Titel: | Ueber die Einführung eines metrischen Systemes für Befestigungsschrauben. |
Fundstelle: | Band 224, Jahrgang 1877, Nr. , S. 330 |
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Ueber die Einführung eines metrischen Systemes
für Befestigungsschrauben.
(Fortsetzung von S. 222 dieses Bandes.)
Ueber Einführung eines metrischen Systemes für
Befestigungsschrauben.
2) Die Bedürfnißfrage der Einführung
einer Meterscale.
Dieser zweite Punkt ist wohl der wichtigste für die Berathung überhaupt. Falls man
beschlöße, das Whitworth'sche System nicht fallen zu lassen, wäre die Frage nach der
besten Meterscale vorläufig eine müssige. Daher erscheint es zunächst nothwendig,
die Frage, ob das metrische System einzuführen ist, bestimmt zu bejahen oder zu
verneinen.
In den Fragebogen war nicht direct gefragt worden, ob die Einführung des Metermaßes
von dem Betreffenden gewünscht werde, sondern diese Frage lag mehr zwischen den
Zeilen, und aus eigener Initiative sind Antworten in diesem Sinne eingegangen, so
daß solche auch wohl mit mehr Gewicht angenommen werden können. 41 Fabriken erklären
sich bestimmt dafür, das Whitworth'sche System beizubehalten, darunter manche
ziemlich energisch mit ausführlichen Motivirungen. Dagegen haben ebenso ohne directe
Aufforderung 76 Fabriken ausdrücklich erklärt, daß die Einführung einer Meterscale
nothwendig sei. Außer diesen 76 haben noch andere angegeben, daß sie bereits
selbstständig das Metermaß durchgeführt haben.
Unter den Einwänden, welche entgegen der Einführung des
Metermaßes bei den Schrauben vorgebracht wurden, finden sich hauptsächlich zwei.
Einmal die Kosten der Umänderung und der Anschaffung neuer Schneidzeuge und
Maschinen. Zunächst diesem Einwände gegenüber finden sich beachtenswerthe Angaben
einzelner Fabriken, welche sich zu jeder Aenderung bereit erklären, sobald eine
Einigung erzielt werden kann, welche behaupten, daß in dieser Beziehung die
Hindernisse durchaus nicht so groß seien, als daß sie nicht überwunden werden
könnten, daß es keine Schwierigkeiten habe, die Drehbänke mit englischen
Leitspindeln auch zum Schneiden von metrischen Gewinden zu verwenden. Der andere
Gegengrund ist wohl wichtiger und mehr beachtenswerth; er betrifft den
internationalen Standpunkt, welchen hier außer Acht zu lassen gewiß nicht leicht
ist. Die Verbreitung des Whitworth-Gewindes ist einmal eine große und eine
vorhandene internationale Basis sollte nicht leichtfertig erschüttert werden.
Fabriken, welche für den Export und Import arbeiten, werden gewiß Bedenken tragen,
ein System, welches so allgemeine Verbreitung gefunden hat, fallen zu lassen. Es muß
hier besonders angeführt werden, daß auch eine englische Fabrik, welche von den
bevorstehenden Verhandlungen Kenntniß erhalten hatte, unaufgefordert ein bezügliches
Schreiben eingereicht hat. Die Schraubenfabrikanten S. und T. Ford Smith in Manchester machen in diesem Schreiben mit
Nachdruck darauf aufmerksam, wie nothwendig es bei den heutigen internationalen
Beziehungen sei, derartige Normalien nicht einseitig innerhalb gewisser
Landesgrenzen aufzustellen, wie es vielmehr hier erstrebt werden müßte, ein
Normalsystem für Schrauben unter den Interessenten der hierfür maßgebendsten
Nationen zu vereinbaren.
Diejenigen, welche ein derartig erweitertes Ziel als vorläufig noch zu fern liegend
ansehen und deshalb wünschen, das bisher schon Erreichte zunächst beizubehalten, die
also gegen jeden jetzt schon unternommenen Versuch, eine neue Normalscale
aufzustellen, protestiren, behaupten somit ihren berechtigten Standpunkt. Die
Entscheidung dieser Frage ist vor allem in Erwägung zu geben. Hier könnte wohl nur
durch Abstimmung entschieden werden, nachdem Gründe und Gegengründe reiflich erwogen
sind.
Von den motivirten Auslassungen gegen Einführung einer
Meterscale sei nun Einiges angeführt, damit diese die wesentliche Frage behandelnden
Stimmen hier zunächst zur Geltung gebracht werden. Die Motivirungen, welche für das Metermaß aufgestellt wurden, sind allerdings
meist kürzer als die gegentheiligen, weil sie eigentlich selbstverständlicher sind.
