Titel: | Zur Theorie leuchtender Flammen; von Dr. Hart Heumann. |
Autor: | Hart Heumann |
Fundstelle: | Band 225, Jahrgang 1877, S. 450 |
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Zur Theorie leuchtender Flammen; von Dr.
Hart Heumann.
(Fortsetzung von Bd. 221 S. 274.)
Heumann, zur Theorie leuchtender Flammen.
Von vornherein wird zugegeben werden müssen, daß so gut ein Metallstab, welcher dicht
neben dem Brennerkopf eine Schnittbrennerflamme (z.B.) berührt, in dieser einen
ziemlich ausgedehnten dunklen Fleck hervorbringt, auch der Brennerkopf selbst durch seine Wärme entziehende Wirkung mit Schuld trägt
an dem stets vorhandenen, mehr oder weniger großen, nicht leuchtenden Theil des
direct über ihm befindlichen Flammenmantels. Doch ist noch ein zweiter Factor, das
nachströmende kalte Leuchtgas, hierbei betheiligt.
Die entleuchtende Wirkung des Brenners tritt bei kleinen Flammen mehr hervor, deren
Temperatur an und für sich in Folge von Leitung und Strahlung u.s.w. nicht zu der
Höhe gelangt, welche eine größere Flamme erreicht; jene Wirkung kann bis zur
völligen Entleuchtung getrieben werden, wenn man die Flamme durch Zudrehen des
Gashahnes möglichst verkleinert.
Auch dann wird die Wärmeentziehung bedeutend, sobald die von der Flamme berührte
Fläche des Brenners recht groß ist und aus dickem Metall besteht, wie dies bei den
sogen. Gassternen, Rostbrennern oder Gasöfen der Fall ist, bei welchen eine Menge
kleiner Flämmchen aus einer dicken, von feinen Löchern durchbohrten Eisenplatte
herausbrennen. Bei geringem Gaszufluß sind sämmtliche Flammen vollständig blau und
somit der Leuchteffect gleich Null; daß auch der Heizeffect bei derartigen
Rost- oder Siebbrennern im Verhältniß zum Gasconsum ein besonders bei kleinen
Flammen sehr ungünstiger sein muß, glaube ich aus jenem Grunde gleichfalls schließen
zu dürfen. – Bei Vergrößerung der Flammen beobachtet man, daß der entstehende
Lichtmantel an der Spitze beginnt, sich aber niemals bis dicht zur Brenneröffnung
herabzieht; stets bleibt der untere Theil der Flamme blau.
Wenn also dem Brenner in Folge der von ihm ausgeübten Wärmeentziehung eine
lichtschwächende Wirkung zugeschrieben werden muß, so läßt sich auch a priori behaupten, daß die
Lichtschwächung bei Brennern aus Metall eine bedeutendere sein muß, als bei
Anwendung von Brennern aus einem die Wärme schlecht leitenden Material.
Indeß ist der frühern Annahme, daß Brenner aus Porzellan oder Speckstein bezüglich
der Lichtstärke einen Vorzug vor Metallbrennern besäßen, widersprochen wordenDeutsche Industriezeitung, 1871 S. 386. Polytechnisches Centralblatt, 1872 S.
138., und, wie mir ein competenter Gasfachmann freundlichst mittheilte, nimmt man
auch in der Praxis an, daß der alleinige Nachtheil der Metallbrenner darin besteht,
daß sie – besonders wegen der Anwesenheit des Schwefels im Leuchtgas –
rascher zerstört werden. Hieraus ließ sich schon der Schluß ziehen, daß die
vermehrte Schwächung des Lichtes bei einem die Wärme gut leitenden Brennermaterial
– wenn überhaupt bemerkbar – jedenfalls nicht bedeutend sein würde.
Nur das Experiment konnte hierüber aufklären.
