Titel: | Ueber die Fortschritte der Zündmittel für Feuerwaffen, mit besonderer Berücksichtigung der Fabrikation der Zündhütchen; von H. Josten in Barmen. |
Autor: | H. Josten |
Fundstelle: | Band 225, Jahrgang 1877, S. 336 |
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Ueber die Fortschritte der Zündmittel für
Feuerwaffen, mit besonderer Berücksichtigung der Fabrikation der Zündhütchen; von
H. Josten in
Barmen.
Josten, über die Fortschritte in der
Zündhütchenfabrikation.
Es dürfte kaum ein technologisches Werk geben, in welchem man vergeblich nach der
Beschreibung eines Feuerwaffensystems suchen wird, sei es nun ein Jagdgewehr, eine
Luxuswaffe, eine Infanterie-Feuerwaffe oder ein Geschütz älterer oder neuerer
Construction; wir dürfen als gewiß voraussetzen unsere Durchsicht des Werkes mit
Erfolg gekrönt zu sehen, wenn auch den Umständen nach mit mehr oder weniger
Befriedigung für unsere speciellen Zwecke. Selten, ja wir dürfen wohl sagen
höchstselten, werden aber die zum Abfeuern des Schusses unumgänglich nothwendigen
Zündmittel, und von diesen wieder mit noch seltener Ausnahme die Zündhütchen und
deren Fabrikation, beschrieben sein. Fragen wir nach den Gründen dieser
eigenthümlichen Erscheinung, so sind diese von so mannigfacher Art, daß man mit
einer gewissen Scheu an die Beantwortung dieser Frage herantritt, um dabei
Interessirten nicht zu nahe zu treten und ihre – wenn auch oft genug nur
vermeintlichen – Geheimnisse nicht preiszugeben. Es ist letzteres aber auch
durchaus nicht der Zweck dieser Abhandlung, da wir sehr wohl wissen, wie berechtigt
in dieser Beziehung die Forderung jener Fabrikanten ist, welche uns vertrauensvoll
die Einsicht in ihre Werkstätten gestatteten; anderseits aber müssen wir bekennen,
daß es der Fabrikation selbst nur von Nutzen sein kann, wenn deren Fortschritte von
Zeit zu Zeit sachlich besprochen werden.
Da wir es uns hier nicht zur Aufgabe gestellt haben, die ganze Reihe der Zündmittel,
welche zur Abfeuerung des Schusses der Feuerwaffen angewendet worden sind und zum
Theil noch Anwendung finden, in den Kreis unserer Betrachtung zu ziehen, so erwähnen
wir nur nebenbei die
ältern Zündmittel, die in einer glühenden Kohle oder einer brennenden Lunte
bestanden, und die theils von Hand, theils durch mehr oder weniger einfache oder
complicirte mechanische Hilfsmittel zur Anwendung gelangten. Sie verdienen jedoch um
so mehr genannt zu werden, weil sie Jahrhunderte lang ihre Existenz behauptet und so
manchen genialen Kopf beschäftigt haben. Nächst diesen kam das Radschloß, welches
sehr beliebt wurde, und mit welchem sehr viel Luxus getrieben worden ist. Dasselbe
gilt von der Zündpfanne in Verbindung mit Stahl und Stein. Alle diese
Zündungsmethoden sind aber so zu sagen rein mechanischer Natur, insofern, als sie
keine Zwischenmittel enthalten, sondern direct in der einen oder andern Weise die
Entzündung des Schießpulvers veranlassen. Anders verhält es sich dagegen mit den
Zündpillen, welche in ihrer chemischen Zusammensetzung einen explosiven Stoff
