Titel: | Die amerikanische Stopfmaschine; von Assistent G. Prahl in Hannover. |
Autor: | G. Prahl |
Fundstelle: | Band 225, Jahrgang 1877, S. 251 |
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Die amerikanische StopfmaschineAuch „gußeiserne Großmutter“ genannt.Die Red.; von Assistent G. Prahl
in Hannover.
Mit Abbildungen im Text und auf Taf. III [a/3].
Prahl, über die amerikanische Stopfmaschine.
In einer Zeit, wo die Maschinen in Verkehr und Industrie eine so gewaltige Sprache
reden und fast Nichts, was zum Unterhalt sowohl, als auch zum Comfort der Menschen
dient, ohne deren Hilfe hergestellt wird, darf es uns nicht wundern, wenn dieselben
sich auch am häuslichen Herde der Familien einbürgern und hier allmälig eine
ähnliche Umwälzung im Kleinen hervorrufen wie draußen im Großen – eine
Umwälzung, welche nur zum Segen der Familienarbeiter, der Frauen und Mädchen, dienen
kann, und welche mit ähnlicher Geschwindigkeit fortschreitet wie in der Industrie.
Kaum hat die Maschine den weiblichen Familienmitgliedern die Nadel aus der Hand
genommen, da greift sie schon nach dem durch liebe Erinnerungen geheiligten
Strickstrumpf und droht denselben ins Reich des Ueberwundenen zu stoßen, und noch
ist dieser Kampf zwischen Stricknadel und Strickmaschine nicht beendet, da beginnt
auch schon die Stopfnadel zu zittern vor ihrer jungen Rivalin, der
Stopfmaschine.
Das Stopfen ist bekanntlich in kinderreichen Familien ein wichtiges und zeitraubendes
Geschäft. Dasselbe erstreckt sich nicht allein auf Socken und Strümpfe, sondern auf
jede gestrickte oder gewirkte Waare, ja in weniger bemittelten Familien auch auf die
gewebten Kleidungsstücke, besonders der Kinder. Mit Freude muß daher jeder Versuch
begrüßt werden, auch hier die langsame, mühsame Handarbeit durch rasche, bequeme
Maschinenarbeit zu ersetzen, und zwar um so mehr, wenn der Versuch sich schon
einigermaßen einer rationellen Lösung nähert, was nach unserm Ermessen mit der uns
vorliegenden Maschine der „Pope Manufacturing Company“ zu
Boston der Fall ist.
Wir wollen nun in Folgendem zunächst eine Beschreibung der kleinen, in Fig. 32 bis
35
dargestellten Maschine geben; eine daran anknüpfende Erläuterung des
Arbeitsprocesses wird uns zugleich die Gelegenheit bieten, die der Maschine noch
anhaftenden Unvollkommenheiten hervorzuheben.
Textabbildung Bd. 225, S. 251
Die Maschine besteht aus dem gußeisernen Gestell a,
welches zur Aufnahme der verschiedenen arbeitenden Theile dient. Dasselbe trägt
rechts eine Kapsel d, welche ein auf der Kurbelachse
k sitzendes, in die Zahnstange g eingreifendes Zahntrieb birgt. Die Zahnstange ist
an ihrem vordern Ende mit einem Querstücke q (Fig. 32
und 34)
versehen, auf welches die Stopfnadeln, die gleich der Nadel der Nähmaschine das
Auge an der Spitze haben und mittels eines Klemmbackens p festgespannt werden. Bei der uns vorliegenden Maschine sind 14
Nadeln in gleichen Abständen von je 1/16 Zoll engl. (1mm,6) angeordnet. Die Nadeln reichen
durch den rahmenartig ausgebildeten Gestelltheil l
hindurch und werden hier durch die mit Zinn ausgefütterten Bohrungen einer quer
vorgeschraubten Bronzeleiste i geführt. Vor dieser
Leiste befindet sich die Säule b zur Aufnahme des
untern, festen Theiles e einer Presse, deren
Bestimmung es ist, den zu stopfenden Stoff aufzunehmen und in die für den
Arbeitsproceß erforderliche Form zu zwingen. Der obere bewegliche Theil f der Presse ist in der Hülse c geführt und kann mittels des Hebels m
mit ziemlicher Kraft niedergedrückt werden – in ähnlicher Weise, wie das
Heben des Zeughalters bei der Nähmaschine geschieht. Bewegt man den Hebel m aufwärts, so bringt eine im Innern der Hülse c liegende Spiralfeder den obern Theil der Presse
wieder in die Höhe.
