Titel: | Ueber Einführung eines metrischen Systemes für Befestigungsschrauben. |
Fundstelle: | Band 224, Jahrgang 1877, Nr. , S. 219 |
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Ueber Einführung eines metrischen Systemes für
Befestigungsschrauben.
Ueber die Einführung eines metrischen Systemes für
Befestigungsschrauben.
Eine zur Berathung des im Titel angeführten Gegenstandes eingesetzte Commission des
Vereines deutscher Ingenieure (Carl Delisle, Carlsruhe,
Th. Peters, Siegen, H. Ludewig, München) hat die aus technischen Kreisen zum Ausdruck gelangten
Anschauungen in ihrem Referate Die metrischen Gewindesysteme für scharfgängige Schrauben und die Möglichkeit
der allgemeinen Einführung eines derselben. Im Auftrage des Vereines
deutscher Ingenieure zusammengestellt und erläutert.(Berlin
1876.) niedergelegt, welchem wir im Interesse einer möglichst
vielseitigen Beleuchtung derselben Folgendes entnehmen.
Bei der Aufstellung eines einheitlichen Systemes für Befestigungsschrauben handelt es
sich weniger darum, theoretische Beziehungen, welche als zweckmäßig und nothwendig
für sich erkannt werden, in die Praxis einzuführen; es handelt sich weniger darum,
Verbesserungen, die einen relativen Werth immerhin haben mögen, durchzusetzen, als
vielmehr darum, etwas von der Praxis selbst als nothwendig Erkanntes bestimmt
durchzuführen, eine Einheit herzustellen für Verhältnisse, welche wohl mit vollem
Recht als eine der Grundlagen des gesammten Maschinenbaues angesehen werden können.
Die Schraube ist der am häufigsten verwendete Maschinentheil. In dem Falle, in
welchem wir hier die Schraube zu betrachten haben, ist ihr Gebiet ein begrenztes,
aber trotzdem ein außerordentlich umfangreiches. Es gibt wohl überhaupt keine
Maschine, bei welcher eine Schraube nicht Anwendung findet, und die Häufigkeit des
Vorkommens der Anwendung von Schrauben zwingt selbstverständlich schon dazu, eine
gewisse Einheit in der Ausbildung der Verhältnisse der Schrauben durchzusetzen.
Dieses praktische Bedürfniß ist hauptsächlich in zweierlei Richtung entstanden:
Einmal hat die Einführung des Metermaßes selbst das bisher für die Abmessung der
Schrauben angewendete englische Maß unbequem gemacht; dann aber hat auch das bisher
am meisten angewendete Whitworth'sche System doch in der Praxis mannigfache Unvollkommenheiten
gezeigt, die theilweise bereits durch eigene Initiative von den Verwendern dieses
Systemes beseitigt sind, aber grade deshalb um so mehr dazu auffordern, wenn einmal
eine Gelegenheit gegeben ist, dieses System zu ändern, dann auch die durch die
langjährige Praxis erkannten Unvollkommenheiten desselben zu beseitigen.
