Titel: | Mittheilungen über neue Handfeuerwaffen; von F. Hentsch, Hauptmann a. D. in Berlin. |
Fundstelle: | Band 224, Jahrgang 1877, Nr. , S. 483 |
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Mittheilungen über neue Handfeuerwaffen; von
F. Hentsch, Hauptmann
a. D. in Berlin.
Mit Abbildungen auf Taf.
X [c/3]
(Fortsetzung von S. 267 dieses
Bandes.)
Hentsch, über neue Handfeuerwaffen.
Stechschloß von Georg O. Leonard.
In Nordamerika ist unter dem 5. September 1876 an Georg O. Leonard in Red-Bluff, Cal., ein Patent auf neues Stechschloß
ertheilt worden, bei welchem das Stechen automatisch zugleich mit dem Oeffnen der
Waffe erfolgt und somit dieser sowohl bei dem Wiener-, als auch bei dem
französischen Stechschlosse erforderliche Griff in Fortfall kommt. Wie bekannt,
besitzt das Wiener Stechschloß zwei nach unten aus dem Schafte hervorstehende
Griffe, nämlich den des Stechers und den des Abzuges, das französische indessen nur
einen Griff, welcher dem Abzüge angehört. Bei ersterm Schlosse erfolgt das Stechen
durch Zurückziehen der Stange des Stechers, bei letzterm dagegen durch Vordrücken
des Abzuges. Die Leonard'sche Einrichtung schließt sich der Construction des
französischen Stechschlosses insofern an, als bei ihm der Abzug behufs Stechens
ebenfalls vorgedrückt wird und seine Nase dabei unter das Stecherstück tritt. Um nun
diesen besondern Griff bei denjenigen Hinterlade-Handfeuerwaffen, deren
Verschlußstück durch Niederlegen des als Hebel dienenden Abzugsbügels bewegt wird,
zu ersparen, hat der Erfinder in dem hinter dem Abzüge befindlichen Theile des
Abzugsbügels eine Stecherschraube D (Figur 19 Stechschloß in
abgedrücktem Zustande) angebracht, deren Kopf an der Außenseite desselben sich
befindet, und deren entgegengesetztes Ende nach Innen gegen den Abzug E gerichtet ist. Der Kopf ist geriffelt, um mit den
Fingern sicher erfaßt und ohne Anwendung eines besondern Instrumentes bewegt werden
zu können. An der innern Seite des Bügels ist zur Feststellung der Schraube D eine Gegenmutter F
angebracht. Bei dem Oeffnen des Gewehres, also Niederlegen des Bügels, trifft die
Stecherschraube D die hintere Fläche des Abzuges E, gleitet an diesem vorbei und zwingt den Abzug E zum Ausweichen nach vorn. Hierbei bewegt sich sein
oberer Theil nach rückwärts, und tritt eine an diesem angebrachte Nase d unter das Stecherstück C.
Dadurch wird die Abzugsfeder G gespannt, und da das
Stecherstück C den Abzug B
in dieser Lage festhält, so verharrt die Abzugsfeder G
ebenfalls in dieser Stellung, das Schloß ist somit gestochen. Bei dem Schließen
tritt die Stecherschraube D über den geschweiften Theil
des Abzuges und bleibt zwischen ihr und letzterm so viel Spielraum, daß der Abzug
E genügend weit zurückgezogen werden kann, um seine
Nase d aus dem Stecherstück C zu befreien. Zieht man jetzt den Abzug E
zurück, so wird die Nase d frei, die Abzugsfeder G gelangt in Thätigkeit, schnellt die Abzugsplatte gegen
die Stange, bezieh, hebt sie aus den Rasten des Schlagstückes und das Gewehr
entladet sich.
Je tiefer nun die Schraube D eingeschraubt wird, um so
mehr nähert sie sich der Abzugsstange E, um so weiter
muß diese nach vorn ausweichen, um so tiefer tritt die Nase d unter das Stecherstück C; je weniger tief
dagegen die Schraube D eingeschraubt wird, um so weniger
tief tritt die Nase d unter das Stecherstück C, um so feiner wird also das Schloß gestellt, d. h. um
so weniger weit braucht der Abzug E zurückgezogen zu
werden, um das Schloß in Thätigkeit zu versetzen.
Die ganze Einrichtung ist entschieden sinnreich und als Vereinfachung des
Stechschlosses zu betrachten; ferner wird durch sie ein Griff erspart, somit die
Schnelligkeit des Feuerns erhöht. Dagegen ist die Construction mit dem Uebelstande
behaftet, daß das Gewehr bei jedesmaligem Laden sofort auch gestochen und dadurch
die Gefährlichkeit der Waffe für den Schützen selbst erhöht wird. Letzterer Umstand
macht aber diese Einrichtung für Kriegswaffen gänzlich unbrauchbar, und auch bei
Jagdgewehren dürfte
derselbe ihre Anwendung äußerst bedenklich erscheinen lassen, da das Gewehr meistens
längere Zeit bis zu dem geeigneten Moment in geladenem Zustande getragen werden muß,
bei einem Stoße ein unbeabsichtigtes Losgehen erfolgen und sehr leicht Unglücksfälle
im Gefolge haben könnte. Wollte man aber eine besondere Vorrichtung zum Verhüten
solchen unbeabsichtigten Losgehens anbringen, so würde dadurch der ganze Vorzug
dieser Einrichtung auf Null reducirt werden.
