Titel: | Verordnung, betreffend die Einrichtung, das Verfahren und den Geschäftsgang des kais. Deutschen Patentamtes. |
Fundstelle: | Band 225, Jahrgang 1877, S. 99 |
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Verordnung, betreffend die Einrichtung, das
Verfahren und den Geschäftsgang des kais. Deutschen Patentamtes.
Verordnung des kais. Deutschen Patentamtes.
Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von
Preußen etc. verordnen zur Ausführung des PatentgesetzesVgl. 1877 224 644. vom 25. Mai 1877 im Namen des Deutschen Reiches, nach erfolgter Zustimmung
des Bundesraths, was folgt:
§ 1. Das Patentamt besteht aus sieben Abtheilungen.
Zuständig sind:
die Abtheilungen I und II für die Beschlußfassung über
Patentgesuche ausschließlich aus dem Gebiete der mechanischen Technik;
die Abtheilungen III und IV für die Beschlußfassung über
Patentgesuche ausschließlich aus dem Gebiete der chemischen Technik;
die Abtheilungen V und VI für die Beschlußfassung über solche
Patentgesuche, welche das Gebiet der chemischen und der mechanischen Technik
zugleich berühren, sowie über alle sonstigen Patentgesuche;
die Abtheilung VII für die Beschlußfassung und Entscheidung in
dem Verfahren wegen Erklärung der Nichtigkeit und wegen Zurücknahme ertheilter
Patente.
§ 2. Für Beschwerden gegen den Beschluß einer Abtheilung in dem Verfahren
wegen Ertheilung eines Patentes ist diejenige Abtheilung zuständig, welche neben der
erstern nach § 1 über Patentgesuche aus demselben Gebiete der Technik zu
beschließen hat. Der Vorsitzende des Patentamtes kann jedoch im einzelnen Falle
bestimmen, daß außer der hiernach zuständigen Abtheilung eine oder mehrere andere
Abtheilungen bei der Beschlußfassung über die Beschwerde mitwirken sollen.
Für Beschwerden in dem Verfahren wegen Erklärung der Nichtigkeit oder wegen
Zurücknahme eines Patentes sind diejenigen beiden Abcheilungen gemeinsam zuständig,
welche nach § 1 über Patentgesuche zu beschließen haben, die demselben
Gebiete der Technik, wie das angefochtene Patent, angehören.
§ 3. Die nähern Bestimmungen über die Vertheilung der Geschäfte an die
einzelnen Abtheilungen hat der Vorsitzende des Patentamtes zu treffen. Für Anträge
oder Gesuche, welche die Ertheilung, die Erklärung der Nichtigkeit oder die
Zurücknahme eines Patentes nicht betreffen, kann er in jedem einzelnen Falle die
Zuständigkeit bestimmen.
§ 4. An den Verhandlungen einer Abtheilung können nur solche Mitglieder
theilnehmen, welche der Abtheilung angehören.
Den Abtheilungen I und II müssen mindestens je 5, den Abtheilungen III und IV
mindestens je 3, den Abtheilungen V und VI mindestens je 4 und der Abtheilung VII
mindestens 6 nicht ständige Mitglieder angehören. Von den Mitgliedern der Abtheilung
V und der Abtheilung VI muß mindestens je eins aus jeder der ersten vier
Abtheilungen, von den Mitgliedern der Abtheilung VII muß mindestens je eins aus
jeder der ersten sechs Abtheilungen entnommen sein.
Jeder Abtheilung muß mindestens ein ständiges Mitglied, der Abtheilung VII außerdem
der Vorsitzende des Patentamtes angehören.
§ 5. Die Abtheilungen werden durch eine Verfügung des Vorsitzenden des
Patentamtes, welche die Mitglieder einer jeden Abtheilung bezeichnet, auf die Dauer
eines Jahres oder für einen längern Zeitraum gebildet.
