Titel: | Ueber die Erhöhung der Elasticitätsgrenze der Metalle; von Prof. Bauschinger. |
Autor: | Bauschinger |
Fundstelle: | Band 224, Jahrgang 1877, Nr. , S. 129 |
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Ueber die Erhöhung der Elasticitätsgrenze der
Metalle; von Prof. Bauschinger.
(Schluß von S. 13 dieses Bandes.)
Bauschinger, über die Erhöhung der Elasticitätsgrenze der
Metalle.
Bekanntlich hat Wöhler nachgewiesen, daß, wenn man
abwechselnd in rascher Folge und oft hinter einander eine kleinere und größere
Belastung auf einen Stab einwirken läßt, der Bruch desselben endlich herbeigeführt
wird, auch wenn die größere jener beiden Belastungen noch beträchtlich unter
derjenigen liegt, welche ruhend den Bruch des Stabes veranlaßt. Man hat daraus
Schlüsse auf die Inanspruchnahme des Eisens bei Brücken gezogen und die zulässige
Größe der Inanspruchnahme dieses Materials bei den verschiedenen Theilen einer
eisernen Brücke daraus berechnet. Nachdem durch die oben mitgetheilten Versuche
nachgewiesen war, daß die Zeit längerer Ruhe nach einer Streckung so großen Einfluß
auf die Erhöhung der Elasticität, also auf die Cohäsion hat, lag die Frage nahe, ob
ein solcher Einfluß nicht auch bezüglich der Wirkungen abwechselnder Belastungen
constatirt werden könne, wenn zwischen denselben eine längere Pause der Ruhe
stattfindet. Auch war es wünschenswerth zu constatiren, welche Wirkungen solche
wechselnde Belastungen auf die Verlängerungen haben, die sie hervorbringen.
An dem fünften Stab A, welcher doppelt so lang als die
übrigen war, wurden beide Meßapparate, der Spiegel- und Zeigerapparat, auf je
15cm Länge
angebracht und ersterer immer so lange abgelesen, als die Verlängerungen in seine
Grenzen fielen. Größere Ausdehnungen wurden dann mit dem Zeigerapparat allein weiter
verfolgt und nach diesem der Spiegelapparat immer neu eingestellt, wenn er wieder
gebraucht werden sollte.
Die Belastung von 15t
brachte an dem Stab nach 5 Minuten langer Wirkung eine totale Verlängerung von 0mm,775 hervor,
ungefähr so viel wie bei den andern Stäben auch. Nachdem der Spiegelapparat
eingestellt worden war, konnte ein weiteres Fortschreiten jener Verlängerung über
eine halbe Stunde lang dauernd beobachtet werden, das anfangs rascher war, dann aber
langsamer und langsamer wurde. Während in der 7. Minute die Verlängerung um 0mm,0039 gewachsen war,
nahm sie in der 34. Minute nur noch um 0,0001 bis 0mm,0002 zu; sie betrug schließlich 0mm,8057. Durch diese
längere Einwirkung der Belastung von 15t scheint nun aber, obwohl während
derselben die Verlängerung im Ganzen nicht viel gewachsen war, die Cohäsion doch bedeutend zugenommen zu
haben, denn die nun aufgelegte 16. Tonne brachte die totale Verlängerung nach 5
Minuten langem Wirken nur auf 1mm,055, also nur um 0mm,25 weiter, während sie bei den Stäben
C bis F einen Zuwachs
von im Mittel 0mm,35
hervorgebracht hatte. Die neu zugelegte 17. Tonne holte dies noch nicht ein, denn
sie erhob die totale Verlängerung nach 6 Minuten erst auf 1mm,41, also um nur 0mm,355 weiter, um so
viel ungefähr wie bei den andern Stäben auch.
