Titel: | Untersuchungen über Weinfälschungen; von . W. Vogel. |
Fundstelle: | Band 225, Jahrgang 1877, S. 596 |
Download: | XML |
Untersuchungen über WeinfälschungenNach den Berichten der
deutschen chemischen Gesellschaft, 1876 S. 1906. Vgl. Gautier 1876 222 372. 475.
Stein 1877 224 329. 533. Bachmayer, 1877 225 98.; von . W. Vogel.
Vogel, Untersuchungen über Weinfälschungen.
Man hat die Schädlichkeit der Weinfärbungsmittel vielfach unterschätzt. Erst
neuerdings ist nachgewiesen worden, daß u.a. Rosanilin in der That nachtheilig auf
den Körper wirkt, selbst wenn es arsenfrei (Ritter und
Felz
Vgl. dagegen Bergeron und Cloüet, 1877 223 105.); auch harmlose Farbstoffe wie Heidelbeere, Kirsche, Malve wirken zwar nicht
gesundheitsschädlich, wohl aber sehr nachtheilig auf die Haltbarkeit des Weines. Der
Malvenfarbstoff ist so zersetzlich, daß eine Probe davon in alkoholischer Lösung
nach Jahresfrist im Dunkeln sich freiwillig entfärbt. Weißweinmost, damit aufgegohren,
wurde bald sauer und kahnig, während eine reine, unter völlig gleichen Umständen
vergohrene und aufbewahrte Mostprobe nicht säuerte. Auch Heidelbeere zersetzt sich
in alkoholischer Lösung bald, wenn auch langsamer wie Malve; noch länger hält sich
Kirsche, am besten aber der Extract der Beere von Ligustrum
vulgare (in der Meißner Gegend Rheinweide genannt). Dann ist in Betracht zu
ziehen, daß ein künstlich, selbst mit einem harmlosen Farbstoff roth gefärbter
Weißwein sich chemisch sehr wesentlich von wirklichem Rothwein unterscheidet durch
die fehlenden Extractivstoffe der Beere, namentlich Tannin, durch das gegenwärtige
Aroma u.s.w.
Verdünnt man eine Probe Wein mit der 9fachen Menge Wasser und versetzt diese
Flüssigkeit mit 1/3 ihres Volums concentrirter Kupfervitriollösung, so werden, wie
bereits Dietrich und Böttger
gefunden, alle reinen Weine entfärbt. Dasselbe Reagens versuchte ich auf Extract von
Heidelbeere, Kirsche, Malve, Rheinweide und Fuchsin haltigen Wein. Heidelbeere blieb
unverändert, Kirschs und Malve und Fuchsin haltiger Wein färbten sich violett,
Rheinweidebeere blau. Die spectroskopische Reaction des Fuchsins wird dadurch nicht
vernichtet.
Merkwürdig ist, daß der alkoholische Extract frischer blauer Weinbeerenhäute mit
CuSO₄ eine intensive violette Färbung wie. Malvenwein lieferte. Dies ist ein
Beweis, daß der Weinfarbstoff durch Gährung in seinen Eigenschaften erheblich
geändert wird. Die spectroskopische Reaction der violetten Flüssigkeiten, welche
durch Wirkung von CuSO₄ auf Beerenextract und Malvenextract entstehen, ist in
Curve 2 (Fig. II S. 599) angegeben. Eine schwache
Färbung mit Ligustrum vulgare kann in dieser Weise nicht
erkannt werden. Man hält wegen der Eigenfarbe des Kupfervitriols die Blaufärbung für
Entfärbung; dagegen ist Ligustrum vulgare leicht
spectroskopisch zu erkennen.
Das Faure'sche Reagens (Gelatin und Tannin, vgl. 1876 219
81) auf reine Weine bewährte sich für Untersuchung stark gefärbter reiner Vöslauer
und Klosterneuburger nicht ganz. Selbst bei Zusatz des a. a. O. empfohlenen
doppelten Quantums der Reagentien trat noch nicht vollständige Entfärbung ein. Auch
der Extract blauer Weinbeerhäute entfärbte sich nicht damit.
Bleiessig habe ich sowohl mit den oben angeführten Farbstoffen in alkoholischer
Lösung, als auch in ihrer Mischung mit Rothwein und Weißwein nach allen Richtungen
hin durchversucht und constatirt, daß dieses Reagens zur Erkennung der Reinheit der
Weine wenig geeignet ist. Sowohl reiner, als künstlich gefärbter Rothwein entfärbten
sich damit und gaben
Niederschläge, deren Farbe kein genügendes Kriterium für die Reinheit des Weines
oder die Erkennung der Natur des Zusatzes von Farbstoff gewährt.
Heidelbeersaft wurde durch Bleiessig (2 Tropfen für 1cc) vollständig entfärbt. Kirschsaft wurde
zum Theil dadurch gefällt, aber bei Gegenwart von Alkohol nicht entfärbt. Somit kann
Bleiessig zur Unterscheidung des Heidelbeer- und Kirschsaftfarbstoffes
dienen.
