Titel: | Ueber eine Ursache des unregelmässigen Verlaufes pneumatischer Processe; von Dr. Ferdinand Hurter in Widnes (Lancashire). |
Autor: | Ferdinand Hurter |
Fundstelle: | Band 223, Jahrgang 1877, S. 201 |
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Ueber eine Ursache des unregelmässigen Verlaufes
pneumatischer Processe; von Dr. Ferdinand
Hurter in Widnes (Lancashire).
Hurter, über pneumatischer Processe.
Die in der Technik verwertheten chemischen Processe werden manchmal, je nach dem
Zustand der verwendeten Reagentien, als trockene, nasse und pneumatische Processe
unterschieden.
Man hat unter die pneumatischen Processe namentlich auch den Hargreaves'schen
Sulfatproceß und den Deacon'schen Chlorproceß gezählt, hat diesen beiden Processen
vorgeworfen, daß sie unregelmäßig arbeiten, hat diesen Vorwurf, welcher specieller
dem Hargraeves' Proceß gemacht worden, generalisirt und auf sämmtliche pneumatische
Processe übertragen (vgl. Lunge 1876 219 252). Dieser Vorwurf ist nicht unbegründet. Jedem
pneumatischen Processe, speciell wo man Gase auf feste Körper einwirken läßt, hängen
gewisse Unannehmlichkeiten an oft so groß, daß diese Processe wieder verworfen
werden.
Die erste Schwierigkeit ist gewöhnlich die, den festen Körper in regelmäßigen Stücken
von gleichmäßiger Größe dem Gase darzubieten. Bei manchen Substanzen ist dies fast
unmöglich. Wie lange schon hat Schinz empfohlen, beim
Verbrennungsproceß das Brennmaterial in möglichst gleich großen Stücken der Luft
auszusetzen, und an wie vielen Orten wird wohl diese Maßregel befolgt? – In
Deacon's Chlorproceß hat man diese Schwierigkeit
dadurch beseitigt, daß man den gebrannten Thon in Form kleiner Kugeln anwendete, und
nachdem gefunden wurde, daß diese Kugeln nur auf beschränkte Zeit arbeiten, wurden
sie durch kleinere Stücke ersetzt, welche durch sorgfältiges Sieben möglichst
gleichförmig gehalten wurden. In Hargreaves' Proceß hat
sich die Nothwendigkeit des gleichförmigen Materials auch als bedeutende
Schwierigkeit fühlbar gemacht, und wird jetzt immer mehr daran gedacht, das Salz
mittels Maschinen in kugelförmige oder cylindrische Klumpen zu pressen, damit der
Gang des Processes ein regelmäßiger werde.
Bei gewissen pneumatischen Processen ist die Unregelmäßigkeit der Stücke von keinem
andern Nachtheil begleitet als dem, daß größere Stücke des festen Körpers
längere Zeit zu ihrer Umwandlung bedürfen. So z.B. kann man bei der Darstellung von
doppeltkohlensaurem Natron ungestraft Stücke von ganz verschiedener Größe verwenden,
so lange man reine Kohlensäure zur Verfügung hat; nimmt man aber Kohlensäure, welche
mit viel Luft verdünnt ist, etwa Verbrennungsgase, so macht sich obige Schwierigkeit
sofort fühlbar. Der Grund dieser Erscheinung dürfte nicht schwer zu finden sein. Wo
die ganze Gasmasse während der Reaction verschwindet, wird innerhalb der Poren des
festen Körpers ein leerer Raum erzeugt, in welchen neue Gastheilchen sich stürzen;
da kommt es denn auf die Größe der Stücke und den verschiedenen Widerstand, welchen
verschiedene Canäle bieten, nur wenig an. Wo aber die Gasmasse theilweise active und
inactive Bestandtheile enthält, die activen also durch den in den Poren gelassenen
Rest der inactiven Gase diffundiren müssen, da hat die Größe der Stücke einen
bedeutenden Einfluß.