Da es sich offenbar um geringe Lichtdifferenz handelte, so war ganz besondere
Vorsicht bei der Wahl der Brenner anzuwenden, welche bei ganz identischer Form
möglichst die gleiche Gasmenge bei der nämlichen Hahnstellung verbrauchen mußten,
denn selbst bei gleichem Gasverbrauch konnte ein weiterer Hohlraum im Brenner ebenso
wie geänderte Hahnstellung so viel Einfluß auf die Lichtstärke ausüben, daß der vom
Brennermaterial herrührende Effect unkennbar würde. Derartige Brenner konnte ich im
Handel nicht vorfinden und ließ sie mir deshalb besonders anfertigen. Sie bestanden
aus gleich großen Köpfen, der eine von Speckstein, der andere von Eisen, in deren Mitte mit
demselben Bohrer eine kreisförmige Oeffnung gebohrt war. Die Brenner wurden auf
gleich weite Glasröhren aufgekittet und die Flamme in derselben Weise mittels des
Photometers geprüft. Es zeigte sich zwar sofort ein entschiedener Nachtheil für den
Eisenbrenner, aber genaue Zahlen konnten nicht erhalten werden, da besonders
innerhalb der ersten Minuten nicht nur fortwährende Schwankungen der Lichtstärke,
sondern auch des Gasverbrauches eintraten. Dieser Umstand hat offenbar seinen Grund
in der Erwärmung des Brenners; die hierdurch bewirkte Aenderung der
Ausströmungsöffnung und Verminderung der Ausflußgeschwindigkeit des sich erhitzenden
und ausdehenden Gases waren, ebenso wie die mit steigender Temperatur geringer
werdende Wärmeentziehung von Seiten des Brenners, veränderliche Factoren, die zwar
allmälig einem Gleichgewichtszustand zustrebten, offenbar aber für jeden andern
Gasverbrauch in ihrer Intensität wechseln mußten.
Um diese störenden Einflüsse zu beseitigen, war es nöthig, den Brenner durch sich
erneuerndes Wasser von 15° stets auf der Anfangstemperatur zu erhalten. Bei
Anwendung dieser Vorsichtsmaßregel blieb Lichtstärke und Gasconsum ganz constant und
die Messungen konnten in aller Ruhe und mit der nöthigen Präcision ausgeführt
werden. Ich beschränke mich hier auf die Angabe der Resultate.
Textabbildung Bd. 225, S. 452
Hierzu wäre noch zu bemerken, daß unter Kerzen Stearinkerzen gemeint sind, und daß
das von der Darmstädter Gasfabrik gelieferte Leuchtgas ein Gemisch aus Holz-
und Steinkohlengas ist; der Druck betrug hier wie bei den übrigen Bestimmungen 3cm Wasser. Es erschien nicht gerathen, den
Gaszufluß noch mehr zu steigern, da sonst die einzelnen Theile der Flamme in Folge
deren lang gestreckten Gestalt nicht mehr als gleichweit vom Diaphragma des Photometers abstehend
angesehen werden konnten.
Aus den zweiten und dritten Zahlengruppen obiger Tabellen läßt sich sofort erkennen,
daß der Specksteinbrenner entschiedenen Vortheil bietet,
denn zur gleichen Lichtstärke bedarf er weniger Gas als der Brenner aus Eisen. Aus
den ersten Zahlengruppen leuchtet diese Thatsache nicht ein, und wenn man versuchen
wollte, z.B. für den Specksteinbrenner aus den Zahlen 14l,6 und 0,12 durch eine Proportion die
Lichtstärke bei 19l,5 Gasverbrauch zu
berechnen, so würde man im Gegentheil sogar eine etwas ungünstigere Zahl erhalten
als diejenige, welche der Versuch beim Eisenbrenner lieferte. Prüft man jedoch die
verschiedenen Versuchszahlen bei ein und dem nämlichen Brenner auf ihre gegenseitige
Beziehung, so wird man finden, daß sie durchaus nicht proportional sind, sondern daß
die Lichtstärke sehr kleiner Flammen weit unter den Zahlen zurückbleibt, welche sich
aus den Versuchsergebnissen bei größerm Gasverbrauch durch Proportionen berechnen
würden. Als Grund hierfür ist wohl zunächst die in solchem Falle relativ sehr große
entleuchtende Wirkung des kalten Brenners anzuführen; dann aber sind, wie bereits
erwähnt, auch die Wärmeverluste einer kleinen Flamme durch Leitung, Strahlung und
überschüssig eindringende Luft bedeutender als bei großen Flammen.
Obige Resultate stellen sich viel übersichtlicher dar, wenn man die Lichtstärken z.B.
