Titel: Mittheilungen über neue Handfeuerwaffen; von F. Hentsch, Hauptmann a. D. in Berlin.
Fundstelle: Band 224, Jahrgang 1877, Nr. , S. 261
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Mittheilungen über neue Handfeuerwaffen; von F. Hentsch, Hauptmann a. D. in Berlin. Mit Abbildungen auf Taf. II [c.d/4]. (Fortsetzung von S. 46 dieses Bandes.) Hentsch, über neue Handfeuerwaffen. Gewehrsystem Berdan. (Schluß.) Was nun das Zusammenwirken der Schloß- und Verschlußtheile betrifft, so nehmen dieselben bei geschlossenem und abgeschossenem Gewehre folgende Stellung zu einander ein: Der Schlagbolzen E ist mit seiner vordern Spitze etwas über die vordere Fläche des Verschlußkopfes K hervor und bis in den Boden der Patrone getreten und legt sich mit der vordern Fläche seines Kopfes gegen die hintere des Verschlußkopfes K, wodurch sein Vorschnellen begrenzt wird. Die Spiralfeder H ist ausgedehnt und stützt sich mit ihrem vordern Ende gegen die hintere Fläche des Schlagbolzenkopfes, mit ihrem hintern Ende gegen den Absatz in der Verschlußcylinderbohrung. Der Verschlußcylinder C verschließt den Lauf mit Hilfe des Verschlußkopfes K, der Ansatz b mit dem Griffe F ist nach rechts niedergelegt, der Extractor I etwas zurückgeschoben, die Spiralfeder S somit angespannt und der Ansatz y vor den Patronenbodenwulst getreten. Der Verschlußtheil D ist so weit vorgeschnellt, als es der mit ihm fest verbundene Schlagbolzen E gestattet, der Stift o liegt im Ausschnitt i des Verschlußtheiles C, die Stange N ist mit ihrem obern Arme t aus den Rasten von D herausgetreten und befindet sich unter dem Ansatze p, die Ansätze u und v des Ejectors Q ragen nicht bis in das Innere der Hülse A hinein, der Führer P endlich ist durch den Verschlußkopf K niedergedrückt. Soll das Gewehr behufs Ladens geöffnet werden, so wird mittels des Griffes F der Verschlußcylinder C nach links gedreht, dadurch der Ansatz b aus dem Einschnitte der Hülse A entfernt und diese Drehung so lange fortgesetzt, bis der Ansatz b gegen die linke Hülsenwand stößt und in der Richtung des nach hinten durchgehenden Hülsenganges anlangt. Hierbei ist durch die schiefe Fläche f des Hülsenkopfes der Verschlußcylinder C etwas zurückgedrückt, und wird die Patrone durch den Extractorhaken y gelockert und nach rückwärts mitgenommen. Im ersten Momente der Rückwärtsbewegung des Verschlußcylinders C folgt der Extractor I dieser Bewegung nicht, da er von der fest im Laufe sitzenden Patronenhülse hieran verhindert wird und einen gewissen Spielraum zum Ausweichen nach vorn besitzt. Derselbe verharrt daher so lange in seiner Lage, bis seine schiefe Fläche z die Schraube R trifft, an dieser niedergleitet und dadurch den Extractorhaken y vor dem Patronenbodenwulste in seiner Stellung fixirt. Sobald die schiefe Fläche z nicht weiter nach unten ausweichen kann, muß der Extractor die Rückwärtsbewegung des Verschlußcylinders C mitmachen. Die Drehung des letztern ist von dem hintern Theile D nicht mitgemacht, da dieser hieran durch einen in dem Gange der Hülse liegenden Ansatz verhindert wird. In Folge dessen hat auch der Stift o die Drehung nicht mitmachen können, sondern ist an der schiefen Fläche der Auslassung in C von i nach j geglitten und dadurch etwas zurückgedrückt. Letztere Bewegung hat auch der Theil D mitmachen müssen, mit ihm der Schlagbolzen E, und ist dessen vorderes Ende in Folge dessen bis hinter die vordere Verschlußkopffläche zurückgetreten, die Spiralfeder H somit etwas angespannt. Alsdann zieht man mittels des Griffes F die Verschlußtheile C und D so weit zurück, bis der Ansatz u des Ejectors Q in die betreffende Auslassung des Verschlußcylinders C springt, sich hinter den stärkern Theil des Verschlußkopfes K legt und die weitere Rückwärtsbewegung einstellt. Die Patronenhülse hat diese Rückwärtsbewegung ebenfalls mitmachen müssen, ist aus dem Laufe heraus und in die Patroneneinlage getreten. Bevor der Verschlußkopf indessen den Ansatz u erreicht, trifft der untere Theil des Patronenbodenwulstes den Ansatz v des Ejectors Q, welcher durch die Feder O sofort