Titel: | Ueber Schwefelsäurefabrikation nach A. de Hemptinne; von Friedr. Bode, Civilingenieur in Hannover. |
Fundstelle: | Band 224, Jahrgang 1877, Nr. , S. 298 |
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Ueber Schwefelsäurefabrikation nach A. de Hemptinne; von Friedr. Bode, Civilingenieur in
Hannover.
Mit Abbildungen auf Taf.
VII[d/3].
Bode, über de Hemptinne's Schwefelsäurefabrikation.
Auf seine im J. 1875 veröffentlichte Abhandlung über ein neues Verfahren der
Schwefelsäurefabrikation Bezug nehmend (vgl. *1875 217
300), gibt jetzt A. de Hemptinne weitere Mittheilungen
über dieses Verfahren im Bulletin de Musée de l'industrie de Belgique, März 1877.
Zunächst ist der Schlot D, welcher sich inmitten der
Kiesöfen A erhebt (vgl. die meinem frühern Artikel
beigegebenen Figuren 31 bis 33, Taf. VI Bd. 217), zum bessern Absatz des aus den Oefen
mit kommenden Staubes von zwei concentrischen Kammern aus Mauerwerk umgeben worden,
welche früher als B B nur bis zur Höhe der Oefen empor
reichten. Die Decke derselben ist dann durch die mit Field'schen Röhren
ausgestattete Schale E gebildet, welche früher über dem
Schlot D angebracht war und zum Concentriren der Säure
auf nicht über 61° B. dienen soll. Die von mir schon früher für bedenklich
gehaltene Bedeckung dieser Field-Schale hat de Hemptinne nunmehr beseitigt, um den gesammten Röhrencomplex besser
übersehen und eintretende Anstände sofort ausbessern zu können. Die Denitrirung der
Säure in dieser Schale, welcher zuliebe jene Bedeckung angebracht war, ist somit
aufgegeben.
Freilich kann man nunmehr die einzelnen Rohre Übersehen; man kann auch, wie der
Verfasser angibt, die einzelnen Rohre auf ihre Dichtigkeit prüfen, indem man die
Säure aus der Schale E bis grade zur Oberkante des
weitern Theiles der Field-Elemente entfernt und nunmehr nachsieht, wo ein
Sinken des Säurespiegels in den Röhren eine Undichtigkeit anzeigt. Aber eine lästige
Arbeit bleibt diese Art der Prüfung unbedingt, um so lästiger, je häufiger man sie
anstellt; um so unsicherer, je seltener man dies thut, weil von der letzten Prüfung
her alsdann schon geraume Zeit hindurch durch undichte Stellen im Blei oder in der
Löthung Säure auf den Boden der Staubkammern B nieder
getropft sein kann. Nicht um den Säureverlust wäre es mir zu thun, der hierbei
eintritt, sondern um die verderbliche Wirkung der Säure auf das Mauerwerk, welches aus einander
getrieben und von dem unterliegenden Boden gehoben wird. In der Anwendung einer
solchen Field-Schale, die gegebenen Falls nach unten der Säure ungehindert
freien Abgang gestattet, finde ich eine stete Quelle der Beunruhigung des
Betriebleiters.
Die bei der Prüfung sich undicht zeigenden Rohre sollen geopfert und mit einem
dicken, mit Gewinde versehenen Bleistöpsel verkeilt werden. Schon ungern würde ich
mich aus dem eben angeführten Grunde auf einen solchen Stöpsel verlassen. Aber wenn
man noch allenfalls die Dichtigkeit der Rohre probiren kann, wie prüft man die
Dichtigkeit des Stopfens?
Verfasser hat sich an einem Versuchsapparate mit 10 Röhren von 10cm Durchmesser und
2m Länge, in
welchem der Säurestand durch einen Ueberlauf bei 20cm gehalten wurde, überzeugt, daß die
Concentration schnell, ohne Stöße und ohne Ablagerung von Bleisulfat am Boden der
weitern Rohre erfolgt. Mittels dünner Goldblättchen wurde auch eine lebhafte
Circulation der Säure in den Röhren nachgewiesen, so daß also meine frühern
Befürchtungen wegen mangelhafter Circulation nicht zutreffen. Um der circulirenden
Säure an der obern Oeffnung der Rohre keine Hindernisse zu bereiten, endigen die
innern Rohre oberhalb des Schalenbodens trichterartig, wie man Aehnliches auch bei
den Röhren der Field'schen Kessel hat.
Der früher angeführte Injector scheint von de Hemptinne
aufgegeben zu sein; es wird wenigstens jetzt ein neuer Apparat dieser Gattung
beschrieben (Fig.