Abänderungen des deutschen Gewehres,
Modell 1871.
Der Commissionsrath F. v. Dreyse in Sömmerda hat einige
Abänderungen an dem Verschluß- und Schloßmechanismus des
Mauser-Gewehres M/71 (vgl. *1875 216 145. 230)
vorgenommen, durch welche eine geringere Abnutzung einzelner Theile, eine größere
Sicherheit und dadurch Beseitigung einiger diesem Systeme anhaftenden Uebelstände
erzielt werden soll. Die Figuren 20 und 21 zeigen die
Ansicht der Sicherung von der Seite und von hinten; Figur 22 die
Schlagbolzenmutter von oben.
Zunächst handelt es sich hauptsächlich um eine Verbesserung der
Sicherungsvorrichtung. Bei dem deutschen Gewehre M/71 wird die Sicherung in dem
Schlößchen durch einen horizontal und quer durch letzteres hindurchgehenden und in
einer ringförmigen Eindrehung der Sicherungswalze sich bewegenden Stift gehalten. Um
die Sicherung herauszunehmen, ist somit das Entfernen dieses Stiftes, was vom
Soldaten nicht ausgeführt werden kann und darf, erforderlich. Durch die ringförmige
Eindrehung und die dadurch entstehende Schwächung der Walze leidet außerdem die
Haltbarkeit der Sicherung. Die Ruhestellung wird ferner bei diesem Gewehre dadurch
bewirkt, daß der volle Theil der Sicherungswalze in den betreffenden Einschnitt des
Verschlußcylinders gedreht und dadurch das Vorschnellen des Schlößchens unmöglich
gemacht wird. Hierbei drückt die an dem vordern Ende der Walze befindliche schiefe
Fläche das Schlößchen zurück, um den Abzugsfederstollen zu entlasten. Da nun bei
Ausführung dieser Drehung nur eine Kante der schiefen Fläche sich an der
betreffenden Fläche der Verschlußcylinderauslassung reibt, so wird dieselbe leicht
abgenutzt und die Sicherung dadurch unbrauchbar. Diese Fehler sind durch die von F.
v. Dreyse verbesserte Construction beseitigt und zwar in
der Weise, daß die Sicherungswalze a verstärkt, dadurch
widerstandsfähiger gemacht, mit einem groben Gewinde versehen, welches mit einem
entsprechenden in der Bohrung des Schlößchens correspondirt, und endlich, statt eine schiefe Fläche zu
besitzen, am vordern Ende der Walze senkrecht abgeschnitten ist. Durch diese
Einrichtung hat F. v. Dreyse zunächst erreicht, daß die
Herausnahme der Sicherung mit keinen Schwierigkeiten verknüpft ist und von jedem
Soldaten leicht ausgeführt werden kann. Da ferner bei der Drehung der Walze nicht
mehr eine Kante, sondern die ganze vordere Fläche b der
Sicherung sich an der betreffenden Fläche des Verschlußcylinders reibt, so kann auch
keine schädliche Abnutzung hier entstehen. Das Zurückschieben ist endlich dem
Gewinde der Walze übertragen, dadurch die Reibungsfläche vergrößert und eine
Abnutzung um so weniger zu befürchten.
Wie oben angegeben, ist ferner auch die Sicherheit des Gewehres erhöht. Die
ursprüngliche Construction des Mauser-Gewehres M/71 ist nämlich mit dem
Fehler behaftet, daß bei etwaigem Platzen der Patronenhülsen und Ausströmen von
Pulvergasen nach rückwärts der Schlagbolzen zurückgeworfen werden kann, während das
Schlößchen in seiner Stellung verharrt. Hierdurch kann der Uebelstand herbeigeführt
werden, daß sich der Schlagbolzen und mit ihm die Schlagbolzenmutter dreht und der
Ansatz c der letztern aus der Nuth des Schlößchens
heraustritt. Zur Beseitigung dieses Mangels hat der Sicherungsflügel eine Nase d erhalten, welche bei gespanntem Gewehre und
entsichertem Schlosse in eine Eindrehung f der
Schlagbolzenmutter (Fig. 20) greift. Es kann dadurch nicht mehr vorkommen, daß der
Schlagbolzen ohne Schlößchen zurückgeworfen wird, weil beide Theile durch die Nase
d fest mit einander verbunden sind; es ist somit
auch nicht möglich, daß der Ansatz der Schlagbolzenmutter aus der Nuth des
Schlößchens tritt und ein Drehen der Mutter stattfindet. Außerdem dürfte die feste
Verbindung des Schlagbolzens mit dem Schlößchen auf das Vorschnellen des erstern bei
dem Abfeuern von günstigem Einflüsse sein.
Durch diese geringen Aenderungen werden somit erhebliche Fehler des
Mauser-Systemes gehoben und sind dieselben um so werthvoller, als sie leicht
herzustellen und ohne Anwendung neuer Theile, mit Ausnahme der Sicherung selbst,
ausführbar sind.
(Fortsetzung folgt.)