Titel: | Beitrag zur Technologie des Chlorkalkes; von Dr. Ferdinand Hurter in Widnes, Lancashire, England. |
Autor: | Ferdinand Hurter |
Fundstelle: | Band 224, Jahrgang 1877, Nr. , S. 424 |
Download: | XML |
Beitrag zur Technologie des Chlorkalkes; von Dr.
Ferdinand Hurter in Widnes,
Lancashire, England.
(Schluß von S. 80 dieses Bandes.)
Hurter, zur Technologie des Chlorkalkes.
Wir betrachten zunächst den Einfluß der Kohlensäure und zwar a) die Absorption von Kohlensäure durch
Kalkhydrat. Setzt man Kalkhydrat in dünnen Lagen der Einwirkung von
Kohlensäure aus, so bildet sich bekanntlich unter Ausscheidung des Hydratwassers und
Entwicklung von Wärme kohlensaurer Kalk. Der Verlauf dieser Absorption wird dem
Verlauf der Absorption von Chlorgas ähnlich sein und denselben Gesetzen folgen. Es
war von Interesse, die Geschwindigkeit der Absorption mit derjenigen des Chlorgases
zu vergleichen. Man dürfte erwarten, daß die Geschwindigkeit der Absorption der
Kohlensäure viel größer wäre als diejenige des Chlores und zwar, weil erstens die
Verwandtschaft des Kalkes zur Kohlensäure größer ist als zum Chlor, und zweitens,
weil die Absorptionsfähigkeit einer bestimmten Schicht selbst größer ist für
Kohlensäure als für Chlor. Man dürfte erwarten, daß in gleichen Zeiten eine gewisse
Kalkschichte gleiche Gewichte Kohlensäure und Chlor absorbirte. Um über diese Punkte
ins Klare zu kommen, stellte ich mit demselben Apparate 3 Versuche an, deren
Resultate in ähnlicher Weise wie früher beim Chlorgas in folgender Tabelle V zusammengestellt sind.
Diese Versuche ergeben nun zunächst eine Totalabsorption von höchstens 3g Kohlensäure pro
Stunde. Die 20g
Kalkhydrat, welche in der Schale sich befanden, hätten aber mindestens 15g Kohlensäure
absorbiren können; es drang deshalb die Kohlensäure nur bis zu ganz geringer Tiefe
ein. Gegen alle Erwartung ist die Absorption der Kohlensäure bedeutend langsamer als
diejenige des Chlorgases; denn es absorbirten 20g Kalkhydrat nach Tabelle IV (Bd. 223 S. 427) 9g,7 Chlorgas pro Stunde in Schale
a. Auch dem Volum nach verhält sich die Absorption
von Kohlensäure zu der des Chlores ungefähr wie 1:2. Anfänglich war die Absorption
der Kohlensäure (wenn man das absorbirte Volum als Maß der Geschwindigkeit
betrachtet) ganz ebenso rasch als die Absorption
Tabelle V. Absorption von
Kohlensäure.
Textabbildung Bd. 224, S. 425
Zeit. Minuten; Versuch I.; Versuch II.; Versuch
III.; Absorbirte Kohlensäure(in Gramm) auf den
Schalen a; b; a; b; a; b;
Jede Schale mit 20g Kalkhydrat chargirt.
des Chlorgases in frühern Versuchen. In 5 Minuten absorbirten
20g Kalkhydrat 1,4
bis 1g,6 CO2 und 2,6 bis 3g,5 Chlor in Schale
a, und 1,0 bis 1g,4 CO2 einerseits und 1,8 Chlor anderseits in 10 Minuten
in Schale b. Diese Zahlen könnten vielleicht darauf
hinweisen, daß anfänglich die Geschwindigkeit der Absorption für Kohlensäure
mindestens der für Chlor gleich, wenn nicht noch größer war, und daß durch andere
Umstände diese Absorptionsgeschwindigkeit sehr rasch abnimmt. Dies zeigen auch die
Versuche. Schon nach 25 Minuten ist die Absorptionsfähigkeit der Schale a. fast ganz erloschen, während Schale b noch immer Kohlensäure absorbirt. Hier scheint es, als
ob die tiefere Kalkschichte von Einfluß wäre. Man darf dies jedoch wahrscheinlich
nicht anders deuten als so, daß die tiefern Schichten das in den obern frei
gewordene Wasser aufnahmen, dadurch, die obern Schichten trocken legend, dem Gase
einen leichtern Eingang bereiteten.