so weit gehoben wird, daß er in die Hülsenbohrung hineinreicht, sobald der Verschlußkopf über v hinweggeglitten ist. Hierdurch wird die Patronenhülse in ihrem untern Theile plötzlich an der Fortsetzung der Rückwärtsbewegung verhindert; da aber ihr oberer Theil durch den in dieser Bewegung verharrenden Extractor zur Fortsetzung der Rückwärtsbewegung gezwungen wird, so dreht sie sich um den Haken y des Extractors I auf und wird aus der Hülse A herausgeschleudert. Endlich ist auch der Führer P hochgegangen und dadurch der allmälige Uebergang aus der weitern Hülsenbohrung zu dem engern Patronenlager hergestellt. Nachdem nunmehr die Patrone in den Lauf gebracht ist, schiebt man mittels des Griffes F die Verschlußtheile wieder vor. Anfangs führen sämmtliche Schloß- und Verschlußtheile diese Bewegung aus; sobald indessen der Arm t der Stange N die Spannrast n trifft, tritt er in dieselbe ein und verhindert die weitere Vorwärtsbewegung des hintern Verschlußtheiles D. Zu dem Eintreten in die Rast wird die Stange N durch den Abzug L gezwungen, indem gegen dessen kurzen horizontalen Arm r die Feder M von unten drückt, ihn hebt, gegen den obern Theil t der Stange N treibt und diesen ebenfalls hebt. Mit dem Theile D unterbricht auch der Schlagbolzen E seine Vorwärtsbewegung, der Vordertheil der Spiralfeder H wird dadurch gleichfalls festgehalten; da aber der Verschlußcylinder C in der Vorwärtsbewegung verharrt, somit auch das hintere Ende der Spiralfeder, so wird sie zusammengedrückt und gespannt. Der Theil C setzt seine Vorwärtsbewegung so lange fort, bis sein Ansatz b die hintere Lauffläche trifft, und wird sodann mittels des Griffes nach rechts gedreht und sein Ansatz b in die Hülsenauslassung gelegt, wobei der Führer P durch den Verschlußkopf K niedergedrückt wird und aus der Hülsenbohrung heraustritt. Bei dieser Drehung nach rechts drückt die schiefe, an der rechten Hülsenwand befindliche Fläche g den Theil C bis zu seiner richtigen Lage vor und zwingt den Extractor I mit seinem Ansatze y über den Patronenwulst hinüberzugleiten und sich vor denselben zu legen. Letzteres ist dem Extractor dadurch möglich gemacht, daß er bei dem Vorschieben des Verschlußcylinders C den Patronenboden trifft, in Folge dieses Widerstandes zurückgedrückt, seine schiefe Fläche z von der Schraube R entfernt und er dadurch in den Stand gesetzt wird, sich so weit zu heben, als zum Ueberschreiten des Patronenwulstes erforderlich ist. Um das Hinübergleiten zu erleichtern, hat der Extractor die schiefe Fläche an dem Ansätze y erhalten. Das Gewehr ist somit geschlossen und zum Abfeuern bereit. Soll letzteres geschehen, so wird mittels eines Druckes gegen die Stange des Abzugs der horizontale Arm r desselben niedergezogen. Dieser veranlaßt die Stange zu einer Drehung um ihre Achse, deren Arm t geht ebenfalls nieder, tritt aus der Spannrast m heraus; der Widerstand, welcher dem Ausdehnen der Spiralfeder H entgegensteht, ist dadurch beseitigt, die Spiralfeder gelangt in Thätigkeit, schnellt den Schlagbolzen mit dem Theile D vor, und wird dadurch die Entzündung der Patrone herbeigeführt. Behufs Inruhesetzung des Gewehres aus gespanntem Zustande wird durch den Druck gegen die Abzugsstange die Stange N aus der Spannrast m entfernt, hierbei aber mit der linken Hand der Knopf q des Theiles D festgehalten und letzterer allmälig so weit vorgelassen, bis die inzwischen frei gegebene Stange mit ihrer Nase t in die Ruhrast n eingreift, deren Ansatz verhindert, daß die Nase nieder- und aus der Rast herausgezogen werden kann. Die Waffe erfordert somit zum Laden nur zwei Griffe, nämlich 1) Oeffnen des Gewehres, wobei die Patrone automatisch entfernt wird, 2) Schließen des Gewehres, wobei es zugleich gespannt wird. Dagegen ist der Mechanismus außerordentlich complicirt, besteht aus einer sehr großen Anzahl empfindlicher Theile und enthält eine solche Menge Schrauben, daß das Auseinandernehmen und Zusammensetzen nur äußerst schwierig auszuführen ist. Es erscheint daher gewagt, eine Waffe mit einem solchen Schloßmechanismus einem nicht ganz vorzüglich