Die Würdigung dieser Umstände führte schon vor Jahren einige Fabriken dazu,
selbständig in dieser Frage vorzugehen. So haben wir denn die Anwendung des
Metermaßes für Schraubengewinde außer in Frankreich, wo dies leicht erklärlich ist,
seit der allgemeinen Einführung dieses neuen Maßsystemes auch ziemlich bedeutend
schon in Deutschland, namentlich aber im Elsaß. Die Mannigfaltigkeit und
Verschiedenartigkeit der metrischen Systeme drängen dazu, unter ihnen das für eine
Einführung zweckmäßigste auszuwählen, ehe eine Anzahl derselben feste Einbürgerung
in der Maschinenfabrikation erlangt hat. In dieser Beziehung ist auf die von der
Fabrik von Heilmann-Ducommun und Steinlen zu Mülhausen im Elsaß bei der Wiener
Weltausstellung ausgestellten vortrefflichen Schneidezeuge und auf das Aufsehen zu
verweisen, welches damals unter den Technikern diese Fabrikate und das System, auf
welches die Schrauben in ihren Verhältnissen basirt waren, erregten. Außer den
Schraubenfabriken sind es aber auch die eigentlichen Maschinenfabriken, welche häufig schon selbständig
in dieser Richtung vorgegangen sind, so daß wir in der That eine Verwirrung
vorfinden, welche, ehe das Metermaß eingeführt wurde, zwar nicht in dem Umfang, aber
doch in gewissem Sinne auch bestand. Das englische Maß ist nämlich nicht allgemein
bei der Bestimmung der Schraubenverhältnisse angewendet; es wird die Steigung der
Schrauben fast durchgängig nach englischem Maße gemessen, aber der Durchmesser der
Spindel (des Umhüllungscylinders) nach verschiedenen andern Maßen. Es hat sich aus
der kleinen Untersuchung, über welche hier referirt wird, aus den zurückgekehrten
Fragebogen, welche an verschiedene Fabriken ausgesendet wurden, deutlich ergeben,
daß sehr häufig noch rheinländisches Maß, sächsische Zolle, bayerisches Maß für die
Durchmesser angewendet werden, die Steigung aber nach englischen Zollen genommen
wird Es besteht also eine Verschiedenheit in der Praxis, welche nun durch die
Einführung des Metermaßes noch vermehrt wurde. Viele Fabriken empfanden das
Bedürfniß, ein einheitliches Maß in den verschiedenen Theilen einer Maschine
vollständig durchzuführen und gingen deshalb selbständig darin vor, daß sie sowohl
für den Durchmesser der Schrauben als für die Ganghöhe Millimeter einführten.
So wurde das Ziel auf sehr verschiedenen Wegen verfolgt, die selbstverständlich nicht
zusammenlaufen, und es ist in der That eine praktische Nothwendigkeit geworden, in
diesen verschiedenen Verfolgungen desselben Zieles eine gewisse Einheit zu schaffen.
Dies wäre leicht, wenn es sich nur darum handelte, etwas Vollkommenes zu geben, ohne
Berücksichtigung dessen, was bisher besteht; allein die Schwierigkeit, ein
einheitliches System zu schaffen, beruht darauf, daß wir ein relativ einheitlich zu
nennendes System im Whitworth-System bereits besitzen. Dieses hat so zu sagen
die Herrschaft auf der ganzen Welt erlangt; wenn es auch nirgends officiell
eingeführt ist, so ist es doch so allgemein verwendet, daß man ihm den Namen eines
internationalen gewiß nicht vorenthalten kann. Dies geht so weit, daß, nachdem schon
die deutschen Eisenbahnen in ihrem Vereine das englische Maß im
Whitworth-System als obligatorisch eingeführt hatten, Gefahr im Verzüge war,
daß durch das deutsche Reichseisenbahnamt das englische Maß gesetzlich obligatorisch
werden sollte; neben dem gesetzlich eingeführten Metermaße sollte also von der
Behörde selbst ein anderes Maß vorgeschrieben werden. Diese Gefahr ist zum Theil
durch die Bestrebungen des Hrn. Delisle vorläufig nicht
mehr vorhanden, weil die Behörde auf die gemachten Vorstellungen hin die
Durchführung des englischen Maßes für die Schrauben aufgegeben hat. Aber grade diese
Verhältnisse haben es veranlaßt, daß das Bedürfniß nach Durchführung einer
Meterscale recht deutlich wurde, weil man fürchtete, daß, wenn jetzt keine Schritte
geschehen, die zu einem gemeinsamen Ziele führen, für lange Jahre die Aussicht auf
Besserung in diesem Sinne überhaupt verschlossen sei. Die Agitation ist nun einmal
im Gange, und muß es versucht werden, die vereinzelten Bestrebungen einem
gemeinsamen Ziele zuzulenken.
