Titel: | Der Feuertelegraph mit Wächtercontrole; von Siemens und Halske in Berlin. |
Fundstelle: | Band 225, Jahrgang 1877, S. 553 |
Download: | XML |
Der Feuertelegraph mit Wächtercontrole; von
Siemens und Halske in Berlin.
Mit einer Abbildung auf Taf. VII [b. c/3].
Siemens und Halske's Feuertelegraph mit
Wächtercontrole.
Nachstehend geben wir nach dem Sitzungsberichte vom 9. April 1877 einige kurze
Mittheilungen aus einem von Friedr. v. Hefner-Alteneck in dem Verein zur Beförderung des Gewerbfleißes
gehaltenen Vortrage.
Die in Berlin an öffentlichen Gebäuden oder sonst leicht kenntlichen Orten hängenden
Apparatkästchen sind sogen. automatische Feuermelder und sollen den Zweck erfüllen.
Jedermann, auch solchen die nicht telegraphiren können, die Abgabe einer ohne
Zeitverbrauch, stets sicher und deutlich ankommenden Feuermeldung nach der nächsten
Feuerwache zu ermöglichen. Zieht man, nach Oeffnen des Kästchens durch die damit
beauftragte Person oder auch nach Zertrümmerung der Glasscheibe, an dem mit
„Feuerglocke“ beschriebenen Griffe, so versetzt ein
fallendes Gewicht ein kleines, an seinem Umfange mit breiten und schmalen Erhöhungen
versehenes Rädchen in Umdrehung und dieses bewegt eine Contactfeder in gleicher
Weise und zu gleichem Zwecke wie ein Telegraphist seinen Taster. Dabei wird ein der
betreffenden Meldestelle eigenthümliches, aus Punkten und Strichen zusammengesetztes
Zeichen in mehrfacher Wiederholung nach der Feuerwache telegraphirt und erscheint
dort auf einem Papierstreifen ohne irgend Jemandes Zuthun. Gleichzeitig wird
elektrisch ein laut tönendes Läutewerk ausgelöst, welches die Löschmannschaft
allarmirt.
Diese Einrichtungen, von denen die erste in der Welt von Siemens und Halske im J. 1853 für die Stadt
BerlinIm J. 1851 hatte Berlin einen Feuerwehr- und Polizeitelegraphen,
welcher mit Zeigertelegraphen von Siemens und Halske ausgerüstet war. Auch Boston erhielt schon
1851 einen Feuertelegraph.E–e. gefertigt wurde, sind für die Bewohner größerer Städte und deren Besitz zu
einem großen Segen
geworden.Wir verweisen zur Bestätigung dessen auf einen von R. v. Fischer-Treuenfeld am 28. Februar 1877 in
der Society of Telegraph Engineers in London
gehaltenen Vortrage, von welchem soeben in Stuttgart (bei W. Kitzinger) eine deutsche Uebersetzung erschienen
ist, und entnehmen dem darin niedergelegten reichen statistischen Materiale
blos die Angabe, daß die Zahl der Großfeuer im Durchschnitt bezieh. 4,05,
17,6 oder 28,6 Proc. der Gesammtzahl der Brände ausmacht, je nachdem die
betreffenden Städte eine vollkommene, mit automatischen Feuermeldern
versehene, eine unvollkommene oder gar keine Feuertelegraphen-Anlage
haben.E–e. Es wurden nach und nach durch genannte Firma in fast allen großem Städten
Deutschlands solche Feuertelegraphen mit mannigfachen Erweiterungen eingerichtet;
dieselben fanden auch im Auslande Verbreitung und wurden schließlich in Amerika, wo
das Publicum ein besseres Verständniß dafür hat, welcher Nutzen ihm aus solchen
Einrichtungen erwachsen kann, und sich darum den Constructeuren entgegenkommender
zeigte als bei uns, zur höchsten Ausbildung gebracht. Es werden dort automatische
Melder nicht nur benutzt um Hilfe gegen Feuer zu rufen, sie haben auch in einzelnen
Häusern und Wohnungseinrichtungen ihren Platz gefunden, und je nach dem man sie ein
oder mehrere Mal nach einander in Thätigkeit treten läßt, rufen sie beispielsweise
polizeiliche Hilfe, einen Arzt oder Commissionär herbei. (Vgl. 1876 219 463.)
In verschärftem Maße hat sich nun auch für räumlich geringere Ausdehnungen das
Bedürfniß einer prompten Feuermeldung eingestellt für Gebäude oder Gebäudecomplexe
von erhöhter Feuersgefahr, wie für Fabriksanlagen, Spinnereien, große Lagerräume
brennbarer Stoffe, Theater u. dgl. Hier soll innerhalb einer solchen Anlage von
verschiedenen Punkten aus eine Feuermeldung telegraphisch nach einem Orte abgegeben
werden können, wo ohnedem stets Jemand zugegen ist, und wo dann das nöthigste
Löschmaterial und die Mittel zur Herbeirufung weiterer Hilfe bereit gehalten werden.