ausgebildeten Soldaten in die Hand zu geben, und um so mehr muß es überraschen, daß grade Rußland sich zur Annahme einer so complicirten Waffe entschlossen hat; denn das von diesem Staate adoptirte Modell entspricht in der Hauptsache dem hier beschriebenen. Um das Gewehr aus einander zu nehmen, wird, wie bei dem Oeffnen des Gewehres behufs Ladens, der Verschlußcylinder C so weit zurückgezogen, bis der Ansatz w des Ejectors in die Auslassung x tritt. Alsdann entfernt man diesen Ansatz w aus x durch einen Druck auf das vordere freie Ende des Ejectors Q, worauf der ganze Verschlußmechanismus nach hinten aus der Hülse herausgezogen werden kann. Nach Beseitigung des Stiftes o und der Schraube G kann man sodann den Verschlußcylinder C mit Schlagbolzen und Spiralfeder aus dem Theile nach vorn herausnehmen. Um letztere Theile wiederum aus dem Verschlußcylinder C zu entfernen, muß der Verschlußkopf K herausgenommen werden, wozu der betreffende Stift herausgetrieben wird. Nach der Herausnahme des Verschlußkopfes K und der Schraube R kann der Extractor I nebst seiner Spiralfeder aus seinem Lager hervorgezogen werden. Zur Abnahme des Abzuges L, der Stange N, des Ejectors Q, des Führers P und der Ejector- und Abzugsfeder ist die Herausnahme des Laufes aus dem Schafte und alsdann die Beseitigung der betreffenden Stifte und Halteschrauben erforderlich. Das Zusammensetzen des Gewehres erfolgt in umgekehrter Reihenfolge. Was die übrigen Constructionsverhältnisse dieser Waffe betrifft, so sind die Züge des Laufes bedeutend breiter als die zwischen ihnen stehen gebliebenen Balken (Fig. 37). Hierdurch hat der Constructeur die Reibung des Geschosses, welches die Züge nicht gänzlich ausfüllt, an den Seelenwänden möglichst verringern wollen. Da aber eine erhebliche Gasentweichung durch die Zwischenräume stattfinden und durch den dadurch erwachsenden Kraftverlust die durch obige Einrichtung der Züge gewonnene Zunahme der Treibkraft mehr wie aufgewogen werden würde, so hat der Constructeur hinter dem Geschosse einen besondern Pfropf in der Patrone angebracht, welcher die Züge ganz ausfüllt und die Gasentweichung verhindert. Die Züge reichen ferner nicht bis in die zur Aufnahme der Patronen bestimmte Kammer, und hat der Constructenr hierdurch erreichen wollen, daß das Geschoß erst ganz aus der Patronenhülse heraustreten kann, bevor es in die Züge eintritt, und der Fehler, welcher etwa durch eine nicht centrische Lage des Geschosses in der Patronenhülse entstehen könnte, auf diese Weise möglichst ganz gehoben wird. Das auf dem Laufe angebrachte Visir (Fig. 38) entspricht im Allgemeinen dem in England und Frankreich etc. gebräuchlichen Treppen- und Leitervisir, zeigt aber insofern eine besondere Einrichtung, als der Schieber nicht allein die gewöhnliche, auf seiner obern Fläche angebrachte Kimme, welche zum Schnellschießen dienen soll, sondern auch noch ein kleines Lochvisir n′ besitzt, welches zum Präcisionsschießen bestimmt ist. Auf dem einen Arme des Rahmens O V befinden sich die für die Kimme, auf dem andern die für das Lochvisir n′ bestimmten Theilungszeichen. Die ganze Einrichtung kann aber wohl nur als unnütze und schädliche, weder praktischen, noch theoretischen Werth besitzende Künstelei und Spielerei betrachtet werden. Abweichend von der in den meisten Armeen gebräuchlichen Befestigungsart des Bajonnetes (Fig. 39) an der Seite des Laufes befindet sich dasselbe hier unter dem Laufe an derselben Seite wie der Entladestock. Dasselbe stützt sich mit dem untern Ende seiner Klinge auf das obere Ende des letztern, wodurch ihm eine größere Stabilität bei dem Stoße ertheilt werden soll. Eine eigenthümliche Einrichtung zeigen die Riemenbügel (Fig. 40). Die federnden Gewehrringe w sind geschlitzt und mit Ansätzen versehen, welche durch eine Schraube t′ mit einander verbunden und dem mehr oder weniger tiefen Einschrauben der letztern entsprechend mehr oder weniger genähert werden. Der Riemenbügel s greift mit zwei Haken über diese Schraube t′ und liegen letztere zwischen den Ansätzen des Gewehrringes w. Dadurch nun, daß