Eine bekannte deutsche Werkzeugmaschinen-Fabrik schreibt: „In
Deutschland Veränderungen des Whitworth'schen Systemes einzuführen, halten wir
weder für nöthig, noch für richtig, da Deutschland industriell nicht genügend
tonangebend ist, um eine internationale Annahme eines neu aufgestellten Systemes
herbeiführen zu können, mithin die inländischen Fabriken sich nach dieser
Richtung nur isoliren und nur eine Zerstörung einer bereits annähernd gewonnenen
Einheit, nicht aber
die Einführung eines einheitlichen Gewindesystemes erzielen würden. Selbst in
Deutschland würden Hauptconsumenten von Schrauben, die Eisenbahnen,
voraussichtlich wenig Interesse daran haben, sich mit einem Bestand von
doppelten Ersatzstücken zu belasten, sondern wohl grade jetzt jegliche derartige
Veränderung als eine sehr überflüssige ablehnen. Ferner bemerken wir, daß die
Fabrikation von Whitworth-Schrauben in den Fabriken, die sonst
ausschließlich nach Metermaß arbeiten, wie die unsere, nicht die geringsten
Schwierigkeiten bietet, denn für die verschiedenen äußern und
Kern-Durchmesser sind gehärtete Stahllehren vorhanden, nach denen der
Dreher, Bohrer und Schmied arbeiten. Bezüglich der durch die Abweichungen von
vollen Millimetern nöthigen Extra-Lochbohrer für Gewinde sei erwähnt, daß
es nur von Vortheil ist, wenn in jeder Fabrik eine Anzahl Lochbohrer
ausschließlich für Gewindelöcher existirt, damit dieselben keiner Abnutzung
durch andere Arbeiten unterliegen, sondern im Gebrauchsmoment stets im besten
Zustande zur Hand sind, was weit wichtiger als die Ersparniß einer geringen
Anzahl Bohrer ist.… Wenn dagegen der Einwand berechtigt ist, das
Whitworth-Gewinde sei für ganz kleine Schrauben nicht passend, so mögen
diejenigen, die ein begründetes Interesse daran haben, ein geeignetes System für
diese kleinen Schrauben aufstellen. Widersinnig wäre dagegen, diesen Grund
aufzustellen, um das ganze Whitworth-System zu verwerfen, d. h. um der
kleinen Schrauben bis zu 5/16 Zoll willen die kostspieligen, auf der ganzen Erde
Millionen Thaler Capital repräsentirenden Werkzeuge und maschinellen
Einrichtungen für alle andern Whitworth-Schrauben von ⅜ bis 6 Zoll
Durchmesser für altes Eisen zu erklären. … Vom Auslande, von Eisenbahnen,
Schiffswerften u. s. w. würden trotz alledem die bisherigen Gewinde nach wie vor
bezogen werden, so daß wir nur wiederholen können, die Frage liegt durchaus
nicht mehr so, daß eine nationale Einheit für die Gewinde zu erzielen ist,
sondern sie ist längst auf dem Punkte einer internationalen Frage angelangt,
indem es nur eine wirthschaftlich rationelle Lösung gibt: Allgemeinster Anschluß
an das den Lauf um die Erde bereits erreicht habende Whitworth-System.
