Titel: | Zur Geschichte der Rosolsäure und der Beziehungen dieser Säure zum Rosanilin; von Rud. v. Wagner. |
Autor: | Rudolph Wagner |
Fundstelle: | Band 225, Jahrgang 1877, S. 190 |
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Zur Geschichte der Rosolsäure und der Beziehungen
dieser Säure zum Rosanilin; von Rud. v.
Wagner.
v. Wagner, zur Geschichte der Rosolsäure etc.
Die Arbeiten des letzten Lustrums über die Rosolsäure und deren Beziehungen zum
Rosanilin, insbesondere die Ueberführbarkeit des Rosanilins in Rosolsäure und vice versa haben es wahrscheinlich gemacht, daß die dem
Phenol entstammende Rosolsäure in Concurrenz mit dem Anilin in der Zukunft den
Ausgangsstoff für die fabrikmäßige Herstellung des Rosanilins und dessen Derivaten
bilden wird.
An den technischen Chemiker tritt nun die Aufgabe heran, die Entwicklungsgeschichte
der Rosolsäure kennen zu lernen – eine Aufgabe, die nicht ganz leicht zu
lösen ist, da die Literatur über die genannte Säure eine überaus umfangreiche,
mitunter verworrene und von Widersprüchen in den Angaben über die Eigenschaften und
das Verhalten der Rosolsäure nicht ganz freie ist.
Das Verständniß der Natur dieser merkwürdigen Säure und die Erkenntniß der
technologischen Wichtigkeit derselben wird, wie ich glaube, durch folgende
Quellenstudie gefördert und erleichtert werden.
Im Laufe seiner klassischen Untersuchung über die Bestandtheile des
Steinkohlentheeröles, welches er „der Freundschaft des Commerzienrathes
Dr. Hempel in
Oranienburg verdankte“, entdeckte F. F. Runge
Vgl. Annalen der Physik und Chemie, 1834 Bd. 31 S. 65. im J. 1833 drei Basen, das Blauöl oder Kyanol,
das Rothöl oder Pyrrol, das Weißöl oder Leukol, und drei Säuren, die Kohlenölsäure oder Carbolsäure, die Braunölsäure oder die
Brunolsäure und endlich die Rosaölsäure oder die Rosolsäure.
Die Angriffe Karl v. Reichenbach's
Annalen der Physik und Chemie, 1834 Bd. 31 S. 498. und dessen Behauptung, daß mehrere der von Runge
aus dem Steinkohlentheer isolirten Körper von ihm bereits vor Jahren aus dem
Buchenholztheer erhalten worden seien, erwiesen sich als ungerechtfertigt, und die
Existenz der sechs Runge'schen Stoffe wurde von den
chemischen Autoritäten der damaligen Epoche, so von Poggendorff, Mitscherlich und J. Liebig
bereitwillig anerkannt. Die Polemik zwischen Runge und
Reichenbach blieb jedoch nicht unfruchtbar; denn
einerseits klärte sie die Theerfrage und hob die charakteristischen Unterschiede
zwischen den Bestandtheilen des Steinkohlentheeres und des Holztheeres hervor,
förderte somit Resultate zu Tage, welche die unermeßliche Bedeutung der Arbeiten von
Reichenbach und Runge für
die Entwicklung der organischen Chemie in glänzendem Lichte erscheinen lassen; anderseits
zog sie die vergessene Thatsache an die Tageshelle, daß die von Runge unter dem Namen Blauöl beschriebene Base bereits im
J. 1826 von dem Apotheker Otto Unverdorben in Dahme
(Prov. Sachsen)Vgl. Annalen der Physik und Chemie, 1834 Bd. 31 S. 510. entdeckt worden sei. Für die Geschichte der Fundamentalstoffe der
Theerfarbenindustrie ist die Richtigstellung dieses literarischen Fundes von um so
größerer Bedeutung, als spätere Forscher, namentlich Fritzsche in St. Petersburg bei seiner Arbeit über die aus dem Indig
dargestellte Base, welcher er den wohltönenden Namen „Anilin“
gab, von der schönen Entdeckung Unverdorben's nicht
wußte.
Von den sechs Runge'schen Körpern haben zwei, sein Blauöl
als Anilin und seine Carbolsäure als Phenol, bekanntlich culturgeschichtliche
Bedeutung erlangt. Nicht dasselbe gilt von der Rosaölsäure, deren
Bildungsmöglichkeit aus Phenol Runge nicht erkannt hat.