Unsere Aufgabe ist es, die vorliegende hochwichtige Frage so vorzubereiten, daß sie
innerhalb der technischen Vereine zunächst Deutschlands, von den maßgebenden
Fabriken und technischen Behörden so durchgearbeitet werden kann, daß eine bestimmte
Entscheidung möglich wird. Innerhalb der Bezirksvereine des Vereines deutscher
Ingenieure hat solche Durcharbeitung bereits zum Theil stattgefunden, und fühlt sich
dieser Verein wohl dazu berufen, die Entscheidung in dieser Sache anzubahnen; denn
kein anderer deutscher technischer Berein enthält grade eine solche Zahl ausübender
Maschinen-Ingenieure unter seinen Mitgliedern, wie der genannte. Allerdings
ist nicht zu verkennen, daß nicht nur die Producenten, sondern auch die Consumenten
gefragt werden
müssen, wenn es es sich um eine Entscheidung in dieser Frage handelt; doch ist der
nächstliegende Weg wohl immerhin der, daß die Producenten über das zu erreichende
Ziel sich einigen, daß sie sich zunächst klar machen, was angestrebt werden soll;
wie die Sache dann durchgeführt werden soll, ergibt sich später ganz von selbst. Es
ist ja mit dem Whitworth-System ganz ähnlich ergangen. In einer Versammlung
des Vereines der englischen Ingenieure im J. 1840 hielt Whitworth seinen bekannten Vortrag, führte die von ihm aufgestellte Scale
vor, und diese fand allgemeine Anwendung. Es ist hier also auf ganz ähnlichem Wege
vorzugehen. Es ist eine bestimmte Norm für Schrauben aufzustellen und diese dann der
allgemeinen Annahme zu empfehlen.
Das sind die allgemeinen Gründe, welche den polytechnischen Verein in München
veranlaßten, bei dem Vereine deutscher Ingenieure den Antrag zu stellen, die Frage
näher zu untersuchen. Wie weit die Bewegung im gedachten Sinne schon verbreitet war,
zeigte sich auch dadurch, daß gleichzeitig von dem badischen Technikerverein auf
Grund der Delisle'schen Broschüre Ueber Gewindesysteme für scharfgängige Schrauben. ein ähnlicher
Antrag eingereicht wurde, und auch im österreichischen Ingenieurverein die
Besprechung eines einheitlichen Systemes für Befestigungsschrauben schon früher
stattgefunden und zu einem bestimmten Ziele geführt hat.
Das nachstehende Referat über die eingelaufenen Gutachten ist nun nicht in dem Sinne
aufgefaßt, als sei ein bestimmtes System für die Abmessung der Schraubengewinde, der
Querschnitte u. s. w. vorzuführen und zur Einführung zu empfehlen, als vielmehr in
dem Sinne, daß die verschiedenen, aus der Praxis geäußerten Ansichten zum Ausdruck
gebracht werden, um so das Bedürfniß nach Einigung im Alten, oder nach Vereinbarung
zu etwas Neuem festzustellen.
Von den Specialvereinen des Vereines deutscher Ingenieure zunächst haben zehn mehr
oder minder ausführliche Gutachten eingesendet, und zwar: der Aachener, Bergische,
Berliner, Cölnische, Mannheimer, Mittelrheinische, Niederrheinische,
Oberschlesische, Pfalz-Saarbrücker und Sächsisch-Anhaltinische. Die
Beschlüsse des österreichischen Ingenieur- und Architectenvereines sind in
dessen Zeitschrift (1874 S. 64) enthalten. Außerdem sind etwa 2000 gedruckte
Fragebogen an Maschinenfabriken Deutschlands ausgesendet worden. Auf diese
Fragebogen gingen 365 Antworten ein.
Dies ist das Material, über welches ein specielles Referat nach den folgenden
Richtungen gegliedert hier vorgeführt werden soll.
1. Die Verbreitung des Whitworth'schen Gewindesystemes.
2. Die Bedürfnißfrage der Einführung einer Meterscale.
3. Kritik der Steigungsverhältnisse nach Whitworth.
4. Die Delisle'sche Schraubenscale im Vergleiche zu
andern.
5. Der Gewindequerschnitt.
Bei Behandlung des Stoffes nach diesen fünf Richtungen wird die Kenntniß der
verschiedenen Schraubenscalen nach Whitworth, Ducommun,
Delisle, Reuleaux, Redtenbacher, Bodmer-Reishauer u. A.
vorausgesetzt. Ferner wird hier ganz abgesehen von einer näheren Behandlung der
Dimensionsverhältnisse der Schraubenmuttern und Schraubenschlüssel, der besondern
Scalen für Schrauben aus Metall und Messing, der feineren Gewinde für Kleinmechanik,
der Verhältnisse für Bewegungsschrauben, der sogen. Gasgewinde und der Schrauben für
landwirthschaftliche Zwecke. Alles dies sind Fragen, welche vorläufig außer Acht
bleiben können, um
später um so leichter auch ihre Erledigung zu finden, falls nur erst in den
Hauptfragen eine Einigung erzielt ist.