Nun wurde zwischen den Belastungen 17t und Null mehrmals, im Ganzen 23 Mal,
abgewechselt. Für jeden Wechsel, auf oder ab, wurde in der Regel 1 Minute verwendet,
mehrmals wurde aber bei der obern oder untern Grenze auch länger gewartet und dabei
von Minute zu Minute der Spiegelapparat abgelesen. Es zeigte sich dabei allemal ein
anfangs schneller, dann langsamer Rückgang der bleibenden Ausdehnung bei der
Belastung Null und ähnlich ein anfangs rasches, dann langsames Vorwärtsgehen der
Verlängerung bei der Belastung von 17t. So war nach dem 6. Hin- und
Hergang die bleibende Ausdehnung für die Belastung Null nach
1
2
3
4 Minuten
1,1957
1,1947
1,1945
1mm,1943
und nach dem 17. Hin- und Hergang die totale
Verlängerung für 17t
nach
1
2
3
4
5
6 Minuten
1,4964
1,4980
1,4988
1,4995
1,4997
1mm,5001.
Im Ganzen wurde durch dieses 23malige Hin- und Hergehen, zu welchem etwa 63
Minuten gebraucht worden waren, die bleibende Ausdehnung bei 0t Belastung von 1,135 auf 1mm,2352 und die
Verlängerung für 17t
von 1,41 auf 1mm,5067,
erstere also etwas mehr als letztere, gehoben, so daß die Differenz beider, die
sogen. elastische Verlängerung, etwas verringert wurde, von 0,275 auf 0mm,2717. Damit wären
aber die Wirkungen des Hin- und Hergehens noch nicht erschöpft gewesen, denn
unmittelbar vorher nach dem 22. Hin- und Hergang waren die bleibende und
totale Ausdehnung noch 1,2341, bezieh. 1mm,5058.
Dieser öftere und längere Zeit fortgesetzte Wechsel der Belastung scheint ebenfalls
eine Stärkung der Cohäsion zur Folge gehabt zu haben; denn die 18. Tonne bringt nun
nach 8 Minuten langer Dauer nur eine totale Verlängerung von 1mm,745, also eine Vergrößerung
derselben um nur 0mm,24, hervor, während sie bei den Stäben D
und E eine solche von 0mm,41 bewirkt hatte. Die totale
Verlängerung ist nun um etwa 0mm,28 hinter der der letzteren Stäbe zurück.
Hierauf wurde die Belastung von 18t abgenommen, eine bleibende Ausdehnung von 1mm,455 abgelesen, der
Spiegelapparat eingestellt und Stab und Meßapparate bis zum nächsten Tage, 21 Stunden
lang, ruhig stehen gelassen. Der Spiegelapparat zeigte dabei einen Rückgang der
totalen Ausdehnung auf 1,4527, also allerdings nur um 0mm,0023, aber doch ganz gut meßbar. Die
neuerdings aufgelegten 18t brachten nach 3 Minuten jetzt nur die totale Verlängerung 1mm,7346 hervor,
während diese schon 1mm,745 gewesen war, und die 19. Tonne, welche nun zugelegt wurde,
erhob dieselbe nur auf 1mm,7886 nach 3 Minuten langer Wirkung, also nur um 0mm,0540 gegenüber 0mm,45 bei den Stäben
D und E.
Nun wurde wieder zwischen den Belastungen 19 und 0t öfters hin und her gewechselt, je
einmal in einer Minute, und es ergab sich
das
1.
2.
3.
4.
5. Mal
für die Belastung
19t: 0t:
1,7886 1,4834
1,8042 1,5021
1,8179 1,5159
1,8479 1,5379
1,8605 —
Die vorausgegangene Ruhe hatte also die Folge, daß sich die
bleibende und totale Ausdehnung für die Belastungen 0 und 19t nur sehr wenig über diejenige
erheben, welche schon die Belastung von 18t vor der Ruhe hervorgebracht hatte.