Hat man aber auch diese Schwierigkeit überwunden, so kommt gewöhnlich eine neue,
verursacht durch Temperaturverschiedenheiten innerhalb der Masse. Wie man diese
zweite Schwierigkeit zu überwinden hat, soll diese kleine Abhandlung näher
besprechen.
Bekanntlich wird in dem von Hargreaves und Robinson vorgeschlagenen Proceß zur Darstellung von
Sodasulfat großes Gewicht darauf gelegt, daß der auf die porösen Kochsalzstücke
einwirkende Strom von schwefliger Säure, Luft und Wasserdampf, von oben nach unten sich bewege
und nicht umgekehrt. Es wird sogar behauptet, daß ohne diese Vorsicht der Proceß
überhaupt nicht erfolgreich ausführbar sei.
Weniger bekannt ist es, daß auch in Deacon's Proceß zur
Darstellung von Chlor die Gase stets in abwärts gehender Richtung geleitet werden.
Obwohl nicht so ausgesprochen als bei Hargreaves' Proceß läßt sich doch sicher
behaupten, daß die Resultate entschieden besser ausfallen, wenn die Gase abwärts
geleitet werden, als wenn sie aufwärts durch die mit Kupfersalz getränkten Massen
von Thon streichen.
Es scheint, als ob bei diesen Processen die Richtung des Gasstromes einen bedeutenden
Einfluß auf den Erfolg ausübte. Was aber bei diesen beiden Processen beobachtet
worden, wird wohl auch bei andern stattfinden, und deshalb dürfte das Besprechen
dieses Umstandes von allgemeinerem Interesse sein. Es ist natürlich dieser Einfluß
der Richtung des Gasstromes rein physikalischer Natur; wenn also, wie bei
Hargreaves' Proceß, die Reactionen sich auch manchmal abändern, so sind dies
secundäre Wirkungen, welche an und für sich mit der Richtung des Stromes nichts zu
schaffen haben. Die Ursachen, welche diesen verschiedenen Erfolg der Processe je
nach der Richtung des Stromes bedingen, lassen sich auf Verschiedenheiten in der
Vertheilung der Wärme in den Apparaten zurückführen, und sind sehr einfacher
Natur.
Hargreaves, welcher meines Wissens zuerst diese
Verschiedenheit beobachtete, gibt selbst folgende Erklärung für die ausschließliche
Anwendung der abwärtsgehenden Richtung des Gasstromes: „In einem Apparat
von großem Querschnitt kann es vorkommen, daß an einer Stelle die Temperatur
zufällig höher ist als an den übrigen Stellen. Hierdurch wird die wärmere Stelle
den kältern gegenüber zum Kamin. Bei aufwärts gehendem Gasstrom wird die
Geschwindigkeit an dieser heißern Stelle dem Temperaturunterschiede entsprechend
vergrößert, die chemische Action dadurch beschleunigt und die Temperatur (wenn
bei der Reaction Wärme frei wird) erhöht. Eine anfänglich unbedeutende
Unregelmäßigkeit in der Temperaturvertheilung führt bald zu gefährlichen
Verschiedenheiten. Ganz anders ist es, wenn der Gasstrom abwärts geführt wird.
In diesem Falle geht durch allfällig heißere Stellen weniger Gas als durch die
kältern, weil die Geschwindigkeit abwärts um die der Temperaturverschiedenheit
entsprechende Größe verringert wird. Anstatt die chemische Activität zu
vergrößern, wird sie beruhigt, und der Apparat erhält die Tendenz, vorhandene
Temperaturunterschiede auszugleichen.“
So richtig auch diese Erklärung ist, so ist sie doch nicht erschöpfend und reicht
namentlich nicht dazu aus, Rechenschaft zu geben, unter welchen Bedingungen ein
Abwärtsführen der Gase unbedingt nothwendig ist. In einer engen Röhre z.B. würde man
bei lebhaftem Gasstrome gewiß keine großen Verschiedenheiten im Erfolg einer
Operation erwarten, ob man nun das Gas aufwärts, abwärts oder seitwärts führe. Bei
der Herstellung mancher Apparate ist es ohnedies nicht immer thunlich, die Gase in
abwärts gehender Richtung zu führen, und da ist es wünschenswerth zu wissen, unter
welchen Bedingungen man aufwärts leiten kann, ohne den Erfolg der auszuführenden
Operation zu gefährden.