besitzen, der durch Reibung, Stoß oder Schlag die Entzündung des Pulvers vermittelt,
weshalb sie auch mit Recht explosive Zündmittel genannt werden. Sie stammen
größtentheils erst von der Erfindung des chlorsauren Kalis durch Bertholet im J. 1786 und gaben zu mancher sinnreichen
Veränderung an den Handfeuerwaffen Veranlassung, waren aber ihrer Kleinheit wegen
schwierig zu erfassen und umständlich so zu fixiren, daß sie die Entzündung des
Schusses unter allen Umständen sicher herbeizuführen im Stande waren, und hatten
überhaupt so viele Uebelstände aufzuweisen, daß man sehr bald auf Abhilfe derselben
Bedacht nehmen mußte. Die Erfindung des Knallquecksilbers durch Ure – Andere schreiben auch diese Erfindung Bertholet, wieder Andere Howard zu – gab weitere Veranlassung zur Verbesserung der
Zündpille, und in Bezug auf ihre Fassung leistete die Erfindung der
Percussionszündhütchen durch Joseph Egg in England 1818
die besten Dienste. Diese Zündhütchen gelangten noch in demselben Jahre durch den
Büchsenmacher Deboubert nach Frankreich, wurden dort von
ihm und Prélaz, der auch die nöthigen
Veränderungen am Gewehr auf einfache Weise bewerkstelligte, verbessert und
verbreiteten sich von dort in alle civilisirten Länder. Nicolaus Dreyse, welchen wir in den J. 1809 bis 1814 in Paris
theilweise in Gewehrfabriken beschäftigt finden, errichtete 1824/25 in seiner
Vaterstadt Sömmerda bei Erfurt eine Zündhütchenfabrik unter der Firma Dreyse und Collenbusch und
erhielt ein Patent auf seine Kupferzündhütchen mit Metalldecke, welche ihrer
Vorzüglichkeit wegen eine große Verbreitung erlangten. Dreyse wurde Lieferant nicht nur für sämmtliche deutsche, sondern auch für
die meisten andern europäischen Staaten, und gewann sein Zündhütchengeschäft dadurch
eine großartige Ausdehnung.
Mit der Vorzüglichkeit der Zündhütchen wuchs naturgemäß ihre Anwendung, die sich
bereis nicht mehr auf Handfeuerwaffen beschränkte; denn wir sehen Congrève 1823 Versuche mit Percussionszündhütchen
an Geschützen mittels eines Ueberwurfhammers und eines kupfernen Zündhütchens
anstellen, sowie andere hervorragende Militärs in Oesterreich, Rußland, Frankreich
(vgl. Robert * 1834 54 15) und
in der Schweiz darauf dringen, daß die Percussionszündung durch Zündhütchen eine
allgemeine Einführung erhält. Mit der Einführung der Zündhütchen hielten in einem
gewissen Verhältniß die sogen. Zünder bei den Geschützen gleichen Schritt zur
Verbesserung derselben. So erzeugte 1835 der belgische Oberst Bormann einen Shrapnellzünder, welcher die genaue und richtige Regulirung
der Brennzeit gestattet. Der belgische Artillerie-Capitän Splingard stellte diesem 1850 seinen zu gleichem Zwecke
bestimmten Zünder an die Seite, dem noch eine ganze Reihe von andern Erfindern
construirte sich anschließen. Durch die vielfache Anwendung der Zündhütchen zu den
verschiedensten Zwecken mußte nothwendig ihre Form und Größe, sowie die in ihnen
enthaltene Zündmasse entsprechende Aenderungen erleiden, und so kam man denn nach
und nach dahin, daß man über 40 verschiedene Sorten unterscheiden konnte, die noch
jetzt alle im Handel zu haben sind.