Stellt man die Resultate durch Curven dar, so sieht man leicht, daß anfänglich die
Absorption von Kohlensäure ganz so verlief wie die des Chlores und der Oberfläche
der Schalen proportional war; die störende Ursache wuchs mit der Absorption und muß
in dem frei gewordenen Wasser liegen.
Aus diesen Versuchen scheint hervorzugehen, daß die Verwandtschaftskraft eine
Beschleunigung der Absorption kaum bewirkt, sondern daß die Absorption von andern
rein mechanischen Verhältnissen bedeutend mehr abhängt als von der Verwandtschaft, obwohl, wo diese
fehlt, eine Absorption natürlich im chemischen Sinne nicht stattfinden kann.
b) Absorption von Gemengen von
Chlorgas und Kohlensäure. Absorbirt man Gemenge von Kohlensäure und
Chlorgas, so tritt neben den Fragen nach den rein mechanischen Einflüssen der
Ausdehnung der Oberfläche und der Schichthöhe namentlich die Frage in den
Vordergrund, in welchem Verhältniß absorbirt der Kalk die beiden Gase? Ich gebe
deshalb in folgender Tabelle VI nur die Resultate der
Versuche über den Gesammtverlauf der Absorption, ohne weiteres beizufügen. Sie
deuten auf ganz dieselben Gesetze, die wir bei der Absorption des Chlores
besprochen. Der störende Einfluß des frei werdenden Wassers macht sich nicht
bemerkbar. Die Totalmenge der absorbirten Gase ist der Oberfläche der Schichte
annähernd proportional und erreicht eine Größe, welche der früher für reines
Chlorgas gefundenen nahe kommt. Es scheint also, daß bei Gegenwart von Chlorgas die
Kohlensäure eine störende Wirkung nicht äußert, so weit der Verlauf der Absorption
selbst in Betracht kommt.
Tabelle VI. Absorption eines Gemenges von
Chlor und Kohlensäure.
Textabbildung Bd. 224, S. 426
Zeit. Min.; Totalmenge absorbirter
Gase.; Versuch I.; Versuch II.; Versuch III.; a; b; a; b; a
Die zu diesen Versuchen verwendeten Gase wurden analysirt, um das Verhältniß von
Chlor und Kohlensäure darin festzustellen. Ebenso wurde die im Kalkhydrat absorbirte
Kohlensäure und das Chlor darin bestimmt. Folgende Tabelle
VII zeigt die Zahlen übersichtlich und auf Verhältnisse der Volume
umgerechnet.
Tabelle VII. Verhältnisse des absorbirten
Chlores zur Kohlensäure.
Textabbildung Bd. 224, S. 427
Versuch I.; Versuch II.; Versuch III.; CO2; Cl; CO2; Cl;CO2; Cl; Im Gasgemenge
war vorhanden; In Schale a wurde absorbirt; In
Schale b wurde absorbirt;
Textabbildung Bd. 224, S. 427
Absorbirt; Versuch; Schale; a; Schale b; Tension des
Chlores; g
g
4,92Cl; 2,41Cl; der
Kohlensäure; g; g;
3,68CO2; 1,99CO2;
Die in vorstehenden Tabellen enthaltenen Zahlen lehren uns, daß der Kalk die
Kohlensäure und das Chlor in anderm Verhältnisse absorbirt als in dem im Gase
ursprünglich gegebenen, und zwar hat die Kohlensäure offenbar den Vorzug. Dies ist
leicht verständlich. Wie wir später sehen werden, zersetzt die Kohlensäure den
Chlorkalk. Die oberste Kalkschichte kann deshalb noch Kohlensäure absorbiren,
nachdem schon längst das Absorptionsvermögen für Chlor erloschen ist. Diese Zahlen
zeigen ferner, daß die Absorption von Chlorgas auch hier wieder fast genau der
Oberfläche der Schalen proportional ist und mit der Tension des Gases wächst.