Verhielte sich ein mit Stücken gefüllter Kasten (also beispielsweise ein
Hargreaves'scher Cylinder oder ein Deacon'scher Zersetzungsofen) einfach wie ein
Kamin, wie Hargreaves voraussetzt, so würde obige
Erklärung nur für Temperaturen unter 300° giltig sein. Ueber diese Temperatur
dürfte man ungestraft aufwärts führen, weil in einem Kamin die Zugkraft bei
300° ein Maximum ist. – Es läßt sich aber beweisen, daß ein solcher
Apparat in gewissen Beziehungen vom Kamin abweicht, und es ist ohne weitere
Untersuchung nicht erlaubt, die Gesetze, welche den Zug eines Schornsteins
reguliren, sofort auf diese Apparate zu übertragen.
Man muß zuerst die Gesetze studiren, nach welchen der Durchgang von Gasen durch Canäle, die mit
grobkörnigem Material gefüllt sind, stattfindet. Es würde zu weit führen, die
einschlagenden Versuche, welche ich an großen Apparaten in der Fabrik von Gaskell, Deacon und Comp.
unternahm, zu beschreiben, ich will hier nur die gefundenen Gesetze anführen.
Die Versuche sind mit Massen aller Art ausgeführt worden, z.B. mit Thonkugeln,
Thonscherben, Kokes, zerschlagenen Pyriten, Kieselsteinen u.s.w. Sind die
angewendeten Stücke von möglichst gleicher Größe und betragen ihre kleinsten
Dimensionen nicht unter 1cm, so gelten die
nachfolgenden, für diese Untersuchung wichtigen Beziehungen: Man denke sich einen
mit Stücken von gebranntem Thon gefüllten Kasten, durch welchen in irgend welcher
Richtung durch künstlich hervorgebrachten Druck ein Gas getrieben wird. Man findet
dann für einen und denselben Apparat folgende Beziehungen zwischen dem Ueberdruck
p und der erzeugten Geschwindigkeit v
v²/p =
constant. (1)
Werden die Dimensionen der Stücke kleiner als 1cm, so ändert sich das Gesetz, und je
kleiner die Stücke werden, um so mehr nähert sich das Gesetz folgender Form
v/p =
constant.
(2)
Unter p verstehen wir den Ueberdruck am einen Ende des
Apparates verglichen mit dem andern Ende, d. i. die Druckdifferenz beider Enden. Nun
weiß man, daß ein solcher Ueberdruck p theoretisch
annähernd eine Geschwindigkeit v erzeugen sollte, welche
mittels der Formel
v = √(2gps/d) (3)
berechnet werden kann. In dieser Formel bedeutet p der Ueberdruck, gemessen mit einem Hebermanometer,
welches mit einer Flüssigkeit vom specifischen Gewicht s
gefüllt ist; g ist der bekannte Coefficient der Schwere
und d die Dichte des Gases, verglichen mit Wasser als
Einheit.
Praktisch läßt sich aber die durch Formel (3) berechnete Geschwindigkeit mittels des
Druckes p so nicht erreichen. Um mit dieser Formel die
wirklich erhaltbare Geschwindigkeit berechnen zu können, braucht man nur den Druck
mit einer Constanten zu dividiren, welche vom Apparat und der zur Füllung
verwendeten Masse abhängt. Man schreibt also
v = √(2gsp/dR) (4)
Die Constante R ist eine Zahl immer größer als die
Einheit; wäre sie für einen bestimmten Apparat einmal der Einheit gleich, so würde
man sagen: dieser Apparat läßt die Gase ohne Reibung durchgehen, er bietet keinen
Widerstand. Man bezeichnet daher die Constante R als den
Reibungscoefficienten des Apparates.
Bei gleichem Querschnitt zweier mit gleichartigem Material gefüllten Apparate
verhalten sich deren Widerstände genau wie die Längen. Um dieselbe Quantität Gas
durch die doppelte Schichthöhe zu treiben, braucht man den doppelten Ueberdruck.