Konnte man schon bei Beginn der Erfindung der Zündhütchen hinsichtlich ihrer
Fabrikation sagen, daß das Zündhütchen, um seinem Zwecke zu genügen, mehrfachen
Bedingungen entsprechen müsse, so haben sich die gestellten Anforderungen im Laufe
der Zeit so außerordentlich gesteigert, daß sie gegenwärtig trotz aller mechanischen
Hilfsmittel eine der schwierigsten Fabrikationszweige ist, welche die Industrie
aufzuweisen hat. Fügen wir noch hinzu, daß zur Etablirung und zum Betriebe einer
Zündhütchenfabrik ein großes Capital, ein hoher Grad von Intelligenz und eine
ausdauernde Arbeitskraft des Besitzers unbedingt erforderlich sind, so erklärt es
sich leicht, aus welchem Grunde so wenig Fabriken dieser Art bestehen. Die
betreffenden Staatsfabriken können wir füglich außer Betracht lassen, da diese in
Bezug auf Massenfabrikation wenig Gewicht in die Wagschale zu legen haben. Aber auch
gesetzt den Fall, letztere würden für diese Zwecke produciren, so ist dies doch
verschwindend klein gegen die Quantitäten, welche der Handel speciell für
Jagd- und Luxuswaffen erfordert. Allerdings hat durch die Hinterladung der
Kriegsfeuerwaffe und die Selbstdichtungspatrone mit Metallhülse der
Zündhütchenverbrauch für militärische Zwecke bedeutend zugenommen, namentlich
dadurch, daß die Zündung jetzt durch Schlagbolzen gegenüber der früheren durch
Nadelstich fast bei allen Hinterladern der Vorzug eingeräumt wird. Und in der That sind ihre
Vortheile dabei unverkennbar; hat doch selbst Fr. von Dreyse sein neuestes, ihm von mehrern Staaten patentirtes Infanteriegewehr
(* 1876 222 225), dessen Vorzüge gegenüber dem
Mauser-Gewehr dem Kenner sofort klar vor Augen treten, für
Selbstdichtungspatronen durch Schlagbolzenzündung eingerichtet. Indessen brauchen
wir nicht weit zu gehen, um uns zu überzeugen, daß die Percussionszündung durch
Zündhütchen auf allen Schützenständen noch in voller Blüthe steht und selten sich
ein Hinterlader in den Händen des Schützen vor der Scheibe findet. Aber selbst, wenn
dies der Fall – und wir möchten wünschen, daß dies bald allgemein würde
– so ist doch an die Entbehrung des Zündhütchens nicht zu denken, die
Einheitspatrone mit Selbstdichtung kann dasselbe nicht entbehren. Die
Unentbehrlichkeit eines Artikels bedingt aber seine Erzeugung durch industrielle
Anlagen und sichert ihm eine Zukunft. Seine Wichtigkeit für das Allgemeine dürfte
uns indessen auch die Berechtigung geben, uns die Fabrikation etwas genauer
anzusehen.
Das Material zu den Zündhütchen muß unter allen Umständen ein ganz vorzügliches sein.
Meistentheils wird Kupfer dazu verwendet; doch ist auch das Messing nicht
ausgeschlossen und findet in neuester Zeit namentlich für die Hütchen für
Hinterlader vielfach Anwendung, andere Metalle dagegen in sehr beschränktem
Maße.
Wenn in Bezug auf die Güte des Materials in frühern Zeiten die ersten
Zündhütchenfabriken große Uebelstände zu beseitigen hatten und oft genöthigt waren,
um ein möglichst gleichmäßiges Material zu erhalten, ihre Abfälle von Kupfer wieder
einzuschmelzen und dann in starken Walzwerken für die verschiedenen Sorten passend
zu machen, so liefern dagegen die heutigen Kupferwerke die erforderlichen Bleche so
genau nach den vorgeschriebenen Dimensionen und von so ausgezeichneter Qualität, daß
nur noch ein Egalisiren durch Feinwalzen erforderlich ist. Die deutschen
Zündhütchenfabriken beziehen ausschließlich ihren Bedarf aus deutschen Fabriken und
sind somit vom Auslande unabhängig. Leider können wir dies nicht von allen Sorten
Stahl, welche bei der Fabrikation zur Verwendung kommen, sagen. Hier hat die
deutsche Stahlindustrie noch eine dankbare Aufgabe zu lösen, trotz ihrer riesigen
Entwicklung und der großen Resultate, welche dieselbe bereits aufzuweisen hat. Die
andern Materialien, namentlich das unentbehrliche chlorsaure Kali, werden jetzt in
Deutschland so gut hergestellt, daß jeder Wunsch in dieser Hinsicht befriedigt
werden kann; hinsichtlich des Preises ist allerdings noch ein sehr fühlbarer
Unterschied zu Gunsten Englands nachzuweisen. Was die Leistungsfähigkeit der
deutschen Zündhütchenfabriken anbelangt, so können sie mit dem Ausland in jeder
Beziehung die Concurrenz bestehen.