Es wurden nun 20t
aufgelegt und dadurch die totale Verlängerung nach 4 Minuten Dauer auf 2mm,635 gehoben, durch
die 20. Tonne also um 0mm,775, und dadurch ein guter Theil des vorher Versäumten wieder
eingebracht, aber noch nicht alles. Nach 23maligem Hin- und Hergehen zwischen
20 und 0t, wobei für
jeden Wechsel anfangs immer nur eine, dann aber immer 2 Minuten verwendet wurden, so
daß im Ganzen 82 Minuten vergingen, war die bleibende Ausdehnung bei 0t von 2,30 auf 2mm,4860 und die totale
Ausdehnung bei 20t von
2,635 auf 2mm,8268
gestiegen. Bei den letzten 18 Hin- und Hergängen, bei denen auf jeden Wechsel
genau 2 Minuten verwendet wurden, nahm die elastische Verlängerung wieder ab, von
0,3440 bis 0mm,3408.
Dabei hatte der letzte Hin- und Hergang die bleibende Ausdehnung noch um 0mm,0022, die totale um
0mm,0020
vergrößert.
Hierauf blieb der Stab ohne Belastung 2 Tage lang ruhig liegen. Die bleibende
Ausdehnug verringerte sich dabei von 2,4860 auf 2mm,4805, um 0mm,0055. Die alsdann vorgenommenen
Belastungswechsel zwischen 0 und 20t von je 2 Minuten Dauer gaben folgende
Resultate:
das
1.
2.
3.
4.
5.
6. Mal
eine totale Verlängerung
2,7840
2,7857
27870
2,7877
2,7882
2mm,7884
eine bleibende von
2,4828
2,4831
2,4835
2,4837
2mm,4838
—
Durch die vorausgegangene 2tägige Ruhe ist also die totale Verlängerung, welche 20t hervorbringen,
beträchtlich kleiner geworden, um etwa 0mm,04, und die Zunahme dieser totalen
Verlängerung mit jedem
neuen Wechsel wird rasch kleiner, so daß sie nach 6 Wechseln schon fast unmerklich
wird.
Auch die bleibende Verlängerung ist, wie oben gezeigt, etwas — aber nur wenig
— zurückgegangen und wächst mit jedem neuen Wechsel nur sehr langsam, beim
ersten um nur 0mm,0003, während sie beim letzten Wechsel vor der Ruhe um 0mm,0022 zugenommen
hatte. Die elastische Ausdehnung endlich ist von 0mm,3408 vor der Ruhe auf 0mm,3044 nach derselben
herabgegangen, beträgt also nur noch 0mm,0152 pro Tonne — ungefähr so
viel, wie vor der ursprünglichen Elasticitätsgrenze.
Unmittelbar nach jenem 6. Wechsel mit 0 und 20t wurde noch 1t zugelegt und dadurch nach je 2 Minuten
langem Warten eine totale Verlängerung von 2mm,8080 und eine bleibende von 2mm,4855
hervorgebracht, während nach 5maligem Hin- und Hergehen zwischen 0 und 21t die totale
Verlängerung auf 2mm,8136, die bleibende auf 2mm,4882, also nur ganz wenig, anwuchsen;
erstere hatte noch nicht einmal die Größe erreicht, welche sie vor der Ruhe durch
Strecken mit 20t
bekommen hatte. Nachdem das 6. Mal 21t nach 2 Minuten langem Einwirken die
totale Ausdehnung auf 2,8145 gebracht hatten, erhöhte die aufgelegte 22. Tonne auch
nach je 2 Minuten die totale Verlängerung auf 2mm,8493 und die bleibende auf 2mm,5023 und nach
6maligem Hin- und Hergehen die totale Verlängerung auf 2,8978 und die
bleibende auf 2mm,5473. Der Einfluß der Ruhe erstreckte sich also sehr merklich bis in
die 2. Tonne herein. Erst die nächste Tonne brachte wieder größere Veränderungen
hervor. Während das 7. Mal die 22t die totale Verlängerung von 2mm,9081 nach 2 Minuten erzeugten, wuchs
diese durch die 23. Tonne rasch auf 4mm,32 nach 5 Minuten und nach 10maligem
Hin- und Hergehen zwischen 0 und 23t innerhalb 20 Minuten auf 4mm,48, die bleibende
auf 4mm,055. Die 24.