Dieses Gesetz gilt für alle Füllungsarten, auch die feinkörnigsten, bis zum
Grobsand. Um dasselbe der Formel (4) einzuverleiben, hat man der Constanten R nur den Sinn beizulegen, daß R jetzt den Widerstand der Längeneinheit des Apparates und RL, den Widerstand der Schichthöhe L bedeutet. Man hat dann
v = √(2gs/d p/LR) (5)
Wie sich Apparate von verschiedenen Querschnitten zu einander verhalten, ist auch
ohne Versuche leicht einzusehen. Multiplicirt man in Formel (5) die Geschwindigkeit
v mit dem Querschnitte A
des Apparates, so erhält man offenbar das pro Secunde durchfließende Gasvolum Q, daher
Q = Av =
√(2gs/d
pA²/LR)Hierbei wird mit der Große A am besten der
wirkliche Querschnitt des leeren Apparates bezeichnet und nicht etwa die
Summe der Querschnitte der Intersticien. Wenn bei Bestimmung der Konstanten
k ein ähnliches Verfahren angewendet wurde,
so begeht man hernach keinen Fehler. (6)
Soll also in der Secunde die Quantität Gas Q durch einen
Apparat vom Querschnitt A und der Schichthöhe L, gefüllt mit Material mit dem Widerstandscoefficienten
R, getrieben werden, so bedarf man eines Druckes
p = Q² RL/A²
d/2gs (7)
Im Falle das Füllungsmaterial feinkörnig wird, wobei R
ganz bedeutend groß wird, ist annähernd
p = Q
RL/A d/2gs (8)
Hat man zwei Apparate (oder zwei Stellen eines Apparates), welche von derselben
Quelle gespeist werden, und deren Widerstände ungleich sind, so vertheilt sich das
Gasquantum so auf beide Apparate, daß die zum Durchtriebe der betreffenden Theile
nöthigen Drücke gleich werden.
Bezeichnet man die entsprechenden Größen mit Q₁,
Q₂ resp. A₁, A₂ u.s.w., so ist Q₁ + Q₂ = Q und
Q₁/Q₂ = A₁/A₂ √(R₂R₂/R₁L₁), (9)
mit welcher Formel sich die Gasvertheilung berechnen läßt.
Soviel über diese Bewegungsgesetze. Ich füge nochmals hinzu, daß sie alle innerhalb
solcher Grenzen, welche in der Praxis vorkommen, experimentell sich bewährt haben.
Gehen wir nun an unsere Aufgabe. Wir beginnen damit, zu untersuchen, wie sich z.B.
ein mit faustgroßen Stücken Kochsalz gefüllter Hargreaves'scher Cylinder, oben und
unten offen, der Luft gegenüber verhält.
Sei der Widerstand solcher Kochsalzstücke bei der Lufttemperatur T₀ (vom absoluten Nullpunkt gerechnet) zu R bestimmt worden, so läßt sich mittels des Druckes p bei dieser Temperatur eine Quantität Gas durchtreiben
dem Volum nach
Q = √(2gs/d pA²/RL), (10)
dem Gewichte nach, wenn Qd =
W gesetzt wird,
W = √(2gsd pA²/RL), (10a)
Durch Erhöhung der Temperatur dieses Apparates verändern sich jedenfalls die
Dimensionen der Salzstücke etwas. Diese Veränderung ist aber nur unbedeutend. Die
Hauptveränderung ist die Abnahme der Dichte des Gases. Bei der höhern Temperatur T₁ ist die Dichte des Gases d T₀/T₁
geworden, wo T₀ die absolute Temperatur
273°, auf welche die Dichte des Gases und der Widerstand des Apparates
bezogen sind, bedeutet. Führt man diese neue Dichte in die Formel (10a) ein, so ergibt sich
W = √(2gsd pA²/RL
T₀/T₁), (11)
Hieraus sieht man sofort, daß mit einem gegebenen Druck p
um so weniger Gas durch den Apparat getrieben werden kann, je höher dessen
Temperatur ist; man kann dies auch so auffassen, daß man sagt, der Widerstand des
Apparates wächst proportional mit der Temperatur; nur muß dabei immer vorausgesetzt
werden, daß es sich um Gasgewicht, nicht um Gasvolum handelt. Es läßt sich auch
leicht beweisen, daß, wenn ein Apparat in verschiedenen Schichten verschiedene
Temperatur hat, der Widerstand der Durchschnittstemperatur proportional ist.