Aehnliche Verhältnisse ergeben sich für Kohlensäure.
Für die Praxis ist der wichtigste Umstand, daß die Kohlensäure vorzugsweise absorbirt
wird. Es erklärt dies die Thatsache, daß in Deacon's Kammern derjenige Chlorkalk,
welcher an der Eintrittstelle des Chlorgases sich bildet, immer schwächer ist als
der übrige, und daß die erste Kammer eines Systems theilweise einen
Reinigungsapparat für das Chlor bildet.
Nachdem wir nun die Absorption von Chlor, Kohlensäure und von Gemengen beider Gase
untersucht, bleibt nur noch übrig, über die Einwirkung von Kohlensäure auf Chlorkalk
etwas beizufügen. Auf das eigenthümliche Verhalten des Chlorkalkes der Kohlensäure
gegenüber bin ich durch A. Parnell in Gegenwart von Prof.
Crace-Calvert aufmerksam gemacht worden. Parnell versicherte, daß nach seinen Versuchen Chlorkalt
durch Kohlensäure vollständig zersetzbar sei — so nämlich, daß sämmtliches
Chlor als Chlor gasförmig entweiche, wenn trockne Kohlensäure über trocknen Chorkalk
geleitet werde. War dies wirklich der Fall, so konnte im Chlorkalk kein Chlorcalcium
vorhanden sein.
Ich habe zu verschiedenen Malen den Versuch ausgeführt, es ist mir immer gelungen,
bedeutend mehr als die Hälfte des oxydirenden Chlores auszutreiben und ein Product
zu erhalten, welches chlorometrisch einen Gehalt an Chlor nicht erkennen ließ oder
doch blos einen geringen. Es ist mir niemals gelungen, sämmtliches Chlor durch
Kohlensäure auszutreiben.
Der durch Kohlensäure zersetzte Chlorkalk riecht nach unterchloriger Säure, enthält
1,5 Proc. Chlor, welche sich chlorometrisch nachweisen lassen, also entweder in Form
von unterchloriger Säure, oder als noch unzersetzte bleichende Verbindung. Dann
finden sich noch 4 bis 8 Proc. Chlor, welche sich nach Behandlung mit schwefliger
Säure oder salpetriger Säure mit Silberlösung nachweisen lassen, deren größter Theil
ebenfalls durch kochende Eisenchlorürlösung sich bestimmen läßt. Diese sind also in
Form von chlorsaurem Kalk vorhanden, wobei das während der Bildung von Chlorat
entstehende Chlorcalcium mit eingeschlossen ist.
Die Ursache dieser Chloratbildung mag in der Erwärmung zu finden sein, welche bei der
Zersetzung stattfindet. Ich glaube aber, sie sei vielmehr auf Rechnung einer
secundären Einwirkung des Chlorgases auf den naß gewordenen kohlensauren Kalk und
den noch unzersetzten Chlorkalk zu schreiben. Von den vielen Versuchen, welche ich
in dieser Richtung angestellt habe, will ich nur einige hier anführen; sie lauten
fast alle gleich.
1) Ein Chlorkalk, welcher 38,5 Proc. oxydirendes Chlor enthielt, wurde mit
Kohlensäure behandelt. Nachdem er sich in eine breiige Masse verwandelt, wurde er
analysirt; es ergaben sich, auf das ursprüngliche Gewicht berechnet:
1,5
Proc.
Chlor als gewöhnliche bleichende Verbindung
6,0
Proc.
Chlor als Chlorat und zugehöriges Chlorcalcium (1,00 Cl als Cl2O5, das übrige als Chlorcalcium)
12,5
Proc.
Totalchlor.