Er erhielt sie, indem er den Rückstand beim Abdestilliren der Carbolsäure mit Wasser
kochte, wobei sich eine schön rosaroth gefärbte Auflösung von rosolsaurem Kalk
bildete, aus welchem Essigsäure die Rosolsäure abschied. Im Lichte der Gegenwart
gesehen, erscheint die Bemerkung Runge's
Annalen der Physik und Chemie, 1834 Bd. 31 S. 70. bedeutungsvoll, daß die Rosolsäure „ein wirkliches
Pigment“ sei und mit den geeigneten Beizen rothe Farben und Lacke
gäbe, die an Schönheit denen aus Saflor, Cochenille und Krapp an die Seite gestellt
werden könnten. Trotz dieser Angaben, die heutigen Tages gewaltige Erregung unter
den Chemikern und unverzüglich Anstrengungen zur Uebertragung dieser
Laboratoriumsversuche in das chemische Großgewerbe veranlaßt haben würden, gerieth
die interessante Rosolsäure in Vergessenheit, und bis zum J. 1850 war sie nur in den
Lehrbüchern der organischen Chemie kurz erörtert, aber, wie ich glaube, kaum in
einer Präparatensammlung eines deutschen chemischen Unterrichtslaboratoriums zu
finden. Im J. 1857 betrat sie von neuem die chemische Arena, zwar zaghaft noch,
jedoch bald festen Fuß faßend und von der chemischen Tagesordnung nicht mehr
verschwindend.
S. Tschelnitz
Vgl. Journal für praktische Chemie, 1857 Bd. 71 S. 416. Dingler's polytechn.
Journal, 1857 144 467. hatte in der Theerfabrik von C. König zu St. Veit
bei Wien mehrfach Gelegenheit, die Bildung von Rosolsäure zu beobachten und diese
Säure im wesentlichen nach Runge's Verfahren im Großen
darzustellen. Er beschreibt sie als orangerothe Masse, die sich wie ein Harz
verhält, und neigt sich der Meinung zu, daß das Eisen wesentlich zur Bildung der
rothen Farbe der Rosolsäure und ihrer Salze beitrage. Die angestellten Versuche, die
Rosolsäure zum Färben, zur Lackbereitung, zur Herstellung rother Tinte zu verwenden,
blieben erfolglos. Von großer Tragweite waren die im J. 1858 ausgeführten Arbeiten
Hugo Müller's (in London) über die RosolsäureWagner's Jahresbericht, 1858 S. 465., die das wichtige Ergebniß lieferte, daß diese Säure, was bis dahin wohl
vermuthet, aber nicht ausgesprochen und bewiesen worden war, aus dem
(kresolhaltigen) Phenol durch Oxydation sich bilde, und zwar durch Behandeln mit
Kalk und Stehenlassen an der Luft. Die Analyse der reinen Rosolsäure führte zu der
Formel C₂₃H₂₂O₄. A. Smith
Répertoire de chimie appliquée,
1859 I p. 163., der sich zu der nämlichen Zeit wie H. Müller mit
der künstlichen Bildung der Rosolsäure beschäftigte, erhielt diese Säure, indem er
Phenoldampf über erhitzten Kalk leitete und später mit größerm Erfolg, durch
Erhitzen von Phenolnatron mit Mangansuperoxyd. Ihre Zusammensetzung entsprach der
Formel C₁₂H₁₂O₃. Dusart
Répertoire de chimie appliquée,
1859 I p. 207. machte hierauf die Beobachtung, daß Rosolsäure mit überschüssigem Kalk und
Kali destillirt, Phenol gäbe, und Jouvin
Wagner's Jahresbericht, 1861 S. 537., daß durch Erhitzen von Phenol mit Quecksilberchlorid oder Quecksilberoxyd
Rosolsäure sich bildet. Fr. Fol
Wagner's Jahresbericht, 1862 S. 587. fand, daß Rosolsäure (oder eine ähnliche, von ihm Xanthophensäure genannte
Säure) durch Oxydation von Phenol und Kresol mit schwefelsaurem Quecksilberoxyd und
mit Arsensäure entstehe, und ferner stellten Sengenwald
und Schützenberger
Comptes rendus, 1862 t. 54 p. 197. Rosolate durch Erhitzen der Producte dar, welche durch die Einwirkung von
Chlorjod auf Phenol entstanden waren.
