Titel: | Zur Entstehung und Entwicklung der Röhrenkessel in Deutschland und Oesterreich; von A. Kux in Berlin. |
Fundstelle: | Band 224, Jahrgang 1877, Nr. , S. 145 |
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Zur Entstehung und Entwicklung der Röhrenkessel
in Deutschland und Oesterreich; von A.
Kux in Berlin.
Mit Abbildungen auf Taf.
IV [c. d/1]
Kux, zur Entstehung und Entwicklung der Röhrenkessel
etc.
Die kürzlich in den Mittheilungen des Magdeburger Vereins für Dampfkesselbetrieb
angeregte Frage „Ueber Ursprung von Röhrenkesseln“ gab
Veranlassung zu nachstehenden Aufzeichnungen; sie haben den Zweck, der Sache näher
zu treten und zu fernern Beiträgen aufzufordern.
Die ersten Dampfentwickler waren bekanntlich große voluminöse Kessel im eigentlichen Sinne des Wortes. Sie gewannen erst durch Watt's Kofferkessel mit und ohne durchgehendes Feuerrohr
eine constructive Form. Diese Dampferzeuger producirten Dämpfe niedriger Spannung,
kaum 1at Ueberdruck,
dem damaligen Condensationsdampfmaschinensystem entsprechend. Mit dem Bekanntwerden
der höher gespannten Dämpfe trat die Nothwendigkeit auf, andere Formen für
Dampfheizungen zu suchen, welche denselben Widerstand leisteten. Man ging zur
cylindrischen Form über. Verfolgt man die Herstellung dieser Cylinderkessel, die
anfangs mit großem Durchmesser bis über 3m gemacht wurden, so findet man, daß
dieser Durchmesser successive kleiner wurde; gleichzeitig wird man aber bemerken,
daß der zur Anwendung kommende Dampfdruck immer größer wurde. Die hochgespannten
Dämpfe 8 bis 10 und 12at konnten nur in Henschel's schräg
liegenden Cylindern von ca 470mm Durchmesser oder in Dr. Alban's Röhrenkesseln
erzeugt werden. Das war der Ursprung der Röhrenkessel.
Die Alban'schen Röhrenkessel hatten das Wasser in den
kupfernen gelötheten Röhren, und sah ich eine erste derartige Ausführung auf dem
Mitte der 40er Jahre die Oberelbe befahrenden Dampfer
„Constitution“ dessen Lebensdauer allerdings nur kurz war,
da die nur etwa 50mm
weiten Röhren sich verstopften und fortwährend explodirten. Aber auch der von Penn and Son in Greenwich für
die Unterelbe anfangs der 40er Jahre gelieferte Dampfer
„Courier“ hatte ursprünglich einen für Niederdruck (1at,5) bestimmten
Kessel (Spiller's Patent) mit Kokesfeuerung, wo das
Wasser sich in den Röhren befand.
Nachdem die Hochdruck-Dämpfe nun Eingang gefunden,
Dr. Alban mit seinen
Röhrenkesseln den Weg gezeigt, die dazu erforderlichen Dampferzeuger zu bauen,
bemächtigten sich amerikanische und englische Constructeure dieses Gegenstandes, und
es erschienen mancherlei derartige Kesselformen, welche zu beschreiben hier nicht
der Platz ist, die aber alle das Wasser in den Röhren hatten. Es ist wohl leicht
erklärlich, daß sich die Vortheile des Röhrenkesselsystems sehr bald und zunächst
zur Anwendung bei Dampfschiffen empfahlen. Geringe Raumeinnahme, bedeutend weniger
Gewicht, vermehrte Dampfentwicklung bei schwächerm Kohlenverbrauch waren die Vorzüge
dieser Kessel, cylindrischen und andern Kesseln gegenüber.
Auch die von Penn and Son für
den die Oberelbe befahrenden Dampfer „Bohemia“ im J. 1840
gelieferte Maschine hatte einen solchen Kessel, welcher im J. 1842 in der Buckauer
Maschinenfabrik durch einen Kessel für 1at,5, Feuer durch die Röhren, ersetzt wurde. Dagegen befanden sich auf den für Elbe
und Rhein von dem Etablissement zu Fineord bei Rotterdam gelieferten Woolf'schen
Maschinen Hochdruck-Kessel, die aus cylindrischen
Körpern combinirt waren.