als Ordinaten, den correspondirenden Gasverbrauch als Abscisse auf ein
Coordinatensystem aufträgt und die Erscheinung bei Vermehrung des Gasverbrauches
durch eine Curve versinnlicht. Die Curve des Eisenbrenners bleibt dann überall
hinter derjenigen des Specksteinbrenners zurück. Hiernach wird man nicht mehr sagen
können, wie das von Seiten der Commission des Board of
Trade geschah, daß der Vortheil eines die Wärme schlecht leitenden
Brennmateriales „vollständig imaginär“ sei. Im vorliegenden
Fall ist der Vortheil gar nicht unbedeutend, allerdings hauptsächlich aus dem
Grunde, weil der eiserne Brenner durch künstliche Mittel auf seiner
Anfangstemperatur erhalten wurde. Selbstverständlich erhitzt sich ein ohne solche
Kühlvorrichtung fungirender Gasbrenner sehr rasch und gelangt zu ziemlich hoher
Temperatur; daß dann der Nachtheil eines eisernen Brenners viel geringer wird und
besonders bei sehr heller Flamme ohne auffallenden Einfluß auf die Lichtstärke
bleiben kann, ist leicht begreiflich; die Thatsache indeß, daß eine Lichtschwächung bei Metallbrennern eintritt, glaube ich
durch meine Versuche bewiesen zu haben.
Auch noch auf eine andere recht instructive Weise macht sich die Wärme entziehende Wirkung eines
Metallbrenners geltend. Dicht um die Ausströmungsöffnung eines metallenen
Einlochbrenners bildet sich alsbald nach dem Anzünden ein nasser, theeriger Fleck,
herrührend von der Condensation von Dämpfen, welche der Flamme entzogen werden. Wenn
sich der Brenner nach und nach erhitzt, so verdampft jener Flüssigkeitsring wieder;
wird indeß der Brenner kühl gehalten, so sammelt sich so viel theerige Flüssigkeit
an, daß die Oeffnung verschlossen werden kann.
Früher wurde constatirt, daß ein Metalldraht, in eine Lichtflamme eingeführt,
dieselbe in großem Umkreis entleuchtet, daß er aber in glühendem Zustand keine
derartige Erscheinung verursacht. Aus dem gleichen Grund muß auch die
Lichtschwächung, welche eine Flamme durch die Wärme entziehende Wirkung des Brenners
erfährt, aufhören, sobald dieser zum Glühen erhitzt ist. Leider läßt sich bei der
Ausführung dieses Versuches nicht vermeiden, daß auch der Gasstrom mit erhitzt wird,
und also das Ergebniß, welches durchaus obige Ueberlegung bestätigt, nicht allein
auf die Aufhebung der vom Brenner ausgeübten Wärmeentziehung bezogen werden kann,
sondern auch auf die Verminderung der vom kalten Gasstrom gebundenen Wärme
ausgedehnt werden muß. Der gesammte Leuchteffect der
Flamme erniedrigt sich also um so mehr, je kälter Brenner und Gasstrom ist, und wird
bedeutend gesteigert, wenn man letzterm im Voraus eine höhere Temperatur ertheilt.
Jener Wärme bindende, die Lichtentwicklung hindernde Einfluß ist völlig gleich Null,
sobald das zutretende Gas und der Brenner bereits durch eine andere Wärmequelle auf
die Temperatur der Flamme erhitzt sind.
Soweit hatten mich die theoretischen Schlüsse geführt, als mir die Abhandlung A. Vogel's
Bayerisches Industrie- und Gewerbeblatt, 1869 S. 124. über die Vermehrung der Lichtstärke durch Erhitzen des Gases und das direct
widersprechende Gutachten der Commission des englischen Board
of Trade
Deutsche Industriezeitung, 1871 S. 386. Polytechnisches Centralblatt, 1872 S.
138. zu Gesicht kam. Vogel leitete das Gas durch eine
U-Röhre, welche nach einander in Eis,
Kältemischung, kochendes Wasser und erhitztes Paraffin getaucht wurde. Auf das
offene Ende der U-Röhre war ein Specksteinbrenner
aufgesetzt, aus welchem die Flamme brannte. Die photometrischen Messungen ergaben
für die Annahme, daß die Lichtstärke bei + 18° durch die Zahl 100 ausgedrückt
wird, bei 0°: 76 und 85; bei – 20° nur: 33 und 44; bei +
100°: 104 und bei + 160°: 118. Hierdurch erschien der Einfluß niederer Temperatur
sehr bedeutend, während durch Erhitzen zwar ein nicht unwesentlicher, aber immerhin
viel geringerer Effect erzielt wurde. Diesen Versuchen widersprach die genannte
englische Commission ganz entschieden und gab an, daß Leuchtgas von 0° und
von 145° keinen Unterschied in der Lichtstärke erkennen ließ. Leider ist es
mir ungünstiger localer Verhältnisse halber zur Zeit nicht möglich gewesen, jene
Versuche zu wiederholen; indeß mögen folgende Bemerkungen zur Erklärung der Sache
beitragen.