Zur Vervollständigung der Bildungsweisen der Rosolsäure möge erwähnt werden, daß Körner Rosolsäure durch Erhitzen von Monobromphenol mit
weingeistiger Kalilösung und Binder
Wagner's Jahresbericht, 1862 S. 584. beim Erwärmen von Phenolsulfosäure mit Zink erhielt. Monnet stellte sie dar aus Phenolsulfosäure und Jodamyl, Perkin und Duppa aus Phenol
und Bromessigsäure oder durch Erhitzen eines Gemenges von Jod, Phenol, Ameisensäure,
Essigsäure oder Buttersäure. Ob die von Lautemann
Annalen der Chemie und Pharmacie, 1860 Bd. 120 S. 307. durch Kochen von Trijodphenol mit einer Lösung von Natriumcarbonat erhaltene
rothe Substanz zu der Rosolsäure in Beziehung steht, muß dahingestellt bleiben.
Epochemachend für die Geschichte der Rosolsäure waren die durch H. Kolbe (1859) angeregten und nach kurzer Zeit mit dem
glänzendsten Erfolge gekrönten Arbeiten über die Umwandlung des Phenols in
Salicylsäure, die zur Entdeckung der unter dem Namen Corallin in die Wissenschaft und Technik eingeführten rothen Farbstoffe
durch H. Kolbe und R. Schmitt
Wagner's Jahresbericht. 1861 S. 536. 1862 S. 583. (Karl Zulkowsky in Brünn – Berichte der deutschen chemischen
Gesellschaft, 1877 S. 462 – hat indessen gezeigt, daß das nach dem
Oxalsäureverfahren erhaltene Corallin ein Gemenge zweier Substanzen, von
welchem die eine Rosolsäure, die andere eine blaßrothe harzige Masse ist,
die vorläufig Pseudorosolsäure genannt wurde.) führten. Das zur Darstellung des Corallins angewendete Verfahren, auf der
Einwirkung von concentrirter Schwefelsäure auf Phenol und Oxalsäure beruhend,
ermöglichte die fabrikmäßige Darstellung des neuen Körpers. Die Methode selbst
erhielt die Bezeichnung „Oxalsäureverfahren“. Die Analyse des
Corallins führte zu der Formel C₁₀H₈O₂.
In einer vortrefflichen Arbeit über das Corallin zeigte H. Fresenius
Wagner's Jahresbericht, 1871 S. 786 1872 S. 681., daß bei dem Oxalsäureverfahren die Ameisensäure die Oxalsäure ersetzen
könne, daß durch Erhitzen von Phenolsulfosäure mit entwässertem Ferrocyankalium sich
gleichfalls Corallin bilde und daß dem Phenol analog der Methyl-Phenyläther
(Anisol) und der Aethyl-Phenyläther (Phenetol) sich verhalten. Für die
Theorie der Bildung des Corallins lieferte H. Fresenius
den Nachweis, daß bei dem Oxalsäureverfahren das auf die Phenolsulfosäure wirkende
Agens das nascirende Kohlenoxyd sei. Nach der im J. 1872 von H. Kolbe
Journal für praktische Chemie, 1872 Bd. 5 S. 204. 1876 Bd. 14 S. 332. ausgesprochenen Meinung über des Corallins Constitution gewinnt, angesichts
der Arbeit von Fresenius, die Behauptung einigen Halt,
das Corallin möge formylirtes Phenol sein:
Textabbildung Bd. 225, S. 193
Phenol; Corallin.
GuareschiWagner's Jahresbericht, 1873 S. 800. fand in derselben Epoche, in welcher Fresenius
dem Studium der Rosolsäure oblag, daß durch Einwirkenlassen von Chloroform auf ein Gemenge von Phenol und Alkalilauge
Rosolsäure sich bilde – eine Reaction, die möglicherweise den Anstoß zu der
bedeutungsvollen Arbeit von K. Reimer und F. Tiemann
Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft, 1876 S. 423. über die Darstellung formylirter Verbindungen, namentlich des
Salicylaldehydes gegeben. Die neben Salicylaldehyd sich bildende Rosolsäure sei
durch Vereinigung der
Elemente von 2 Mol. Salicylaldehyd und 1 Mol. Phenol unter Ausgabe von 2 Mol. Wasser
entstanden, wofür sie folgende Gleichung geben:
Textabbildung Bd. 225, S. 194
Salicylaldehyd; Phenol;
Rosolsäure.
