Titel: | Ueber die Reparaturbedürftigkeit der Dampfkessel: von R. Weinlig. |
Fundstelle: | Band 223, Jahrgang 1877, S. 428 |
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Ueber die Reparaturbedürftigkeit der Dampfkessel:
von R. Weinlig.Aus dem gef. eingesendeten Geschäftsbericht für 1875 des Magdeburger Vereins für
Dampfkesselbetrieb.
Weinlig, über die Reparaturbedürftigkeit der
Dampfkessel.
Wir haben bislang stets in unsern Berichten des Magdeburger Vereins für
Dampfkesselbetrieb die vorgekommenen Reparaturbedürftigkeiten an Dampfkesseln
aufgezählt, ihre Ursachen entwickelt und die besten Mittel zur künftigen Verhütung
nach den gesammelten Erfahrungen mitgetheilt. In wieweit indessen die Kesselbauart,
die Lage der Feuerung
oder die Betriebsdauer Einfluß auf die Reparaturbedürftigkeit hat, das ist nicht
gesagt, obschon es von der größten Wichtigkeit ist. Zur Beantwortung dieser Fragen
gehört außerordentlich viel, denn die Güte der Arbeit und des Materials, die
Speisewasserverhältnisse, die Behandlung in und außer dem Betriebe und die
quantitative Leistung sprechen wesentlich mit.
Wer es nicht schon einmal versucht hat, allen genanten Ursachen nachzuforschen und
ihre Beziehungen zu den wesentlichen Factoren zu suchen, der wird sich schwerlich
den richtigen Begriff der zu überwindenden Schwierigkeiten machen. Wenn wir es
dennoch versuchen, bei voller Erkenntniß der Hindernisse, aus den kleinen
Verhältnissen unseres Vereins statistische Zusammenstellungen zu machen, so
geschieht dies nur mit dem besondern Vorbehalt, daß die gewonnenen Daten nicht als
sichere Zahlen gelten können und sollen, und ausschließlich in der Absicht gesammelt
sind, theils nur um allgemeine Anhaltspunkte zu gewähren und theils um die
Wichtigkeit und Tragweite der statistischen Aufzeichnungen darzuthun und zu
Versuchen von anderer Seite anzuregen. Wir hoffen nämlich, daß es uns dann gelingen
wird, Zahlen aus einem großen Kreise und über eine mehrjährige Betriebsdauer zu
gewinnen, wenn alle Vereine sich damit beschäftigen, und fangen deshalb so früh an,
weil jedes Hinausschieben unersetzbare Verluste bringt.
Seit Eröffnung der technischen Wirksamkeit des Vereins 1871 bis 1. Januar 1876 sind
sämmtliche zur Kenntniß gelangten Reparaturen nach den hauptsächlichsten Factoren
zusammengestellt und nach Kesselbauart und Lage der Feuerung tabellarisch
geordnet.
Es sind ferner aus den Jahren 1871 bis 1876 die einzelnen Jahresbestände an Kesseln
herausgezogen und daraus die Betriebsdauer ermittelt, indem die Zeit, innerhalb
derer die einzelnen Kessel nicht betrieben sind, ausgerechnet und von der ersten
Summe gekürzt sind.
Der Bestand des Vereins an Kesseln war in den J. 1871 = 213, 1872 = 514, 1873 = 1000,
1874 = 1153, 1875 = 1245, oder in Summe 4125 Kessel. Wird hiervon die
Stillstandszeit der Reservekessel, der Locomobilen abgerechnet und für die Kessel
unserer Zuckerfabriken eine durchschnittliche jährliche Betriebszeit von 4 Monaten
in Rechnung gestellt, so bleiben im Ganzen 3100 Kesseljahre übrig.
An den 4125 Dampfkesseln, welche in 4 1/2 Jahren 3100 Kesseljahre betrieben wurden,
sind nun folgende Reparaturen vorgenommen:
362, welche eine Druckprobe zur Folge hatten,
88, welche durch Superrevision erledigt
wurden,
105, welche ohne weiteres von den Fabriken unter schriftlicher
Anzeige und nach besondern Angaben beseitigt wurden.