Bezüglich der Schwächung der Lichtstärke durch Abkühlung des Gases unter die
gewöhnliche Temperatur scheint mir die Zusammensetzung des Leuchtgases vom
allergrößten Einfluß, so daß eine Controle der Vogel'schen Versuche nur mit einem
Leuchtgase von ähnlicher Natur ausgeführt werden darf. Es ist wohl möglich, daß zwei
Sorten Leuchtgas, welche bei 18° etwa die nämliche Lichtstärke bei gleichem
Consum zeigen, bei 0° oder – 20° sehr erheblich differiren,
indem das eine Gas viel, das andere wenig an seiner Leuchtkraft einbüßt. Ein
Leuchtgas, das seine Lichtintensität zum großen Theil einem hohen Gehalt an
Aethylengas verdankt, wird auch bei niederer Temperatur noch viel Licht entwickeln,
während Leuchtgas, dessen Lichteffect vorzugsweise auf der Anwesenheit
condensirbarer Benzoldämpfe u. dgl. beruht, durch Abkühlung sehr bedeutenden Verlust
an Lichtstärke erleiden muß. Hiernach wird man sagen können, daß, wenn Vogel durch Abkühlung des Gases beträchtliche
Lichtverminderung beobachtete, die englische Commission dem jedoch widerspricht, so
beweist dies nur, daß letztere mit einem an condensirbaren Kohlenwasserstoffen sehr
armen Leuchtgase gearbeitet hat.
Was dagegen die von Vogel behauptete, von jener Commission
aber bestrittene Zunahme der Lichtstärke beim Erhitzen des Gases bis gegen
160° betrifft, so läßt sich ein Einfluß der verschiedenen Zusammensetzung der
Gassorten nicht mit Sicherheit behaupten. Die Theorie sagt allerdings eine Wirkung
im Sinne der Vogel'schen Versuche voraus, aber die englische Commission leugnet
sie.
Die Möglichkeit anscheinend so schroffer Gegensätze finde ich, wenn nicht grobe
Versuchsfehler gemacht wurden, allein darin begründet, daß die betreffenden Versuche
sich auf viel zu geringe Temperaturdifferenzen bezogen. Unsere photometrischen
Instrumente leiden an ziemlicher Unvollkommenheit, und es wäre wirklich
überraschend, wenn eine Erhöhung der vielleicht 1500° betragenden
Flammentemperatur um 100 oder 145° eine durch unser Photometer nachweisbare,
einigermaßen erhebliche Lichtvermehrung zur Folge haben würde. Ich sah mich deshalb
veranlaßt, sofort
Glühhitze anzuwenden, resp. das Leuchtgas durch eine glühende Brennerröhre austreten
zu lassen.
Es wurden zu den Versuchen zwei 10cm lange
Platinröhren verwendet, von welchen die engere 4mm, die weitere 8mm Durchmesser
besaß. Die Röhre wurde durch eine untergestellte Bunsen'sche Lampe in der Nähe ihres
offenen Endes zum Glühen erhitzt, wobei gleichzeitig eine nicht unwesentliche
Verminderung der ausströmenden Gasmenge eintrat. In nachfolgender Tabelle sind die
Resultate zusammengestellt. Um vergleichbare Zahlenwerthe für den wirklichen Gewinn
an Lichtstärke zu erhalten, war es nöthig, letztere bei kalter und glühender Röhre
auf denselben Gasverbrauch zu beziehen. Wenn auch das Verhältniß zwischen
Lichtstärke und Gasconsum noch nicht genau erkannt ist (die seitherigen
Untersuchungen harmoniren nur sehr wenig), so halte ich mich doch für berechtigt,
bei den in nachstehender Tabelle vorkommenden, sehr geringen Differenzen im
Gasverbrauch directe Proportionalität anzunehmen und hiernach die in Spalte 7
angegebenen Zahlen zu berechnen. Zur Vergleichung ist in Spalte 8 nochmals die
Spalte 2 wiederholt. Die Spalte 9 enthält den hiernach berechneten, auf den
gleichen, in Spalte 4 angegebenen Gasconsum bezogenen Gewinn an Lichtstärke in
Procente ausgedrückt.
Textabbildung Bd. 225, S. 456
Lichtstärke in Kerzen bei;
Gasverbrauch in Liter bei; Zunahme der Lichtstärke in Proc.; Abnahme des
Gasverbrauchs in Proc.; Lichtstärke für den verminderten Gasverbrauch (Sp. 4)
bei; Gewinn an Lichtstärke in Proc. berechnet; kalter; glühender; Brennerröhre;
berechnet; gefunden; Enge Röhre; Weite Röhre
Die Resultate dieser Tabelle lassen sich leichter übersehen, wenn man aus den Zahlen
der Spalte 1 und 3, 2 und 4 Curven construirt, wie bereits früher angegeben wurde.