diese Haken in dem zwischen den Ansätzen liegenden Theile schwächer sind und ein Absatz u entsteht, welcher bei dem Zusammenschrauben der Ringansätze sich gegen letztere legt, wird der Riemenbügel fest gehalten. Lockert man die Schraube t′ um einige Gewinde, so daß die Ringösen sich so weit von einander entfernen, daß auch der stärkere Theil der Riemenbügelansätze zwischen sie treten kann, so ist es möglich, den Riemenbügel abzunehmen. Diese Einrichtung hat somit den großen Vorzug, daß die Schraube t′ nicht ganz herausgeschraubt werden braucht, wodurch Zeit gewonnen und ein etwaiges Verlieren der Schraube verhindert wird. Die von Berdan construirte Patrone (Fig. 41) ist eine Centralfeuerpatrone und entspricht im Allgemeinen den bei den neuern Waffen gebräuchlichen. Das Projectil ist in seinem hintern Theile von einer Papierhülle umgeben, welche um dasselbe geklebt und gerollt oder auch an seiner Basis angebracht und über die seitwärtige Oberfläche umgeschlagen sein kann. Das so hergerichtete Geschoß wird in eine aus Messing hergestellte und an seinem vordern Ende im Innern gefaltete Hülse v z eingeführt. Durch die Falten soll die Elasticität der Hülse vermehrt, das Einführen des Projectils erleichtert und letzteres, wenn es sich an seinem Platze befindet, sehr fest gehalten werden. Hinter dem Geschosse befindet sich ein gefetteter Pfropf, welcher, wie schon bemerkt, den gasdichten Abschluß des Laufes nach vorn bewirken, zugleich aber auch die Seelenwände schlüpfrig erhalten soll. Die hintere Fläche des Pfropfes ist mit Papier bedeckt, um die Berührung der fetten Materie mit dem Pulver zu verhindern. Der Boden und der cylindrische Theil der Hülse sind aus einem Stücke gefertigt, ersterer ist an seiner innern Fläche noch durch einen eingelegten Ring verstärkt. Das in Rußland zur Einführung gelangte Modell von Berdan unterscheidet sich, was die Schloß- und Verschlußconstruction betrifft, nur sehr wenig von dem vorstehend beschriebenen, und liegt den abweichenden Constructionsdetails die Absicht zu Grunde, ein Abschießen des Gewehres vor vollständigem Schlüsse unmöglich zu machen. Zu dem Zwecke ist die hintere Fläche des Verschlußkopfes ausgeschweift und der Schlagbolzenkopf hat ovale Form erhalten, so daß dieser nur bei vollständig geschlossenem Gewehre in die Ausschweifung und somit so weit vortreten kann, daß seine Spitze den Patronenboden trifft. Ferner ist in den Verschlußtheilen C und D eine Auslassung angebracht zur Aufnahme eines Hebels, welcher das Heraustreten der Nase t der Stange N vor vollständig hergestelltem Schlüsse, also vor der Rechtsdrehung des Verschlußcylinders C, verhindert. Was die sonstigen Constructionsverhältnisse des in Rußland zur Einführung gelangten Gewehres betrifft, so beträgt die Länge desselben mit Bajonnet 1854, ohne Bajonnet 1343mm; das Gewicht mit Bajonnet 4,638, ohne Bajonnet 4k,218; der Abstand des Schwerpunktes vom Kolbenende mit Bajonnet 685, ohne Bajonnet 606mm. Das Kaliber des Laufes ist 10mm,66, die Zahl der Züge 6, die Breite derselben 4,19, deren Tiefe 0,254, die Breite der Felder 1mm,39, die Länge des Dralles 533mm,4, oder 50 Laufkaliber, der Drallwinkel 86° 14′. Der Lauf ist aus Gußstahl gefertigt und brünirt, das als Bajonnethaft dienende Korn mit einem in den Lauf eingeschobenen Fuße versehen, das Visir entspricht dem englischen Treppen- und Leitervisir, der aus Nußbaum gefertigte Schaft besitzt keine Backe, das Bajonnet die früher beschriebene Stellung nach unten und seine Klinge hat eine Länge von 511mm. Die Metall-Einheitspatrone hat eine Länge von 75mm,2, ein Gewicht von 39g,5, die der oben beschriebenen entsprechende Patronenhülse 57mm,15 Länge und 10g,0 Gewicht. Das Gewicht des rundkörnigen Pulvers beträgt 5g,06, das des cylindro-ogivalen, glatten und am Boden eine sehr seichte Höhlung für die Papierumhüllung besitzenden, geprägten Geschosses 24g. Das Kaliber des letztern ist 10mm,87, seine Länge 27mm,00 oder 2,53 Laufkaliber und endlich seine Anfangsgeschwindigkeit 442m. (Fortsetzung folgt.)

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