Ein anderer Entschluß kann und muß der deutschen Industrie auf dem heimischen
Markte Kosten, auf dem Weltmarkte Schaden bereiten.“
Eine andere Fabrik spricht ebenso und betont hauptsächlich den Export, welchen sie
nach Italien, Rußland und der Schweiz habe; dieser würde Noth leiden, wie sie sagt,
durch die Einführung eines neuen Gewindesystemes. „Seit 40 Jahren sei in
dem Etablissement das Metermaß eingeführt; es habe sich aber nie irgend eine
Unzuträglichkeit durch die gleichzeitige Anwendung des englischen Maßsystemes
für die Schrauben ergeben.“
Eine motivirte geschlossene Ausführung lautet folgendermaßen: „Weil das
Whitworth'sche Gewinde über den größten Theil der Erde, soweit der mächtige
Einfluß der Mechanik Englands reicht, verbreitet ist; weil über 90 Proc. der zur
Verwendung gelangenden Schrauben einen Durchmesser von ½ bis 1 Zoll
haben, und hierfür das Whitworth'sche Gewinde durchaus passend ist; weil
Aenderungen einen praktischen Werth nicht haben, vielmehr eine große Verwirrung
zur unvermeidlichen Folge haben würden, und weil wir Deutsche schließlich zu arm
sind, um uns den Luxus so theurer überflüssiger Experimente erlauben zu können;
deshalb halten wir den Wunsch, derartige Neuerungen einzuführen, nicht blos für
zwecklos, sondern auch für höchst verwerflich.“
So ist von den gegen die Einführung des Metermaßes bei den Schrauben eingeschickten
41 verschiedenen Ausführungen Einzelnes hervorgehoben. Es wird nochmals bemerkt, daß
76 andere Fabriken entgegenstehen, welche unaufgefordert sich dahin ausgesprochen haben, das
Metermaß sei durchzuführen, und unter ihnen sind renommirte
Werkzeugmaschinen-Fabriken, welche betonen, daß eine Einheit des Maßes
durchaus nothwendig sei, und daß gleichzeitig, da einmal die Initiative ergriffen
wäre, auch nothwendige Verbesserungen in der Scale selbst durchgeführt werden
könnten. Außer diesen Fabriken, die sich für Einführung des Metermaßes ausgesprochen
haben, theilten 14 andere mit, daß sie selbstständig metrische Systeme anwendeten
und eingeführt hätten, ohne daß diese Systeme dann außerhalb der Fabrik weitere
Verbreitung gewonnen haben, darunter eine elsäßische Fabrik, welche schon seit 50
Jahren ein metrisches System verwendet. Es sind aber außer diesen 14 Fabriken,
welche selbstständig das Metermaß für ihre Zwecke eingeführt haben, noch
Schraubenschneidzeug-Fabriken bekannt, welche nach metrischem Systeme
arbeiten, wie Ducommun in Mülhausen und Reishauer und Bluntschli in
Zürich. Es haben 5 Fabriken erklärt, daß sie die Reishauer'schen Gewinde anwenden.
Das nach Reuleaux im „Constructeur“
angegebene metrische Gewinde wird von 3 Fabriken verwendet, allerdings etwas
verändert. Jedenfalls haben die metrischen Gewinde in der Praxis schon bedeutend
mehr Verbreitung gefunden, als auf diesem Wege erhoben werden konnte, da ja bekannt
ist, daß die Ducommun'schen Schneidzeuge schon vielfach verwendet werden.
Das sind die Aeußerungen der Fabriken. Gehen wir jetzt über zu den Gutachten der
Bezirksvereine des genannten Vereines. Ueberhaupt vier
Bezirksvereine erklärten sich, der Kölner und Mittelrheinische ganz bestimmt, für
die Beibehaltung des englischen Systemes, der Aachener und Niederrheinische nicht so
entschieden, sondern nur bedingt. Die beiden letztern Vereine erkennen nebenbei die
Vorzüge der guten metrischen Systeme durchaus an. Die Meterscale befürworten
entschieden sechs Bezirksvereine, vor allen der
Mannheimer, welcher sich die Delisle'sche Scale angeeignet hat, der
Pfalz-Saarbrücker, welcher selbst eine Verbesserung der Scale vorschlägt, der
Bergische Bezirksverein, der Oberschlesische, der Sächsisch-Anhaltinische und
Berliner Bezirksverein. Von den Aeußerungen der Bezirksvereine sei gestattet,
hauptsächlich die der Gegner des Metergewindes vorzuführen, soweit die Gutachten
sich speciell auf die vorliegende Frage beziehen.