Auch die praktische Frage, auf welchem Wege in der deutschen Technik ein gemeinsames
Normalgewinde am ehesten erzielt, und wie ein solches am wirksamsten zur Geltung
gebracht werden könne, wird in diesem Referate nicht behandelt.
1) Die Verbreitung des Whitworth'schen
Gewindesystemes.
Wenn auch allgemein bekannt sein wird, wie verbreitet dieses System in Deutschland
ist, so ist es doch interessant zu constatiren, wie viele von den Fabriken, welche
eine Antwort einsandten, erklärten, daß sie das Whitworth'sche System verwenden. Von
365 Fabriken erklärten 316, daß sie das Whitworth'sche System ausschließlich, oder
fast ausschließlich in Gebrauch haben. Doch ist ganz sicher anzunehmen, daß nicht
alle von den 316 Fabriken wirklich das Whitworth'sche System nach englischem Maß für
die Steigung und den Durchmesser verwenden, sondern die Vermuthung liegt sehr nahe,
daß ein großer Theil dieser Fabriken für die Durchmesser ein anderes Maßsystem
anwendet; denn es hat sich fernerhin gezeigt, daß überhaupt viele Fabriken gar nicht
wissen, welches Maßsystem in ihren Schrauben, bezieh. Schneidezeugen vorhanden ist,
wie überhaupt manche Antworten geradezu in diesem Sinne einliefen. So haben 14
Fabriken erklärt, daß sie die Durchmesser nach rheinischen Zollen durchführen, und
darunter sind renommirte Etablissements; 7 Fabriken haben erklärt, daß sie die
Durchmesser nach Millimeter, aber die Steigung nach englischen Zollen durchführen,
und 8 bayerische Fabriken verwenden noch das frühere bayerische sogen.
Mannhardt'sche Gewinde, welches bei den dortigen Eisenbahnen obligatorisch war.
Danach könnte es allerdings scheinen, daß relativ schon eine bedeutende
Einheitlichkeit vorhanden ist. Bedenkt man aber, daß diese Einheitlichkeit nicht nur
bei uns in Deutschland besteht, sondern daß auch in England und in dessen Colonien,
wenigstens in einem großen Theile der letzteren, das Whitworth'sche System
durchgeführt wird, so kann man es wohl ein internationales nennen. Es fragt sich
hier nur, ob wirklich einheitliche Verhältnisse dann durchgeführt sind, wenn nur der
Name Whitworth angeführt ist, ob nicht hier und da, und
zwar häufig, willkürliche Aenderungen in den Verhältnissen vorgenommen werden; und
das ist in der That nach Obigem mehr als wahrscheinlich. Es läßt sich annehmen, daß
ein gleiches Normalgewinde nicht allgemein durchgeführt ist. Es haben in diesem
Sinne mehrere Fabriken ausdrücklich geäußert, daß eine sehr schlechte
Uebereinstimmung nicht blos unter den von den Schraubenfabriken nach Whitworth'schem
Systeme gelieferten Schrauben, sondern auch unter den Gewinden der Originalbohrer
sich herausgestellt hat: Die Muttern passen nicht auf die Schrauben, die
Gewindequerschnitte, die Verhältnisse der Abrundungen an den Schärfen des Gewindes
sind ganz verschieden. So wurde angeführt, daß von einer berühmten deutschen
Werkzeugmaschinen-Fabrik bezogene sogenannte Whitworth'sche Originale an sich
schon keine Uebereinstimmung zeigten. Es sollten also jedenfalls bestimmte Normalien
vorhanden sein. Sollte auch kein Metergewinde aus den Vereinbarungen hervorgehen, so
werden sie wenigstens das ersprießliche Resultat haben, eine genaue Feststellung und
Bekanntgabe der Normalabmessungen des Whitworth'schen Systemes zu schaffen.
(Fortsetzung folgt.)