Diese 555 Reparaturen in 3100 Kesseljahren repräsentiren pro
Kessel eine Reparaturbedürftigkeit innerhalb einer Betriebszeit von nahe 5,2
Jahren.
Bekanntlich verlangt das Gesetz wie auch das Reglement unseres Vereins, daß jeder
Kessel alle 6 Jahre einer Wasserdruckprobe unterworfen werden müsse, indem ganz
richtig angenommen wird, daß im großen Ganzen dieser Zwischenraum eine Abnahme der
Festigkeit und Dichtigkeit wahrscheinlich mache. In wieweit die festgesetzte Zahl
von 6 Jahren ein Resultat der Reflexion oder der praktischen Erfahrung ist, das
vermögen wir nicht zu sagen. Es ist indessen interessant, zu ersehen, daß dieselbe
als gesetzliches Minimum der Betriebszeit von einer zur andern Druckprobe angenommen
ist und innerhalb unserer Vereinsverhältnisse wenigstens ihre gute Berechtigung
hat.
Die Ursachen der vorgefundenen Reparaturen vertheilen sich etwa folgendermaßen:
Bauart des Kessels.
SchlechteBehandlung.
Kesselstein-Ueberhitzung.
Speisewasser.
SchlechteArbeit.
SchlechtesMaterial.
Corrosion-Verrostung.
SchlechteConstruction.
Summe.
CornwallLancashireLocomobilenRöhrenkessel
161120
18 428 3
3
1010 8
1411 3
6
7 6
74424814
Innenfeuerung
47
53
3
28
28
6
13
178
EinflammrohrZweiflammrohrEinflammrohr mit
Unterkessel
3612 5
1816 2
6 1
1222 5
2617 3
1713 2
210
1179117
Vorfeuerung
53
36
7
39
46
32
12
225
RöhrenkesselHenschelEin RauchrohrZwei
RauchrohreCylinder
7 613 1
1011 3
2 1 5 1
2 9
7 3
1 3 1
22326278
Unterfeuerung
27
24
9
11
10
5
86
Mit 1 Unter-(Neben) KesselDesgl. mit 2 und
mehr
6 5
5 8
3 7
1 3
1
816
1 2
2541
Zwischenfeuerung
11
13
10
4
1
24
3
66
Im Betriebe sind gewesen:
Innenfeuerung:
Cornwallkessel
459
Jahre
Lancashire
326
„
Locomobilen
378
„
Röhrenkessel
125
„
––––––––––––––
Summe
1288
Kesseljahre.
Vorfeuerung:
Einflammrohr
447
Jahre
Zweiflammrohr
738
„
Flammrohr mit
Unterkessel
51
„
––––––––––––––
Summe
1236
Kesseljahre.
Zwischenfeuerung:
Kessel mit 1
Unterkessel
156
Jahre
Desgl. mit 2 und mehr
104
„
––––––––––––––
Summe
260
Kesseljahre.
Unterfeuerung:
Henschel
21
Jahre
Ein Rauchrohr
114
„
Zwei Rauchrohre
69
„
Einfacher Cylinder
35
„
Röhrenkessel
67
„
–––––––––––––
Summe
306
Kesseljahre.
Es sind somit nach der Lage der Feuerung Reparaturen
vorgekommen:
bei
Kesseln
mit
Innenfeuerung
etwa
14
Proc.
