Titel: | Mittheilungen über neue Handfeuerwaffen; von F. Hentsch, Hauptmann a. D. in Berlin. |
Autor: | F. Hentsch |
Fundstelle: | Band 225, Jahrgang 1877, S. 56 |
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Mittheilungen über neue Handfeuerwaffen; von
F. Hentsch, Hauptmann a. D.
in Berlin.
Mit Abbildungen auf Taf.
I [d/1].
(Fortsetzung von S. 486 des vorhergehenden Bandes.)
Hentsch, über neue Handfeuerwaffen.
Gewehrsystem Weinbörner.
Das von dem Büchsenmacher Weinbörner in Hanau construirte
Hinterladegewehr gehört zu der großen Klasse der Waffen mit Cylinderverschluß.
Abweichend von den meisten Waffen dieser Art wird dem Schlagbolzen die zum Entzünden
der Patrone erforderliche Kraft durch ein von dem Verschlußmechanismus gänzlich
getrenntes Percussionsschloß ertheilt, und zeigt sich in dieser Beziehung das Modell
als Nachfolger des englischen Systems Carter und des im
verflossenen Jahre schon beschriebenen deutschen Systemes Timner (*vgl. 1876 222 41). Was die
Construction des Weinbörner'schen Gewehres betrifft, von
welchem Figur
44 den Verticallängenschnitt bei gespanntem und geschlossenem Gewehre,
Figur 45
die Ansicht des Verschlußcylinders mit Sicherung von unten darstellen, so ist ebenso
wie bei der überwiegend größten Zahl der Gewehre dieser Art auf den hintern Theil
des Laufes eine achteckige Hülse A aufgeschraubt, welche
zur Aufnahme des Verschlußmechanismus dient und diesen mit dem Laufe so in
Verbindung bringt, daß er auf die eingeladene Patrone zu wirken im Stande ist. Die
Hülse A besitzt der Länge nach auf der obern Fläche eine
Auslassung, welche als Gang für einen Ansatz a des
Verschlußcylinders B dient und diesem eine Vor-
und Rückwärtsbewegung ermöglicht. Unmittelbar hinter der hintern Lauffläche ist der
Gang nach rechts etwa bis zur Höhe der Seelenachse erweitert und diese Erweiterung,
Patroneneinlage genannt, einmal zur Aufnahme des Ansatzes a des Cylinders B bei geschlossenem Gewehre
und zum Einbringen und Entfernen der Patrone aus dem Laufe bestimmt. Die die
Patroneneinlage hinten begrenzende rechte Hülsenwand ist senkrecht abgeschnitten, um
ein sicheres Anlegen des Verschlußcylinderansatzes
a, welcher bei dem Schusse gegen sie gepreßt wird und
ein Ausweichen des Verschlußcylinders B nach rückwärts
verhindert, zu bewirken. Im obern Theile tritt die Wand unter Bildung eines Absatzes
etwas nach hinten zurück, und dient dieser Raum zur Aufnahme des Kopfes einer an dem
Verschlußcylinder angebrachten, die Rückwärtsbewegung des letztern begrenzenden
Schraube. In der untern Wand besitzt die Hülse A der
Länge nach eine Auslassung b, um das Schlagstück C durchtreten zu lassen und diesem die Möglichkeit zu
bieten, auf den Schlagbolzen D einzuwirken. Die Hülse
A ist der Länge nach mit einer cylindrischen, die
Fortsetzung der Laufbohrung bildenden Bohrung versehen, in deren vorderm Theile ein
Muttergewinde zur Aufnahme des hintern Laufendes und hinter diesem eine ringförmige
Erweiterung d angebracht ist; letztere reicht nach der
rechten Seite bis nach außen und endigt hier in einer halbkreisförmigen Auslassung
der rechten Hülsenwand. Diese Auslassung hat den Zweck, daß bei etwaigem Platzen
einer Patrone die nach rückwärts ausströmenden Pulvergase einen Ausweg finden und
nicht zwischen Hülse A und Verschlußcylinder B nach hinten hindurchströmen und den Schützen
verletzen. In der linken Seitenwand befindet sich endlich im Innern der Länge nach
ein horizontaler, nach hinten ganz hindurch gehender und etwas höher als die
Seelenachse liegender Gang zur Aufnahme des Extractors E, welcher in ihm eine Vor- und Rückwärtsbewegung auszuführen
vermag.
