unterziehen.
Darmstadt, Laboratorium des
Polytechnicums.
(Fortsetzung folgt.)