Zieht man vom Totalchlor die Summe der beiden andern Zahlen ab, so bleiben 5 Proc.
Chlor in Form von Chlorcalcium. Der obige Chlorkalk enthielt aber kein Chlorcalcium.
Man kann deshalb die 38 Proc. Chlor folgendermaßen vertheilen:
Textabbildung Bd. 224, S. 429
Es entwichen 21 Proc. Chlor
als freies Chlor; 5 Proc. Chlor als unterchlorige Säure; Es blieben zurück
1,5 Proc. Chlor als bleichende Verbindung; 1,0 Proc. Chlor als
Calciumchlorat; 10,0 Proc. Chlor als Chlorcalcium.; 38,5 Proc.
2) Ein anderer Chlorkalk von 36,5 Proc. Chlorgehalt wurde ähnlich behandelt und ergab
folgende Resultate, auf das ursprüngliche Gewicht berechnet:
1,2 Proc. Cl als bleichende Verbindung
4,6 Proc. Cl als Chlorat und zugehöriges Chlorcalcium
6,5 Proc Totalchlor.
Hieraus ergibt sich:
Textabbildung Bd. 224, S. 429
Entwichen 29,3 Proc. Chlor
als freies Chlor; 0,7 Proc. Chlor als unterchlorige Säure; Bleiben zurück
1,2 Proc. Chlor als bleichende Verbindung; 0,76 Proc Chlor als Cl2
O5; 4,54 Proc Chlor
als Ca
Cl2.;
–––––; 36,50 proc.
3) Ein anderer Chlorkalk, 38,5 Proc. Chlor enthaltend, ergab nach Zersetzung:
1,5 Proc. Chlor als bleichende Verbindung
4,25 Proc. Chlor als Chorat und zugehöriges Chlorcalcium
9,14 Proc. Totalchlor.
Textabbildung Bd. 224, S. 429
Es entwichen also 25,97
Proc. Chlor als freies Chlor.; 3,39 Proc Chlor als HClO.; Es bleiben zurück 1,50 Proc. Chlor als bleichende
Verbindung.; 0,71 Proc. Chlor als Chlorat.; 6,93 Proc. Chlor als CaCl2;
–––––; 38,50 Proc.
Bei diesen Resultaten, die alle für sich selbst sprechen, brauchen wir uns kaum
länger aufzuhalten. Warum das Verhältniß vom freien Chlor zur unterchlorigen Säure
wechselt, habe ich nicht untersucht. Die Bildung des Chlorats erklärt sich leicht
durch die bekannte Erscheinung, daß, wenn freies Chlor auf nassen kohlensauren Kalk
einwirkt, viel unterchlorige Säure sich bildet, welche sehr rasch sich in Chlorsäure
umwandelt. Die Versuche erklären auch, weshalb in kohlensäurereichem Chlorkalke
immer Chlorat gefunden wird, welches im guten Chlorkalke fehlt.
Ueber den etwaigen Einfluß der im Chlorgase enthaltenen Salzsäure auf den Chlorkalk
habe ich keine Untersuchungen gemacht, weil die Salzsäure, wie erwähnt, so leicht
sich entfernen läßt.
Die einzige andere schädliche Beimengung des Chlorgases ist das Wasser. Bei der
ältern Methode der Chlorerzeugung sowohl als bei Weldon's Proceß wendet man das
gewaschene Chlorgas naß an. Weil hier das Chlorgas concentrirt ist, so kommen auf 100 G.
Th. Chlor nur 0,6 bis 0,8 G. Th. Wasserdampf, und auf 100 G. Th. Chlorkalk höchstens
0,2 bis 0,3 G. Th. Feuchtigkeit, welche durchaus unschädlich sind.
Das mittels Deacon's Proceß erzeugte Chlorgas enthält nur 15 Vol. Proc. Chlor und
sehr oft noch weniger. Es ist ebenfalls mit Wasserdampf gesättigt. Es fallen hier
auf 100 Th. Chlor 8 bis 10 Th. Wasser oder auf 100 Th. Chlorkalk 3 bis 4 Th.