Der Verschlußcylinder B dient zum Verschließen des
Laufes, zur Aufnahme des Schlagbolzens D, des
Verschlußkopfes F, der Sicherung G und des Extractors E. Derselbe ist außen mit
einem Griffe a zu seiner Handhabung versehen, vorn und
hinten senkrecht abgeschnitten und besitzt im hintern Theile an der untern Seite
eine Auslassung f, in welche das Schlagstück bei dem
Abschießen des Gewehres tritt. Die links Seite g dieser
Auslassung hat die Gestalt eines Schraubenganges, bildet also eine nach hinten und
links ansteigende Fläche, welche bei dem Oeffnen des Gewehres das Spannen des
Schlagstückes bewirkt. Aus der Mitte der Oeffnung geht bis nach hinten ganz hindurch
eine Auslassung zur Aufnahme der Sicherungsschiene h. In
der linken Wand des hintern Verschlußcylindertheiles befindet sich eine Schraube i, welche mit ihrem Ende bis in die Bohrung des
Cylinders B hineinreicht, mit ihrem Kopfe sich mit der
Außenfläche des letztern vergleicht und zum Festhalten der Sicherung in dem
Verschlußcylinder B dient. Jetzt ist an Stelle dieser
Schraube eine Feder angebracht, welche mit ihrem Ende durch eine Feder an dem
Verschlußcylinder befestigt ist und an ihrem vordern Ende einen Ansatz besitzt, der
durch ein Loch bis in den Gang der Sicherung reicht. Der Verschlußcylinder besitzt der Länge
nach eine cylindrische Bohrung, welche hinten durch die Sicherung G, vorn durch den Verschlußkopf F geschlossen wird und zur Aufnahme des Schlagbolzens D bestimmt ist. Diese Bohrung ist im vordern und hintern
Theile weiter und verengt sich in der Mitte unter Bildung scharfer Absätze, von
denen der vordere das zu weite Zurückfallen des Schlagbolzens nach dem Schusse
verhindert. Vor dem Griffe a befindet sich endlich auf
der obern Fläche des Verschlußcylinders ein länglicher Ansatz, Führungswarze, welche
mit dem Griffe zusammenhängt, nach vorn über den Verschlußcylinder B hervorragt und dort, wo letzterer aufhört, mit einer
quer zur Seelenachse stehenden, zum Festhalten des Verschlußkopfes dienenden
Auslassung k versehen ist. An der rechten Seite seines
vordern Endes ist eine seitwärts hervorstehende Schraube p befestigt, welche die Rückwärtsbewegung des Verschlußcylinders bei dem
Oeffnen des Gewehres begrenzt.
Der Verschlußkopf F dient zum Verschließen des Laufes,
Befestigen des Extractors E und Festhalten des
Schlagbolzens D in dem Verschlußcylinder B; derselbe ist in seinem vordern Theile von gleichem
Durchmesser wie der Verschlußcylinder B, setzt sich dann
senkrecht nach hinten ab und geht in einen cylindrischen Theil von gleichem äußern
wie der innere Durchmesser der Verschlußcylinderbohrung über, welcher hinten
senkrecht abgeschnitten ist. Der vordere Theil des Verschlußkopfes hat eine
ringförmige, flache Eindrehung erhalten, um durch sie das Entweichen etwaiger
Pulvergase zu ermöglichen, und auf seiner obern Fläche, und zwar am äußersten
hintern Ende, ist ein Ansatz l angebracht, welcher genau
in die vorerwähnte Auslassung k der Führungswarze a des Verschlußcylindergriffes paßt, bei dem Aufdrehen
des Verschlußcylinders B in letztern Einschnitt tritt
und den Kopf F zwingt, die Vor- und
Rückwärtsbewegung des letztern mitzumachen. Auf der linken Seite des Kopfes ist der
Extractor E mit einem schwalbenschwanzartigen Fuße
eingeschoben, wird in diesem Ausschnitte durch die vordere Verschlußstückfläche
gehalten und verhindert eine Drehung des Kopfes dadurch, daß er in den betreffenden
Gang der Hülfe eintritt. In der Richtung der Seelenachse endlich besitzt der
Verschlußkopf eine dem vordern conischen Theile des Schlagbolzens entsprechende
Bohrung.