Bei Ablauf der Zeit, für welche die Abtheilungen gebildet waren, erläßt der
Vorsitzende des Patentamtes eine neue Verfügung, welche die Abtheilungen abermals im
Voraus auf mindestens ein Jahr bildet. Hierbei kann die Zusammensetzung der
Abtheilungen unverändert bleiben. Im Falle des Todes, der Erkrankung oder der
längern Abwesenheit eines Mitgliedes können in die davon betroffene Abtheilung,
soweit und so lange das Bedürfniß dies erfordert, durch Verfügung des Vorsitzenden
Mitglieder anderer Abtheilungen zur Aushilfe berufen werden.
§ 6. Die Geschäftsleitung in den Abtheilungen führt das von dem Vorsitzenden
des Patentamtes hierzu bestimmte Mitglied. In der Abtheilung VII fuhrt sie der Vorsitzende des
Patentamtes selbst. Bei Beschwerden gegen Beschlüsse einer der ersten sechs
Abtheilungen steht die Geschäftsleitung dem Vorsitzenden des Patentamtes zu; welchem
der ständigen Mitglieder bei Beschwerden gegen Beschlüsse der Abtheilung VII die
Geschäftsleitung zustehen soll, bestimmt der Vorsitzende des Patentamtes zum Voraus
für die in § 5 bezeichnete Zeit.
Ueber die Vertretung im Vorsitz, sowie über die Vertretung in der Geschäftsleitung
der Abtheilungen hat der Vorsitzende des Patentamtes Bestimmung zu treffen.
§ 7. In den Abtheilungen liegt es dem geschäftsleitenden Mitgliede ob, die für
den Fortgang der Sachen erforderlichen Verfügungen, soweit dadurch der Entscheidung
nicht vorgegriffen wird, zu treffen. Insbesondere hat das geschäftsleitende Mitglied
für jede Sache den Berichterstatter zu bezeichnen, welchem allein oder unter
Mitwirkung eines zweiten Mitgliedes die Prüfung der Sache zunächst zufallen soll.
Der Berichterstatter hat den mündlichen Vortrag in den Sitzungen zu halten, sowie
alle Beschlüsse und Entscheidungen in der für die Zufertigung an die Betheiligten
geeigneten Form schriftlich zu entwerfen. Das geschäftsleitende Mitglied ist befugt,
Aenderungen in der Fassung, soweit ihm solche nothwendig erscheinen,
vorzunehmen.
Ueber die Zuziehung von Sachverständigen (Patentgesetz § 14 Absatz 5)
beschließen die Abtheilungen.
§ 8. Die Beschlußfassung der Abtheilungen kann nur auf Grund mündlichen
Vortrages in der Sitzung erfolgen:
1) wenn es sich um einen Beschluß nach Maßgabe des § 25
des Gesetzes handelt;
2) wenn es sich im Falle des § 29 Absatz 3 des Gesetzes
um die Androhung der Zurücknahme eines Patentes handelt;
3) wenn es sich um die Entscheidung über die Erklärung der
Nichtigkeit oder die Zurücknahme eines Patentes handelt.
§ 9. Die Beschlüsse und Entscheidungen der Abtheilungen erfolgen nach
Stimmenmehrheit. Bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des geschäftsleitenden
Mitgliedes. Ist dem Beschluß oder der Entscheidung eine Anhörung der Betheiligten
(Patentgesetz § 24 Absatz 2, § 25 Absatz 2, § 29 Absatz 2)
vorhergegangen, so kann ein Mitglied, welches bei derselben nicht zugegen gewesen
ist, an der Abstimmung nicht theilnehmen.
§ 10. Dem Vorsitzenden des Patentamtes liegt es ob, auf eine gleichmäßige
Behandlung der Geschäfte und auf die Beobachtung gleicher Grundsätze hinzuwirken. Zu
diesem Behufe ist er befugt, den Berathungen aller Abtheilungen beizuwohnen, auch
sämmtliche Mitglieder zu Plenarversammlungen zu vereinigen und die Berathung des
Plenums über die von ihm vorgelegten Fragen herbeizuführen.