Feuchtigkeit. Zwar könnte guter Chlorkalk 3 bis 4 Proc Wasser aufnehmen, ohne grade
zu breiig zu werden, aber dies ist auch nicht die größte Schwierigkeit, welche der
Wassergehalt des verdünnten Chlores mit sich bringt. Der größte Schaden, welchen das
im Gase enthaltene Wasser anrichtet, ist der, daß es zur Bildung einer für das Gas
nur schwer durchdringlichen Schichte Veranlassung gibt und so die Absorption der zur
Bildung von vollgrädigem Chlorkalke nöthigen Menge Chlor verhindert. Zu gleicher
Zeit begünstigt das Wasser ebenfalls die Bildung von Chlorat. Man muß deshalb, will
man mit verdünntem Chlore guten Chlorkalk darstellen, die Gase vollständig trocknen.
Dies geschieht in Kokesthürmen, welche den gewöhnlichen, zur Condensation von
Salzsäure verwendeten Thürmen ganz ähnlich sind, aber kleiner, und mit Schwefelsäure
beschickt werden. Anfangs wendete man Chlorcalcium an; man begegnete aber so großen
Schwierigkeiten und die Trocknung war so unvollständig, daß man sich gezwungen sah,
zur Schwefelsäure Zuflucht zu nehmen.
Auch die Kohlensäure, wenn sie vorhanden, gibt durch Ausscheidung von Wasser zur
Bildung einer Kruste Veranlassung und verzögert so die Absorption, aber bedeutend
weniger als im Gase vorhandenes Wasser.
Hat man aber sämmtliches Wasser und sämmtliche Kohlensäure so gut als möglich
zurückgehalten, so läßt sich denn auch mit verdünntem Chlorgase leicht ganz
hochgradiger Chlorkalk erzeugen, wie dies jetzt von verschiedenen Fabriken, welche
Deacon's Verfahren eingeführt haben, zur Genüge constatirt ist.
III) Einfluß der Wärme auf den
Chlorkalk.
Es ist eine bekannte Thatsache, daß es im Winter viel leichter ist, guten Chlorkalk
zu bereiten, als im Sommer. Zwar bin ich von Fabrikanten versichert worden, daß bei
großer Kälte die Absorption des Chlorgases sehr viel langsamer sei, ja in einzelnen
Fällen ganz aufhörte; ich hatte aber noch keine Gelegenheit, diese Erscheinung
selbst zu beobachten und habe auch keine einschlagenden Versuche gemacht. Esist aber
leicht denkbar, daß die
Absorptionsgeschwindigkeit mit der Temperatur zunimmt, wie dies ja für viele
chemische Processe die Regel ist.
Steigt die Temperatur in der Kammer über eine gewisse Grenze, so verwandelt sich der
sonst feinpulverige Chlorkalk in eine krümelige Masse, welche man sofort als
überhitzteu Chlorkalk erkennt. Die Absorption des Gases ist anfänglich so rasch und
die Wärmeentwicklung so bedeutend, daß immer der Chlorkalk oberflächlich mit dieser
krümeligen Masse bedeckt erscheint. Will man also, was wohl in der Zukunft geschehen
mag, Chlorkalk schneller fabriciren, als die jetzigen Apparate es erlauben, so muß
man zunächst dafür sorgen, daß die freiwerdende Wärme schnell genug abgeführt werde.
Dies hat zum Beispiel Riddel in seinem rotirenden Apparat
gethan. (Englisches Patent Nr. 2316 vom J. 1875.)