Ueberläßt man nun einen
solchen Apparat sich selbst, so strömt eine gewisse Quantität Luft durch. Die dabei
thätige Triebkraft ist der Gewichtsunterschied zweier Luftsäulen, einer von der
Lufttemperatur T und einer andern von der Temperatur des
Apparates, welche um x höher ist als die Temperatur der
Luft, deren Temperatur also T + x beträgt; beide Luftsäulen sind so hoch zu rechnen, als der Apparat
selbst ist. Dieser Gewichtsunterschied ist gleich einem Ueberdruck p, so daß
Textabbildung Bd. 223, S. 206
Führt man diesen Ausdruck anstatt p in Formel (11) ein, so findet man, wenn man berücksichtigt, daß T₁ = T + x ist,
Textabbildung Bd. 223, S. 206
eine Formel, welche das Gewicht der durch den Apparat
strömenden Luft angibt, wenn die andern Verhältnisse des Apparates alle bekannt
sind.
Diese Formel spricht nun recht deutlich dafür, daß man einen solchen Apparat mit
einem Kamin nicht sofort vergleichen darf. Bei diesem hängt die Masse des evacuirten
Gases von der Höhe sowohl als von der Temperatur ab, bei jenem einzig und allein von
der Temperatur, die Länge hat hier keinen Einfluß mehr.
Differentirt man die Formal (13) nach x und setzt den
Differentialquotienten gleich Null, so findet man, daß die durchgehende Quantität
Gas ein Maximum sei, wenn der Temperaturüberschuß des Apparates, welcher mit x bezeichnet worden, gleich ist der absoluten Temperatur
T der Umgebung, d. i. also, wenn x = T. Unter gewöhnlichen
Umständen ist also die durch einen solchen Apparat strömende Luft ein Maximum, wenn
der Apparat eine Temperatur von 300° hat. Daraus folgt, daß überall, wo Luft
sich blos in Folge von Temperaturdifferenzen bewegt, an der heißern Stelle weniger
Gas durchgeht als an der kältern, wenn die Temperatur beider 300°
überschreitet. Man überzeugt sich also leicht, daß beim Aufwärtsleiten der Gase ganz
dieselbe Sicherheit zu erlangen ist als beim Abwärtsleiten, so lange die
Durchschnittstemperatur über 300° hinaus liegt und die Geschwindigkeit der
Gase gleich ist derjenigen, welche durch Temperaturdifferenz allein erzeugt worden
wäre.