Zunächst ergibt sich in allen Fällen eine beträchtliche Steigerung der Lichtstärke
beim Erhitzen der Brennerrohre; dann lehrt die Spalte 9 der Versuchsreihe I, II und
III, daß der Gewinn an
Lichtstärke bei kleinen Flammen ein viel bedeutenderer ist als bei größerm
Gasverbrauch. Offenbar liegt die Ursache dieser Erscheinung nicht allein in der bei
großen Flammen relativ geringern Entleuchtungswirkung des Brenners (welche durch das
Erhitzen aufgehoben wird), sondern auch wesentlich darin, daß bei vermehrtem Consum
das Gas rascher die glühende Röhre passirt und deshalb weniger hoch erhitzt wird.
Die mit der weiten Platinröhre erhaltenen Zahlen zeigen eine Abweichung hiervon,
insofern bei sehr gesteigertem Gasverbrauch die Wirkung der glühenden Brennerröhre
wiederum erheblich zunimmt. Dieses auf den ersten Blick unerwartete Ergebniß erkläre
ich mir in folgender Weise. Wie aus den Versuchsreihen III und VI zu ersehen ist,
gelangt bei Anwendung einer so weiten Ausströmungsröhre (resp. Ausströmungsöffnung)
das Leuchtgas nur zu sehr ungünstiger Lichtentwicklung; so gaben 123l Gas aus weiter Röhre nur 4,9 Kerzen,
während 83l aus der engern Röhre 5,6 Kerzen
Lichtstärke lieferten. Offenbar ist die Oberfläche der Flamme bei so weiter Oeffnung
im Verhältniß zum Volum viel zu gering, um auch im Innern der Flamme durch lebhafte
Verbrennung genügend hohe Temperatur hervorzurufen; da jedoch leuchtfähiges Gas in
großer Menge vorhanden ist, so kann Steigerung der Flammentemperatur durch Erhitzen
der Brennerröhre einen so bedeutenden Gewinn von 87,5 Proc. Lichtstärke bewirken.
Dieser Effect muß bei größerer Ausflußgeschwindigkeit, wie erwähnt, kleiner werden,
was auch Versuch V bestätigt; da aber bei noch mehr
vergrößerter Ausflußmenge aus kalter Röhre die Flamme flackernd und rußend wird, so
nimmt die Helligkeit in immer geringerm Maße zu, und bei noch rascherm Gasstrom
erreicht sie einen Höhepunkt, von dem aus sie bei weiterer Vergrößerung des Consums
rasch abnimmt und schließlich Null wird; denn Benevides
fand, daß bei sehr großer Ausflußgeschwindigkeit die Leuchtgasflamme blau ist.
Obgleich der Nutzeffect der glühenden Brennerröhre bei Steigerung des Gasverbrauches
abnimmt, so vermindert sich doch die Lichtstärke aus kaltem Brenner bei sehr starkem
Gasstrom in noch viel höherm Grade und hieraus muß nothwendig folgen, daß der
relative Nutzeffect der glühenden Röhre von einem gewissen Punkt an wiederum
steigt.
Was den Einfluß des Erhitzens der Röhre auf den Gasconsum betrifft, so zeigen die
Versuche I, II und III, daß, wie vorausgesehen, eine Verminderung desselben
eintritt; bei der weitern Röhre machte sich eine solche Wirkung nur bei sehr raschem
Gasstrom erkennbar.
Somit wäre der Beweis erbracht, daß durch starke Erhitzung des
Brenners und des ausströmenden Gaseseine außerordentliche Steigerung des Leuchteffectes erzielt wird. Es
schien jedoch wünschenswerth, auch das Verhalten flacher, ausgebreiteter Flammen zu
untersuchen, wie solche aus schnittförmigen Oeffnungen austreten, und es wurde darum
das engere Platinrohr an seiner Mündung so weit zusammengebogen, daß nur eine
schmale Spalte blieb und eine flache Flamme entstand. Die Resultate, welche der so
erhaltene Brenner lieferte, sind die folgenden:
Textabbildung Bd. 225, S. 458
Lichtstärke in Kerzen bei;
Gasverbrauch in Liter bei; Zunahme der Lichtstärke in Proc.; Abnahme des
Gasverbrauchs in Proc.; Lichtstärke für den verminderten Gasverbrauch (Sp. 4)
bei; Gewinn an Lichtstärke in Proc. berechnet; kalter; glühender; Brennerröhre;
berechnet; gefunden; Enge Platinröhre; Oeffnung schnittförmig
zusammengebogen.
