Titel: | Die Weizenstärkefabrikation nach dem verbesserten Halle'schen Verfahren; von M. Adlung. |
Fundstelle: | Band 224, Jahrgang 1877, Nr. , S. 304 |
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Die Weizenstärkefabrikation nach dem verbesserten
Halle'schen Verfahren; von M.
Adlung.
Adlung, über Weizenstärkefabrikation.
Die Weizenstärke, welche hinsichtlich der Größe ihrer Körner und der dadurch
bedingten Zartheit ihrer Structur die Mitte hält zwischen Kartoffel- und
Reisstärke, bewahrt eine ähnliche Mittelstellung in Hinsicht auf die
Schwierigkeiten, welche bei der Fabrikation auftreten. Während die Abscheidung der
Stärke aus nur mechanischem Wege, durch Auswaschen der zerriebenen Knollen mittels
Wassers, gut gelingt, hingegen bei Gewinnung von Reisstärke scharf wirkende
chemische Agentien in Anwendung gebracht werden müssen, kämpfen in der
Weizenstärkefabrikation verschiedene Methoden um die allgemeine Anerkennung, welche
sich mehr der einen oder der andern von beiden bezeichneten Richtungen anschließen.
Es dürfte schwierig sein, sich für eine der verschiedenen Methoden zu entscheiden;
ein Hinblick jedoch auf die Ausdehnung, welche die Weizenstärkefabrikation in Halle
a. S. besitzt und die anerkannte Güte des Fabrikats berechtigt wohl, dem dort
allgemein üblichen Verfahren mittels saurer Gährung um so eher den Vorzug zu geben,
als dasselbe in den letzten Jahren durch Einführung der Rohstärke-Centrifuge
eine wesentliche Verbesserung erfahren hat. Wohl ist nicht zu verkennen, daß ein
großer Theil des stickstoffhaltigen Klebers bei der Operation verloren geht; doch
resultirt in den die unzersetzten, weil ölhaltigen Keime enthaltenden Hülsen, sowie
im sauren Kleber ein so werthvolles Viehfutter, daß grade in Halle a. S. die
Schweinemast eine sehr ergiebige Einnahmequelle der Stärkefabrikanten bildet.
Es ist mehrfach hervorgehoben worden, daß ein brauchbares Wasser die Seele der
Stärkefabrikation überhaupt ist; bei dem in Rede stehenden Verfahren erscheint ein
geringer Kochsalzgehalt des Wassers unter allen Umständen wünschenswerth; dagegen
wirkt der im „harten“ Wasser enthaltene doppeltkohlensaure Kalk
besonders bei der Operation des Einquellens nachtheilig, und wird man im gegebenen
Falle gut thun, durch Zusatz geringer Mengen Salzsäure das Carbonat in Chlorid
überzuführen.
Der nöthigenfalls gesiebte Weizen wird mit kaltem oder nur wenig erwärmtem Wasser
eingequellt, so daß dieses eine Hand hoch darüber steht. Das Wasser bleibt 8 bis 10
Tage mit dem Weizen in Berührung, nach welcher Zeit letzterer so weich geworden ist,
daß er sich zwischen den Fingern leicht zerdrücken läßt und dabei eine milchige
Flüssigkeit abgibt. Das
gelblich schmutzige Wasser wird nun abgezogen, und man schreitet zur Operation des
Zerquetschens mittels eiserner Walzen, deren Stellung zu einander eine solche sein
muß, daß kein Korn unzerdrückt hindurchgehen kann. Der gequetschte Weizen, jetzt
„Gut“ genannt, kommt nun in die in einem temperirten Raume
stehenden Gährbottiche, welche nahezu damit angefüllt werden. Man läßt nun so viel
reines Wasser hinzu, daß die Masse 0m,3 hoch bedeckt wird. Ein Zusatz von
Sauerwasser oder gefaultem Kleber befördert das Eintreten der Gährung, welche
allmälig unter Essigsäurebildung und Hebung der Masse vor sich geht. Während das
„Gut“ täglich „umgestochen“, d. h. die
gehobene Masse mittels Krücken nach unten gedrückt wird, findet die Lockerung des
Klebers statt. Der nach 14 Tagen eintretende Zeitpunkt der
„Reife“ wird daran erkannt, daß das Wasser jetzt über der
Masse steht und keine Gasentwicklung mehr stattfindet. Man füllt einen Theil der
Flüssigkeit ab; die größere Menge kommt jedoch, weil viel Stärke in Suspension
enthaltend, mit dem Gut in die Waschtrommel, welche man jedes Mal zur Hälfte
anfüllt.