Zunächst kommt bei den Zündhütchen sehr viel auf die Form an, und es ist nicht grade
die kleinste Aufgabe für den Techniker, diese in allen Fällen zweckentsprechend zu
bestimmen und darzustellen. Ihre Gestaltungen sind so mannigfach wie die Art ihrer
Verwendung, und was die Neuzeit in Folge der Hinterladung in dieser Richtung
geschaffen hat, gereicht ihr nicht immer zur Bewunderung und keineswegs zur bequemen
Fabrikation, vertheuert diese vielmehr bedeutend, ohne stichhaltige Gründe. Die
innere Form des Hütchens, möge nun seine Verwendung sein, wie sie wolle, ist stets
eine cylindrische, und es dürfte schon wegen des Zündsatzes schwer davon abgegangen
werden können, da die Neuzeit nichts von feuchtem oder gar nassem Einbringen der
Zündmasse in die Hütchen wissen will, und nur trockner und eingepreßter Zündsatz
Anspruch auf Dauerhaftigkeit machen kann. Dagegen weichen die Hütchen in ihrer
äußern Form, deren Motivirung den Erfindern öfters schwer fallen dürfte, welche aber
bei den Lieferungen mit peinlichster Genauigkeit gewahrt werden muß, so zeitraubend
und kostspielig dies auch sein mag, vielfältig von einander ab. Dadurch wurde zwar
die Construction einer Menge sinnreicher Maschinen veranlaßt, sonst aber ein
Fortschritt nicht bedingt.
Die bei weitem größte Menge der Zündhütchen dient der Jagd. Die Formen für diese sind
zugleich die einfachsten und haben einen bestimmten Zweck. Anfänglich hatte man nur
glatte Hütchen; man stanzte aus Kupferblech Scheiben und formte daraus Cylinder.
Bald indessen versah man dieselben der Länge nach mit Riffeln (Cannelirung), um sie
besser erfassen zu können. Das sogen. „Spritzen“ der Hütchen
beim Abschießen derselben, welches davon herrührte, daß kleine Stückchen Kupfer von
dem durch die Explosion zerrissenen Hütchen sich losrissen und Belästigungen, sogar
Verletzungen veranlaßten, suchte man erfolgreich dadurch zu beseitigen, daß man die
Wandung des Hütchens mit mehrern Einschnitten versah.Brooks (* 1849 114
405) verhütete das Spritzen durch eine eigenthümliche Festklemmung des
Hütchens am Piston. Die Form des Metallausschnittes, aus welchem solche Hütchen hergestellt
wurden, konnte hierbei nicht mehr eine Scheibe sein, sondern hatte die Form eines
Kreuzes, wenn das Hütchen 4spaltig sein sollte, oder eines sechseckigen Sternes,
wenn es 6spaltig verlangt wurde. Bei der Formgebung dieser Kreuze oder Sterne zu
Hütchen wurden durch Aneinanderpressen der einzelnen Zinken oder Läppchen die
Schlitze dem Auge vollkommen unsichtbar, und nur die Wirkung der Explosion beim Abschießen der
Hütchen zeigte dessen Vortheile; denn nun trennten sich keine Kupferpartikelchen
mehr ab, die Wand des Hütchens konnte nachgeben und das abgeschossene Kupferhütchen
saß lose auf dem Piston des Gewehres. Das gespaltene Hütchen hatte außerdem noch den
Vortheil, daß es sich mit größerer Sicherheit aufsetzen ließ, indem es auf einem zu
großen oder zu dicken Piston sich ausdehnte und es dadurch zuließ, daß sich die
Zündpille fest auf die Oeffnung des Piston aufsetzen konnte. Zu vermehrter
Sicherheit verstärkte man die Wandungen dieser gespaltenen Hütchen noch bedeutend,
machte sie aus Messing und verkupferte sie dann. Sie gehören dem Fortschritt der
neuern Zeit an und führen die Bezeichnung: Englische Hütchen.
