Titel: | Perkins' Hochdruck-Dampfkessel und Maschine. |
Fundstelle: | Band 225, Jahrgang 1877, S. 532 |
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Perkins'
Hochdruck-Dampfkessel und Maschine.
Mit Abbildungen auf Taf.
VII [b. c/1].
Perkins' Hochdruck-Dampfkessel und Maschine.
Loftus Perkins in London, welcher schon vor mehr als einem
Decennium die nutzbare und gefahrlose Anwendung hochgespannter Dämpfe zum Betriebe
von Dampfmaschinen einzuführen begonnen hat, hielt kürzlich über sein Kessel-
und Maschinensystem einen Vortrag in der „Institution of Mechanical
Engineers“, dessen ausführliche Wiedergabe im Engineer, Juni 1877 S. 389 ff. enthalten ist. Wir ersehen daraus zunächst,
daß schon mehrfach, auch bei Seedampfern und Yachten, Perkins'sche Kessel und
Maschinen im Betriebe sind, und daß das englische
Admiralitäts-Kessel-Comite schon 1874 einen günstigen Bericht darüber
erstattete.
Der in Fig. 7
und 8
dargestellte Kessel ist selbstverständlich Röhrenkessel, aber in so eigenthümlicher
Weise zusammengesetzt, daß die Rohrwände und überhaupt alle anderen ebenen Flächen
im Kessel selbst vollständig vermieden sind. Jedes einzelne Rohr ist für sich
geschlossen und mit dem nächsten nur durch kurze eingelöthete Kupferröhrchen
verbunden. So besteht die Feuerkiste aus 7 über einander liegenden Rahmen aus
rechteckig gebogenen Röhren von 57mm
lichtem Durchmesser und 9mm,5 Wandstärke;
an der Stelle der Feuerthüren sind zwei mittlere Rohre, wie aus Figur 7 ersichtlich,
ausgeschnitten und die offenen Enden mit einem 13mm starken Stopfen verschweißt. Die einzelnen Rahmen stehen je 44mm von einander ab und sind durch
zahlreiche verticale Röhrchen von 23mm
innerm Durchmesser verbunden. In diesem Raume, welcher nach außen von einem
doppelten Blechmantel umgeben ist, wird gefeuert; die Gase steigen auf durch 15
Reihen von je 11 über einander liegenden Rohren, von gleichen Stärken wie die
Feuerkastenrohre, aber gerade, beiderseits verschweißt und nur an den Enden durch je
ein verticales Röhrchen mit dem nächst darüber und darunter liegenden Rohre
verbunden. Nach dem Passiren dieser 165 Rohre entweichen die Heizgase in den
Rauchfang, während der in den Röhren gebildete Dampf in ein Sammelrohr (102mm weit, 19mm Wandstärke) aufsteigt, welches quer über
die obersten Rohre gelegt ist. Aus diesem wird der Dampf für die Maschine
entnommen.
Die Perkins'sche Maschine, in Figur 9 im theilweisen
Schnitte dargestellt, hat drei Cylinder, in welchen der Dampf mit successive
zunehmendem Volum arbeitet; nachdem der zweite Cylinder das vierfache Volum des
ersten, der dritte das vierfache Volum des zweiten Cylinders hat und der erste
Cylinder halbe Füllung erhält, ist die Gesammtexpansion 32 fach bei einer
Anfangsspannung von etwa 20^; dabei ist selbstverständlich der letzte Cylinder mit
einem Condensator in Verbindung. Erster und zweiter Kolben haben, wie aus Figur 9
ersichtlich, gemeinsame Kolbenstange und greifen an demselben Kurbelzapfen der
gekröpften Schwungradwelle an; der Kolben des dritten Cylinders wirkt auf eine
zweite Kurbel, welche zu der frühern Kurbel unter einem rechten Winkel steht. Der
Dampf tritt oberhalb des ersten Kolbens bei dessen Niedergang ein, expandirt beim
Aufgang unter dem Kolben des zweiten Cylinders und gelangt endlich beim abermaligen
Niedergange in den Raum zwischen erstem und zweitem Kolben, welcher nach oben eine
ringförmige Erweiterung hat, die als Dampfsammelraum dient. Von hier gelangt der
Dampf abwechselnd unter und über den dritten Kolben und wird zuletzt condensirt.