Das Abwaschen (Trommeln) des Guts geschieht unter langsamer Drehung der Trommel und
Zufluß einer mäßigen Wassermenge durch die hohle Achse; aus Kupferblech gefertigte
Trommeln mit glatter Innenfläche bedürfen einer größern Umdrehungsgeschwindigkeit,
als die aus Holz gefertigten. Letztere haben übrigens den Vorzug eines mehr sichern
und einfachen Verschlusses. Sobald das Wasser fast ungetrübt abfließt, wird die
Operation unterbrochen, die Trommel von den Hülsen entleert und von Neuem
gefüllt.
Die Rohstärkemilch fließt über ein (Rüttel-) Sieb in einen großen, mit
Rührwerk versehenen Aufrührbottich (den sogen. Quirl). Nach vollendetem Abspülen
läßt man das Rührwerk kurze Zeit (10 Minuten) gehen, dann bleibt das Gut 3 Tage in
Ruhe, während das Rührwerk natürlich gehoben ist.
Am Abend des dritten Tages wird der größte Theil des klaren Sauerwassers bis auf den
suspendirten Kleber, das sogen. „Grobe“ abgezogen, dann senkt
man das Rührwerk, so daß es eben in die Flüssigkeit eintaucht, läßt langsam einige
Male herumgehen und zieht nun das gleichförmig aufgerührte
„Grobe“ durch ein am Boden des Bottichs befindliches
Zapfloch bis auf die harte weiße Rohstärke ab. Das Zapfloch ist von innen durch
einen Pflock verschließbar, über welchen eine Blechhülse von der ungefähren Höhe der
zu erwartenden Rohstärkeschicht gesetzt wird. Die Hülse, welche noch zweckmäßiger
aus zwei in einander zu schiebenden Theilen bestehen kann, verhindert beim Lüften
des Pflockes das
Herausfließen der Stärke, durch welche die Oeffnung auch leicht verstopft werden
würde. Die Oberfläche der Stärkeschicht wird mit Wasser sauber abgewaschen, das
abgeschlämmte „Grobe“, welches neben Hülsen und Kleber noch
viel Stärke enthält, wird nach einem höher stehenden Bottich gepumpt, mit zwei
Theilen Wasser verdünnt und läuft nun in dünnem Strahle über die 15m lange, flache und
schwach geneigte Holzrinne, in deren obern Theile sich eine sehr gute Stärke
ansetzt. Der Inhalt des Rinnenbottichs wird öfters umgerührt.
Die im Aufrührbottich fest abgesetzte Rohstärke wird mit dem dreifachen Volum Wasser
aufgerührt, die Stärke aus dem obern Theil der Rinne, nebst der ihr entsprechenden
Wassermenge, noch hinzugefügt, und die Rohstärkemilch läuft nun über ein feines Sieb
nach den 75cm hohen
sogen. „Mehlebassins“, die in Cement gemauert und innen glatt
verputzt sind. Es findet in den Mehlebassins eine nochmalige Trennung der Primawaare
von der Kleberstärke, hier Schlichte oder „Abkippe“ genannt,
statt. Letztere bleibt in Suspension, wird nach 48 Stunden, wie oben angegeben,
völlig abgezogen und gelangt in einen über der Rohstärke-Centrifuge stehenden
Bottich, in welchem sie mit der aus dem mittlern Theile der Rinne stammenden
Kleberstärke dick aufgerührt und alsdann geschleudert wird.
Man erhält durch letztere Operation fast die ganze noch im Kleberbrei enthaltene
Stärke und zwar von schöner weißer Farbe, so daß bei exactem Arbeiten, nochmaligem
Aufrühren und Absitzenlassen der geschleuderten Waare das Auftreten einer
Secundawaare ganz vermieden werden kann. Um zu verhüten, daß Weizenstärke beim
Trocknen Risse bekommt, oder sich nicht in der so gewünschten, dick stempelförmigen
Weise zertheilt, sind mehrere Umstände zu berücksichtigen. Zunächst ist
erforderlich, daß ein geringer Klebergehalt in der Stärke bleibt; die angegebenen
Flüssigkeitsverhältnisse dürfen daher nicht wesentlich überschritten werden. Dann
muß die Stärke in möglichst compacte Form gebracht werden, was am allereinfachsten
durch Wasserentziehung schon in den Mehlebassins geschieht. Man benutzt in Halle a.