Inzwischen waren nun auch die englischen Locomotiven Ende der 30er Jahre nach
Deutschland gekommen und, diese zum Vorbild nehmend, wurden die schweren und viel
Raum einnehmenden cylindrischen Schiffskessel durch Locomotivkessel in vergrößertem
Format ersetzt. Hierbei kamen schmiedeiserne hartgelöthete Röhren von 50mm Durchmesser zur
Anwendung.
Der niedrige enge eiserne Schornstein auf den Schiffen war natürlich nicht im Stande,
so viel Zug zu machen, um die Kotes, welche als Brennstoff verwendet wurden, auf dem
verhältnißmäßig kleinen Rost zu verbrennen und damit Dämpfe von 6at zu erzeugen. Ein im
Rauchkasten angebrachter Exhaustor, von der Schiffsmaschine mittels Riemen in
Bewegung gesetzt, mußte diese Function besorgen. Welche Calamitäten mit einer
solchen Vorrichtung verbunden, glühend heiße Lager der im abziehenden Feuerzuge
arbeitenden Exhaustorwelle, Instandhaltung der aufs äußerste angespannten
Treibriemen etc., kann sich jeder Fachmann vorstellen, und mancher ältere Leser wird
sich wohl noch der schlaflosen Nächte auf der Fahrt nach Hamburg erinnern, welche
diese Brummer verursachten.
Es entstand nun die Aufgabe, Schiffskessel zu construiren, die für Hochdruck
geeignet, mit Kohlen anstatt Kokes zu heizen waren und keines künstlichen Gebläses
bedurften. Dieses Bedürfniß brachte den von mir im J. 1852 entworfenen und in Fig. 15 und
16
dargestellten Kessel zu Wege. Da inzwischen auch die geschweißten eisernen Röhren
aus England zu beziehen waren, so erfüllte dieser Kessel alle damals an ihn
gestellten Anforderungen. Es war ein Röhrenkessel für Hochdruck, mit Feuer durch die Röhren und mit
natürlichem Zuge geschaffen.
Während dies vorging und auf diese Weise die Dampferzeugung auf den Dampfschiffen,
namentlich auf denen, die mit Hochdruck arbeiteten, geregelt und der theure
Brennstoff, Koke, durch den bei weitem billigern, Kohle, ersetzt wurde, waren auch
andere Industrien entstanden und begannen namentlich die Zuckerfabriken
hervorragende Objecte für Kessel- und Maschinenanlagen zu werden. Es kamen
damals, Ende der 30er, anfangs der 40er Jahre, für diese Zwecke cylindrische Kessel
mit zwei Bouilleurs zur Anwendung. Der enorme Dampfverbrauch bei den unvollkommenen
Dampfmaschinen, aber noch mehr bei den mangelhaften Einrichtungen beim Kochvacuum
und den Verdampfpfannen und in Folge dessen der ungeheure Kohlenconsum (man rechnete
für 1 Ctr. Rüben 1 Ctr. beste englische Stückkohle) ließ auf Mittel sinnen, Abhilfe
zu treffen, und lenkte die Aufmerksamkeit auf die Erfolge, welche mit den
Röhrenkesseln auf den Dampfschiffen erzielt worden.
A. Tischbein, als Dirigent der Buckauer
Maschinen-Fabrik, wohl die erste Fabrik, die sich hervorragend mit
Zuckerfabrik-Einrichtungen befaßte, kam auf die geniale Idee, Röhrenkessel
für diesen Zweck anzuwenden; er entwarf dazu die in Fig. 17 und 18
dargestellte Construction, deren erste Ausführung mir als Werkstätteningenieur
anvertraut und deren weitere Verbreitung ich als Tischbein's Nachfolger übernahm Tischbein ließ damals in seiner Eigenschaft als
Civilingenieur zur Einrichtung der Zuckerfabriken zu Groß-Ammensleben
und Gerwisch solche Röhrenkessel aufstellen. Der Erfolg der
Wirkungen dieser Röhrenkessel in den Zuckerfabriken war kein günstiger. Es wurde
ihnen nachgesagt, sie gäben zwar viel Dampf, aber sie führten auch und zwar momentan
viel Wasser aus dem Kessel mit sich. Daß ein solcher Kessel zum Ueberkochen neigt,
kann nicht in Abrede gestellt werden, daß aber diese besagten Kessel so stark
überkochten, lag allein an den damaligen Koch- und Verdampfeinrichtungen.
