Titel: | Ueber die Einführung eines metrischen Systemes für Befestigungsschrauben. |
Fundstelle: | Band 224, Jahrgang 1877, Nr. , S. 547 |
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Ueber die Einführung eines metrischen Systemes
für Befestigungsschrauben.
(Schluß von S. 452 dieses Bandes.)
Ueber Einführung eines metrischen Systemes für
Befestigungsschrauben.
5. Der Gewindequerschnitt.
Für die Formgebung des Gewindequerschnittes ist nur zweierlei festzusetzen:
1) Der sogen. Kanten- oder Schneidenwinkel, der dem ideellen gleichschenkligen
Dreiecke des Gewindequerschnittes (in einer durch die Schraubenachse gelegten Ebene)
entsprechende, von
den gleichen Schenkeln eingeschlossene Winkel. 2) Die Kanten- oder
Schneidenform.
Was zunächst den Kantenwinkel betrifft, so concurriren
hier nach den verschiedenen Vorschlägen: a) 55°
nach Whitworth. b) 60°
nach Sellers; das ideelle Dreieck des
Gewindequerschnittes wird gleichseitig. c) 53°
nach Redtenbacher; das ideelle Dreieck erhält eine den
gleichen Schenkeln gegenüberliegende Grundlinie, welche der zugehörigen Höhe gleich
ist.
In Bezug auf die Kantenform sind folgende Fälle
aufzustellen: a) Scharfkantige Gewinde (Redtenbacher); das ideelle Dreieck des
Gewindequerschnittes bildet selbst die Ausführungsform, b) Abgerundete Gewinde (Whitworth); das ideelle
Gewindedreieck ist an den Kanten der Spindel und des Kernes nach an den gleichen
Dreieckschenkeln tangirenden Kreisbögen abgerundet, c)
Abgekantete Gewinde (Sellers); die nach dem ideellen
Dreieck entstehenden Gewindegänge sind an Spindel und Kern durch mit der Schraube
achsiale Cylinder abgeschnitten, so daß die äußere Spindel- und die innere
Kernbegrenzung des Gewindes einem Cylindermantel angehören; das Gewinde schließt in
cylindrischen Löchern der Schraube gut an und der innere Kern ist in schmaler
Streifenfläche nackt.
Die einzelnen hier in Frage kommenden Vorschläge sind nun in der Weise mannigfach,
daß die verschiedenen Fälle der Kantenwinkel und die der Kantenformen nach den
hierfür möglichen Combinationen geändert auftreten. So z. V. bei Whitworth 55° mit Abrundung, bei Sellers 60° mit Abkantung, bei Ducommun 60° mit Abrundung, bei Delisle 60° oder 53° mit Abkantung etc.
Trotzdem lassen sich alle sechs aufgeführten Einzelbestimmungen jede für sich einer
Kritik unterwerfen, so daß dieses Referat die eingegangenen Gutachten nach den sechs
Bestimmungen gesondert geben kann.
Zu 1a. Kantenwinkel 55° bemerkt zunächst der
Mannheimer Bezirksverein: „Wir finden bei Whitworth den offenbaren Fehler, daß der Winkel von 55° nur mit
dem Transporteur, d. h. einer Kreistheilung gefunden werden kann und daher, aus
zwei Fabriken hervorgehend, selten in vollkommener Uebereinstimmung angetroffen
werden wird.“ — Dieselbe Ansicht spricht der
Pfalz-Saarbrücker Bezirksverein aus. Dagegen findet dieser Whitworth'sche
Kantenwinkel von keiner Seite, auch nicht von Fabriken, bei Beantwortung der
Fragebogen Empfehlung; vielmehr erklären 5 Einsendungen den Winkel von 55°
als zu groß, so daß seine Verwerfung wohl allgemein anzunehmen ist.
Zu 1b Kantenwinkel 60°. Wenn zunächst der
Mannheimer Bezirksverein diesen Gewindewinkel für geeignet erklärt, so empfiehlt er
doch gleichzeitig und, wie es scheint, mit Vorliebe einen Winkel von 53°,
worüber bei 1 c zu berichten ist. Der
Pfalz-Saarbrücker Verein wünscht Annahme des Sellers'schen Winkels,
„da er mit großer Genauigkeit hergestellt und geprüft werden kann.