„
„
„
Vorfeuerung
„
18 1/2
„
„
„
„
Zwischenfeuerung
„
24 1/2
„
„
„
„
Unterfeuerung
„
28
„
Nach der Bauart der Kessel vertheilen sich die Reparaturen,
wie folgt:
CornwallkesselLancashireLocomobilenRöhrenkessel
mit Innenfeuerung
etwa„„„
16131312
Proc.„„„
EinflammrohrkesselZweiflammrohrkesselFlammrohrkessel mit
Unterkessel
mit Vorfeuerung
„„„
281333
„„„
Kessel mit 1
Unterkessel „ „ 2
und mehr
Zwischenfeuerung
„„
1734
„„
HenschelEin RauchrohrZwei RauchrohreEinfacher
CylinderRöhrenkessel
mit Unterfeuerung
„„„„„
1523302733
„„„„„
Nach den Ursachen geordnet, stellt sich folgende Reihe
heraus:
Schlechte Behandlung und Ueberanstrengung
etwa
25
Proc.
Kesselstein. Ueberhitzung
„
23
„
Schlechtes Material
„
15 1/2
„
Schlechte Arbeit
„
15
„
Corrosion
„
14
„
Schlechte Construction
„
6
„
Speisewasser
„
2 1/2
„
Betrachtet man die einzelnen Sätze der Tabellen, so werden einige Widersprüche in die
Augen fallen. Man darf sich aber nicht darüber wundern, denn der Kreis unseres
Vereins ist für eine Statistik viel zu klein, so daß z.B. 6 schlechte Kessel, welche
innerhalb der Zeit von 1871 bis 1876 oftmals reparirt werden mußten, eine sonst gute
Bauart der Kessel als geringwerthig und oft reparaturbedürftig stempeln. Wir
wiederholen deshalb unsern vorhin ausgesprochenen Vorbehalt und bitten die
gefundenen Zahlen nicht als unbedingt richtig anzunehmen. Die ganze Zusammenstellung
soll und kann nur ein allgemeines Bild der Reparaturbedürftigkeit der Kessel in
unserm Kreise und bei unsern Verhältnissen geben, und da wird es immerhin von Nutzen
sein, weil unter dieser Voraussetzung die Zahlen annähernd mit der Wirklichkeit
stimmen werden. Wer daher mit der Beurtheilung von Kesseln zu thun hat, der beginne
seine Untersuchung ruhig nach Maßgabe der Procentsätze. Ist z.B. ein Kessel reparaturbedürftig
geworden und liegt die Ursache nicht sofort klar am Tage, so hat man mit Recht
zunächst auf „schlechte Behandlung“, dann auf
„Kesselstein“ u.s.w. zu untersuchen.
Will man aus den Zusammenstellungen aber Schlüsse ziehen, um sich Klarheit über die
Haltbarkeit dieser oder jener Bauart zu verschaffen, so ist dies innerhalb weiter
Grenzen sehr wohl möglich. Es ergibt sich z.B., daß die Kessel mit 2 Flammröhren für
Innen- wie für Vorfeuerung die haltbarsten sind. Es ergibt sich, daß die
Zwischenfeuerungskessel weniger Haltbarkeit als Innen- und Vorfeuerung
bieten; dies stimmt genau mit der Praxis. Der Oberkessel hat Unterfeuerung und
leidet bald, aber er hält länger, wenn ein Unterkessel angelegt wird, worin sich
Schlamm und Stein ablagern können. Dagegen ist ein Unterkessel wegen seiner
Verrostung von Außen und Innen wenig haltbar. Zwischenfeuerungskessel mit 1
Unterkessel sind haltbarer als solche mit mehreren. Die Reparaturbedürftigkeit muß
also in den Unterkesseln hauptsächlich begründet sein. – Die
Unterfeuerungskessel sind die zerbrechlichsten, und zwar steigt die
Reparaturbedürftigkeit mit der Vermehrung der Heizflächen im Kessel, d.h. mit der
innern Heizfläche, so daß der Röhrenkessel am schlechtesten ist. Dies harmonirt
genau mit der Praxis und hat seinen Grund darin, daß die Concentration der
Heizflächen auf verhältnißmäßig kleinen Raum auch eine Vergrößerung der
Niederschläge auf den kleinen Raum der Unterplatten hervorbringen muß.