Der Mittelrheinische Bezirksverein sagt: „Von der Annahme des Delisle'schen
Gewindesystemes glaubt der Verein entschieden abrathen zu müssen. Der Hauptgrund
liegt zunächst darin, daß sich bei wirklicher Annahme und Durchführung des
Delisle'schen Systemes der deutsche Maschinenbau, soweit es eben Schrauben
betrifft, völlig isoliren würde. Es wird wohl Niemand naiv genug sein, zu
glauben, daß sich andere Nationen von industrieller Bedeutung uns anschließen
würden. In späteren Zeiten vielleicht, wenn das Metermaß noch allgemeiner oder
vielmehr ganz allgemein geworden ist, mag man sich aus den in der Delisle'schen
Broschüre aufgeführten Gründen vielleicht nach einem für das Metermaß passenden
Gewinde umsehen, und dann mag das Delisle'sche System zur Geltung kommen, wenn
man nicht vorzieht, wie es schon jetzt vielfach geschieht, für die einzelnen
Gewindestärken Lehren oder Nummern beizubehalten. Gegenwärtig werden sich die
Engländer und Amerikaner uns nicht anschließen, weil bei ihnen das
Whitworth-System thatsächlich universell geworden ist und zum englischen
Maße paßt. Die Franzosen würden schon aus nationaler Eitelkeit etwas Deutsches
nicht einführen. Indem wir uns dadurch isoliren, könnten bei dem jetzigen
internationalen Verkehr äußerst unangenehme Zustände eintreten. Englische
Maschinen, nach Deutschland importirt und dort reparirt, würden in Kurzem
zweierlei Schrauben haben, und deutsche Muttern würden nicht auf englische
Schrauben passen. Ebenso unangenehm wäre dies bei dem Export deutscher Maschinen ins
Ausland. Auch der Kostenpunkt ist nicht ganz außer Acht zu lassen, wenn er auch
als alleiniges Motiv zur Ablehnung nicht maßgebend sein könnte. Die Beschaffung
lauter neuer Backen und Bohrer und neuer Räder (wenn von letztern auch nur
wenige) ist für eine größere Maschinenfabrik immerhin eine Ausgabe von
Bedeutung. Schließlich sei noch bemerkt, daß im Handel Rundeisen nach
rheinischem, englischem und Meter-Maß vorkommt, daß ferner eine
Genauigkeit nach Bruchtheilen von Millimetern, wie es beim
Whitworth-System nach Metermaß vorkommt, nicht mit dem Maßstab, sondern
mit der Lehre gemessen wird. Häufig zeigt das gewalzte Rundeisen selbst kleine
Abweichungen von der runden Form, die mehr betragen als kleine Bruchtheile von
Millimetern. In solchen Fällen muß bei exacter Arbeit doch stärkeres Eisen
genommen und nach der Lehre abgedreht werden. So lange es sich noch darum
handelt, ob Abschaffung oder Beibehaltung des Whitworth-Systemes das
bessere sei, möchten wir letzteres entschieden befürworten.“
Der Niederrheinische Bezirksverein sagt: „Der Verein kann sich der Ansicht
nicht anschließen, daß die Einführung eines metrischen Gewindesystemes ein
Bedürfniß sei, weil er die in der Broschüre von Delisle angeführten Gründe für die Einführung nicht als durchschlagend
anerkennt. Theilweise stützen sich diese Gründe auf Voraussetzungen, welche in
Bezug auf Herstellung, Revision und Benutzung der Gewinde wohl nicht ganz
zutreffen dürften. Die allgemeine, sich fast über die ganze civilisirte Welt
erstreckende Benutzung des Whitworth'schen Systemes erschwert die Einführung
eines neuen Systemes, wenn dasselbe nicht ganz besondere Vorzüge bietet,
ungemein, und würde selbst ein solches auf eine sehr lange Zeit hinaus nicht
allein bestehen können, da man, besonders in Maschinenfabriken und größern
industriellen Anlagen, der Reparaturen halber gezwungen sein würde, das alte
Gewinde noch fortzuführen und dadurch Anlaß zu leicht möglichen Irrungen zu
bieten. Wir halten in Hinsicht darauf, daß England, welches immerhin einen sehr
großen Theil des Maschinenmarktes beherrscht, nicht das metrische System
besitzt, noch in nächster Zeit einführen wird, es für fast unmöglich, dem von
Delisle vorgeschlagenen Systeme allgemeinen
Eingang zu verschaffen. Aus diesen Gründen erklärt sich der Niederrheinische
Bezirksverein einstweilen gegen Einführung des Systemes Delisle und vorläufig für Beibehaltung des Systemes Whitworth.“
Der Aachener Bezirksverein ist ebenfalls ein Gegner des Metersystemes:
„Unter Anerkennung vieler Vorzüge des Delisle'schen Metersystemes
müsse doch erklärt werden, daß die mit Verlassen des Whitworth-Systemes
verbundenen wahrscheinlichen Nachtheile die zu erhoffenden Vortheile überwiegen
würden. Es ist nämlich in Deutschland und andern Ländern, mit denen es im
Maschinenhandel steht, das Whitworth-System fast allgemein eingeführt, so
daß wir den Zustand einer angenäherten internationalen Einheitlichkeit mit