Auch hier zeigt sich wie bei den früheren Versuchsreihen I, II und III, daß im
Allgemeinen ein um so bedeutenderer Gewinn an Lichtstärke erzielt wird, je weniger
Gas der Röhre entströmt. Besonders auffallend erscheint indeß die viel
beträchtlichere Verminderung des Gasconsums (Spalte 6), offenbar eine Folge davon,
daß bei enger Ausströmungsöffnung die Wirkung des sich ausdehnenden Gases auf die
Stromgeschwindigkeit viel mehr zur Geltung kommt, als dies bei weiter Oeffnung der
Fall sein würde.
Schon bei Gelegenheit eines frühern Versuches, bei welchem ein blau brennendes
Gemisch aus Leuchtgas und Kohlensäure oder Luft durch Erhitzen der Brennerröhre
hellleuchtend werden sollte, hatte ich die Wahrnehmung gemacht, daß die gewünschte
Wirkung nicht eintritt, wenn die Brennerröhre weiter rückwärts, einige Centimeter
vom offenen Ende entfernt, ins Glühen gebracht wird. Als Grund für diese Erscheinung
ergab sich die Wärme entziehende Wirkung des weiter stromab gelegenen Theiles der
Metallröhre auf das erhitzte Gas. Es lag sehr nahe, eine ähnliche Wirkung der als
Brenner dienenden Platinröhre auch bei den letzterwähnten photometrischen Versuchen anzunehmen,
sobald nämlich der Brenner nicht bis dicht an seine Mündung glüht; und in der That
zeigte es sich, daß der Effect ganz außerordentlich von der Stellung der Heizflamme
abhängt. In folgender Tabelle sind zwei Versuchsreihen angegeben, bei welchen
zunächst Lichtstärke und Gasconsum bei kalter, dann bei vorn glühender Brennerröhre
bestimmt wurde. Nach dem Erkalten der Röhre wurde die Heizflamme so gestellt, daß
zwischen dem glühenden Theil und der Ausströmungsöffnung der Röhre etwa 4cm Abstand blieb.
Textabbildung Bd. 225, S. 459
Lichtstärke in Kerzen bei;
Gasverbrauch bei; Zunahme der Lichtstärke in Proc.; kalter; glühender;
Brennerröhre; nächst der Oeffnung; weiter rückwärts; Nächst der Oeffnung;
glühend; Enge Platinnröhre.
Diese Versuchszahlen constatiren, daß ein viel geringerer
Effect erzielt wird, wenn man die Brennerröhre nicht dicht an der Mündung,
sondern ein wenig rückwärts ins Glühen bringt. Im letztern Falle geht nicht
nur ein Theil der zugeführten Wärme für die Flamme verloren, sondern zugleich bleibt
die Wärme entziehende (entleuchtende) Wirkung des Brennerkopfes auch mehr oder
weniger bestehen.
Es liegt nun noch die Frage vor: Ist die Vermehrung der Lichtstärke beim Erhitzen der
Brennerröhre nur eine Folge der directen Wärmezufuhr zur Flamme, oder spielen auch
chemische Processe eine hervorragende Rolle bei jener
Erscheinung?
Die zuletzt angeführten Versuche weisen darauf hin, daß der Wärmezufuhr als solcher
das Hauptgewicht zukommt, denn für eine chemische Umbildung schwach leuchtender
Bestandtheile des Gases in stark leuchtende müßte es offenbar gleichgiltig sein,
welche Stelle der Brennerröhre erhitzt wird; doch um ein genaueres Urtheil zu
gewinnen, war es nöthig, den Einfluß photometrisch zu beobachten, welchen das
Passiren eines glühenden Platinrohres auf das alsdann wieder zur gewöhnlichen
Temperatur abzukühlende Leuchtgas ausübt. Das der Uhr entströmende Gas wurde daher zunächst durch
eine Platinröhre und dann durch ein Schlangenrohr geleitet, welches durch Wasser von
15° abgekühlt war. Die Versuche ergaben indeß beim Erhitzen des Platinrohres
bis zum starken Glühen entweder gar keine oder nur sehr unbedeutende
Lichtverminderung, welche auch als Beobachtungsfehler gelten konnte. In der
Platinröhre fand sich nur außerordentlich wenig Kohle abgelagert und in der
Kühlröhre sammelten sich Tröpfchen, welche theils aus Wasser, theils braunen
theerigen Stoffen bestanden, aber hinsichtlich der Quantität sehr unbedeutend waren.