29). Er besteht aus einer runden Büchse von Hartblei, die aus zwei durch
Bolzen verbundenen Theilen zusammengesetzt ist. Der obere Theil enthält die
Platindüse, der untere ein kleines, durch Schraube oder Gummistopfen verschlossenes
Loch, so daß man die Büchse entleeren kann. Die conische Aufnahmedüse ist mit Platin
überzogen. Dieser Injector soll zur Denitrirung der Kammersäure und der nitrosen
Schwefelsäure des Gay-Lussac-Thurmes dienen, außerdem die erstere auf
einen passenden Grad bringen (ramener à un degré
favorable). Er aspirirt zu diesem Behufe durch das mit einem regulirenden
Thonhahn versehene Rohr O3 schweflige Säure und drückt sie mit der aus O2 zutretenden Säure durch das Rohr O1 in eine cylindrische
Trommel T, die mit Kieselsteinen oder Topfscherben
angefüllt ist. Es ist diese Trommel zwischen dem Injector O und dem Gefäße N (vgl. die frühern
Zeichnungen) eingeschaltet, und es hat sonach die Säure die Trommelfüllung zuvor zu
Passiren, bevor sie nach N und von da weiter zu den die
Kammern mit ihren Bombonnes berieselnden Reactionsrädern R gelangt. Die Trommel wie das zuführende Rohr O1 sind von dickem Blei; erstere ist außerdem mit
Flacheisenbändern umgürtet und hat bei 40cm Durchmesser 2m Höhe und innen eine Auskleidung
von Thonrohren.
Die Einführung dieser ganzen Vorrichtung scheint mir anzudeuten, daß de Hemptinne dem früher von mir ausgesprochenen Zweifel
beipflichtet, ob nämlich die Denitrirung der Säure in der Schale E durch bloses Bestreichenlassen mit schwefliger Säure
hinreichend erfolgen könne. Ich deutete auch schon damals zur Herbeiführung einer
wirksamen Denitrirung eine Colonne zwischen dem Gefäß N
und der Schale E an, habe mir dieselbe aber doch anders
gedacht, als sie im Vorstehenden angegeben ist. Ich glaube, daß es keinen größern
Dampfverbrauch bedingt, wenn man die Säure von oben herab freiwillig über die
Kieselsteine rieseln und die schweflige Säure umgekehrt von unten nach oben steigen,
nöthigenfalls durch einen Dampfstrahl außerhalb der Trommel ansaugen läßt. In der
Wirkung wird nichts zu wünschen übrig bleiben, falls man dafür sorgt, daß das
Zuführungsrohr für die schweflige Säure nur weit genug genommen wird.
In Bezug auf die Bleikammern bemerkt der Verfasser, daß seine Versuche, die Größe
derselben zu reduciren, bis März 1866 zurückreichen. Er hatte damals in einer
kleinen Kammer von 13cbm Inhalt mit 60 Bombonnes (von Steinzeug, 50cm Durchmesser) und 670 kleinen
Kugeln (von 15cm
Durchmesser und mit Löchern durchbohrt) 110k Schwefelsäure in 24 Stunden erhalten.
(Von wie viel Grad? Mit wie viel Salpeter oder Salpetersäure? Aus wie viel
Schwefel?) Die Bombonnes wurden mit nitroser Schwefelsäure berieselt.
Es werden sodann die in Fig. 30 und 31
dargestellten Reactionsräder, die in Platin, Krystallglas oder Porzellan ausgeführt
sind, beschrieben, und welchen die Säure unter einem Druck von 3 bis 4at durch das Steigrohr
O1 des Injectors
zugeführt wird. Oberhalb der Einmündung liegt ein Siebboden, welcher Unreinigkeiten
der Säure von den Ausgußspitzen fern hält.
In Bezug auf die von mir früher ebenfalls näher berührte Frage der Zulassung von
Wasserdampf bemerkt die neuere Abhandlung, daß die Dampfrohre, welche sich in den
Uebergangsröhren zwischen den drei Kammern befinden, nur bei der Inbetriebsetzung
sowie bei strengem Winter benutzt werden. Sonst komme es zuweilen sogar vor, daß man
gegen die vom Processe selbst erzeugte Wärme Maßregeln ergreifen müsse. Wegen der
Abkühlung sind auch nur die Stiele des Kammergerüstes von starkem Holz und diese mit
eisernen Riegeln in Abständen von 0m,5 verbunden, damit das Blei hinreichend
widerständig bleibt gegen den innern Druck der Bombonnes.