Der Extractor E besteht aus einem schmalen, langen,
federnden Stahlstäbchen, welches in der Mitte mit einem schwalbenschwanzartigen
Querschnitt besitzenden Fuße und am vordern Ende mit einem Haken zum Erfassen der
Patrone versehen ist.
Der Schlagbolzen D ist in seinem vordern Theile conisch
geformt, und bewegt sich
mit diesem Theile in der ebenso gestalteten Verschlußkopfbohrung. Hinter diesem
Theile ist eine cylindrische, vorn und hinten senkrecht abgesetzte Verstärkung, der
sogen. Kopf, angebracht, welcher sich hinter dem Verschlußkopfe F in der vordern weitern Bohrung des Verschlußcylinders
B bewegt und sowohl das zu weite Vorschnellen, als
auch das Zurückfallen des Schlagbolzens D verhindert.
Der hinterste, schwächere, cylindrische Theil des Schlagbolzens endlich bewegt sich
in der engern Bohrung des Verschlußcylinders und reicht nach hinten bis etwas über
die zum Durchlassen des Schlagstückes bestimmte Auslassung f.
Die Sicherung G besteht aus einem die Stärke der hintern
Verschlußcylinderbohrung besitzenden vollen Cylinder, an dessen hinterm Ende ein
nach oben gerichteter Griff m zur Handhabung und an
dessen unterer Seite der Länge nach eine Schiene h
angebracht ist; letztere tritt in den oben erwähnten Gang des Verschlußcylinders B und vergleicht sich äußerlich mit letzterm. An der
linken Seite befindet sich in dem cylindrischen Theile der Länge nach ein
horizontaler, weder nach vorn, noch nach hinten ganz hindurch gehender Gang, in
welchen die Halteschraube i (in der neuern Ausführung
der Federansatz) tritt; letztere begrenzt, wie oben schon erwähnt, die Vor-
und Rückwärtsbewegung der Sicherung G und verhindert das
gänzliche Herausziehen derselben aus dem Verschlußcylinder B.
Ganz getrennt von diesen Theilen liegt unterhalb der Hülse im Schafte das Schloß. Die
Theile desselben sind das Schlagstück C, die Schlagfeder
J, die Stange H und der
Abzug L, welche erstere drei Theile ihre Befestigung
zwischen zwei Platten mittels an ihnen angebrachter cylindrischer Ansätze in
derselben Weise wie bei dem Werder-Gewehre finden. Die eine Platte läßt sich
abheben, und können sodann die obigen Theile entfernt werden. Die beiden eine Art
Kasten bildenden Platten werden von unten in den Schaft geschoben und durch das
Abzugsblech M in letzterm festgehalten. Das Schlagstück
C besteht aus einer senkrecht stehenden Eisenplatte,
welche an ihrem obern Ende einen nach vorn hervorstehenden, oben abgerundeten, den
Schlagbolzen D treffenden Ansatz n besitzt. An dem untern Ende und der hintern Seite ist die Spannrast o angebracht, in welche die Stange H bei gespanntem Gewehre tritt. Die Schlagfeder J ist eine zweiarmige Feder, deren oberer Arm als
eigentliche Schlagfeder dient und den Hahn C
vorzuschnellen strebt, deren unterer Arm die Functionen einer Stangenfeder versieht.
Der Abzug L entspricht demjenigen eines gewöhnlichen
Percussionsschlosses.