Auch Weißwein mit Kirschsaft gefärbt, wurde durch Bleiessig nur theilweise
entfärbt.
Weißwein mit Fuchsin gefärbt, wird durch Bleiessig nicht entfärbt. Fernambukabkochung
wird durch Bleiessig gefällt. Somit kann Bleiessig höchstens dienen, um Fuchsin oder
Kirschsaft im Wein zu erkennen. Um die Entfärbung zu erkennen, wartet man, bis der
Niederschlag sich freiwillig abgesetzt hat.
Fuchsin erkennt man jedoch besser durch Schütteln des fraglichen Weines mit Aether,
welcher den fremden Farbstoff aufnimmt. Der bekannte Absorptionsstreifen zwischen
D und E läßt ihn dann
zweifellos erkennen.Fuchsin soll sich mit der Zeit freiwillig ausscheiden und ganz in den
Niederschlag übergehen, der sich bei Rothweinen bildet. In solchem findet
man das Fuchsin durch Extraction mit Aether.
Fig. 1., Bd. 225, S. 598
Fig. I.; I. Reiner Rothwein; II.
Verdünnter Rothwein; Rothwein und NH₃
Alkoholischer Extract blauer Weinbeerenhäute gab folgende Reactionen: dreifach mit
Wasser verdünnt, zeigte er ein Spectrum, ganz ähnlich dem des jungen verdünnten
Weines (Figur I Curve a
II). – Mit Alaun wurde dieselbe bedeutend intensiver in Farbe und
gleichzeitig wurde auch die Absorption stärker. Neue Streifen zeigten sich jedoch
nicht. – Mit NH₃ wurde der verdünnte Extract schön grün, zeigte rothe
Fluorescenz, eine dunkle Farbe und eine erhebliche Aenderung des
Absorptionsspectrums (Figur II Curve 1 : a zeigt die Reaction des verdünnten, b die des concentrirten Extractes). Charakteristisch ist
ein starker Absorptionsstreifen, der vor D anfängt und
bis C reicht und die starke Auslöschung in Blau.Bei einem abgegohrenen reinen Rothweine finden sich von diesen
Absorptionsstreifen nur noch schwache Anzeigen (siehe Figur I Curve b). Mit Weinsäure wurde die Farbe des verdünnten Extractes bedeutend intensiver und er
absorbirte dann mehr Blau. – Mit Bleiessig färbte der Extract sich grasgrün,
mit CuSO₄ nach Böttger behandelt schön violett.
Abgegohrener reiner Rothwein entfärbte sich mit CuSO₄ – ein Beweis der
Aenderung, welche der Farbstoff bei der Gährung erleidet.
Ligustrum vulgare (Rheinweidenbeere) ist sicher von
allen künstlichen Färbungsmitteln das am wenigsten schädliche. Die Farbe, welche es
ertheilt, ist höchst intensiv und haltbarer als andere. Sie ist spectroskopisch
leicht zu erkennen. Die Farbe ist im alkoholischen Extract etwas mehr violett als
die Weinfarbe. Der Spectrum des reinen verdünnten Saftes ist aber sehr bestimmt von
dem des Weines verschieden, durch den Absorptionsstreifen auf D und einen zweiten schwächern auf F, der
jedoch schwerer sichtbar ist (Figur II Curve 3).
Fig. 2., Bd. 225, S. 599
Fig. II.; Blauer Weinbeerenextract
+ NH₃; a verdünnt, b concentrirt; Weinbeerenextract d und CuSO₄;
Rheinweide; d + Weinsäure; Rheinweide und Alaun; – concentrirt; verdünnt;
Rheinweide + NH₃; Wein, gegohren mit Rheinweide, und NH₃
Weinsäure erhöht die Farbe und gibt höchst intensive Absorption, von d bis über Blau hinaus (siehe die punktirte Curve 3 Figur II). Alaun färbt den Extract prächtig blau und
verbreitert den Absorptionsstreifen auf D, während sich
in Grün und Blau die Absorption vermindert (siehe Curve 4). Weinsäure vernichtet
diese blaue Farbe und stellt eine vollkommen weinähnliche her, die auch ein
Weinspectrum liefert. Ganz vorsichtiges Neutralisiren mit verdünntem Ammoniak stellt
die blaue Farbe und den Absorptionsstreifen auf D wieder
her.
Ammoniak färbt den verdünnten Saft schön grün, dann grau und liefert einen
Absorptionsstreifen ähnlich dem des mit NH₃ versetzten Weines (Curve 5 Figur II und Curve b
Figur I). Gelatine und Tannin entfärbt
Rheinweidenextract nur sehr unvollständig.