Außerdem wären, besonders für größere Bolzendurchmesser, solche neue Gewinde
während der Uebergangszeit am Aussehen zu erkennen.“ Von
gutachtlichen Aeußerungen der Fabriken ist hier nur eine anzuführen, welche sich für
60° ausspricht.
Zu 1 c Kantenwinkel 53° sagt der Mannheimer
Bezirksverein: „Wenn auch die Abweichung des Sellers'schen Winkels
60° von dem bisher üblichen Whitworth-Winkel 55° nicht groß
ist, so ist sie doch größer, als wenn ein Winkel von 53° gewählt wird.
Derselbe weicht so wenig von 55° ab, daß es kaum begreiflich ist, daß Whitworth diese Wahl nicht traf. Je kleiner dieser
Winkel, desto geringer ist die Reibung auf der Gewindeseite, desto tiefer wird
aber unter sonst gleichen Umständen das Gewinde und desto schwächer der Kern der
Schraube; 53° und 60° werden so ziemlich die zulässigen Grenzen
und zwischen ihnen wird zu wählen sein.“ — Während dieser
Verein die Wahl zwischen den Winkeln 53° und 60° anheimgibt, schlägt
der Bergische Bezirksverein 53° zur allgemeinen Annahme vor. Außer den
Vereinen äußerten sich noch einige Fabriken über die vorliegende Frage. Die
bedeutendste Schraubenfabrik Deutschlands von Funcke und
Hueck in Hagen (jährliche Production etwa 800 000
Stück Mutterschrauben) hält 60° „für feinere Gewinde unter 15 mm Durchmesser als
entschieden zu stumpf und 53° hier für den angemessensten
Winkel.“
Für die Einführung eines kleinern Winkels als 55° bezieh, über die Grenzen,
bis zu welchen der Kantenwinkel ohne Nachtheil herabgemindert werden kann, spricht
sich ein eingelaufenes ausführliches Gutachten der Gasapparaten- und
Maschinen-Fabrik von L. A. Riedinger in Augsburg
aus. Diese Fabrik war selbständig mit der Einführung eines metrischen
Gewindesystemes vorgegangen und hatte dazu ein sogen, „französisches
Gewinde“ gewählt, welches bei näherm Vergleiche sehr nahe mit dem
Gewinde der französischen Eisenbahnen übereinstimmt. Dieses französische Gewinde hat
nun den auffallend kleinen Kantenwinkel von 37° und auf je eine Tiefe von
¼ der Steigung abgerundete Schärfen an Spindel und Kern, so daß sehr scharfe
Gewindegänge mit großer Tiefe resultiren. Die mit solchem während mehrerer Jahre in
dem genannten Etablissement fast ausschließlich verwendeten Gewinde erzielten
Erfahrungen waren sehr ungünstige. Beim Schneiden in Gußeisen war ein Ausbrechen der
Gewinde fast unvermeidlich. Anderseits war die Haltbarkeit der Gewindebohrer und
Schneidbacken außerordentlich gering, namentlich bei solchen
Gewindeschneidemaschinen, welche das Gewinde mit einem Durchgange fertig schneiden.