Der erste Rillieux'sche Verdampfapparat, à triple
êffet, der Vater der jetzt allgemein eingeführten Verdampfapparate,
wurde von mir nach den Zeichnungen, die Brami
Andreä aus Amerika an Tischbein als Civilingenieur sandte, für die Freise'sche
Zuckerfabrik 1850 erbaut.
Die Verdampfung geschah
in offenen, mit Schlangen versehenen Gefäßen, und da man automatische Wassersammler
noch nicht kannte, so wurden die sämmtlichen Retourdämpfe in ein sogen,
geschlossenes „Retour d'eau“
geführt, auf dem ein mächtiges Dampfabzugsrohr stand, welches dem Retourdampf
beliebigen Abzug gestattete. Dazu kam, daß die Hamburger Zuckersiedemeister
glaubten, nur dann koche ihr Vacuum, wenn der Retourdampf armdick aus dem
Retourrohre ins Freie brüllte. Wenn bei gewöhnlichen Dampfkesseln die Dampfentnahme
stärker ist als die Entwicklung, so wird einfach der Dampf im Kessel aufgebraucht.
Bei diesen Röhrenkesseln ist es aber anders. Bemerkt der Heizer, daß seine
Dampfspannung zurückgeht, so feuert er stärker, der Zuckermeister wieder dreht sein
Ventil so lange auf, als Dampf kommt; dies führt denn endlich dazu, daß dem
Röhrenkessel bei seiner großen Verdampfungsfähigkeit zuletzt ein Gemisch von
Dampfwasser entströmt.
Ich mußte mich bei diesem Punkte ausführlich aufhalten, um einerseits zu motiviren,
warum damals der Bau dieser Röhrenkessel nicht fortgesetzt wurde, anderseits
nachzuweisen, worin es liegt, daß neuerer Zeit dieselben
Kessel so viel Aufnahme finden. Es liegt eben in den jetzigen vollkommenern
Einrichtungen der Ausnutzung der Dämpfe. Ich bekenne nun, daß ich damals diesen
Doppelröhrenkesseln (Fig. 17 und 18) den Fehler
des Ueberkochens, wie er factisch besteht, höher anrechnete und deshalb dieselben
aufgab. Dazu kam noch, daß durch die damaligen hohen Preise für Bleche und Röhren
diese Kessel in der Anschaffung sehr theuer kamen. Durchdrungen jedoch von den
Vortheilen des Röhrenkesselsystems, wollte ich dasselbe weiter verfolgen.
Die Bestellung einer Wasserhaltungsmaschinenanlage für ein Braunkohlenwerk gab
Veranlassung, einfache Cylinderröhrenkessel wie Fig. 19 und 20 zu
construiren und auszuführen. Dies geschah im J. 1850. Zur Verwendung als Brennstoff
stand nur sehr schlechte Braunkohle zur Verfügung, es war also ein sehr großer Rost
erforderlich, der bei den Doppelröhrenkesseln mit innerer Feuerung auch nicht
angebracht werden konnte.
Zwei Jahre später gab mir die Aufstellung einer neuen Betriebsmaschine (nach dem
Brande 1852) für die Buckauer Maschinenfabrik Veranlassung, den Röhrenkessel Fig. 21 und
22 zu
bauen. Dieser Kessel wurde durch eine dampfdichte Scheidewand in zwei Theile
getheilt; in dem vordern wurde Dampf von 4at, in dem hintern Röhrenkesseltheil
solcher von Oat,5
erzeugt. Eine Woolf'sche Balanciermaschine, parallel und in unmittelbarer Nähe
aufgestellt, nahm den Hochdruckdampf in dem kleinen Dampfcylinder auf, der als Retourdampf in den
Röhrenkessel zurück ging; der große Cylinder empfing dann seinen Dampf aus
demselben.
Später folgte dann die aus Figur 21 hergeleitete
Construction Figur
23
Während auf diese Weise anfangs der 50er Jahre das System der stabilen Röhrenkessel
in drei verschiedenen Formen nämlich:
Doppelkessel mit innerer Feuerung (Fig. 17 und 18),
einfache Cylinderkessel mit Unterfeuerung (Fig. 19 und 20),
innere Feuerung mit dahinter liegendem Rohrsystem (Fig. 21 bis 23) eingeführt
wurde und der Bau der letztern beiden Gattungen seinen Fortgang nahm, begannen auch
andere Etablissements sich an dem Bau von Röhrenkesseln, mit Feuer durch die Röhren, zu machen. Fairbairn trat mit seinem „multitubular
boiler“ auf, der dann in Deutschland nachgebaut wurde.
