Titel: | Eine Einschaltung zum telegraphischen Gegen- und Doppelsprechen; von Prof. Dr. K. Ed. Zetzsche in Dresden. |
Autor: | Professor Doktor Karl Eduard Zetzsche [GND] |
Fundstelle: | Band 225, Jahrgang 1877, S. 52 |
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Eine Einschaltung zum telegraphischen
Gegen- und Doppelsprechen; von Prof. Dr. K. Ed. Zetzsche in Dresden.
Mit Abbildungen.
Zetzsche's Einschaltung zum telegraphischen Gegen- und
Doppelsprechen.
Durch Abänderung des Grundgedankens der Gegensprecher von Gerritt Smith und Luigi Vianisi
Die Beschreibung derselben und einiger anderer neuerer Schaltungen zur
Doppeltelegraphie soll in einem der nächsten Hefte folgen.Die Red. bin ich auf eine Einschaltung zum Gegensprechen gekommen, an welcher sich
zwar gewisse verwandtschaftliche Beziehungen zu altern Einschaltungen von Gintl, Nystrom und Discher
gefunden haben, die sich jedoch von diesen nicht unwesentlich unterscheidet und
einige Vortheile bietet, welche eine kurze Besprechung derselben in diesem Journale
rechtfertigen.
Fig. 1., Bd. 225, S. 52
I. Wenn man die entgegengesetzten Pole zweier Batterien B₁ und B₂ (Fig. 1) durch Drähte verbindet und zwei Punkte a und b dieser beiden Drähte wieder durch
einen dritten Draht aMb vereinigt, so ergeben sich
für die Stromstärken J₁, J₂, J₂ in den drei mit den
Gesammtwiderständen
W₁, W₂, W₃ behafteten Stromwegen aB₁b,
aB₂b, aMb nach den Kirchhoff'schen
Gesetzen die Werthe:
1) J₁ = (E₁ – J₃ W₃)/W₁,
2) J₂ = (E₂ + J₃ W₃)/W₂
3) J₃ = J₁ – J₂ = (E₁ W₂ –
E₂ W₁)/N,
worin E₁ und E₂ die elektromotorischen Kräfte von B₁ und B₂
bedeuten, und N = W₁ W₂ + W₂ W₃ + W₃ W₁ ist.
Es wird demnach
4) J₃ =
0, sobald 5) E₁ = E₂ W₁
gemacht wird, und dann ist zugleich: 6) J₁ = J₂ = E₁/W₁.
II. Will man dies für das Gegensprechen verwerthen, so hat
man den Empfänger M mit einfacher
Umwicklung in den Zweig aMb zu legen und
den zwischen a und einem noch vor B₁ liegenden Punkte x gelegenen Theil
des Zweiges aB₁b als Telegraphenleitung zu nehmen. Man kann dann von einem Punkte,
welcher zwischen a und B₂ liegt, den Haupttheil des Widerstandes W₂ jedoch zwischen sich und a liegen läßt,
einen kurzen Schluß für B₁ und B₂ abzweigen und reicht dann
mit einem einfachen Taster aus, worauf Discher 1864
(Zeitschrift des Deutsch-österreichischen Telegraphenvereines, Bd. 12 S. 74
und 154) für den speciellen Fall W₁ = W₂ gekommen ist. Man kann aber auch den kurzen
Schluß der beiden Batterien umgehen, diese Batterien offen lassen, muß aber dann von
M oder b aus während der
Zeit dieses Oeffnens der Batterien noch einen besondern Weg nach x hin herstellen und diesen in dem Augenblicke
abbrechen, wo B₁ und B₂ geschlossen werden. Indem ich nun B₂ zwischen b und a,
B₁ aber zwischen b und x öffnete, kam ich auf die Einschaltung Figur 2, welche – abgesehen von w und u
– wesentlich mit der 1854 von Gintl
Sitzungsberichte der Wiener Akademie, Bd. 14 S. 410. – Eine richtige
Erklärung der Vorgänge bei dieser Gintl'schen Einschaltung gaben Franz Adam
Petrina in den Abhandlungen der kgl.
böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften, Bd. 9 S. 46 (vgl. Poggendorff's
Annalen, Bd. 98 S. 99) und Werner Siemens in
Poggendorff's Annalen, Bd. 98 S. 121. für seinen chemischen Schreibapparat und 1855 von Nystrom (*1855 138 408) für ein Relais übereinstimmt.
In Figur 2 bedeuten T₁ und T₂ die beiden zu
gemeinschaftlicher Bewegung um die Achsen 2 und 5 verbundenen Hebel eines
Doppeltasters, an welchen (streng genommen) die Forderung zu stellen ist, daß die beiden Hebel
gleichzeitig die Arbeitscontacte 1 und 4 erreichen und zwar in demselben
Augenblicke, wo sie die Ruhecontacte 3 und 6 verlassen; es ist dies durch
Contactfedern zu erreichen.Für blos vorübergehenden Gebrauch und wenn es sich darum handelt, mit bereits
vorhandenen Apparaten auszukommen, dürften sich selbst zwei gewöhnliche,
neben einander zu stellende und mit einer Hand zu
spielende Morsetaster verwenden lassen. Ferner wird zwischen b und 3 noch ein Widerstand
w eingeschaltet, und für einen gewissen Zweck kann
auch zwischen 6 und b ein Widerstand u gelegt werden. Der Widerstand W und der Batteriewiderstand B₂ bilden
zusammen W₂, der Leitungswiderstand L und der Batteriewiderstand B₁ zusammen W₁.