Dies die charakteristischen Punkte bei der Erzeugung und Verwendung der
hochgespannten Dämpfe in L. Perkins' System, welche an
und für sich nichts überraschend Neues bieten (vgl. 1872 206 492). Bewundernswerth dagegen und von wesentlichstem Einflusse auf die praktische
Verwendbarkeit ist die Ausarbeitung der Details, die sichere und dauerhafte
Herstellung jedes einzelnen Bestandtheiles. Der Kessel erhielt nur dadurch seine
Bedeutung, daß er, nach Entfernung des einhüllenden Blechmantels, überall leicht
zugänglich und leicht zu repariren ist; die Anordnung seiner Theile gestattet jedem
einzelnen Rohre freie Ausdehnung und bringt eine rasche Circulation des Wassers
hervor. Dabei verwendet Perkins nur ganz reines oder
destillirtes Wasser, welches stets von neuem wieder im Kessel verwendet wird,
nachdem es den Oberflächencondensator passirt hat. Schmiermaterial wird in den
Dampfräumen der Maschine nicht verwendet, daher ist auch die schädliche Bildung
freier Fettsäure vermieden, und so groß ist die Sorgfalt, mit der allen
Dampfverlusten begegnet wird, daß, wie constatirt wird, ein Kessel von 1cbm Wasserinhalt, welcher bei 16at Druck eine Maschine von 250e betreibt, 12 Tage und Nächte
continuirlich arbeiten konnte, ohne die geringste Zuführung frischen Wassers zu
benöthigen. Ueber die Sicherheit des Kessels kann kein Zweifel sein, nachdem die
Stärke der Rohre durch den Betrieb nicht beeinträchtigt werden kann und jedes Rohr
vor dem Einbringen in den Kessel auf 260at,
der ganze Kessel unter Wasserdruck auf 130at geprüft wird.
In gleicher Weise wie der Kessel ist auch die Maschine in allen ihren Details
durchdacht. Von der Steuerung, welche mit Ventilen zu geschehen scheint, ist leider
nichts näheres mitgetheilt; die Cylinder sind in einem gemeinschaftlichen Gehäuse
aus doppelten Blechwänden, mit Holzkohle ausgefüllt, eingeschlossen und mit
Dampfmänteln versehen, welche direct mit dem Dampfkessel communiciren. Dieselben
sind in eigenthümlicher Weise dadurch hergestellt, daß zur eigentlichen Lauffläche
des Kolbens ein schmiedeisernes Rohr genommen wird, welches in den Cylindermantel
eingegossen ist. Besonderer Werth wird den Kolbenringen beigelegt, deren
Zusammensetzung Perkins mit 75 Proc. Kupfer und 25 Proc.
Zinn angibt. Sie sollen sich seit langen Jahren vorzüglich bewährt haben und bei
vollkommen dichtem Schluß die geringste Reibung verursachen.
Interessant ist auch die Construction des Oberflächencondensators und manches andere
Detail, dessen Beschreibung uns hier zu weit führen würde.
In dieser Weise hat Perkins die Frage der Verwendbarkeit
hoher Dampfspannungen zum erstenmale praktisch gelöst und damit vielleicht einen
großartigen Fortschritt der modernen Dampfmaschine angebahnt. Allerdings wurde und
wird noch von vielen Seiten das Fortschreiten zu höhern Spannungen bekämpft und
„klar“ bewiesen, daß mit vergrößerter Expansion nur äußerst
geringe Vortheile erreichbar sind; dennoch aber haben wir schon heute den Schritt
von 0at,5 Ueberdruck zu 8 und 10at normaler Arbeitsspannung zurückgelegt,
und nicht zum Schaden des industriellen Fortschrittes. Unläugbar ist die Erhöhung
des „wahren Wirkungsgrades“ nur durch Zunahme der
Admissionstemperatur und vollkommene Expansion des Dampfes zu erreichen; unläugbar
ist ferner, daß nur bei Verwendung gesättigten Dampfes unsere
Constructionsmaterialien so hohen Temperaturen widerstehen können, und es erscheinen
uns daher Perkins' Bemühungen wohl begründet und zu den
kühnsten Hoffnungen berechtigend. Thatsächlich erreichte er schon, bei einer
Schiffsmaschine von 70e nominell, mit 20at Admissionsspannung einen mittlern
Kohlenverbrauch von 0k,73 für 1e indicirt; dabei arbeitete die Maschine
ohne Condensation und war auch in anderer Beziehung nicht vollkommen, so daß sich
hiernach, bei einem verbesserten Motor, ein Kohlenverbrauch von nur 0k,5 für 1e indicirt erwarten läßt.
M-M.