Um den Zündsatz gegen Feuchtigkeit zu schützen, versah man die Hütchen, nachdem sie
geladen waren, im Innern mit einem Firniß; derselbe war jedoch, wenn er wirksam
gegen alle atmosphärische Einwirkungen schützte, der Empfindlichkeit nachtheilig,
und man verwendete statt seiner später eine Metalldecke, die man luft- und
wasserdicht auf die Zündpille festpreßte. (Vgl. Starkey's
Percussionszündhütchen, * 1843 87 96.) N. Dreyse in Sömmerda ist der Erfinder dieser Hütchen, auf
welche er ein Patent erhielt. In neuester Zeit wendet man vielfach statt der
Kupfer- oder Messingplättchen als Schutz Zinnfolie in den Hütchen an,
namentlich für diejenigen Zündhütchen, welche in den Selbstdichtungspatronen aus
Metallblech Verwendung finden. Ihre Vorzüge sind noch nicht in jeder Hinsicht klar
gestellt, und herrscht noch große Meinungsverschiedenheit unter den Fachmännern, die
nur durch nachhaltige Beobachtung des Verhaltens bei der Lagerung und des
Verbrauches nach längerer Zeit endgiltig erledigt werden kann. Ebenso ist es mit den
gefirnißten Zündpillen. Während die eine Autorität den gefirnißten Hütchen unbedingt
eine längere sichere Haltbarkeit bezüglich der Empfindlichkeit zuspricht, wirft
ihnen eine andere vor, daß eben nur der Firniß das rasche Verderben bewirke und
namentlich dann, wenn auf die Zündpille erst eine Metalldecke und auf dieser der
Firniß sich befinde.
Man sollte es kaum glauben, daß auch die Zündhütchen der Mode huldigten. Um
beispielsweise den Damen jede Furcht vor Verletzung beim Schießen zu nehmen,
gestaltete man die Hütchen so, daß man das starkwandige gespaltene Hütchen noch mit
einem Mantel in Gestalt einer Glocke von Metallblech umgab. Unseres Wissens sind
dieselben nur von Gevelot in Paris fabricirt worden (vgl.
dagegen W. W. Richards * 1837 63 56), dessen Fabrikat allgemeine Beliebtheit fand. Auch in Spielerei
arten die Hütchen bezüglich ihrer Verwendung aus; denn so darf man doch wohl diejenigen
Zündhütchen nennen, die auf den kleinen, an Uhrketten getragenen Pistölchen
verschossen werden. Ihre Fabrikation wird aber stets die Bewunderung jedes
Fachmannes erregen, da die Hütchen nur 1mm
im Durchmesser und 1mm in der Höhe messen
und so regelrecht gearbeitet sind, wie die Hütchen von den günstigsten Dimensionen
nur sein können. Die dazu gehörenden Pistölchen sind übrigens, nebenbei bemerkt,
eben so schön und zweckentsprechend hergestellt wie die erwähnten Hütchen.
Um das Aufsetzen der Zündhütchen bei Nacht oder bei kaltem Wetter besser
bewerkstelligen zu können, versah man dieselben an ihrem offenen Ende mit mehr oder
minder nach außen vorstehenden Rändern – eine Anordnung, die bei manchen
Hütchen für militärische Zwecke sehr vielen Beifall gefunden hat. Diese Hütchen sind
dann stets 6fach oder 4fach gespalten und in zwei Kalibergrößen vorhanden, von denen
die kleinste Sorte die Bezeichnung „Pavillon de
Chasse“, die größere den Namen „Pavillon de Guerre“ erhalten hat.