Aufgabe dieses Systemes verlassen würden. Es würde damit unser
Maschinen-Import wie Export wesentlich benachtheiligt, da wir uns der
Hoffnung nicht einmal hingeben dürfen, das von uns eingeführte neue System auch
in unsern Bezugs- und Absatzgebieten adoptirt zu sehen. Verzichten wir
aber auch auf den Vortheil der Theilnahme an jener internationalen
Einheitlichkeit, so würden im günstigsten Falle, wenn nämlich in ganz
Deutschland die Annahme eines neuen Gewindesystemes consequent durchgeführt
würde, die Unzuträglichkeiten der Uebergangsperiode keineswegs von so kurzer
Dauer sein, als vielfach und auch in der Delisle'schen Broschüre angenommen wird; sie würden sich nicht nur auf den
zur Neubeschaffung von Schneidzeugen erforderlichen Zeitraum beschränken,
sondern, wenn auch im verminderten Maße, fortdauern bis zu dem geschehenen
Verbrauch der mit altem Gewinde ausgestatteten Maschinen. Diese Unzuträglichkeiten
würden um so stärker hervortreten, je weniger sich die neue Gewindeform von der
Whitworth'schen unterschiede. Erwägt man nun ferner, daß man kaum darauf rechnen
darf, das vom Vereine deutscher Ingenieure vorzuschlagende System in Deutschland
allgemein angestrebt zu sehen, und zwar, nicht zu erwähnen anderer Ursachen,
besonders auch wegen des zur Zeit bestehenden Mangels an einer genügend lange
erprobten Gewindeform ohne Eckenabrundung, deren man bedürfen würde, um
wenigstens für das Inland volle Uebereinstimmung und damit einen dem jetzigen
überlegenen Zustand herbeizuführen, so steht man vor der Gefahr, die
gegenwärtigen, recht erträglichen gegen höchst unerquickliche Verhältnisse
auszutauschen. Der Aachener Bezirksverein verkennt nicht, daß den angeführten
Bedenken manche Gründe für Ersetzung des Whitworth-Systemes durch ein
metrisches gegenüber stehen; dieselben erscheinen ihm jedoch als minder schwer
wiegend, so die größere Bequemlichkeit für das Berechnen und Zeichnen, so ferner
die Verwendbarkeit von metrischen Maßstäben auch bei den Gewinden und so endlich
die Uebereinstimmung des Maßsystemes bei den Schrauben und dem zugehörigen
Rundeisen.“
Was endlich noch den österreichischen Ingenieur- und Architectenverein
anlangt, so ist aus dessen Zeitschrift zu ersehen, daß seine Commission einstimmig
beschlossen, das englische Maß des Whitworth-Systemes beizubehalten und auf
Millimeter in den Zeichnungen zu reduciren. So zum Beispiel wird ⅝ Zoll in
den Zeichnungen geschrieben: 15mm, 875 Spindeldurchmesser, 12mm, 9179 Kerndurchmesser. Es sollen diese
Decimalen jedoch nicht als Decimalbrüche eingeschrieben werden, sondern als echter
Bruch mit Zähler und Nenner, so daß z. B. angeführt wird 1/25 Millimeter. Es wird
eine Anwendung des Whitworth'schen Systemes in der Weise beliebt, daß die Zahl der
Gänge auf 5 Zoll englisch gemessen werden solle, weil 5 Zoll englisch ziemlich genau
mit 127mm
übereinstimmen. Allerdings wird es oft seine Schwierigkeit haben, die 5 Zoll
Gewindelänge an der Schraube vorzufinden, da die Schrauben doch selten so lang sind.
Was die geometrische Form des Gewindes betrifft, so ist der Querschnitt entsprechend
dem Whitworth-Gewinde mit einem Kantenwinkel von 55° auch beibehalten,
aber keine Bestimmung über die Abrundung gegeben, so daß auch diese Unbestimmtheit
des Whitworth'schen Systemes bestehen bliebe.
Diesen Vereinen gegenüber betonen die Befürworter des
metrischen Systemes dessen Vortheile und läugnen die allgemeine Verbreitung des
Whitworth'schen Normalgewindes; so sagt namentlich der Mannheimer Verein:
„Von den Vortheilen des metrischen Gewindes gegenüber dem englischen
Whitworth-Gewinde ganz abgesehen, muß betont werden, daß es sich in
Deutschland nicht darum handelt, ein allgemein eingeführtes Gewindesystem zu
verlassen, um ein anderes anzunehmen, sondern an Stelle einer großen
Verschiedenheit von Gewinden, unter denen aber das Whitworth'sche, richtig oder
unrichtig ausgeführt, eine große Rolle spielt, ein einheitliches System
einzuführen.“
Der Pfalz-Saarbrücker Verein führt aus: „Es ist die Einführung eines
Gewindesystemes, welches dem Metermaß angepaßt ist, dringend wünschenswerth, in
Würdigung der in der Delisle'schen Broschüre
enthaltenen Gründe. Außerdem kann nicht unbeachtet gelassen werden, daß unsere
vaterländischen Hüttenwerke bereits ihr Eisen fast ohne Ausnahme nach dem
Metermaß walzen, und der englische Fuß mit seiner allgemein als unpraktisch
erkannten duodecimalen Theilung doch einem decimalen Maßsystem weichen
muß.“
(Fortsetzung folgt.)