Die letztere Bedingung ist nun aber wieder schwierig einzuhalten. Gewöhnlich kann man
eine solch große Geschwindigkeit nicht verwerthen. Bei Deacon's Proceß verwendet man höchstens 8chm Gase für die Stunde und 1chm Ofenraum. Bei Hargreaves' Proceß ist das Quantum Gas wahrscheinlich noch kleiner, obwohl die lineare
Geschwindigkeit etwas größer sein dürfte als beim erstern Proceß. Man muß also noch
untersuchen, wie sich die Sache verhält, wenn man irgend eine beliebige
Geschwindigkeit der Gase verwendet. Man denke sich nun den Apparat oben geschlossen
und auf geeignete Weise mit einem Aspirator verbunden, welcher die Gase wegschafft;
aber unten am Apparate stehe derselbe noch irgendwie mit der Luft in Verbindung. Es
können nun zwei Fälle eintreten: entweder der Aspirator zieht die Gase schneller weg
als der Apparat sie vermöge seiner hohen Temperatur liefern würde, oder aber
langsamer. Im ersten Falle unterstützt er, im zweiten widersetzt er sich dem
natürlichen Zuge des Apparates. Dies drücken wir algebraisch so aus, daß wir dem
natürlichen Zuge noch eine Größe zuaddiren, die wir positiv oder negativ wählen, je
nachdem wir den einen oder andern Fall darstellen wollen. Man addire z.B. zu dem
durch Formel (12) ausgedrückten natürlichen Druck die Größe p₁, so erhalten wir
Textabbildung Bd. 223, S. 207
Setzen wir dies in Formel (13) ein, so ergibt sich
Textabbildung Bd. 223, S. 207
Durch Differenzen dieser Formel nach x läßt sich dann bestimmen, daß W ein Maximum
wird, wenn
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Da T die Lufttemperatur von T₀ derjenigen Temperatur, bei welcher die Widerstandsversuche gemacht
worden sind, und auf die sich die Dichte d der Gase
bezieht, nicht bedeutend abweicht, so kann man T₀/T = 1 setzen, wodurch die Gleichung
(16) sich vereinfacht:
Textabbildung Bd. 223, S. 207
In der Praxis stellt nun p annähernd den Druck vor,
welcher oben am Apparat vor der Ausflußöffnung stattfindet. Mit dieser Bezeichnung
sind dann folgende
Schlüsse leicht aus Formel (17) und früher Gesagtem zu rechtfertigen.
1. Nennt man diejenige Temperatur, bei welcher ein Maximum von Gas durch den Apparat
geht, die Sicherheitsgrenze der Temperatur, so liegt
diese Grenze bei Apparaten, welche ohne künstlichen Zug arbeiten, bei ungefähr
300°.
2. Ist der Zug künstlich bewirkt, so liegt die Sicherheitsgrenze um so niedriger, je
größer der angewendete Druck, und wenn dieser Druck gleichkommt dem Drucke einer
Gassäule von der Höhe des Apparates und der Temperatur der Umgebung, so ist die
Sicherheitsgrenze eben die Temperatur der Umgebung.
Wir haben hier von Sicherheit gesprochen. So lange nämlich die Geschwindigkeit der
Gase der Temperatur des Apparates nicht angepaßt ist, so kann man nicht mit
Zuverlässigkeit darauf rechnen, daß Ungleichförmigkeiten in der Temperatur sich
auszugleichen streben. Uebersteigt aber die Temperatur des Apparates die durch
Formel (17) angegebene Sicherheitsgrenze, so wird dies immer eintreten. Es ist also
gleichgiltig, ob man aufwärts oder abwärts leitet, so lange man nicht an eine
gewisse Geschwindigkeit gebunden ist; ist diese aber vorgeschrieben und sehr klein,
so muß man die Gase abwärts leiten, wenn man auf regelmäßigen Betrieb eines
Processes rechnen will.
Obwohl es nun als praktische Regel ausgesprochen werden darf, daß es immer sicherer
ist, abwärts zu leiten statt aufwärts (wenn nämlich die Reactionen Wärme entbinden),
so muß man doch keineswegs glauben, daß damit jede Veranlassung zu Störungen gehoben
sei, wenn man diese Regel befolgt. Bei großem Querschnitt der Apparate ist eine ganz
gleichmäßige Vertheilung der Gase über den ganzen Raum äußerst schwierig und läßt
sich nur dann annähernd erreichen, wenn der Widerstand verhältnißmäßig groß ist. Aus
Allem ergibt sich jedoch, daß die Hauptursachen des unregelmäßigen Verlaufes
pneumatischer Processe die in großen Apparaten kaum zu vermeidenden
Temperaturunterschiede sind. Das Bestreben der Techniker muß also darauf gerichtet
sein, solche Apparate möglichst gleichmäßig zu erwärmen. (Ueber gleichmäßige Füllung
haben wir schon früher gesprochen.) Um diese gleichmäßige Erwärmung zu erzielen,
wendet man die eben besprochenen Grundsätze auf die Heizung selbst an, d.h. man
führt die Feuergase oben in den Apparat ein, und zieht sie von unten hinweg.