Fig. 2., Bd. 225, S. 54
III. Bei ruhendem Doppeltaster findet ein aus der Linie L
ankommender Strom von a aus nur einen Weg über M, b, w, x nach der Erde E
oder der weiter führenden Linie L'; bei arbeitendem
Taster verzweigt er sich zwischen a und b über M und 5, 4, W, und geht dann von b über
B₁, 1, 2 nach x.
In beiden Fällen muß der Widerstand zwischen a und x gleich sein, wenn in der gebenden Station J₃ = 0 bleiben soll. Daher ist W₃ + w = B₁ + (W₂W₃)/(W₂ + W₃) < B₁ + W₃ zu machen, oder genauer
7) w = B₁ – W₃²/(W₂ + W₃).
IV. Von dem ankommenden Strome geht bei arbeitendem Taster nur ein Zweig durch M, welcher mit dem Verhältniß v = W₂/W₃ wächst. Will man Stromschwankungen in M
möglichst vermeiden, so braucht man blos zwischen 6 und b noch eine Nebenschließung u zu legen, deren
Widerstand dem zwischen 5 und b über W gleicht.
V. Nimmt man aber w etwas zu groß und zwar der
Einfachheit halber:
8) w = B₁,
so wird der ankommende Strom bei arbeitendem Taster etwas
größer als bei ruhendem, und dies kann einen Ersatz bieten für den durch W gehenden, für M nicht
ausgenutzten Zweigstrom.
Die Abgleichung der Widerstände W₁ und W₂ nach 5 zur Erfüllung der Gleichung 3 in der
gebenden Station mag dann vorgenommen werden, während der Doppeltaster der
Empfangsstation ruht. Dann geht, bei w = B₁, während des
Arbeitens des Tasters der Empfangsstation durch den Empfänger M der gebenden Station ein Strom J₃
> 0, und dieser muß in M die nämliche Richtung
haben, wie der dort ankommende und zeichengebende Strom, damit er letztern
unterstützt (und nebenbei einen Ersatz für den Stromverlust durch Ableitungen
bietet). Daher empfiehlt es sich, die Batterien beider Stationen mit entgegengesetzten Polen an die Linie L zu legen.
Die Abgleichung von W₁ und W₂ bei arbeitenden Tastern vorzunehmen, würde das Anlegen gleicher Pole an die Linie nöthig machen, immerhin aber
die wirksame zeichengebende Stromstärkendifferenz in M
vermindern.
VI. Als Vorzüge dieser Einschaltung sind noch hervorzuheben, daß W₃ einflußlos ist, daß man W₂ (und damit die Batterie B₂)
so klein nehmen kann, als die Empfindlichkeit von M
erlaubt, daß die ausnutzbare Stromstärke J₁ in
der Linie unabhängig von W₂ und B₂, zugleich auch groß ist (namentlich größer als
bei Vianisi und Smith), daß
dagegen selbst bei unvollkommener Ausgleichung J₃
in M klein ausfällt, weil sein Nenner N so groß ist, und daß deshalb (was auch die im Zimmer
angestellten Versuche bestätigten) M gegen
Widerstandsschwankungen ziemlich unempfindlich sein wird.
VII. Wählt man w = B₁,
also unabhängig von W₁ und W₂, so kann eine größere Anzahl von (Zwischen-) Stationen in
LL' eingeschaltet und w für jede im Voraus bestimmt werden. Dadurch bleibt W₁, soweit es von den Widerständen w abhängig ist, unverändert, und jede der
eingeschalteten Stationen hat dann, wenn sie mit einer bisher telegraphirenden in
Verkehr treten will, beim Eintritte nur ihren Widerstand B₁ = w und ihr W₂ nach ihrem E₂, E₁ und dem eben vorhandenen W₁ zu reguliren, während die andere Station keine
neue Regulirung vorzunehmen hat.
VIII. Daß man bei dieser Einschaltung vom Gegensprechen sofort und bequem zum
einfachen Sprechen übergehen kann, und daß dazu nur ein Wechsel mit drei Kurbeln
nöthig erscheint, ist leicht zu erkennen. Es läßt sich aber auch durch die Rechnung nachweisen, daß
unter Beibehaltung der einfachen Windungen im Empfänger mit dem Gegensprechen das
Doppelsprechen verbunden werden kann; doch scheint dazu der Doppeltaster noch einer
kleinen Abänderung zu bedürfen, wenn man den Ersatzwiderstand w nicht aufgeben will.
Dresden, 1. Juni 1877.