So standen die Sachen 1854, als ich mit meiner Uebersiedlung nach Prag (Ruston und Comp.) den Bau der
Röhrenkessel daselbst weiter fortsetzte. Der enorm hohe Kohlenpreis damals in
Oesterreich und die sehr günstigen Erfolge der ersten gelieferten Kessel kamen
diesem Unternehmen sehr zu statten. Die Versuche und Beobachtungen jedoch beim
Betrieb der cylindrischen Kessel mit Unterfeuerung zeigten auch hier, daß dieselben
überkochten. Um den Fehler zu beseitigen, und um den Dampf möglichst zu erwärmen,
resp. zu überhitzen, entstanden, anstatt der gewöhnlichen Dampfdome, Kesselformen
wie Fig. 24
und 25, und
als sich Besserung des Uebels herausstellte, machte ich die Dampfbehälter so wie
Fig. 26
und 27
War auf diese Weise ein möglichst trockner Dampf geschaffen und trat das Ueberkochen
nur bei sehr unreinem oder dazu neigendem Wasser und bei sehr forcirtem Heizen auf,
so stellte sich nun häufig ein anderer Uebelstand durch die Unterfeuerung ein. Die
Nietnäthe über dem Rost wurden undicht, die Bleche beulten sich und rissen auf. Es
wurden zur Beseitigung der doppelten Bleche bei den Nietungen innere Nieten mit nach
innen aufgeflanschten Borden gemacht. Aber trotzdem und trotz des besten
angewendeten Materials kamen Ausbauchungen und Undichtigkeiten vor und verursachten
kostspieliege und höchst unangenehme Reparaturen.
Um diese Unannehmlichkeiten zu umgehen, wurden dann eine Zeit lang Kessel nach Fig. 28 und
29 gebaut
und, um die damals moderne Dampfüberhitzung zu erreichen, wurden 160mm weite
schmiedeiserne Röhren um den Dampfdom geführt. Zwei solcher größerer Anlagen, im J.
1864 geliefert, sind noch heute in Betrieb, und zwar 3 Kessel zu 70e und 5 Kessel zu 70e in den
Flachsspinnereien zu Hohenelbe und Nachod in Böhmen; diese Kessel im Verein mit
Corliß-Woolf-Maschinen geben denn auch in Bezug auf geringen
Brennstoffconsum höchst günstige Resultate.
Nun kam 1868 die Pariser Ausstellung heran; bot dieselbe schon eine reichhaltige
Collection von Dampferzeugern, so übertraf in dieser Beziehung 1873 die Wiener
Ausstellung ihre Vorgängerin. Man fand daselbst unter gediegenen Constructionen
schon extravagante Formen. Seitdem scheint eine Manie die Mechaniker ergriffen zu
haben, neue Dampferzeuger erfinden zu wollen. Die Philadelphia-Ausstellung
bietet darin Ungeheuerliches, und fand man dort seltsame Ausgeburten.
Und dennoch tritt an denjenigen, der sich mit einem einfachen Lancashire- oder
Bouilleur-Kessel nicht begnügen will, oft auch wegen zu theuren Brennstoffes
nicht begnügen kann, die Frage heran, „welchen Kessel zu
wählen?“ Man entscheidet sich für einen Röhrenkessel. Sehr kühne
Gemüther greifen natürlich nach dem „Neuen“ und lassen zunächst
die Howard, Belleville, Root, Sinclair u. A. Revue passiren. Diese Conglomerate von
Röhren- und Röhrchenverbindungen, Wasser- und Dampfrecipienten,
Mann- und Putzlöchern, wo die Verschraubungen und Verdichtungen nur nach
Hunderten gezählt werden können und die unter dem Namen der „inexplosibles“ beim Uneingeweihten sich
einschleichen sollen 3, Engineering führt bis jetzt 7 namhafte Fälle an,
wo Howard'sche Kessel in dem kurzen Zeitraume ihres Bestehens
explodirten. werden bei genauer Besichtigung und Prüfung bald zur
Seite gelegt. Wer einen so geregelten Dampfmaschinenbetrieb hat, daß der Dampfconsum
tagsüber nur ein Minimum variirt, wer destillirtes Wasser zum Speisen und einen
Heizer besitzt, welcher, nachdem er Prima einer Schule verlassen, zur praktischen
Ausbildung noch eine Heizerschule besuchte, mag mit einem derartigen Kessel einen
Versuch machen; er wird eine bittere Enttäuschung theuer erkaufen.