Besonders erwähnenswerth sind die Flobert-Zündhütchen, da sie in ihrer weitern Entwicklung eine hohe
Bedeutung erlangten, indem sie das Modell zu der Selbstdichtungspatrone mit
Randzündung abgegeben haben. Das Flobert-Zündhütchen hat in seinem
angepreßtem Wulste den Zündstoff, der zugleich als treibende Kraft dient, und vorn
in seiner Oeffnung das Geschoß; in neuester Zeit werden sie durch Hinzufügen einer
langen Messingröhre, welche einen besondern Satz enthält und in dem Hütchen so
befestigt wird, daß derselbe beim Abschießen den Satz in der Röhre entzündet, zu
Lustfeuerwerken vielfach angewendet. In vergrößertem Maße sind sie für Kriegswaffen,
sowohl für Handfeuerwaffen wie auch für die Kugelspritze (Mitrailleuse) unter der
Bezeichnung „Patronen mit Randzündung“ zur Anwendung gelangt.
Die Flobert-Zündhütchen (auch Salonhütchen genannt) haben großes (9mm) und kleines (6mm) Kaliber. Beide sind sowohl für
Kugel- wie für Schrotschuß anwendbar, und erfreuen sich beide Formen großer
Beliebtheit. Ihr Zündsatz ist jetzt von so vorzüglicher Güte, daß eine große Zahl
Schüsse abgegeben werden kann, ehe es erforderlich wird, das Gewehr zu reinigen.
Das Zündhütchen für die Lefaucheux-Patrone unterscheidet sich von den
gewöhnlichen Jagdzündhütchen nur durch sein kleines Kaliber. Dagegen hat das für das
Centralfeuer bestimmte Hütchen, welches in neuester Zeit entstanden ist und bei den
„Selbstdichtungspatronen für Centralzündung“ Anwendung
findet, unbestritten die ungünstigste Form für die Fabrikation. Dabei sind seine
Abmessungen von so peinlicher Genauigkeit, daß die feinsten Meßinstrumente nicht
hinreichen, dieselben zu
controliren, daher für jede Operation eigens construirte Apparate erforderlich sind,
um die Aufgabe so zu lösen, daß die Prüfungscommission – gegen deren
Ausspruch keine Appellation zulässig – voll und ganz ihre Befriedigung
aussprechen kann. Die Anforderungen an dieses Hütchen (* 1875 216 230) sind ganz außergewöhnliche. Von einer regelrechten Fabrikation,
im gewöhnlichen Sinne des Wortes, ist hier eigentlich gar keine Rede mehr, da jedes
Hütchen gewissermaßen ein Kunstproduct genannt zu werden verdient. Für die deutsche
Armee werden dieselben ausschließlich in deutschen Zündhütchenfabriken erzeugt;
ausländisches Fabrikat entsprach, wie zahllose angestellte Versuche und Proben
dargethan haben, den gestellten Anforderungen gar nicht, sondern wurde als nicht
kriegsbrauchbar verworfen und vernichtet.
Die ebenfalls erst in der neuesten Zeit in Aufnahme gekommene sogen.
„Dynamitzünder“ bilden gewissermaßen, was ihre Form
betrifft (es sind 15 bis 30mm lange
Cylinder bei durchweg 6mm Durchmesser), das
Verbindungsglied zwischen dem Zündhütchen und der Metallpatrone; sie sind so zu
sagen Zündhütchen und Patrone zugleich. Je nach ihrer Größe enthalten sie am Boden,
oft bis zur Hälfte ihrer Länge gefüllt, einen sehr kräftigen Zündsatz, welcher durch
Zündschnur oder Elektricität entzündet zugleich als treibende Kraft dient und die
Entzündung des Dynamites bewirkt. Ihre Anwendung ist so bedeutend, daß die Erzeugung
derselben in manchen Zündhütchenfabriken eine Specialität bildet und in großen
Massen erfolgt. (Vgl. * 1874 214 36.)
Die übrigen Formen der Zündhütchen, die eine große Zahl erreichen, dienen
meistentheils speciellen, weniger wichtigen Zwecken, deren Anführung uns hier zu
weit führen würde. Wir wenden uns deshalb den bereits genannten Sorten wieder zu, um
deren Fabrikation etwas genauer zu verfolgen.
(Fortsetzung folgt.)