Titel: | Zur Classification von Eisen und Stahl. |
Fundstelle: | Band 225, Jahrgang 1877, S. 545 |
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Zur Classification von Eisen und
Stahl.
Zur Classification von Eisen und Stahl.
Im Verein deutscher Eisenbahnverwaltungen ist seit Juni 1876 – über Antrag von
Director Wöhler – die Frage einer staatlich anerkannten Classification von Eisen und Stahl
einer ernsten Behandlung unterzogen worden. Zur Durchführung einer solchen
Classification wird die Errichtung von amtlichen Prüfungsstationen empfohlen in
Verbindung mit Versuchsstationen, in denen durch ausgedehnte Versuche festzustellen
ist, welche Ansprüche an die Constructionsmaterialien für bestimmte Leistungen zu
machen sind. In der Juli 1877 zu Haag abgehaltenen Generalversammlung wurde
beschlossen, daß der Verein seinen gewichtigen Einfluß aufbieten möge, um auch die
Regierungen von der großen Wichtigkeit und Nützlichkeit der vorgeschlagenen
Anstalten zu überzeugen und zur Errichtung solcher zu veranlassen. Die mit der
Berichterstattung über diesen Gegenstand betraute technische Commission hat eine
ausführliche Denkschrift veröffentlicht, welcher wir nachstehendes auszugsweise
entnehmen.
Da im Handelsverkehr die Bezeichnung der Qualität durch Festigkeits- und
Dehnungscoefficienten, wie sie in der Regel nur den wissenschaftlich gebildeten
Technikern geläufig ist, sich schwer einbürgern, sehr leicht zu Mißverständnissen
führen und dadurch den ganzen Zweck der angestrebten Classification vereiteln würde,
so empfiehlt sich eine einfache Bezeichnung der Qualitäten durch Classificirung,
welcher gewisse Minimalgrenzen der Festigkeit und Zähigkeit zu Grunde zu legen sind.
Solche Classificationen, wenngleich sie staatlich festgesetzt werden und im
Handelsverkehr gesetzliche Verbindlichkeit haben müssen, dürfen nicht unabänderlich
sein, damit sie den Fortschritten der Industrie folgen können; sie müssen also in
kürzern oder längern Perioden einer Revision unterzogen werden. Nach den mit passend
ausgewählten Materialien bisher ausgeführten Versuchen hält die Commission für den
gegenwärtigen Stand der Eisen- und Stahlproduction folgende Bestimmungen für
angemessen.
A) Bessemerstahl, Gußstahl, Martinstahl als Constructionsmaterial für
Eisenbahnschienen, Achsen, Radreifen etc.
Qualität I mit drei Unterabtheilungen.
a hart
b mittel
c weich
Minimal-Zerreißungsfestigkeit
6500
5500
4500k für
1qc
Maß der Zähigkeit (Minimalzusammenziehung
des Zerreißungsquerschnittes in
Proc. des ursprüngl.
Querschnittes)
25
35
45 Proc.
Um zu dieser Qualität gerechnet zu werden, muß das Material die beiden
zusammengehörigen Zahlen mindestens erreichen oder dieselben übersteigen. Dabei muß
die Bruchfläche gleichmäßig sein, und in dem zerrissenen Stabe dürfen sich weder
Quernoch Langrisse zeigen.
Qualität II mit zwei Unterabtheilungen.
a härtere Sorte.
b weichere Sorte.
Minimal-Zerreißungsfestigkeit
5500
4500k für
1qc
Maß der Zähigkeit
20
30 Proc.
Für die Bruchfläche und hinsichtlich der Risse gelten gleiche Vorschriften wie für
Qualität I.
B) Stabseisen.
Qualität I.
Minimal-Zerreißungsfestigkeit
3800k für
1qc
Maß der Zähigkeit
40 Proc.
Qualität II.
Minimal-Zerreißungsfestigkeit
3500k für
1qc
Maß der Zähigkeit
25 Proc.
C) Eisenblech.
Qualität I a: in der
Walzrichtung.
Minimal-Zerreißungsfestigkeit
3600k für
1qc
Maß der Zähigkeit
25 Proc.
Qualität I b: quer zur
Walzrichtung.
Minimal-Zerreißungsfestigkeit
3200k für
1qc
Maß der Zähigkeit
15 Proc.
Qualität II a: in der
Walzrichtung.
Minimal-Zerreißungsfestigkeit
3300k für
1qc
Maß der Zähigkeit
15 Proc.
Qualität II b: quer zur
Walzrichtung.
Minimal-Zerreißungsfestigkeit
3000k für
1qc
Maß der Zähigkeit
9 Proc.
Das Stabeisen sowohl als das Eisenblech darf sich nach dem Zerreißen weder unganz,
noch an der Oberfläche brüchig zeigen.
Materialien von geringerer Festigkeit oder Zähigkeit als einer der festgesetzten
Minimalwerthe würden überhaupt nicht zu classificiren sein. Ein Zwang, daß nur
classificirtes Material gehandelt werden dürfte, wäre in keiner Weise zweckmäßig. Es
genügt völlig, daß Jedermann die Möglichkeit gegeben ist, sich eine bestimmte
Qualität zu sichern. Vielfach wird man es auch vorziehen, für specielle Zwecke die
Coefficienten besonders zu vereinbaren, oder noch weitere Bedingungen, z.B. über die
Elasticität, Härtbarkeit u. dgl., vorzuschreiben. Selbstverständlich müssen die
Prüfungsanstalten in der Lage sein, auch in solchen Fällen die Untersuchung
vornehmen zu können.