Titel: | Zur Werthstellung des Cementes; von Dr. W. Michaëlis. |
Fundstelle: | Band 224, Jahrgang 1877, Nr. , S. 189 |
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Zur Werthstellung des Cementes; von Dr. W. Michaëlis.Nach einem vom Verfasser gef. eingesendeten Separatabdruck aus der Deutschen
Bauzeitung, 1876 Nr. 23 und 101.
Michaëlis, zur Werthstellung des Cementes.
Jedermann vermag sich leicht davon zu überzeugen, daß bei der Verwendung von
Portlandcement gewöhnlicher Mahlung ein gewisser Antheil desselben wirkungslos
bleibt; wie groß dieser Antheil sein wird, hängt von der Mahlung ab. Prüft man die
Cemente, welche im Handel vorkommen, nach dieser Richtung hin, so findet man, daß
bei Anwendung eines
Siebes mit 900 Maschen auf 1qc zwischen 20 und 40 Proc. Rückstand auf dem Siebe verbleibt.
Dieser Rest ist zu mindestens vier Fünftel
wirkungslos.
Man nehme einen erhärteten reinen Cement beliebigen Alters, pulverisire ihn so, daß
er ein Sieb mit 900 Maschen passirt, und mache dieses Pulver genau so wie frischen
Cement an; meist schon nach einigen Stunden, sicher aber in Tagesfrist, wird der
Mörtel anziehen und nach 7 Tagen wird man eine ganz beachtenswerthe Wiedererhärtung
constatiren können. Ich fand an 4 Jahre altem, erhärtetem Steincement, nachdem
derselbe stets der Witterung und allen Frösten innerhalb dieser Zeit geflissentlich
ausgesetzt gewesen, bei dieser zweiten Erhärtung die folgenden Zugfestigkeiten für
1qc:
k
nach
7
Tagen
5,4
nach
30
Tagen
8,7
nach
90
Tagen
18,9.
Anderseits nehme man irgend einen Cement des Handels, passire ihn durch ein Sieb mit
gleicher Maschenweite wie oben und mache alsdann die beiden so gewonnenen Theile
jeden für sich an. Der grobe Theil wird sich fast wie gewöhnlicher Grand verhalten,
so zu sagen todt daliegen; erst nach längerer Zeit zeigt sich ein Anziehen und
Binden und selbst nach Jahresfrist wird nur ein sehr untergeordneter Mörtel daraus
resultiren. Macht man diesen groben Antheil aber so fein, daß er durch ein Sieb von
900 Maschen sich schlagen läßt, so hat man, wofern guter Cement vorlag, ein sehr
vorzügliches Material grade in diesem Theile.
Weiter nehme man 100 Th. Cement gewöhnlicher Mahlung und 500 bis 1000 Th. Sand, je
nach Belieben, und stelle daraus Mörtel her; dann verfahre man genau ebenso, nur
entziehe man den 100 Th. Cement durch das Sieb mit 900 Maschen die 20 bis 40 Th.
groben Pulvers und verwende nur den feinen Antheil, also nurmehr 60 bis 80 Th. auf
eben dasselbe Quantum Sand. Die Festigkeit beider Mörtel wird dann darüber belehren,
welche Wirkung der grobe Antheil im ersten Falle geübt hat. Der grobe Antheil im Cement spielt also fast nur die Rolle von Sand; je nach
der Mahlung sind bei den Portlandcementen von heute gegen 25 Procent als todte,
ungenutzte Masse zu betrachten. Der Consument bezahlt also, wenn er 190k Cement mit 14 M.
kauft, gegen 50k
desselben mit 3,50 M., welche er in Form von reinem, scharfem Grubensand für 0,10 M.
haben könnte. Millionen sind an diese Weise bis heute verschwendet worden.
Anderntheils würde der Fabrikant noch ein gutes Geschäft machen, wenn er für einen
Preisaufschlag von 0,50 M. diese 50k Cementgries in feines Mehl verwandelt
hätte und dem Consumenten eine Waare lieferte, welche ein Sieb mit 900 Maschen ganz
und gar passirte.
Da aber schlechte Cemente, besonders thonreiche Mischungen
und noch mehr unsachgemäß erbrannte Waare vorzugsweise leicht fein fallen, so würde
das Verlangen nach feiner Mahlung ohne die fleißig geübte Prüfung auf Festigkeit
geradezu verhängnißvoll sein. Der ganze enorme Gewinn aber, der bei guter Controle
auf diesem Wege zu erzielen steht, wird die geringen Kosten und Mühen der Prüfung
gar nicht in Betracht kommen lassen. Welcher Art die Festigkeitsprüfung sei, ist, so
lange es um vergleichende Versuche sich handelt, ganz und gar gleichgiltig. (Vgl.