„Hat man nun aber durch sorgfältige Behandlung das Ausbrechen der
Bohrer und Backen verhindert, so kämpft man um so erfolgloser gegen die rasche
Abnutzung der spitzen Gänge, welche eine Menge Störungen dadurch herbeiführen,
daß z. B. Muttern, welche mit einem einige Male gebrauchten Bohrer geschnitten
wurden, nicht mehr auf Schrauben paffen, welche mit neuen Backen gefertigt
wurden“. — Außer dem Whitworth-Gewinde mit 55°
verwendete die genannte Fabrik noch das sogen, bayerische, welches auch früher das
bei den bayerischen Staatsbahnen giltige war. Dieses (Mannhardt'sche) Gewinde
enthält den Kantenwinkel von 48° bei Abrundungen der Gewindeschärfen um so
viel, daß die factische Gewindetiefe ¾ der Steigung beträgt. Bezüglich, des
bayerischen Gewindes hat die Erfahrung der Riedinger'schen Fabrik gezeigt, daß der
genannte Kantenwinkel desselben „noch groß genug ist, um in Gußeisen
tadelloses Gewinde zu schneiden, sowie daß die Schneidewerkzeuge dieselbe
Dauerhaftigkeit besitzen [weil beim] Whitworth-Gewinde, dabei aber doch
noch eine größere Gangtiefe, resp. Auflagefläche bieten wie
dieses.“
Diese interessanten Erfahrungen können wohl auch geltend gemacht werden, um die
Vorzüge des anderweitig vielfach empfohlenen Kantenwinkels von 53° geltend zu
machen. Auch mag noch in Bezug darauf, daß ein Bedürfniß nach einem Gewinde mit
kleinerm Kantenwinkel als 55° besteht, angeführt werden, daß die durch ihre
vortrefflichen Schneidezeuge bekannte Werkzeugfabrik von Reishauer und Bluntschli in Zürich bei ihrem
Metergewinde nach Bodmer einen Kantenwinkel von
50° verwendete.
Zu 2 a. Das scharfkantige Gewinde wird von keiner Seite
empfohlen; vielmehr bemerkt der Mannheimer Bezirksverein: „Ganz scharfe,
d. h. vollkommen dreieckige Gewinde sind vielfach im Gebrauche, jedoch durchaus
nicht zu empfehlen. Die äußern Kanten sind der Beschädigung sehr stark ausgesetzt,
die einspringende Ecke beförderin hohem Maße die Neigung des Kernes zum
Abreißen.“
Zu 2 b Abgerundete Gewinde. Die etwaigen Vorzüge dieser
dem bisherigen englischen Gewinde eigenthümlichen Form werden in den vorliegenden
Einsendungen von keiner Seite begründet; wohl aber wird von einigen Seiten gegenüber
dem vielfach vorgeschlagenen, von Sellers in Amerika
eingeführten abgekanteten Gewinde das abgerundete vorgezogen. Es mögen zunächst
diese Befürwortungen angeführt werden und dann die entgegenstehenden Auslassungen
folgen.
Der Bergische, Pfalz-Saarbrücker und Aachener Bezirksverein, sowie eine
mechanische Werkstätte wünschen abgerundete Gänge; eine andere Maschinenfabrik
empfiehlt, die Abrundung am Kern größer als an der Spitze durchzuführen.
Gründe gegen Abrundung werden zunächst vom Mannheimer Bezirksverein geltend gemacht:
„Die Abrundung erschwert die Herstellung überhaupt und namentlich die
übereinstimmende Herstellung sehr. Soll eine Schraube mit abgerundetem Gewinde
gemacht werden, so muß auf einer Schraubendrehbank erst mit dem Stichel das
Gewinde vorgearbeitet und mittels eines Strähleisens nachgearbeitet werden.
Diese Strähler sind aber nach vorgeschriebenen Maßen sehr schwer genau
herzustellen. Es geschieht durch (Hob's) Fräser von
großem Umfang, zu deren Herstellung eine große Geschicklichkeit gehört, und
welche, da sie sich allmälig abnutzen, selbst während der Dauer ihres Gebrauches
verschiedene Resultate liefern. In gleicher Weise ist auch die Beurtheilung der
Genauigkeit des Gewindes durch die Abrundung sehr erschwert. Man bedarf
besonderer Lehren und ziemlicher Uebung, um die Gewinde zu prüfen. Wenn es somit
schwerer fallen wird, den beabsichtigten allgemeinen Contact der Auflageflächen
zwischen Schraube und Mutter bei den abgerundeten Schrauben zu erzielen, so
haben diese noch den weitern Nachtheil, daß durch die Abrundung das nutzbare
Auflager um 20 Proc. verringert wird.“— Auch die schon früher
genannte große deutsche Schraubenfabrik erklärt, „daß der abgerundete
Gewindequerschnitt bei größerer Production unmöglich auch nur annähernd
einzuhalten sei.“ — Der Aachener Bezirksverein verkennt nicht
diese Nachtheile der Abrundung und wünscht nur Beibehaltung derselben (mit dem
Whitworth-Gewinde), weil eine andere genügend erprobte Gewindeform noch nicht
vorliege.