Nach meinen eigenen Bestimmungen beträgt die bei der Bildung von 36proc. Chlorkalk
frei werdende Wärme 195c für eine Gewichtseinheit Chlorkalk. Soll also in der Kammer die
Temperatur 50° nie übersteigen, so müssen die Wände der Kammer an die
Umgebung in der Zeiteinheit ebenso viel Wärme abgeben, als im Innern während dieser
Zeit frei wird. Daß dies im Winter sehr viel leichter geschehen kann als im Sommer,
ist selbstverständlich. Sind die Kammern, wie dies jetzt fast immer der Fall ist,
aus Metallplatten (Eisen oder Blei) gefertigt und vor den directen Sonnenstrahlen
geschützt, so ist diese Bedingung wenigstens für die Durchschnittstemperatur der
Sommermonate erfüllt. Bei Kammern, die aus Steinplatten zusammengesetzt sind, bedarf
es aber der besondern Berechnung. Eine solche Berechnung, für die Deacon'schen
Kammern angestellt, zeigte, daß die Schieferplatten, aus denen diese
zusammengesetzt, nicht Wärme genug durchlassen, um es zu gestatten, concentrirtes
Chlorgas in denselben zu verwenden. Ehe die durch die Wände verloren gehende Wärme
der im Innern erzeugten gleich käme, würde die Temperatur im Innern auf 70 bis
80°steigen. Die Praxis hat auch die Unmöglichkeit der Verwendung des
concentrirten Gases in diesen Kammern bestätigt. Ohne dieses Gas erst mit Luft zu
verdünnen, läßt sich damit kein guter Chlorkalk herstellen.
Die Umwandlung, welche der Chlorkalk bei Ueberhitzung erleidet, besteht in der
Umsetzung eines Theiles der bleichenden Verbindung in Chlorat unter Verlust eines
Theiles Sauerstoff. Ein überhitzter Chlorkalk enthält immer mehr Chlorcalcium, als
dem gebildeten Chlorat entspricht, was sich bei der Analyse dadurch zu erkennen
gibt, daß die Titration mit Silberlösung nach vorangegangener Reduction der
Chlorsauerstoffverbindungen immer mehr Chlor anzeigt als die mit kochender Eisenlösung ausgeführte
Chlorbestimmung. Bei der Anwendung von concentirtem Chlorgas in Deacon'schen Kammern
erhält man immer solchen Chlorkalk. Bei der dünnen Lage von Kalk und der großen
Oberfläche kann die sehr rasch entwickelte Wärme in dem verhältnißmäßig beschränkten
Raum und den dicken Wandungen nicht schnell genug entweichen. Der Kammerraum beträgt
bei dem alten System etwa 45cbm für 1t Chlorkalk wöchentlicher Production, während bei den
Deacon'schen Kammern der Raum nur etwa 15cbm beträgt. Die Verdünnung des
Chlorgases ist also für diese Kammern eine eben so nothwendige Bedingung, als
umgekehrt die Ausdehnung und geringe Dicke der Kalkschichte für die Absorption des
Chlorgases es sind. Will man Weldon'sches Chlorgas verwenden, so muß es erst mit
Luft verdünnt und dann auch getrocknet werden, sonst gelingt die Fabrikation des
Chlorkalkes in Deacon'schen Kammern mit diesem Gase nicht.
Zuweilen, aber sehr selten, kommt es vor, daß der Chlorkalk in den Fässern sich
bedeutend erhitzt und zersetzt. Vgl. dagegen Opl, 1875 215 236.Die Red. Man hat dies auf Rechnung der
nicht gleichmäßigen Vertheilung des Wassers geschrieben. Es mag dies allerdings dazu
beitragen. Wäre dies aber wirklich die Ursache, so müßte diese Erscheinung öfters
auftreten. In der Fabrik von Gaskell, Deacon und Comp., wo mehr als 100t Chlorkalk wöchentlich fabricirt werden,
ist mir innerhalb 10 Jahren nur ein einziges Faß vorgekommen, welches, wie die
Arbeiter es nannten, sich entzündete. Dagegen kommt es häufig vor, daß
Chlorkalkabfälle, welche mit Sägespänen in Berührung kamen, sehr schnell sich
erwärmten, die beim Erwärmen stets sich zeigende rothe Färbung annahmen und Chlorgas
ausstoßen. Ich bin daher geneigt, die Erscheinung auf zufällige Vermengung mit
organischen Substanzen zu schieben. Das erwähnte Faß Chlorkalk verbreitete während
48 Stunden einen so starken Chlorgeruch, daß ihm nicht beizukommen war. Nach
beendigter Zersetzung fand man das Volum des Kalkes bedeutend vermindert. Es hatte
derselbe sich in einen harten Klumpen verwandelt. Es enthielt der Chlorkalk von
ursprünglich 35,5 Proc. oxydirendem Chlor nur noch 33,5, auf das ursprüngliche
Gewicht berechnet, von welchem aber nur 1,5 Proc. mit arseniger Säure, 14,5 Proc.