S. nur selten Schabestärke zu diesem Zwecke, dagegen fast allgemein die sehr
hygroskopische Braunkohlenasche, welche bei vorsichtiger Handhabung keineswegs den
Nachtheil der Unsauberkeit, wohl aber den Vortheil der Billigkeit bei weit besserer
Wirkung besitzt.
Die sauber abgespülte Oberfläche der Stärkeschicht wird mit Stücken von dichter
Sackleinwand belegt, deren Ueberschläge 0m,1 breit sind, und deren seitliche
Ränder bis dicht an die Wandung des Bassin reichen. Auf das Tuch wird nun völlig
trockene Braunkohlenasche gestreut, so daß dieselbe eine Schicht von mindestens der halben Dicke
der abgelagerten Stärke bildet. Die Asche saugt das Wasser begierig auf und
erscheint nach 3 Stunden als eine schwere bröckliche Masse, die durch vorsichtiges
Uebereinanderschlagen der Tuchzipfel und Zusammenrollen leicht mit den Tüchern
entfernt werden kann.
Das Ausstechen der Stärke geschieht mittels des „Winkels“ und
der „Plötze“. Ersterer besteht aus zwei unten geschärften
Stahlplatten von 47mm
Länge, 16mm Höhe, die
in rechtem Winkel an einander stoßen und durch eine Holzfüllung gestützt werden. Die
Plötze ist ein breites zweischneidiges Messer ohne Spitze. Es gelingt mittels beider
Instrumente leicht, große viereckige Stücke auszustechen, welche zum Behufe einer
weitern Wasserentziehung auf Gypsplatten gesetzt oder mit trocknen Ziegelsteinen
beschwert werden. Nach 12 Stunden werden die Stücke zum Vortrocknen an der Luft oder
in geräumigen, durch langzügige Kachelöfen heizbare Trockenstuben gestellt. Sobald
sich auf allen Seiten des Stückes eine etwa 3mm dicke trockene Schicht gebildet hat,
wird dieselbe abgeschabt, das Stück nochmals einen Tag der Luft ausgesetzt und dann
zu etwa 40mm dicken,
möglichst langen Schäfchen zerbrochen. Das Nachtrocknen der Schäfchen findet am
vortheilhaftesten auf den Horden der mit verschließbaren Lucken versehenen
Trockenböden an der Luft statt. Sehr schädlich auf die Structur der Stärke wirkt
zunächst starke Kälte, welche förmliches Ausfrieren und nachheriges Zerfallen der
Stärke verursacht, nicht weniger auch scharfer Nord- und Ostwind, unter
dessen Einfluß die Stärke Risse bekommt und die Cohäsion verliert. Eine geschützte
Lage der Trockenräume ist daher ebenso wünschenswerth, wie auf der andern Seite eine
kräftige, den Abfluß der feuchten Luft bewirkende Ventilation.
Der aus den Centrifugen gekratzte Kleber bildet, wie schon erwähnt, mit den aus der
Waschtrommel stammenden Hülsen ein sehr nahrhaftes Futter, besonders für Schweine.
Ein Zusatz von Kartoffeln und Salz, sowie Aufkochen der Masse, erhöht wesentlich
ihre Verdaulichkeit. Neuerdings wird der Kleber mit Hülsen gemengt in mittels
Retourdampf geheizten Pfannen getrocknet, dann gemahlen und als Klebermehl in den
Handel gebracht. Die sogen. Schabestärke, welche in der Regel mit
Schimmelpilzmycelien, häufig auch mit Kleisterstückchen vermischt ist, unterwirft
man nochmals der Gährung, indem man sie in einem Fasse mit Wasser anrührt. Die aus
dem untersten Theil der Rinne stammende, bisweilen auch nach dem Schleudern noch
nicht gehörig weiße Stärke wird mit hinzugegeben. Nach 8 Tagen rührt man dünn mit
Wasser an, läßt die Stärkemilch über die Rinne laufen und erhält die Stärke so ganz rein. Man
gewinnt mit Hilfe der Centrifuge nach dem Halle'schen Verfahren 51 bis 53 Proc.
bester Stärke aus dem Weizen. (Deutsche Industriezeitung, 1876 S.
443.)