Aber ein Röhrenkessel soll es doch sein. Man möchte also einen Cylinderröhrenkessel
wie Fig. 24
bis 29
nehmen, die sollen ja gut sein, weil viele Fabrikanten schon weit über 1000 Stück
davon gebaut haben. Sie sind unter günstigen Umständen auch gut; aber wie häufig
kommt es vor, daß die Feuerplatten über dem Rost durchbrennen, daß die Rohrnietungen
undicht werden, und hat man einen Heizer, der zu bequem ist, um täglich die 5 bis
6m langen Röhren
zu reinigen — eine allerdings nicht angenehme Arbeit — so gibt der
Kessel wenig Dampf und braucht viel Kohlen. Denn der lebhafteste Zug mit reinen
Röhren ist Lebensbedingung. Mechanisch gereinigt von Kesselstein kann der innere
Kessel nur mühsam, die Röhren gar nicht werden. — Nun so nehme man Kessel, wie sie in Fig. 30 bis
33
skizzirt sind. Da leiden die Feuerplatten über dem Rost allerdings nicht und kommt
hier selten etwas vor. Dagegen sind die Uebelstände mit dem Undichtwerden der
Rohrnietungen eher noch größer, da die Rohrplatte durch die sich bildende
Stichflamme leidet. Der innere Theil des Kessels, besonders der Röhren, kann auch
nicht gereinigt werden; der anfängliche gute Effect läßt bald nach, und solche
Kessel gehen ungewöhnlich schnell zu Grunde. Zu dem Versetzen der Röhren mit Asche
kommt hier noch der nachtheilige Umstand, daß sich hinter der Feuerbrücke viel
Flugasche sammelt, die nur mühsam zu entfernen und dem Zuge sehr hinderlich ist.
Wie hier geschildert, habe ich mich während eines Zeitraumes von 25 Jahren mit dem
Bau von vielen Hunderten von Röhrenkesseln verschiedenster Form beschäftigt, neben
ihren vorzüglichen Eigenschaften aber auch ihre Mängel und Fehler kennen gelernt.
Ich betrachtete es nun als meine Aufgabe, nach einer Kesselform zu suchen, welche
die großen Vorzüge, die einem Röhrenkessel eigen sind, mit der Einfachheit und
Solidität eines gewöhnlichen Kessels vereinigen sollte. Ich glaube dies durch die in
Fig. 34
bis 37
dargestellten Constructionen in folgender Weise erreicht zu haben. In beiden Fällen
kommt ein stehendes Röhrensystem, Wasser in den Röhren, zur Anwendung. Der Kessel in
Fig. 34,
und 35 ist
für schlechten Brennstoff mit unbeschränkt großem Rost und Vorfeuerung; jener in
Fig. 36
und 37 für
bessere Kohlen.
In dem kurzen, vorliegenden Lancashire-Kessel, welchem doch vor allen
gewöhnlichen Kesselformen der erste Rang eingeräumt werden muß, nehme ich mir, so zu
sagen, vorn weg dessen beide Cardinaltugenden: beste Ausnutzung der Wirkung des
Feuers über dem Rost, größte Dauerhaftigkeit der dem ersten Feuer ausgesetzten
Kesselwandungen. In dem hinter dem Lancashire-Kessel befindlichen stehenden
Röhrensystem fange ich einen großen Theil der Flamme auf, welche theils in den
längern Feuerröhren bei gewöhnlichen derartigen Kesseln geringern Verdampfungseffect
erzielt, theils beim Verlassen derselben durch Aufschlagen an die hintere Steinmauer
ganz verloren gehen würde.
Der Effect des Feuers in dem Rohrsystem ist ein ganz eminenter, da die Flamme die
Rohrwandungen rechtwinklig trifft und sich förmlich durcharbeiten muß, und nicht,
wie bei allen andern Kesseln, die Flächen in paralleler Bewegung nur bestreicht.