Was nun das Zusammenwirken der Schloß- und Verschlußtheile betrifft, so nehmen
dieselben bei geschlossenem und abgefeuertem Gewehre folgende Stellung ein: Der
Schlagbolzen D steht mit seiner Spitze etwas über die
vordere Fläche des Verschlußkopfes F hervor, die vordere
Fläche seines Kopfes liegt an der hintern des Verschlußkopfes, gegen seine hintere
Fläche drückt das Schlagstück C, welches in die Bohrung
des Verschlußcylinders B getreten ist; letzterer ist
nach rechts gedreht, sein Griff a und die Führungswarze
in die seitwärtige Hülfenauslassung gelegt und stützt sich gegen die die letztere
hinten begrenzende rechte Hülsenwand. Der Verschlußkopf F verschließt den Lauf, sein Ansatz l ist aus
der Auslassung k der Führungswarze a getreten, der Extractor E
liegt mit seinem Haken vor dem Patronenbodenrande, die Sicherung G ist nach hinten so weit wie möglich herausgezogen, die
Schlagfeder J abgespannt und die Stange H endlich aus der Rast o des
Schlagstückes C herausgetreten.
Behufs Ladens des Gewehres wird der Verschlußcylinder B
mittels des Griffes a um 45° nach links gedreht,
welche Drehung der Verschlußkopf F, durch den Extractor
E verhindert, nicht mitmacht, so daß sein Ansatz l in die Auslassung k der
Führungswarze a eintritt. Bei dieser Drehung hat die
schraubenartige Fläche g der Verschlußcylinderauslassung
f das Schlagstück C
getroffen, dieses zum Ausweichen, also Niedergehen gezwungen und gespannt, indem die
Arme der Schlagfeder J zusammengedrückt werden. Die
Stange tritt hierbei in die Rast o des Schlagstückes C und hält es in dieser Lage fest. Nunmehr wird der
Verschlußcylinder B so weit zurückgezogen, bis die
betreffende Schraube p die rechte Hülsenwand trifft,
welche Bewegung der Verschlußkopf F und der Extractor
E mitmachen muß; letzterer zieht die leere
Patronenhülse der soeben verschossenen Patrone aus dem Laufe in die Patroneneinlage,
aus welcher sie durch Rechtsdrehen des Gewehres entfernt wird. Nachdem alsdann die
neue Patrone in die Hülse A gelegt ist, wird der
Verschlußcylinder B mit Verschlußkopf F vor- und die Patrone dadurch in den Lauf
geschoben. Der Extractor E gleitet mit seinem Haken
hierbei über den Patronenbodenrand hinweg und legt sich vor diesen. Endlich wird der
Verschlußcylinder B nach rechts gedreht, welche Bewegung
der Verschlußkopf F nicht mitmacht, und ist das Gewehr
nunmehr zum Abfeuern bereit. Soll letzteres geschehen, so wird der Abzug
zurückgezogen, das Schlagstück C dreht sich um seine
Ansätze, sein oberer Theil n schnellt vor, trifft den
Schlagbolzen D, letzterer die Patrone und die Entzündung
dieser erfolgt.
Behufs Ruhestellung schiebt man bei gespanntem Gewehre die Sicherung G in den Verschlußcylinder B. Hierbei legt sich die Schiene h der Sicherung
G über das Schlagstück C, so daß dieses nicht in die Verschlußcylinderbohrung f
gelangen und den Schlagbolzen D treffen kann, selbst
wenn die Stange II aus der Rast entfernt wird.
Zur Handhabung des Gewehres sind somit drei Griffe erforderlich, nämlich 1) Aufdrehen
und Zurückziehen des Verschlußcylinders, 2) Auswerfen der Patronenhülse durch
Rechtsdrehen des Gewehres und 3) Vorschieben und Rechtsdrehen des
Verschlußcylinders.
Behufs Auseinandernahme ist das Lösen mehrerer Schrauben, also die Anwendung eines
besondern Instrumentes erforderlich, und zwar bedingt das gänzliche
Auseinandernehmen des eigentlichen Verschlußmechanismus das Ausschrauben der
Schraube p des Verschlußcylinders, der
Sicherungshalteschraube i, die Herausnahme des
eigentlichen Schlosses, das Entfernen der Abzugsblech schrauben, was als Uebelstand
bezeichnet werden muß. Ganz originell an dem Gewehre ist die Art der Ruhestellung,
während die Idee, dem Schlagbolzen durch ein besonderes Schloß die erforderliche
Percussionskraft zu verleihen und die Art und Weise des Spannens des Schlosses
bereits bei Carter, Timner etc. gefunden wird, der
Verschlußkopf und Extractor aber gänzlich den entsprechenden Theilen des
Mauser-Gewehres entspricht.