Die Herstellung eines derartigen Feuertelegraphen bot nun aber größere
Schwierigkeiten, als dies bei den Einrichtungen in Städten der Fall war. Während
nämlich bei städtischen Feuerwehren das Meldewesen einen ganz wesentlichen Theil des
Löschdienstes überhaupt bildet, die Apparate täglich in Gebrauch kommen und dadurch
in steter Behandlung und gangbarem Zustande bleiben, spielt im andern Falle eine
Feuermeldeanlage gegenüber dem eigentlichen Zwecke des Gebäudes nur eine ganz
untergeordnete Rolle. Würde dieselbe nur dann gebraucht, wenn es wirklich brennt,
also nach einer Ruhe, die vielleicht viele Jahre gedauert hat, so kann man sicher
sein, daß der Apparat verstaubt, die Meldepunkte vielleicht durch Requisiten
verstellt sind, kurz die Einrichtung ihren Dienst versagen wird. Auch hat die
Erfahrung gelehrt, daß etwa durch Anordnung einer von Zeit zu Zeit auszuführenden fingirten
Feuermeldung eine wirksame Controle für die Tüchtigkeit einer solchen Anlage nicht geschaffen werden kann, theils weil dieselbe dem
mit ihr beauftragten Personale zu umständlich und mit der Zeit als nutzlose Arbeit
erscheinen muß, und dann naturgemäß lässig betrieben wird, theils weil sie den Sinn
für die ernste Feuermeldung abstumpft. Glücklicherweise haben nun solche
Baulichkeiten, für die ein Feuertelegraph nothwendig ist, ziemlich ausnahmslos noch
ein zweites Bedürfniß, nämlich die Controle des Wächters, welcher ein- oder
mehrere Male des Tages oder besonders zur Nachtzeit seine Rundgänge auszuführen hat.
Läßt man diese Controle des Wächters, statt wie bisher üblich mittels Controluhren,
durch dieselben Apparate ausführen, welche die Feuermeldung zu vermitteln haben, so
kann bei passender Anordnung dadurch eine Garantie für die Sicherheit des letztern
geschaffen werden. Gleichzeitig wird auch das gewiß sehr kostspielige allnächtliche
Umherwandern des Wächters ungemein in seinem Werth erhöht, ja gewiß in sehr vielen
Fällen überhaupt erst nutzbringend gemacht, wenn dieser, ohne eine einmal entdeckte
Feuerstelle verlassen zu müssen und ohne Zeitverlust, sich Hilfe herbeirufen
kann.
Hr. v. Hefner erläuterte nun, wie der bei Gelegenheit
seines Vortrages vorgeführte Apparat (Fig. 41) die gestellte
Aufgabe löst. Er besteht zunächst aus einer Uhr, welche die Feuer- und
Wächtersignale zum Ausdruck bringen soll und zu dem Zwecke einen in großem Vorrathe
auf der Rolle R eingelegten Papierstreifen p langsam abrollt, ferner aus den kleinen Meldekästchen
M, die an allen Punkten, von welchen aus eine
Feuermeldung möglich sein soll, oder die der Wächter bei seinem Rundgang zu passiren
hat, aufgehängt, durch ihre Farbe für Jedermann kenntlich gemacht und deutlich
numerirt sind. Die Uhr steht mit dem Kästchen durch eine Leitung, welche letztere
alle berührt, unter Zuhilfenahme einer sogen. Erdleitung (oder durch eine
Doppelleitung) in Verbindung, und es mag erwähnt werden, daß in diesem hinsichtlich
der Billigkeit und Sicherheit wichtigen Punkte die Einrichtung einfacher ist als
z.B. bei der sogen. Haustelegraphie, wo jeder einzelne Knopf durch eine besondere
Doppelleitung mit dem Nummerkasten verbunden sein muß.