Die Presse, welche den Kernpunkt der ganzen Maschine bildet, besteht aus den zwei
runden Bronzescheiben e und f – bei unserer Maschine von 1 1/4 Zoll (31mm,8) Durchmesser; die einander zugekehrten
Flächen dieser Scheiben sind mit Rippen versehen (vgl. Fig. 33), welche wie die
Zähne zweier im Eingriffe stehenden Zahnräder zwischen einander treten, sobald die
Presse geschlossen ist. Dabei ist zwischen den Rippen so viel Spielraum, als zur
Aufnahme des zu stopfenden Stoffes nöthig ist. Die mittlere, gedachte Berührungsebene der beiden
Scheiben bei geschlossener Presse liegt in der Ebene der Nadeln. Damit letztere nun
durch die erstere hindurchtreten können, sind in die Rippen für jede Nadel Lücken
eingefräst. Zu bemerken ist noch, daß die Längsachse der Rippen nicht rechtwinklig
auf der der Nadeln steht, sondern etwa um 30° geneigt. Auf diesen Umstand
werden wir noch bei der Erläuterung des Arbeitsprocesses zurückkommen.
Links von der Presse steht ein anderer wesentlicher Theil der Maschine, nämlich der
Garnhalter h; dieser bewegt sich an seinem untern Ende
in einem Scharnier, durch welches zugleich der Ausschlag nach links begrenzt wird.
Oben trägt der Garnhalter einen Rechen, dessen Zinken mit den Zwischenräumen
zwischen je zwei Nadeln correspondiren.
Der Arbeitsproceß mit der beschriebenen Maschine ist fast genau derselbe wie beim
Stopfen mit der Hand, also eine Art des Webens. Man spannt zunächst eine Kette über
das zu schließende Loch und bringt dann quer dazu den Einschuß ein. Zur Bildung der
Kette legt man den Stoff auf die untere feste Scheibe e
der Presse, und zwar mit dem Loch möglichst in die Mitte; darauf schließt man mit
Hilfe des Hebels m die Presse, wodurch die Ränder des
Loches, sich in den freien Raum zwischen den Rippen einschmiegend, eine gewellte
Lage annehmen müssen. Indem man nun die Kurbel k umlegt,
treibt man die Nadeln durch diese Wellen hindurch, so daß die Wellenberge über, die
Wellenthäler unter den Nadeln zu liegen kommen, wie dies in Fig. 35 verdeutlicht ist.
In der so vorgeschobenen Stellung ragen die Nadeln mit den Augen vorn aus der Presse
heraus, so daß nun der Stopffaden eingebracht werden kann. Man zieht hierzu zunächst
den Faden mittels eines glatten Hakens durch die Augen aller Nadeln von links nach
rechts hindurch, legt den Garnhalter h ganz zurück und
befestigt das freie Ende des Fadens an den am weitesten rechts liegenden Zinke des
Garnhalters. Darauf faßt man mit dem andern Ende des erwähnten Hakens, welches zu
einer kegelförmigen Spitze ausgebildet ist, von rechts beginnend der Reihe nach den
Faden in den Nadelöhren, zieht ihn heraus und hängt die entstehende Schleife über
die entsprechende Zinke des Garnhalters. Auf solche Weise spannt man eine Kette
zwischen Nadelspitzen und Garnhalter, welche aus doppelt so vielen Fäden besteht,
als Nadeln vorhanden sind. Das Einbringen dieser Kette in den Stoff ist nun die
nächste Aufgabe. Zu dem Ende bewegt man durch die Kurbel die Nadeln zurück, die
Kette folgt und wird bei einer gewissen Stellung des Garnhalters von letzterm
abrutschen und fest in den Stoff hineingezogen werden. Da dieselbe etwas länger ist,
als der Durchmesser der
Preßscheiben, so tritt sie mit den Nadeln hinten heraus und kann an diesen
abgeschnitten werden. Der Einschuß wird nun genau auf dieselbe Weise eingebracht,
nachdem man zuvor die Lage der Arbeit in der Presse um 90° verdreht hat, so
daß also nunmehr die Kettenfäden rechtwinklig zur Bewegungsrichtung der Nadeln
geneigt sind. Hierbei ist nun die oben erwähnte schiefe Lage der Rippen auf den
Preßscheiben in Bezug auf die Nadeln von großer Wichtigkeit. Würden nämlich die
Rippen rechtwinklig zu den Nadeln, also parallel mit der jetzigen Lage der
Kettenfäden liegen, so würden letztere bei geschlossener Presse keine gewellte Lage
annehmen, sondern sich abwechselnd lang auf die Rippen und in die Lücken legen, also
auch abwechselnd ganz über oder ganz unter dem Einschuß liegen. Das so erzeugte
Gewebe, ohne jeglichen Verband, würde nicht zu brauchen sein. Sind dagegen die
Rippen schräg angeordnet, so wird jeder Kettenfaden gezwungen, in der Presse Wellen
zu bilden, durch welche der Einschuß dann hindurch geführt wird. Auf diese Weise
erhält man eine feste Arbeit mit regelmäßig wiederkehrendem Muster. Nach Einbringung
des Einschusses ist die Arbeit vollendet.
