Titel: | Ueber die Bildung des Alizarins und Anthrapurpurins; von Will. Henry Perkin. |
Fundstelle: | Band 223, Jahrgang 1877, S. 321 |
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Ueber die Bildung des Alizarins und
Anthrapurpurins; von Will. Henry
Perkin.
Perkin, über die Bildung des Alizarins und
Anthrapurpurins.
In der chemischen Abtheilung der British Association (Glasgow 6.
September) gab Perkin einen historischen Rückblick auf
die Entstehung und Entwicklung der Theerfarben-Industrie und trug eine
längere Abhandlung vor, welche der Engineer, September 1876 S. 229 nach
ihrem Wortlaut vollständig veröffentlichte. Der erste Theil bezieht sich
hauptsächlich auf die Anilinfarben; aber so interessant auch eine solche Darstellung
aus dem Munde eines mit der Materie selbst so innig verwachsenen Autors ist, so
enthält dieser Theil doch nur feststehende Thatsachen, welche sich in den frühern
Jahrgängen dieses Journals schon verzeichnet finden. Der zweite Theil behandelt das
künstliche Alizarin und bietet ein doppeltes Interesse, weil er mitunter ganz neue
und von den bisherigen Anschauungen abweichende Ansichten über diesen Gegenstand
ausspricht.
Nach Perkin enthält jedes künstliche Alizarin,
insbesondere das nach seinem Verfahren vom J. 1869 in England bis zum J. 1873 und
auch noch in späterer Zeit aus Dichloranthracen dargestellte Product mehr oder
weniger große Mengen Anthrapurpurin, denselben Körper, welchen Caro aus der Isoanthraflavinsäure, einem Nebenproduct der
Alizarinfabrikation, und welchen Rosenstiehl aus dem
einen Bestandtheil des Anthraflavons gewonnen hat (vgl. 1876 222 275). Perkin weist nun diesem
Anthrapurpuringehalt des Alizarins eine ganz hervorragende Rolle in der
Alizarinfärberei zu, sowohl was die Ausgiebigkeit, als was die Lebhaftigkeit der
resultirenden Nüancen betrifft. Das Anthrapurpurin ist nach ihm ein ebenso
werthvoller Farbstoff wie das Alizarin selbst; namentlich aber ist es dem mit ihm
isomeren Purpurin, welches als Farbstoff nur geringe Bedeutung hat, als solcher weit
überlegen. Es ist zu constatiren, daß dieses absprechende Urtheil über das Purpurin
mit den Untersuchungen Rosenstiehl's (1874 214 485) 1875 216 447) vor der
Hand sehr wenig übereinstimmt, es müßte denn sein, daß Rosenstiehl's Purpurin und Perkin's
Anthrapurpurin im Verlauf späterer Untersuchungen sich als identisch erweisen
würden. Gradeso wie Rosenstiehl den Satz aufstellte, daß
kein Krapproth, kein Fleurrosa ohne die Mitwirkung von Purpurin oder Purpurinhydrat
mit Alizarin allein gefärbt werden kann, ebenso schreibt Perkin die glänzenden Erfolge des künstlichen Alizarins dessen obligatem
Anthrapurpuringehalt zu, indem er beifügt, daß Anthrapurpurin auf nicht geölter
mordancirter Baumwolle
ein Roth liefere, das einem mit Krapp oder Garacine erzeugten Türkischroth an Feuer
und Leben fast gleichkomme.Die Fabrik Leverkusen bei Köln offerirt
gegenwärtig ihr Alizarin III b mit dem Bemerken,
daß dasselbe fast reines Isopurpurin vorstelle. Das Anthrapurpurin gibt nach Perkin mit
Thonerdemordant ein lebhafteres Scharlachroth als Alizarin, sein Violett mit
Eisenmordant ist blauer als Alizarinviolett, seine Behandlung in der Färberei
entspricht vollkommen der des Alizarins, so daß beide neben einander sich verwenden
lassen, wie ja ursprünglich beide neben einander als künstliches Alizarin auf den
Markt kamen. Später wurden sie getrennt in den Handel gebracht: nahezu reines
Alizarin unter der Benennung „Alizarin für Roth mit Blaustich“
und nahezu reines Anthrapurpurin als „Alizarin für
Scharlachroth“ .
Um die Entstehungsweise des Anthrapurpurins bei der fabrikmäßigen Darstellung des
Alizarins zu erklären, erinnert Perkin an die Thatsache,
daß der Ausgangspunkt für das Alizarin nicht reine Anthrachinonbisulfosäure, sondern
ein Gemenge derselben mit Anthrachinonmonosulfosäure vorstellt. Nun liefert die
letztere C₁₄ H₇ (SO₃ H) O₂ beim Erhitzen mit
Aetzkali oder Aetznatron zunächst Monooxyanthrachinon C₁₄ H₇
(HO) O₂, einen gelben Körper ohne Werth für die Färberei; bei weiterm
Schmelzen mit Kalihydrat oxydirt sich derselbe zu Bioxyanthrachinon oder Alizarin
C₁₄ H₆ (HO)₂ O₂ Die Anthrachinonbisulfosäure
C₁₄ H₆ (SO₃ H)₂ O₂ liefert beim Erhitzen
mit Alkalien zunächst das Salz einer Oxyanthrachinonsulfosäure von der
Zusammensetzung C₁₄ H₆ (HO)(SO₃ H) O₂, indem
vorerst nur ein Schwefelsäurerest gegen Hydroxyl umgetauscht wird; aus diesem
Zwischenglied entsteht beim weiteren Erhitzen ein Bioxyanthrachinon
C₁₄ H₆ (HO)₂ O₂, die Anthraflavinsäure (1876 222 275), eine Isomerie des Alizarins ohne dessen
Färbevermögen, und aus der Anthraflavinsäure bildet sich wiederum bei weiter
fortgesetztem Schmelzen mit Kalihydrat als Oxydationsproduct ein wirklicher
Farbstoff, das Anthrapurpurin, von der Zusammensetzung C₁₄ H₅
(HO)₃ O₂. Doch entwickelt sich in der Schmelze gleichzeitig
Wasserstoff, welcher eine theilweise Reduction der beiden Oxyanthrachinone zu
Anthrachinon (beziehungsweise Anthrahydrochinon und Anthrachinonhydron und sogar
Benzosäure) bewirkt und dadurch eine geringere Farbstoffausbeute verursacht. Um
diesem Verlust zu begegnen, gibt man jetzt dem kaustischen Alkali einen geringen
Zusatz von chlorsaurem Kali, grade so viel, als die Verhinderung jener Reduction
erfordert, und erzielt damit eine von der theoretischen Berechnung nicht viel
abweichende Ausbeute an Alizarin und Anthrapurpurin.
Schließlich kommt Perkin noch speciell auf die Bereitung
des künstlichen
Alizarins aus Dichloranthracen zurück. Er verweist auf die Leichtigkeit, mit welcher
aus letzterm Disulfodichloranthracensäure und aus dieser wieder
Anthrachinonbisulfosäure entsteht und erklärt aus diesen Verhältnissen im Anschluß
an die obigen Betrachtungen den größern Gehalt des nach dieser Methode gewonnenen
Alizarins an Anthrapurpurin.
Kl.