Ich glaube jedoch, daß dies keine allgemein giltigen Versuchsresultate sind, sondern
von der Qualität resp. Zusammensetzung des Leuchtgases wesentlich beeinflußt
werden.
Nach diesen Beobachtungen kann die vielfach constatirte bedeutende Zunahme der
Lichtstärke beim Erhitzen der Brennerröhre nicht einer
zersetzenden Wirkung der Wärme auf das Leuchtgas in der Röhre selbst zugeschrieben
werden, denn sonst müßte auch das wieder abgekühlte Gas vermehrte Leuchtkraft
zeigen. Es bleibt somit nur übrig, die directe Wärmezufuhr als
alleinige oder doch bedeutend vorwiegende Ursache der vermehrten
Lichtentwicklung anzusehen.
Erinnern wir uns des Zweckes, welchem die photometrischen Messungen ursprünglich
dienen sollten, durch was sie veranlaßt waren. Es handelte sich darum, die
entleuchtendeRichtiger wäre es, jene Wirkung eine „die volle Entwicklung der
Leuchtkraft hindernde“ zu nennen. Wirkung des Wärme entziehenden Brennerkopfes und des nachströmenden kalten
Gases zu constatiren und festzustellen, daß durch vorherige Erhitzung des Gases und
Brenners jene für die Leuchtkraft schädlichen Einflüsse zu beseitigen sind. Wohl von
gleicher Tendenz waren die Erfinder verschiedener neuer
Brennerconstructionen geleitet, welche nach den betreffenden Publicationen
einen mehr oder minder hohen Nutzeffect liefern sollen, der angeblich darauf beruht,
daß das Gas vor seiner Verbrennung erwärmt wird. Als Beispiel führe ich den Cremin'schen Brenner (* 1872 204 187) an, bei welchem das Gas zunächst um die Brennerröhre herumgeführt
wird; diese erhitzt sich von oben herab und erwärmt das vorbeistreifende Gas.
Cremin's Brenner soll 64 Proc. mehr Licht liefern als ein Fischschwanzbrenner.
– Derartige Brennerconstructionen erwärmen das Gas jedenfalls nur sehr wenig
und die Wärme, welche also nach den frühern Auseinandersetzungen dazu dient, die
abkühlende Wirkung des kalten Gasstromes auf die Flamme zu vermindern, wird bei
jenen Brennereinrichtungen letzterer selbst entzogen, da der kalte Gasstrom die
Brennerröhre stets auf
einer niedern Temperatur erhält, so daß die Wärme entziehende Wirkung des Brenners
auf die Flamme eine um so bedeutendere ist. Die Logik derartiger
Brennerconstructionen ist dann eine sehr sonderbare: Einerseits nimmt man der Flamme
Wärme und führt sie ihr anderseits, natürlich mit erheblichem Verlust, wieder zu!
Daß solche Brenner unter Umständen (z.B. hohem Gasdruck) vortheilhaft sein mögen,
will ich a priori nicht bestreiten, wohl aber, daß die
so bewirkte Erwärmung des Gasstromes die Ursache der
Lichtvermehrung ist. Andere Gründe, worunter besonders Mäßigung der
Ausströmungsgeschwindigkeit hervorzuheben sein dürfte, sind es, welche eventuell
eine Lichtvermehrung veranlassen könnten.
Brennerconstructionen, deren größerer Nutzeffect auf vorheriger Erhitzung des Gases
(und Brenners) beruhen soll, müssen derart beschaffen sein, daß die nöthige Wärme
nicht der Flamme selbst entzogen wird, sondern den heißen Verbrennungsproducten oder
einer besondern Wärmequelle, z.B. einer Heizflamme nach Bunsen'schem System. Ob
freilich im letztern Fall der damit verbundene Mehraufwand an Gas durch die
gesteigerte Leuchtkraft übertroffen oder auch nur ausgeglichen wird, ist eine ganz
andere – rein ökonomische Frage.