Zu 2 c Abgekantete Gewinde. Diese Gewindeform ist noch so
neu, daß praktische Erfahrungen längerer Zeitdauer darüber noch nicht vorliegen
können. Danach beschränken sich die Empfehlungen des Abkantens der Gewinde meist nur
auf theoretische Ausführungen, nicht selten begleitet von Versuchsresultaten. Aus
solchen Gründen erklärt der Aachener Bezirksverein, „nicht in der Lage zu
sein, die abgekanteten Gewinde jetzt schon für allgemeine Einführung empfehlen
zu können, trotzdem die Uebelstände der abgerundeten Gewinde durch das Abstachen
vermieden werden“. Dagegen spricht der Pfalz-Saarbrücker
Bezirksverein „von den immerhin nicht so unbedeutenden Nachtheilen, die
durch die geradlinige Abkantung entstehen“ sollen, ohne solche
genauer anzugeben.
Im Gegensatz zu diesen Vereinen sprechen sich 9 Maschinenfabriken in ihren
Einsendungen entschieden für das Abflachen der Gewindegänge aus; darunter ist eine
Werkzeugmaschinen-Fabrik in Westphalen, welche abgeflachte Gänge bereits
eingeführt hat bei sonst nach dem Whitworth-Systeme geformten Schrauben.
Im Oberschlesischen Bezirksvereine wurde die abgeflachte Gewindeform eingehender
besprochen und dabei einestheils der Befürchtung Raum gegeben, „es könnten
die Ecken der Gänge leicht Risse beim Schneiden veranlassen, sobald etwa ein
Sandkörn in die
Kluppe gelangt. Anderntheils wurde der Vortheil betont, die Gewindeform
besonders für gröbere Nummern genauer paffend herstellen zu können als bei
Gewinden mit Abrundung. Ferner wurde auf den Vortheil aufmerksam gemacht, altes
Gewinde (mit Abrundung) von neuem (mit Abflachung) durch das blose Ansehen
unterscheiden zu können. Um die abgeflachten Gewinde hinsichtlich ihrer
Anfertigungsweise prüfen zu können, wurden mehrere derartige Schrauben
versuchsweise hergestellt und untersucht. Namentlich eine Schraube von 1½
Zoll Durchmesser, mit der Kluppe geschnitten, zeigte sehr saubere und gute
Formen und keine Spur von Riffen an den Kanten. Es wurde erwähnt, daß das
Gewinde sich besser ausschneide, als das abgerundete, und betont, daß es sich
nicht aufschneide, wodurch das Schlichten wegfalle.“
Endlich hat der Mannheimer Bezirksverein, als entschiedener Gegner des abgerundeten
Gewindes, dem von seinem für die Schraubenfrage aufgestellten Referenten, Hrn. Delisle ausgesprochenen, dem abgeflachten Gewinde
günstigen Votum auch zugestimmt: „Die Schrauben mit abgeflachter Gewindeform
und somit auch die Bohrer zum Schraubenschneiden, können auf einer Schraubendrehbank
mittels eines nach dem richtigen Winkel geschliffenen Stichels, dessen Spitze auf
den entsprechenden Theil 1/6 oder ⅛ der Ganghöhe abgestumpft wird, in einem
einzigen Arbeitsverfahren hergestellt werden oder mittels eines schmäleren Stichels,
dem, nachdem er die richtige Gangtiefe eingeschnitten hat, eine seitliche Bewegung
von der Breite der Abstumpfung gegeben wird. Wie die Herstellung abgeflachter Gänge
einfacher ist als die abgerundeter, so auch die Prüfung der Gewindegenauigkeit. Jede
kleine Unregelmäßigkeit der abgeflachten Gänge wird dem einigermaßen geübten Auge
sofort auffallen. Alle diese Umstände sprechen entschieden für Annahme einer
einfachen Abflachung, welche auch auf Antrag von Sellers
von dem Franklin-Institute in Philadelphia zur allgemeinen Annahme empfohlen
wurde. Eine Abflachung von ⅛ der ideellen Gewindetiefe wird aber auch bei
53° Flächenwinkel genügen.