Der ganze Proceß läßt sich bei einiger Uebung in 3 bis 4 Minuten ausführen. Der
Erfinder gibt 1 Minute an; doch genügt diese Zeit nach unserer Erfahrung nicht, wenn
man eine saubere und gute Arbeit liefern will.
Das auf der Maschine hergestellte Gewebe ist, was Festigkeit betrifft, der Handarbeit
überlegen, und zwar aus dem Grunde, weil hier jede Nadel zwei Fäden einzieht,
während beim Stopfen mit der Hand gewöhnlich nur mit einem Faden gearbeitet wird.
Aus demselben Grunde werden auch die durch den Verschleiß dünn gewordenen Ränder des
gestopften Loches durch die Maschine mehr befestigt, als es durch die Hand
geschieht. Weitere Vorzüge der Maschine sind Zeitersparniß, sowie die Erzielung
einer regelmäßigen und saubern Arbeit. Auf den letzten Umstand ist indessen nicht
grade viel Gewicht zu legen, da das Muster doch nie mit dem des zu stopfenden
Stoffes übereinstimmen, somit die Flickarbeit stets erkennbar bleiben wird.
In Bezug auf die Verbindung des neuen Gewebes mit den Rändern des Loches steht
dagegen die Maschinenarbeit der Handarbeit nach, da bei letzterer nur zwei freie
Fadenenden vorhanden sind, welche – wie ja auch in der That geschieht
– leicht durch häufiges Durchziehen gesichert werden können. Bei der
Maschinenarbeit hingegen sind sowohl die Ketten- als auch die Einschußfäden
auf einer Seite alle frei, und zwar auf der Seite, an welcher die Arbeit von den
Nadeln abgeschnitten wird. Diese vielen freien Enden werden nur durch die Reibung gehalten, welche
dieselben in den Rändern des Loches erfahren; wird diese Reibung überwunden, so
ziehen sich die Fäden heraus und die Verbindung ist aufgehoben. Bei Handarbeit
hingegen kann die Verbindung nur gelöst werden entweder durch Ausreißen der
Lochränder, oder durch Abreißen der Fäden.
Dieser Uebelstand kann bei dem Principe der Maschine nur dadurch beseitigt werden,
daß man die Fäden auf eine solche Länge in die Lochränder einzieht, daß die
entstehende Reibung in allen Fällen genügt, den erforderlichen Widerstand zu
leisten. Zu diesem Zwecke würde es sich, um auch größere Löcher stopfen zu können,
empfehlen, den Durchmesser der Preßscheiben auf 45 bis 50mm zu vergrößern; man würde dann noch im
Stande sein, 19 bis 25mm im Durchmesser
haltende Löcher gut zu stopfen. Da hierdurch auch die Zahl der Nadeln und somit der
Widerstand, welchen dieselben beim Eindringen in den Stoff erleiden, wachsen, so
müßte auch die Kurbel entsprechend verlängert werden.
Eine weitere Unvollkommenheit der Maschine ist die, daß man auf derselben nur
mittleres Garn verarbeiten kann, da die Nadeln diesem entsprechend gewählt sind.
Doch auch dies ließe sich beseitigen durch Beigabe verschiedener Pressen und Nadeln,
in welchem Falle dann auf rasche und bequeme Auswechslung Gewicht zu legen wäre.
Die Fabrik beabsichtigt nächstens eine größere Stopfmaschine für Säcke und Segeltuch
auf den Markt zu bringen, die jedenfalls von Müllern, Landwirthen u. dgl. als
zeitersparende Hilfsmaschine freudig begrüßt werden wird, falls, woran wir nicht
zweifeln, die neue Maschine die Unvollkommenheiten ihrer ältern Schwester zu
vermeiden gewußt haben wird.
Zum Schluß können wir nicht umhin zu erwähnen, daß die Ausführung der Maschine
durchaus Nichts zu wünschen übrig läßt, und daß der Preis von 10 Dollars ein
angemessener ist.Solche Maschinen importirt Theod. Pfitzmann in
Leipzig und Dresden zum Preis von 50 M. (Maschine, Anschraubbügel,
Nadelführer, 1 Rolle Garn, 2 Einfädler und 2 Reservenadeln).Die Red.