§ 11. Die Sitzungen der Abtheilungen finden der Regel nach an bestimmten Tagen
und zu bestimmten Stunden statt. Die Verfügung darüber steht dem Vorsitzenden des
Patentamtes zu.
§ 12. Zeugen und Sachverständige erhalten nach den am Ort ihres Wohnsitzes für
bürgerliche Rechtsstreitigkeiten maßgebenden Bestimmungen eine Entschädigung für
Zeitversäumniß und Erstattung der ihnen verursachten Kosten, Sachverständige
außerdem eine Vergütung ihrer Mühewaltung.
§ 13. Zu den Kosten des Verfahrens, über welche das Patentamt nach § 30
des Gesetzes zu bestimmen hat, gehören außer den aus der Kasse des Patentamtes
bestrittenen Auslagen diejenigen den Betheiligten erwachsenen Kosten, welche nach
freiem Ermessen des Patentamtes zur zweckentsprechenden Wahrung der Ansprüche und
Rechte nothwendig waren.
§ 14. Die Einrichtung der Bureaux, die Verwaltung der Kasse, der Bibliothek
und der Sammlungen werden durch den Vorsitzenden des Patentamtes geordnet. Der
Vorsitzende erläßt die für die Beamten erforderlichen Geschäftsanweisungen.
§ 15. Die Leitung und Beaufsichtigung des gesammten Geschäftsbetriebes steht
dem Vorsitzenden des Patentamtes zu. Er ist der Dienstvorgesetzte der
Subaltern- und Unterbeamten. Er verfügt in allen
Verwaltungsangelegenheiten.
§ 16. Geschäftssachen, welche während der Dienststunden der Bureaux eingehen,
sind alsbald, andere Geschäftssachen bei dem Wiederbeginn der Dienststunden von dem
dazu bestimmten Beamten nach der Reihe des Eingangs oder, wenn diese nicht
feststeht, nach der Reihe, in welcher sie von dem Beamten übernommen werden, mit
einer laufenden Nummer und dem Datum zu versehen.
§ 17. Schriftstücke, in welchen die Ertheilung eines Patentes nachgesucht
wird, oder welche auf ein bereits eingeleitetes Verfahren wegen Ertheilung eines
Patentes Bezug haben, gehen unmittelbar an die für die Erledigung zuständige
Abtheilung. Wird in Bezug auf die Zuständigkeit Anstand erhoben, so ist die
Bestimmung des Vorsitzenden des Patentamtes einzuholen. Alle übrigen Schriftstücke
werden dem letztern vorgelegt.
§ 18. Das Patentamt kann nach seinem Ermessen von den bei ihm beruhenden
Eingaben und Verhandlungen, soweit deren Einsichtnahme gesetzlich nicht beschränkt
ist, auf Antrag an Jedermann Abschriften und Auszüge gegen Einzahlung der Kosten
ertheilen.
§ 19. Die Ausfertigungen der Beschlüsse der Abtheilungen erhalten die
Unterschrift: „Kaiserliches Patentamt, Abtheilung....“.
Diejenigen Beschlüsse jedoch, welche die Abtheilungen als Beschwerdeinstanzen fassen
(§ 2), sowie alle Entscheidungen des Patentamtes erhalten in der Ausfertigung
nur die Unterschrift: „Kaiserliches Patentamt“. Die
Ausfertigungen werden von dem geschäftsleitenden Mitgliede vollzogen.
Vorladungs- und Zustellungsschreiben, sowie die Ausfertigungen der
Patenturkunden werden nicht vollzogen, sondern nur beglaubigt. Die Beglaubigung von
Schriftstücken geschieht unter der Unterschrift des von dem Vorsitzenden des
Patentamtes dazu bestimmten Beamten und unter Beifügung des Siegels des
Patentamtes.
§. 20. Das Siegel des Patentamtes enthält in der Mitte den Reichsadler und in
der Umschrift die Worte: „Kaiserliches Patentamt“.