mit kochender Eisenlösung, die übrigen durch Silberlösung bestimmbar waren. Dies
entspricht
2
Proc. Chlor völlig verloren,
2,16
Proc. Chlor als Chlorsäure vorhanden,
31,34
Proc. Chlor als Chlorcalcium vorhanden,
und einem Verlust von 4,7 Proc. Sauerstoff
Ich versuchte, diese freiwillige Zersetzung dadurch nachzuahmen, daß ich den
Chlorkalk einfach erhitzte: 1) Ein Chlorkalk nach Deacon's Verfahren bereitet,
enthaltend 37,5 Proc. Chlor, wurde bis zum Glühen erhitzt. Der Gewichtsverlust
betrug 27,4 Proc. Auf das ursprüngliche Gewicht berechnet, ergab sich 28,25 Proc.
restirendes Chlor. — 2) Ein anderes Muster Chlorkalk, nach Weldon's Verfahren
bereitet, ergab, daß von 36,5 Proc. Chlor noch 27,68 nach dem Glühen vorhanden
waren. Bei beiden Mustern ergab sich ein Verlust von ungefähr ¼ des
vorhandenen Chlores. Um zu entscheiden, ob dies etwa daher rühre, daß Cl2
O3 sich entwickelte,
wurde der Chlorkalk in einer Retorte erhitzt und die Gase aufgefangen, nachdem sie
erst durch Kalilauge passirten. Die Analyse der Kalilauge ergab, daß diese nichts
als reines Chlorgas absorbirte (deren Oxydationsvermögen entsprach genau ihrem
Chlorgehalt). Das aufgefangene Gas war reiner Sauerstoff. Es war also in dieser
Richtung kein Grund vorhanden, warum genau ein ¼ Chlor sich verflüchtigen
sollte; die Ursache konnte jetzt blos noch darin liegen, daß der Chlorkalk sich
bestrebt, ein gewisses Verhältniß von Chlor und Sauerstoff zu hinterlassen. Wenn dem
so wäre, so müßten verschieden starke Chlorkalkmuster auch verschiedene Mengen Chlor
verlieren. Ich constatirte auch, daß dies der Fall ist.
Ein 27proc. Chlorkalk, dargestellt durch inniges Vermengen von 37,5 Proc. Chlorkalk
mit Kalkhydrat, verlor beim Glühen nur 0,88 Proc. Chlor. — Ein 29proc.
Chlorkalk aus Deacon's Kammern (nicht vollständig fertig) verlor ebenfalls nur 0,8
Proc. Chlor. Hieraus scheint hervorzugehen, daß ein schwacher Chlorkalk beim
Erhitzen kein Chlor, oder doch nur wenig verliert, und daß der Verlust bei höherm
Chlorgehalt größer wird. Es ist, als ob immer annähernd die Verbindung Ca O Ca Cl2
zurückbliebe.
Es scheinen mir diese Resultate, zusammen mit denjenigen, welche die Zersetzung des
Chlorkalkes durch Kohlensäure darstellen, als eine Stütze der Ansicht: Chlorkalk sei
eine eigenthümliche Verbindung und enthalte kein fertig gebildetes Chlorcalcium.
Weitere theoretische Speculationen über die Formeln des Chlorkalkes überlasse ich
Andern. Es war mir darum zu thun, die Hauptfactoren in der Fabrikation des
Chlorkalkes zu bestimmen und Thatsachen, welche bei Verwendung von Deacon's
Kammersysten etwas befremdend vorkommen müssen, gehörig zu beleuchten.