In der That haben C. Liebermann und F. Schwarzer (1876)Wagner's Jahresbericht, 1876 S. 1005. aus Salicylaldehyd und Phenol mittels Schwefelsäure Rosolsäure dargestellt.
Diese merkwürdige Bildungsweise (zu deren Erläuterung die für die Rosolsäure von Dale und Schorlemmer
aufgestellte Formel C₂₀H₁₄O₃ verwendet wurde)
verdeutlicht die Function des Kohlenoxydes bei dem Oxalsäureverfahren, die einer
zweiten Phase des Processes entspricht. Wie es scheint, bildet das nascirende
Kohlenoxyd mit dem Phenol zunächst salicylige Säure (CO + C₆H₆O =
C₇H₆O₂), die aber unter den bei dem Versuch obwaltenden
Bedingungen nicht bestehen kann, sondern sofort in Rosolsäure übergeführt wird.
H. Caro und Wanklyn, die schon
im J. 1865 mit der Ermittlung der Beziehungen der Rosolsäure (welcher sie die jetzt
fast allgemein angenommene Formel C₂₀H₁₆O₃ gaben)
zum Rosanilin sich beschäftigten, glaubten, daß in analoger Weise, wie aus 1 Mol.
Anilin und 2 Mol. Toluidin Rosanilin sich bilde, auch Rosolsäure aus Phenol und
Kresol entstehe:
Textabbildung Bd. 225, S. 194
Phenol; Kresol; Rosolsäure.
Aus seinen Versuchen zieht Caro den
Schluß, daß zur Bildung von Rosolsäure und von Rosanilin also entweder gleichzeitig ein Benzolderivat (Phenol oder Amidobenzol) und ein
Methylbenzolderivat (Kresol oder Amidotoluol) vorhanden sein müsse (auf die
Kohlenstoffmenge der Producte bezogen, in beiden Fällen 6 + 2 × 7 = 20), oder daß bei Anwendung eines reinen Benzolderivates gewisse Substanzen, wie Oxalsäure oder Jodoform (seltsamer Weise versuchte Caro das Chloroform nicht!), zuzusetzen sind,
welche in diesem Falle den Kohlenstoff liefern, welcher
im ersten Falle vom Methylbenzol herrührt.
Nachdem nun theoretisch ein innerer Zusammenhang zwischen Rosanilin und Rosolsäure
plausibel gemacht worden war, versuchten Caro und Wanklyn
Philosophical Magazine, 1869 vol. 30 p. 217. das Rosanilin in Rosolsäure überzuführen. Sie geben nun an, letztere Säure
bilde sich, wenn man die saure Lösung eines Rosanilinsalzes mit salpetriger Säure
behandelt, wobei eine explodirbare Diazoverbindung entstehe:
Textabbildung Bd. 225, S. 195
Rosanilin; Diazorosanilin.
welche beim Kochen mit Salzsäure unter Freiwerden von
Stickstoff in Rosolsäure übergehe:
Textabbildung Bd. 225, S. 195
Diazorosanilin; Rosolsäure.
Die so erhaltene Rosolsäure sei identisch mit der nach dem
Oxalsäureverfahren dargestellten, während H. Fresenius
Wagner's Jahresbericht, 1872 S. 691., welcher den aus dem Rosanilin erhaltenen Farbstoff Pseudocorallin nennt, auf Grund seiner Arbeit diese Identität nicht
annehmen kann und dem Pseudocorallin die Formel
C₂₆H₂₈O₁₀ gibt. In einer spätern Arbeit
von C. Graebe und H. Caro
Wagner's Jahresbericht, 1875 S. 960. über die Rosolsäure aus Rosanilin wird, mit Berücksichtigung der
Veröffentlichungen Max Vogel's
Max Vogel: Die Anilinfarben (Leipzig 1866) Bd. 1
S. 100. über das Zinalin (der Name soll die Abstammung
aus dem Rosanilin und seine zinnoberrothe Farbe hervorheben), zur Darstellung der
Rosolsäure empfohlen, das Rosanilin in verdünnter Salzsäure zu lösen und eine
verdünnte Lösung von Kalium- oder Natriumnitrit unter Umrühren zuzusetzen,
bis das Rosanilin nahezu verschwunden ist. Dann erhitzt man die Flüssigkeit bis zum
Sieden und filtrirt, sobald die Stickgasentwicklung beendigt ist. Beim Erkalten
scheidet sich die Rosolsäure in Krystallen aus, die man durch Verwerthung der
Eigenschaft dieser Säure, sich – aber nicht ihre Verunreinigungen – in
Alkalisulfiten zu löslichen und ungefärbten Verbindungen zu vereinigen und aus
dieser Lösung durch Zusatz einer Mineralsäure ausgeschieden zu werden, reinigt. Graebe und Caro geben der
Rosolsäure die (von Wanklyn und Caro aufgestellte) Formel C₂₀H₁₆O₃.