Weißwein mit Rheinweidenbeeren gefärbt, unterscheidet sich von reinem Rothwein
bereits durch die starke Absorption auf D, die sich durch Alaun noch erhöht
(siehe die punktirte Linie Curve 3 Figur II). Ist
jedoch viel Weinsäure zugegen, so ist das Spectrum weinähnlicher; jedoch sieht man,
daß die Absorption unähnlich dem reinen Wein nach D hin
wächst. Neutralisirt man aber den alaunhaltigen Wein vorsichtig mit NH₃, so
entsteht die oben beschriebene, prächtig blaue Färbung und der dick bei C einsetzende und bis über D
hinausgehende Absorptionsstreifen (Curve 4); hat man zuviel Ammoniak zugesetzt, so
entsteht ein Niederschlag, der aufgerührt ebenfalls den Absorptionsstreifen zwischen
C und D gibt.
Mit Rücksicht darauf, daß ein Weinfarbstoff bei der Gährung erhebliche Aenderungen
erleidet, versuchte ich auch die Veränderungen anderer zur Weinfärbung dienender
Farbstoffe durch Gährung zu erforschen. Ich ließ getrocknete Malvenblätter, wie sie
im Handel zu haben sind, und Rheinweidenbeeren mit Most aus Weißweintrauben
abgähren. Die so erhaltenen Weine, die völlig wie Weißwein schmeckten, wurden näher
untersucht. Der mit Rheinweidenbeeren vergohrene Wein zeigte dreifach mit H₂O
verdünnt, dieselbe Reaction wie der RheinweidenbeerenextractNur der schwache Streifen auf F war schwer
kennbar. (siehe die ausgezogene Curve 3). Anders wirkte jedoch 10procentige
Alaunlösung; 3 Tropfen desselben zu 1cc
Wein färbten denselben nicht intensiver, sondern blässer ohne Aenderung der
spectroskopischen Reaction. Die Ursache dieses vom Extract verschiedenen Verhaltens
ist in dem Gehalt an Säure im Wein zu suchen. – Mit Ammoniak färbte sich der
Wein schön blau, dann intensiv grün und gab dann einen intensiven
Absorptionsstreifen zwischen C und d, noch etwas über d
hinausgehend (Curve 6). Die Reaction ist der des unvergohrenen Farbstoffes (Curve 5)
ähnlich. Der mit NH₃ versetzte Wein nahm mit Essigsäure seine ursprüngliche
Farbe wieder an, erschien jedoch erheblich blässer, zeigte aber den Streifen auf D (Curve 3). Mit CuSO₄ nach Böttger behandelt, wurde der Wein blau, ohne jedoch das Gelb im
erheblichen Grade auszulöschen. Demnach bleiben hie Hauptreactionen der
Rheinweidenbeerenfarbe auch nach der Vergährung kennbar.
Most mit Malvenblättern vergohren, gab einen fuchsinähnlich gefärbten Wein, dessen
Reactionen von denen des Malvenblätterextractes oder damit gefärbten Weines nicht
wesentlich verschieden waren (vgl. 1876 219 78). Beim
Versetzen mit vierfach verdünntem Ammoniak (1 Tropfen auf 1cc genügt) und nachherigem vorsichtigen
Neutralisiren mit Essigsäure bekommt der Wein seine ursprüngliche Farbe wieder, jedoch sehr geschwächt.
Die für Malve charakteristische Alaunreaction kommt aber auch bei diesem Weine
deutlich zum Vorschein. Mit dem Faure'schen Reagens wurden die beiden hier
besprochenen Weine nicht entfärbt. Aus dem Angeführten dürfte zur Genüge
hervorgehen, daß die beiden genannten, zum Färben des Weines benutzten Stoffe durch
die Abgährung mit weißem Most keine wesentlichen Veränderungen erfahren haben.
Ist ein Wein ganz und gar durch Malve oder Rheinweide gefärbt, so ist deren Erkennung
leicht. Enthält er aber zu 3/4 echten Weinfarbstoff und zu 1/4 Malven- oder
Rheinweidenbeerfarbstoff, so macht die Erkennung des fremden Farbstoffes
Schwierigkeiten. Böttger's Reagens ergibt dann bei Rheinweide eine nicht sehr
charakteristische Farbenänderung, die man nur sicher erkennt, wenn man reinen Wem
daneben prüft. Man kann jedoch den beigemengten Farbstoff sicher erkennen, wenn man
den Weinfarbstoff nach Faure durch Tannin und Gelatin
niederschlägt, die Flüssigkeit, welche fast ausschließlich den fremden Farbstoff
enthält, abklären läßt, mit 1 Tropfen vierfach verdünntem Ammoniak neutralisirt, mit
1 Tropfen Essigsäure wieder ansäuert und dann mit Alaun versetzt; es kommen dann die
Absorptionsstreifen der fremden Farbstoffe auf D zum
Vorschein. Die Farbenänderung mit Ammoniak gibt zugleich ein Kennzeichen über die
Natur derselben.