Wenn v. Reiche in seinem neuesten Werk über Anlage und
Betrieb der Dampfkessel (S. 149) die günstigen Resultate der von ihm nach diesem
Princip eingemauerten Kessel dieser Feuerströmung zuschreibt, so kann ich ihm hierin
nur beipflichten und stelle ich die ungewöhnlich günstigen Erfolge dieser meiner Kessel ebenfalls auf
Rechnung dieser allerdings bisher außer Acht gelassenen Eigenthümlichkeit der besten
Wärmemittheilung.
Dadurch, daß, wie erwähnt, die Rohrdichtungen im Wasser liegen, können sie vom Feuer
nicht leiden und ist ein Undichtwerden eine Unmöglichkeit. Durch Oeffnen der das
Rohrsystem umschließenden eisernen Thüren kann dasselbe jederzeit, selbst wenn der
Kessel im Feuer ist, von Flugasche und Ruß mit Leichtigkeit gereinigt werden, und
wenn dies alle Woche einmal geschieht, so ist es hinreichend. Daß die Feuerluft,
nachdem sie die lebhafteste Verdampfung in dem Feuerröhren- und Rohrsystem
hervorgebracht, ihre Dienste, sei es Verdampfung oder hohe Wassererwärmung an den
äußern Kesselflächen und an dem Vorwärmer (Bouilleur), noch leistet, daß das Innere
sämmtlicher Kesseltheile, besonders des Rohrsystems, aufs bequemste zu reinigen ist
und daher, da sich überhaupt bei der lebhaften Verdampfung und Wasserbewegung im
Rohrsystem sehr wenig Rückstände ansetzen, hieraus resultirende Nachtheile nicht
vorkommen können, daß die ganze Herstellung eines solchen Kessels eine höchst
einfache und sichere ist, braucht wohl nur angedeutet, um von jedem Fachmann
gewürdigt zu werden.
Der wichtigste, wenn auch zuletzt angeführte Punkt ist aber der der vollkommensten
Dampfbildung. Da die der stärksten Einwirkung des Feuers ausgesetzten, also zur
größten Verdampfung benutzten Flächen das geringste Wasser über sich haben, so
producirt ein solcher Kessel trocknen Dampf, und da der Dampfraum besonders in dem
Körper über dem Rohrsystem ungewöhnlich groß ist, so beeinträchtigt selbst eine
momentane große Dampfentnahme den normalen Zustand nicht. Nicht minder erhöht auch
die durch die lebhafte Verdampfung im Röhrensystem hervorgerufene Wassercirculation
im ganzen Kessel den guten Effect eines solchen Dampferzeugers.
Habe ich somit einen beinahe 30jährigen Verlauf der
Röhrenkessel-Entwicklungsgeschichte nach eigenen Erlebnissen und Erfahrungen
beschrieben und zum Schluß das Resultat derselben angeführt, überlasse ich es
Andern, mögliche Lücken auszufüllen oder aus noch frühern Zeiten zu erzählen.
—
Zu diesem interessanten geschichtlichen Rückblick auf die Entwicklung des Baues von
Röhrenkesseln in Deutschland und Oesterreich, welcher den oben genannten
Mittheilungen (1876 S. 148 ff.) entnommen ist, hat Referent nachstehende Bemerkungen
zu machen.
Die Idee Tischbein's, Röhrenkessel in der
Zuckerfabrikation einzuführen, mag bei dem damaligen Stande der Dampfkesseltechnik
(1848) zwar
begreiflich erscheinen, doch war dieselbe jedenfalls eine verfehlte. Eine
Zuckerfabrik braucht Kessel mit thunlichst großem
Wasserraum, und diesen bieten Röhrenkessel nicht.
Der Wasserraum, oder vielmehr die Wassermasse, welche diesen Raum erfüllt, ist von
großem Einfluß auf den Betrieb des Kessels. Ist das Wasser bis zu der erforderlichen
Temperatur erwärmt und wird dem sich erzeugenden Dampf der gehörige Abfluß
gestattet, so dauert die Dampfbildung bei weiterm Wasser- und Wärmezufluß so
lange fort, bis der Dampfabfluß wieder unterbrochen wird. Geschieht dies, so hört
die Dampfbildung auf und die eindringende Wärme bringt vorerst nur ein Steigen der
Temperatur hervor, welches um so langsamer erfolgt, je größer der Wasservorrath ist.