Aus jedem Kästchen stehen nach unten zwei Knöpfe vor, ein etwas versteckt liegender,
welchen der Wächter zieht, um seine Anwesenheit bei dem Kästchen zu vermerken, und
ein deutlich hervortretender und mit „Feuerglocke“
beschriebener Knopf K, der nur einem etwas kräftigen
Zuge nachgibt und Feuer meldet. Das Ziehen eines Wächterknopfes bewirkt in ähnlicher, aber
einfacher durchgeführter Weise wie bei den vorerwähnten automatischen Feuermeldern
eine Anzahl von kurzen Contactschlüssen, welche für jedes Kästchen eine andere ist
und der dem Kästchen aufgeschriebenen Nummer entspricht. Dadurch wird auf
elektrischem Wege in den erwähnten Papierstreifen p der
Uhr jedesmal eine der Nummer des betreffenden Kästchens entsprechende Anzahl von
Löchern gestochen, deren Verbindungslinie senkrecht zur Bewegungs- und
Längsrichtung des Papierstreifens steht. Gleichzeitig erscheint an der Uhr die
Nummer des betreffenden Kästchens, was jedoch zunächst für die Wächtercontrole von
keiner wesentlichen Bedeutung ist. Während der Wächter zum nächsten Kästchen weiter
geht, rückt der Papierstreifen entsprechend der inzwischen verfließenden Zeitdauer
vorwärts, und die Nadel, welche die Löcher gestochen hat, springt in ihre
Anfangsstellung zurück (wobei auch die vorgeschobene Nummer wieder verschwindet). Es
kommen also die Anfänge aller Punktreihen in gleiche Entfernung von dem Rande des
Papierstreifens zu liegen, und wenn die Anordnung in der Art getroffen wird, daß der
Wächter die Kästchen in der Reihenfolge ihrer laufenden Nummer passirt, so werden
sämmtliche bei einem Rundgange des Wächters gestochenen Löcher auf dem
Papierstreifen die Flächen eines rechtwinklichen Dreiecks bedecken, dessen kurze
Seiten durch das letzte Controlzeichen und eine zum Rande des Streifens parallele
Linie, und dessen lange Seite durch eine schräg über die Breite des Papierstreifens
laufende Punktreihe gebildet ist. Eine vorschriftswidrige Unregelmäßigkeit in der
Arbeit des Wächters wird auch die Regelmäßigkeit dieser Figur stören und beim ersten
Blicke auf dieselbe zu erkennen sein, auch ohne daß es nöthig ist, die einzelnen
Punkte nachzuzählen. Da nun noch die Uhr selbstthätig die einzelnen Stunden durch
Löcher in einer besondern Reihe auf dem Streifen markirt, so wird der Wächter auch
hinsichtlich der Zeit controlirt, und es kann nöthigen Falls auf eine Minute genau
die Zeit nachgewiesen werden, in welcher derselbe sich an den einzelnen Kästchen
befunden hat.
Wird zum Zwecke einer Feuermeldung an einem Kästchen die
„Feuerglocke“ gezogen, so geschieht zunächst ganz dasselbe,
wie bei Abgabe eines Wächtersignals, jedoch mit dem charakterisirenden Unterschiede,
daß der letztgemachte Contact im Kästchen nicht wieder verschwindet. Dadurch bleibt
der elektrische Strom dauernd in der Leitung, bewirkt unter Mithilfe der Uhr die
alsbaldige Einschaltung eines lauttönenden Weckers oder auch eines großen
Läutewerkes, und die an der Uhr deutlich hervorgetretene Nummer verschwindet nicht, sondern bezeichnet dauernd den Ort, von welchem
aus Hilfe verlangt wird. Es kann ferner damit sogar eine selbstthätige Meldung nach einer
Feuerwache der Stadt verbunden werden.
Auf die Einzelheiten, auf welche bei der Construction des Apparates zur Erhöhung
seiner Zuverlässigkeit bedacht zu nehmen war, nicht eingehend, betont der
Vortragende nur, daß der Besitzer oder Verwalter einer feuergefährlichen Anlage,
wenn er sich etwa alle Wochen den von der Uhr geförderten Streifen vorlegen läßt,
mit sehr geringer Mühe sich nicht nur von der Zuverlässigkeit seines Wächters
überzeugen, sondern auch die Beruhigung verschaffen kann, daß sein Feuertelegraph im
Falle der Gefahr sicher seinen Dienst thun wird.
Der Werth einer solchen Feueranlage, wie der automatische Feuermelder überhaupt, ist
begründet durch die Thatsache, daß durchschnittlich nach Ausbruch eines Feuers jede
einzelne der ersten ohne Bekämpfung des Feuers verstreichenden Minuten für die
spätere Ausdehnung des Brandes verhängnißvoll werden kann. Der Vortragende belegt
dies durch einige statistische Angaben aus dem oben erwähnten Berichte von R. v. Fischer-Treuenfeld, namentlich mit dem Hinweise
darauf, daß in London trotz der dortigen, sonst musterhaft organisirten und
eingerichteten Feuerwehr durchschnittlich in den letzten fünf Jahren auf 100 Feuer
10 Großfeuer kamen. London besitzt keine automatischen
Feuermelder, und v. Fischer-Treuenfeld schlägt
daher wohl mit Recht vor, statt oder gleichzeitig mit der projectirten Verstärkung
des Löschcorps automatische Feuermelder einzuführen. Während ferner in Chicago eine
Feuermeldestelle auf 780 Einwohner, in Berlin eine Meldestelle auf 4516 Einwohner,
kommt in London und ähnlich in den übrigen englischen Städten nur eine Meldestelle
auf 52925 Einwohner. Diese Zahlen legen in schlagendster Weise den Nutzen der
automatischen Feuermelder dar; sie sind genommen von ganzen Städten, also von
Complexen, welche nur eine durchschnittliche Feuersgefährlichkeit besitzen; um so
mehr wird ein Apparat, welcher für Anlagen von hoher Feuersgefahr brauchbar ist wie
der hier in Rede stehende an seinem Platze sein.
E–e.