Es wurde oben betont, daß die durch Erhitzen der Brennerröhre bewirkte Steigerung der
Leuchtkraft der directen Wärmezufuhr und nicht wesentlich einer chemischen Umbildung
der Leuchtgasbestandtheile zuzuschreiben ist. Auf den ersten Blick scheint die
Wirkung einfach darin zu bestehen, daß die Flammentemperatur gesteigert wird, also
der ausgeschiedene Kohlenstoff in stärkeres Glühen gelangt. Betrachtet man jedoch
die Flamme genauer, wenn das Brennerrohr zum Glühen erhitzt wird, so zeigt sich
allerdings, daß der leuchtende Theil der Flamme ein intensiveres Licht ausstrahlt,
glänzender wird; gleichzeitig ist aber untrüglich eine bedeutende Vergrößerung des Lichtmantels zu beobachten. Während derselbe
für gewöhnlich erst in einer gewissen Entfernung über der Brenneröffnung beginnt und
von da an nur in dünner, nach oben zu dicker werdender, gelber Schicht den unten und
innen befindlichen dunkelblauen Theil der Flamme umgibt, wird der Lichtmantel beim
Erhitzen des Brenners viel dicker und zieht sich weit herunter bis fast zum Brenner.
Der bei kalter Röhre ziemlich ausgedehnte, direct über dem Brenner befindliche blaue
Theil der Flamme wird also theilweise selbst zum leuchtenden Kegel.
Da der Lichtmantel seine Helligkeit ausgeschiedenem Kohlenstoff verdanktDirecte Beweise hierfür beabsichtige ich in einer spätern Mittheilung zu
geben. und weil er sich gegen die Richtung des
Gasstromes vergrößert, so muß diese Vergrößerung darin begründet sein, daß bei erhitzter Brennerröhre der
Kohlenstoff früher in der Flamme ausgeschieden wird, als dies sonst der Fall sein
würde. Steigerung der Lichtintensität der glühenden
Kohletheilchen und frühere Ausscheidung der letztern in der Flamme (d. i.
Vergrößerung des Lichtmantels) sind daher zwei wesentlich verschiedene Wirkungen der glühenden Brennerröhre; die Summe beider Effecte bildet die Zunahme der Gesammtlichtstärke,
die das Photometer constatirte.
Der Charakter einer Flamme wird offenbar nicht nur durch
die Gesammtlichtstärke, sondern sehr wesentlich auch durch die Intensität des
Lichtes, d.h. durch die von einem einzelnen elementaren Theil des Leuchtmantels
ausgesendete Lichtmenge bedingt. Mir scheint noch viel zu wenig Rücksicht auf dieses
für die Beurtheilung einer Flamme so wichtige Verhältniß genommen worden zu sein.
Das Photometer zeigt freilich keinen Unterschied Zwischen einem kleinen, aber
intensiven und einem größern, doch weniger hellen Lichtmantel, wohl aber das direct
in die Flamme blickende Auge, welches von einer kleinen, grellen Flamme geblendet
wird, während es ruhig in eine größere Flamme blicken kann, welche dieselbe
Gesammtlichtmenge ausstrahlt. Hier ist also ein wesentlicher und wichtiger
Unterschied zwischen der Empfindlichkeit des Auges und der des Photometers zu
constatiren. Indeß lassen sich auch mit Hilfe des letztgenannten Instrumentes jene
verschiedenen Effecte erkennen, sobald nicht die Totalwirkung der ganzen Flammen,
sondern nur ein kleiner Theil derselben zur Geltung gelangt, was durch Einschaltung
eines mit kleiner Oeffnung versehenen Schirmes zu erreichen ist. Man mißt dann das
Licht, welches gleich große Partien der zu prüfenden Flammen ausgeben. Da der
Lichtmantel nicht überall gleiche „Lichtintensität“ besitzt,
womit die von den einzelnen Flammenelementen ausgesendete Lichtmenge bezeichnet sei,
so ist es für vergleichende photometrische Versuche nicht gleichgiltig, auf welchen
Theil einer Flamme man die Oeffnung des eingeschalteten Schirmes einstellt. In allen
Fällen wird man die hellsten Partien der Flamme auswählen, d.h. den Schirm so
stellen, daß die größtmögliche Lichtmenge auf das Photometerdiaphragma fällt.
Streng genommen haben die so erhaltenen Versuchszahlen nur für den hellsten Theil des Leuchtmantels Geltung; aber grade
dieser ist es, welcher für die Beurtheilung einer Flamme am wichtigsten erscheint.
In letzterer Hinsicht wird man also nicht nur, wie seither üblich, die Gesammtmenge
des abgegebenen Lichtes, die ich mit „Leuchteffect“ bezeichnen will, einer zu prüfenden Flamme
mit dem „Leuchteffect“ einer Normalflamme vergleichen,
sondern auch die Zahl angeben, welche das Verhältniß der
„Lichtintensität“ der beiden zu vergleichenden Flammen
erkennen läßt. Die Wichtigkeit dieser doppelten Bestimmung wird ein demnächst zu
besprechendes, praktisches Beispiel genügend darthun.
(Schluß folgt.)