Wenn mit der Unterbrechung des Dampfabflusses zugleich die Feuerung eingestellt
wird, so nimmt die Temperatur allmälig ab — aber in um so geringerm Maße, je
größer der Wasservorrath ist. Das Kesselwasser ist also gewissermaßen ein
Wärmereservoir. Sonach ist bei solchen Kesseln, wo mit kurzen Unterbrechungen
gearbeitet wird und die Dampfentnahme sehr variabel ist, wie bei Zuckerfabriken,
großer Wasserraum als Regulator nöthigVgl. Bernoulli's Dampfmaschinenlehre, besonders
aber V. Reiche (Anlage und Betrieb der
Dampfkessel, 2. Aufl. S. 4 und 96), welcher den Einfluß des Wasserraumes
scharf präcisirt und zur Folgerung gelangt: „Die Wassermasse eines
Kessels erfüllt genau denselben Zweck wie die Schwungmasse im Schwungrad
einer Maschine.“
Der Größe des Dampfraumes in Hinblick einer momentan großen Dampfentnahme Werth
beizulegen, scheint uns auf einer irrigen Voraussetzung zu beruhen. Nehmen wir z. B.
einen Kessel von 70qm
Heizfläche an, welcher — etwa durch Anbringung eines eigenen Dampfsammlers
— einen schon ungewöhnlichen großen Dampfraum von ca. 7cbm habe, so enthält derselbe bei
5at ungefähr 18k Dampf. Diese können
jedoch bei einer Leistungsfähigkeit von nur 18k Dampf pro Stunde und 1qm Heizfläche in viel
weniger als 1 Minute erzeugt werden. Der Dampfraum enthält also trotz seiner
ungewöhnlichen Größe nur die Dampferzeugung einer Minute! Es kann demnach bei
variabler Dampfentnahme von einer Regelung durch die Größe des Dampfraumes keine
Rede sein.
Bei Kesseln mit relativ kleinem Wasserraum wird durch das starke Wallen der kleinen
Wassermasse leicht Wasser mit dem abziehenden Dampf fortgerissen, der Kessel
überkocht. Es geschieht dies besonders dann, wenn die Verdampffläche, d. h. die
Wasserspiegelfläche im Verhältniß zur Heizfläche, klein ist (vgl. Radinger 1874 212 10), wie
dies bei Röhrenkesseln fast immer eintritt.
Die Bemerkung, daß man sich mit einfachen Bouilleurkesseln — worunter wohl im
allgemeinen überhaupt Systeme mit Unterkesseln verstanden sind — bei theurem
Brennmaterials „nicht begnügen kann“, scheint uns nicht
begründet. Wiederholte und sehr sorgfältige Versuche zeigten, daß gut construirte
und rationell eingemauerte Kessel dieses Systems gleich gute ökonomische Resultate
aufweisen, wie andere Kesselanordnungen. Ja für gewisse Verhältnisse, so speciell
für Zuckerfabriken, empfehlen sich solche Kessel ihres großen Wasserraumes wegen
ganz besonders.
Kux erzielt nun durch seine Combination trotz des Röhrenkessels großen Wasserraum,
und ist in dieser Beziehung sein System dem Depuis-Kessel (*1874 213 13) ähnlich, bei welch letzterm jedoch das Wasser um
die Rohre geht.
Es wäre interessant, die Anlagekosten für 1k erzeugten Dampf des Kux'schen Systems mit denen anderer bewährten
Kesselsysteme zu vergleichen.
Nach den Skizzen Fig. 32 bis 35 sieht es übrigens so
aus, als würde das Auswechseln der Rohre Schwierigkeiten machen — ein
Uebelstand, der besonders in Fig. 32 und 33 auffällt.
Es dürfte dies, ebenso wie das Fehlen des Mannloches, um die Rohre putzen zu können,
nur ein Zeichnungsfehler sein, da ein so wohlbekannter praktischer Ingenieur, wie
Kux, solche Ausführungsdetails gewiß nicht
übersieht.
Die von Tischbein schon 1848 construirten Kessel (Fig. 17 und
18)
scheinen übrigens den in neuester Zeit mehrfach beschriebenen sogen. Piedboeuf'schen Kesseln (*1876 222 298) Auch Horton und Sohn in
London bauen solche Kessel. zum Vorbild gedient zu haben.
C. L.