Ferner ordnet Verfasser in der Mitte der in jeder Kammer vorhandenen Ausfüllung vier
Zugschornsteine aus Bleiröhren an, die einen lebhaft kühlenden Luftwechsel erzeugen.
Diese Kamine geben gleichzeitig Condensationsoberfläche ab, deren Wirksamkeit J. Leirens zu Gent seit 1865 an seinen Bleikammern erkannt
hat. Eine dieser Kammern ist mit drei Scheidewänden versehen, die aus oben und unten
offenen Röhren bestehen, welche am Boden und an der Decke verlöthet sind. Man hat
constatirt, daß jede Röhre an ihrem äußern Umfange in 24 Stunden 1l Säure von 50 bis
52° B. condensirte.
Ich habe bereits in meiner frühern Besprechung einige Thatsachen angeführt, welche
gegen die Ansicht sprechen, daß die Schwefelsäurebildung wesentlich von reichlich
vorhandenen Oberflächen abhänge, und welche vielmehr bestätigen, daß der Verlauf des
Processes zum allergrößten Theile abhängt (man kann es ausdrücken, wie man will)
entweder von dem Kammervolum oder von der Geschwindigkeit der Gase in den Kammern
oder von der Zeitdauer, welche den Gasen in den Kammern vergönnt ist —
hierbei stets gleiche Gasstärken und gleichen Aufwand von Salpetergasen
vorausgesetzt. Findet de Hemptinne, daß die durch seine
Bombonnes-Kammern gehenden kühlenden Zugrohre eine vermehrte Production der
Kammer herbeiführen, so bin ich zwar vollkommen in der Lage, die Thatsache
anzuerkennen, aber keineswegs geneigt, sie auf Rechnung der Condensationsoberfläche,
sondern vielmehr der Abkühlung und Contraction des Gasvolums zu setzen, welches
damit eine längere Zeit hindurch in den Kammern zu verweilen befähigt ist, oder aber
die Zufuhr eines vermehrten Gasquantums (und das heißt eben vermehrte Production)
gestattet.
Das Gleiche gilt für den Fall Leirens. Die Angaben von
1l Condensation an
Kammersäure pro Rohr und 24 Stunden kann doch nur einen Sinn haben, wenn damit eine
Mehrproduction in Hinsicht auf dieselbe Kammer gemeint ist, bevor sie die
Luftkühlrohre hatte. Nun bin ich auch hier weit entfernt, die Thatsache der
Mehrproduction zu bezweifeln; wohl aber schreibe ich dieselbe auch in diesem Falle
nicht der vermehrten Oberfläche, sondern der Abkühlung und Verminderung des
Gasvolums zu. Man kann übrigens auch nach der gemachten Angabe noch gar nicht
beurtheilen, welches Verhältniß dieses eine Liter pro Rohr im Verhältniß zur
täglichen Leistung eigentlich darstellt, und es ist mir nicht zweifelhaft, daß wenn
man durch diese Kühlrohre statt Luft (besonders im Sommer) kaltes Wasser strömen
ließe, der Effect bei gleicher Oberfläche der Rohre noch viel erheblicher sein
würde.
Die vom Verfasser über den Gay-Lussac-Thurm gegebenen Notizen befremden in sofern,
als die Säure durch Reactionsräder vertheilt wird, die mit Schaukeltrögen
alternirend gespeist werden. Man wird den Einlauf in diese letztern auf irgend eine
Art — mit Hahn, Ventil, Quetschhahn oder in die Höhe gebogenem Rohre —
reguliren müssen. Dann aber entsteht die Frage, warum man nicht sofort in die
Reactionsräder einlaufen läßt und erst noch Schaukeltröge dazwischen schaltet?
Ich bin nicht so unbillig, von Hrn. de Hemptinne Angaben
zu verlangen, welche etwa die Nachahmung seines Verfahrens und seiner Apparate durch
unberufene Dritte erleichtern. Aber er wird seine Erfindung selbst am besten
empfohlen haben, wenn er uns guten Aufschluß über die folgenden Fragen geben
wollte:
1) Welche Menge erstes Hydrat (SO3
HO) wird in 10cbm Kammerraum in 24
Stunden erzeugt?
2) Welche Menge wasserfreie Salpetersäure wird pro 100k erstes Hydrat
gebraucht?
3) Wie viel erstes Hydrat erhält man aus 100 Schwefelkies und
wie viel Schwefel enthält der Schwefelkies und der Abbrand ?
4) Wie viel erstes Hydrat geben 10cbm Kammerraum pro Jahr ?
Erst nach genauer Beantwortung dieser Fragen wird man sich ein Bild machen können von
dem Werthe des neuen Verfahrens.