Tonne erhöhte alsdann nach 5 Minuten dauernder Einwirkung jene auf 5mm,215 und nach
10maligem Hin- und Hergehen zwischen 0 und 24t auf 5mm,39, die bleibende Ausdehnung von 4,755
auf 4mm,945. Die
totale Ausdehnung ist nun wieder ungefähr ebenso groß wie bei den Stäben D und E. Der Bruch des
Stabes A erfolgte bei 26t,5, die nicht ganz erreicht wurden, also
bei etwa 5200k pro
1qc.
Damit ist für das vorliegende Material — Bessemerstahl — erwiesen, daß
die Wirkung wechselnder Belastungen, von denen wenigstens die obere die
ursprüngliche Elasticitätsgrenze übersteigt, sehr verschieden ist, ob diese Wechsel
unmittelbar rasch hinter einander folgen, oder ob längere Ruhepausen dazwischen
liegen. Nach einer solchen Pause ist die Wirkung derselben wechselnden Belastungen auf das
Material bedeutend geringer als vorher.
Die im Vorhergehenden für Bessemerstahl und etwa noch für Zink nachgewiesene
Eigenschaft, die Elasticität in der Zeit längerer Ruhe nach dem Strecken noch weiter
zu erhöhen als während des Streckens selbst, wird natürlich verschiedenen Metallen
in verschiedenem Grade zukommen, bei manchen vielleicht ganz fehlen. Für
Glockenmetall z. B., von dem ich grade zwei gleiche oder, besser gesagt, gleich sein
sollende Lamellen zur Hand hatte, habe ich sie ebenfalls beobachten können, aber nur
in geringerem Grade. Diese Lamellen hatten einen Querschnitt von 5,97 × 0cm,98 = 5qc,85 (a), bez. 6,0 × 1cm,0 = 6qc,00 (b);
ihre Verlängerung wurde für 10cm Länge mittels des Spiegelapparates gemessen. Die
Elasticitätsgrenze lag bei beiden ursprünglich bei 3t,75 = 625k pro 1qc, welche Belastung eine totale
Verlängerung von 0mm,0719 bei der Lamelle a und 0mm,0744 bei Lamelle
b hervorbrachte, im Mittel 0mm,0195 pro Tonne. 6t ergaben bei b. eine totale Verlängerung von 0mm,1359 und eine bleibende von 0mm,0246, bei b eine totale Verlängerung von 0mm,1370 und eine bleibende von 0mm,0190. Die Lamelle
a wurde unmittelbar hierauf wieder mit 6, dann mit
6,5 und endlich mit 7t
belastet; die Lamelle b dagegen blieb 21½ Stunden
ruhig liegen, wodurch die bleibende Verlängerung auf 0mm,0172 zurückging, und dann wurde von
halber zu halber Tonne bis 6t und von da an wie vorhin bis 6,5 und 7t weiter gegangen. Das Resultat
war:
Lamelle von Glockenmetall
Textabbildung Bd. 224, S. 133
Die Belastung; bringt auf 10cm eine
Verlängerung hervor; bei Lamelle a; bei Lamelle b.; t; mm; mm; Sogleich
danach:; s. Oben; Nach 21½ Stunden:
Während bei der Lamelle a die totale Verlängerung, welche
das zweite Mal für 6t
Belastung erhalten wird, die für beim ersten Mal erhaltene übersteigt, bleibt sie
bei der Lamelle b sehr bedeutend zurück, um 0mm,0168, also um viel
mehr, als die bleibende Ausdehnung in der Ruhezeit zurückging. Die Vergrößerung der
Ausdehnung, welche die
nächste halbe Tonne hervorbringt, ist allerdings bei Lamelle b fast so groß als bei a, aber die folgende
halbe Tonne bringt bei b nur 0mm,0239 Verlängerung, so viel wie die
vorige hervor, bei a aber 0mm,0488, über das Doppelte. Der Bruch
erfolgte trotzdem bei a erst mit 10t = 1710k pro 1qc, bei b schon mit 8t,5 = 1420k pro 1qc.
München, 15. März 1877.