Michaëlis: Zur Beurtheilung des Cementes. Berlin.
Polytechnische Buchhandlung.)
Aus den bereits 17 Jahre lang fortgeführten Untersuchungen Grant's (Experiments on the Strength of
Cement. London. E. und F. N. Spon), auf welche nicht
genug aufmerksam gemacht werden kann, lassen sich betreffs der Stärke von Cementen
und Cementmischungen (Cementmörteln) folgende Erfahrungssätze ableiten:
1) Reiner Cement ist stärker als irgend eine Mischung desselben
mit Sand.
2) Mit dem gleichen Volum Sand gemischt, beträgt die Stärke der
Mischung nach Jahresfrist um 75 Proc. von der des reinen Cementmörtels.
3) Mit 2 Th. Sand desgl. 50 Proc. 4) mit 3 Th. Sand desgl. 33
Proc.
5) Mit 4 Th. Sand desgl. 25 Proc. 6) mit 5 Th. Sand desgl.
16–17 33 Proc.
Ich fand mit 6 Th. Sand bei einer Mahlung, welche 25 Proc. Rest auf einem Siebe mit
900 Maschen ließ, 18 Proc. Stärke vom reinen Cementmörtel, bei 8 Th. Sand 14 Proc.
In der folgenden Zusammenstellung will ich indessen geringere, Grant's Beobachtungen mehr conforme Werthe annehmen, und zwar:
Mit 6 Th. Sand 14 Proc. Mit 8 Th. Sand 10 Proc.
Mit 7 Th. Sand 12 Proc. Mit 9 Th. Sand 8,5 Proc.
In meiner oben erwähnten Abhandlung stellte ich zum Schluß u. a. den Satz auf:
„Für den Architekten und Consumenten ist nichts maßgebend —
gute Waare vorausgesetzt — als allein der Gesichtspunkt: Welcher Cement gibt den billigsten Mörtel von einer
bestimmten erforderlichen Stärke? — mit andern Worten: Welcher Cement verträgt den höchsten Sandzusatz bei
gleicher Festigkeit des resultirenden Mörtels.“ Es gilt
Textabbildung Bd. 224, S. 191
Alter:; a; b; c; d; e; f; Zug- Druck- Festigkeitk für; 1qc; k für; 1qc; k für; 1qc; k für; 1qc; k für; 1qc; k für; 1qc; 7 Tage; 1
Monat; 3 Monat; 6 Monat; 1 Jahr; Nach Grant's
Erfahrungssätzen ermitteltes Verhältniß von Cement und Sand:; für Cementmörtel
von 120 k; für
Bastardmörtel von 60 k; Es enthält demnach; cbm;
Cementmörtel; 1cbm Bastardmörtel; Es kostet mithin
1cbm(nur Cement und Sandmaterial gerechnet); M.;
Derselbe mit hydraulischem Kalk; Beckumer Wasserkalk; 24,43; 9,40; Berechnet man
Cement c als Durchschnittswaare,; so stellt sich der
Werth von 190k
Cement, wie folgt:; a) Cementmörtel zu Grunde gelegt; b) Von Bastardmörtel
ausgehend
Dabei ist zu bemerken, daß beide die hier gesetzte Festigkeit von 60k schwerlich
erreichen dürften. Die hydraulischen Kalke können immer nur Bastardmörtel
liefern.—
Die Berechnung ist nicht ganz zutreffend, weil die Kosten des mit einbezogen
sind.
dies für die allgemeine Verwendung
des Cementes; für besondere Zwecke können noch einige andere Gesichtspunkte mit
bestimmend sein. Im Folgenden soll nun gezeigt werden, wie der Preis von 1cbm Mörtel einer
bestimmten Stärke sich stellt bei Anwendung verschieden
starker Cemente und auch bei Anwendung hydraulischer
Kalke.
Dazu sei das Folgende vorweg bemerkt: Mit „Cementmörtel“ will
ich einen Mörtel bezeichnen, welcher über 60k Druckfestigkeit — für 1qc an Würfeln gemessen
— zeigt; im vorliegenden Falle setze ich einen Mörtel von 120k Festigkeit voraus,
übereinstimmend mit der Festigkeit sehr guter Ziegelsteine. Mit
„Bastardmörtel“ will ich einen Mörtel bezeichnen, der über
30 und bis 60k
Druckfestigkeit besitzt, wie man ihn aus einer Mischung gewöhnlichen Mörtels mit
Portlandcementmörtel, oder mittels hydraulischer Kalke und römischer Cemente
herstellen kann. Der Name „Bastardmörtel“ ist von mir gewählt,
um Alles zu bezeichnen, was als „hydraulischer Kalkmörtel“,
„verlängerter Cementmörtel“ etc. benannt wird.