Nachdem C. Liebermann
Wagner's Jahresbericht, 1872 S. 663. den experimentellen Beweis geliefert, daß durch Einwirkenlassen von Wasser
bei höherer Temperatur auf Rosanilin, die darin enthaltenen Imidgruppen als Ammoniak
entfernt werden können und Sauerstoff an deren Stelle gebracht werden kann, schien
die Auffassung von Graebe und Caro, daß dem Rosanilin und der Rosolsäure folgende Formeln zu geben
seien, gerechtfertigt:
I. Rosanilin = C₆H₃
(NH₂)
CH₂ . C₆H₄NHCH₂ .
C₆H₄NH.
II. Rosolsäure = C₆H₃ (OH)
CH₂ . C₆H₄OCH₂ .
C₆H₄O.
Allein diese Auffassung wird nicht von allen Chemikern getheilt, insbesondere nicht
von E. und O. Fischer
Wagner's Jahresbericht, 1876 S. 957., welche bei dem Studium der Hydrazinverbindungen des Rosanilins veranlaßt
wurden, anzunehmen, daß das Rosanilin eine Triamidverbindung von der Formel
C₂₀H₁₃ (NH₂)₃ sei. Diese Annahme gestattet
jedoch keine einfache Erklärung für die Umwandlung des Rosanilins in Rosolsäure,
wenn man für letztere die von Graebe und Caro aufgestellte Formel beibehält. Die Ansicht, daß das
Rosanilin und die Rosolsäure Abkömmlinge des nämlichen Farbstoffes seien, ist
außerdem von K. Zulkowsky
Vgl. Wagner's Jahresbericht, 1876 S. 964. in eingehender und genialer Weise aufgestellt und besprochen worden.
R. S. Dale und C. Schorlemmer,
die sich seit JahrenWagner's Jahresbericht, 1871 S. 785. 1872 S. 680. mit der Rosolsäure, deren gelbe Modification sie Aurin mit der Formel C₂₀H₁₄O₃ nennen,
beschäftigt, bezeichnen das Product der Einwirkung von Ammoniak auf Aurin mit dem
Namen rothes Aurin oder Paeonin. Sie gelangten bei ihren ArbeitenBerichte der deutschen chemischen Gesellschaft, 1877 S. 1016. zur Kenntniß der bedeutungs- und zukunftsvollen Thatsache, daß
Rosolsäure (deren Identität mit Aurin und Corallin, gleichviel ob aus Phenol oder
aus Rosanilin erhalten, vor der Hand angenommen werden kann) durch geeignete
Behandlung mit wässerigem Ammoniak bei einer Temperatur von 200° in Rosanilin
übergeführt werden kann, dessen Bildung nach folgender Gleichung erfolgt:
Textabbildung Bd. 225, S. 196
Rosolsäure; Rosanilin.
Es darf nicht befremden, daß diese Rosanilinbildung aus dem Phenol, das bisher für
die Anilinfabrikation keinen Werth hatte, die Aufmerksamkeit der
Anilinfarbendarsteller und Färber in hohem Grade erregt hat, und daß die neue
Methode der Erzeugung von Fuchsin aus Corallin möglicherweise neben der Fabrikation
von Rosanilin aus Anilinöl und Arsensäure und neben dem Nitrobenzolverfahren mit der
Zeit eine industrielle Bedeutung erlangen wird.
(Schluß folgt.)