Für den gewöhnlichen oder Kalk-Mörtel nehme ich eine Druckfestigkeit von 30k im Maximum an; für
gewöhnlich überschreitet dieselbe 10 bis 15k nicht — wohlbeachtet
„wahre Festigkeit und nicht die scheinbare Festigkeit der dünnen
Fugenlage.“
Die Tonne Cement ist zu 190k Nettogewicht (die wahre deutsche Tonne Cement), entsprechend 150l im lose
aufgemessenen Zustande, und zu 13,75 M. angenommen. Der Sand ist mit 2,60 M. für
1cbm berechnet,
hydraulischer Kalk Nr. 1 laut Bericht vom Baumarkt mit 60 M. und Beckumer Wasserkalk
mit 20 M., beides für 1cbm. Für den Portlandcemenet ist eine Reihe typischer Cemente mit
ihren Festigkeiten nach 7 Tagen, nach 1, 3 und 6 Monaten und nach Jahresfrist
gewählt worden; die fetten Zahlen bedeuten die Druckfestigkeit. Jeder, dem es
überhaupt daran liegt, sein Material zu prüfen, wird leicht durch einige
Controlproben bei einer ihm vorliegenden Waare feststellen können, in welche der
unten aufgeführten Reihen sein Cement etwa fällt. Es ist dabei eine Mahlung
vorausgesetzt, welche 25 Proc. Rest auf einem Siebe mit 900 Maschen läßt, und welche
den sonst üblichen Charakter aufweist. Für vergleichende Versuche an verschiedenen
Cementen stelle man immer erst eine Waare solcher Mahlung her.
Für die Zusammensetzung von 1cbm Mörtel sind meine Ermittlungen maßgebend gewesen:
Textabbildung Bd. 224, S. 193
l; l; l; l; k; 100 Cement,; 100
Sand,; 53 Wasser gaben; 166,7 Mörtel; 100 Cement,; 200 Sand,; 76 Wasser gaben;
266,2 Mörtel; 100 Cement,; 300 Sand,; 107 Wasser gaben; 371,4 Mörtel; 100
Cement,; 400 Sand,; 132 Wasser gaben; 470,5 Mörtel; 100 Cement,; 500 Sand,; 163
Wasser gaben; 569,9 Mörtel; 100 Cement,; 600 Sand,; 194 Wasser gaben; 669,2
Mörtel; 100 Cement,; 700 Sand,; 221 Wasser gaben; 771,3 Mörtel; 100 Cement,; 800
Sand,; 252,5 Wasser gaben; 870,7 Mörtel; 100 Cement,; 900 Sand,; 276,5 Wasser
gaben; 968,0 Mörtel; 100 Cement,; 1000 Sand,; 300 Wasser gaben; 1063,4 Mörtel;
100l Mörtel
wiegen:
Der Cement wog 125k pro
100l lose
eingemessen, der Normalsand 154k bei gleicher Menge.
Was kostet 1cbm
Cementmörtel von 120k,
und 1cbm Bastardmörtel
von 60k
Druckfestigkeit bei den Cementen a bis f; bei hydraulischem Kalk Nr. I und bei Beckumer Wasserkalk?
Nichts vermag wohl auffälliger den Nutzen der Festigkeitsbestimmungen und des
fleißigen Controlirens der contractlich vereinbarten Festigkeit darzuthun. Cement
und Cement können eben sehr verschieden werthvolle Artikel sein. Da wo nur
Bastardmörtel gebraucht wird, kann Beckumer Wasserkalk bis zum Preise von 25 M. für
lcbm Staubhydrat
in Concurrenz mit bestem Portlandcement treten.
Bastardmörtel mit Cement allein herzustellen, wird oft beanstandet, weil solche
Mörtel mit über 5 Th. Sand und darüber zu kurz ausfallen; das aber wird sofort
anders sich gestalten, wenn erst Cement sehr feiner Mahlung — also
Zukunftswaare — verwendet werden wird. Für jetzt thut man am besten, die
Mischung von Sand und Cement mit Kalkmilch anzuarbeiten; wie dick die Kalkmilch sein
soll, ist durch Versuche leicht in jedem Falle ermittelt; beachtenswerth ist dabei,
daß man das Quantum des Kalkzusatzes so gering als irgend nöthig bemesse.
(Forisetzung folgt.)