Titel: | Ueber Bleiweiss; von G. W. Wigner und R. H. Harland. |
Fundstelle: | Band 226, Jahrgang 1877, S. 83 |
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Ueber Bleiweiss; von
G. W.
Wigner und R. H. Harland.
Wigner und Harland, über Bleiweiß.
Der größte Theil des in den Handel kommenden Bleiweißes dient zur
Bereitung von Farbe und muß dasselbe, um für diese Anwendung tauglich
zu sein, 1) Deckkraft besitzen, d.h. die zu streichende Fläche
derart bedecken, daß jedes Theilchen derselben dann überzogen
ist; und 2) undurchsichtig sein, damit die ursprüngliche Farbe
des Gegenstandes nicht durchschimmert.
Es ist bekannt, daß das nach der holländischen Methode
dargestellte Bleiweiß (beiläufig 90 Proc. der ganzen Production)
diesen Anforderungen am meisten entspricht; eine andere Methode
beruht auf der Ausfällung des Bleiweißes aus einer Bleilösung.
Das natürlich vorkommende Weißbleierz oder der Cerusit kann mit
Oel zu keiner Farbe angerieben werden; es ist mithin erwiesen,
daß die ältere Ansicht, wonach das Bleiweiß wasserfreies,
metakohlensaures Bleioxyd sein sollte, eine ganz irrige ist. Es
fragt sich nun, welches ist die eigentliche Zusammensetzung des
Bleiweißes, und worauf beruht die verschiedene Güte der
Sorten?
Sehen wir von den Ansichten Watts' und
Lefort's ab, welche den Niederschlag
bei der Fabrikation durch Fällung mit kohlensaurem Ammoniak
bezieh. als wasserfreies und wasserhaltiges metakohlensaures
Bleioxyd ansehen, so finden wir, daß H. Rose zuerst auf die Beimengung von Bleioxydhydrat in dem
Niederschlage aufmerksam gemacht hat. Er gab folgende
Zusammensetzung desselben an: 6 Aeq. Bleicarbonat, 2 Aeq.
Bleioxydhydrat und 1 Aeq. Wasser. Es können sich auch unter
besonderen Umständen, die Rose näher
beschreibt, nachstehende Zusammensetzungen des Niederschlages
ergeben: 5 Aeq. Bleicarbonat + 2 Aeq. Bleioxydydrat, oder 3 Aeq.
Bleicarbonat + 2 Aeq. Bleioxydhydrat.
Die von uns gemachten Versuche lassen uns die Richtigkeit dieser
Annahmen bezweifeln, und ebenso müssen wir der Ansicht Watts' entgegentreten, demzufolge sich
wasserhaltige Bleicarbonate durch die directe Einwirkung von
Kohlensäure auf Bleioxydhydrat bilden und diese Carbonate amorph
und vollständig undurchsichtig seien, während das durch Fällung
erhaltene Carbonat ein Aggregat kleiner, durchscheinender
krystallinischer Körner sei. Wir glauben nach unsern Erfahrungen
nicht, daß die directe Einwirkung von Kohlensäure wasserhaltiges
Carbonat erzeugt, sondern blos eine Mischung oder auch eine
schwache chemische Verbindung von Carbonat mit Hydrat, worin
jedoch beide ihren specifischen chemischen Charakter
beibehalten, so daß bei richtiger Fällung auch eine amorphe,
undurchsichtige Masse entsteht und kein krystallinischer
Niederschlag.
Wir können als Resultat unserer mit fast 1000 Proben angestellten
Untersuchungen feststellen, daß das Bleiweiß kein basisches Carbonat ist, sondern
vielmehr eine Mischung von neutralem
Carbonat mit Bleioxydhydrat, und daß der Werth des Bleiweißes
als Farbe einzig von dem Verhältnisse, in welchem diese
Substanzen mit einander gemengt sind, abhängt,
mag es nun nach der einen oder nach der andern Methode
dargestellt worden sein.
Betrachten wir die extremsten Fälle, so finden wir, daß
Bleioxydhydrat allein mit Oel sich
allerdings verbindet und eine Art Farbe oder vielmehr Firniß
bildet; aber nie wird derselbe die Fläche so decken, daß die
Grundfarbe unsichtbar wird, sondern es wird der Anstrich als
trüber Lack erscheinen. Besteht im entgegengesetzten Falle die
Farbe nur aus Bleicarbonat, so bildet sie mit dem Oel eine
Emulsion, welche, obwohl bis zu einem gewissen Grade
undurchsichtig, doch die Fläche nur unvollständig bedeckt.
Wir sind also zu dem Schlusse gelangt, daß die Mischung von
Carbonat mit Hydrat unbedingt nöthig ist, wenn eine gute Farbe
erzielt werden soll. Die Gegenwart des Bleioxydhydrates bewirkt
die Bildung einer Farbe statt einer Emulsion. Das Carbonat muß
zugegen sein, um der Farbe Deckkraft zu verleihen. Praktisch
haben wir dies auf folgende Weise festgestellt.
Wir rieben reines Bleicarbonat
sorgfältig zu Farbe und fanden, daß es zwar möglich war, die zu
streichende Fläche damit zu überziehen, und daß auch eine
gewisse Deckung erfolgte; aber der Anstrich wurde nicht trocken,
die Grundfarbe der Fläche schimmerte noch durch, und nach
einigen Tagen war der Anstrich so pulverig geworden, daß ein
einfaches Abwaschen bedeutende Mengen desselben hinwegnahm.
Ferner wurde eine Probe reines
Bleioxydhydrat mit Leinöl angerieben. Die so erhaltene Farbe
zeigte keine Deckkraft, sie bildete vielmehr eine Art Firniß,
wie ein Anstrich von Leinöl allein, wenn auch etwas trüber,
verhüllte aber in keiner Weise die Grundfarbe der Fläche.
Daß Leinöl mit Bleioxydhydrat eine wirkliche chemische Verbindung
eingeht, beweist die dabei stattfindende, wenn auch geringe
Wärmeentwicklung.
Nach diesen Versuchen mit den einzelnen Bestandtheilen stellten
wir mehrere hundert andere Versuche mit Mischungen von Carbonat
und Hydrat an und fanden, daß eine gute Farbe nur dann erhalten
werden kann, wenn das Verhältniß dieser beiden Bestandtheile
innerhalb bestimmter Grenzen bleibt. Analysen von einer großen
Anzahl der besten Bleiweißsorten des Handels haben uns dies
bestätigt, und schon Muter in seinem
neuen Werke „Pharmaceutische Chemie“
scheint praktisch das beste Verhältniß erprobt zu haben, d.h. 3
Aeq. Bleicarbonat und 1 Aeq. Bleioxydhydrat, welches ziemlich
genau dem von uns gefundenen entspricht. Diese Thatsachen
scheinen uns auch eine Erklärung dafür bieten zu wollen, weshalb
Zinkweiß, Magnesia, als Carbonat oder Oxyd, und andere ähnliche
Substanzen nicht mit Vortheil als Farben benutzt werden können.
(? W. K.) Das Bleiweiß als Farbe enthält eine wirklich chemische
Verbindung, in welcher ungefähr 75 Proc. des Bleicarbonates
aufgelöst sind, und eine solche Farbe hat unfraglich eine
größere Deckkraft als irgend eine andere bis jetzt bekannte.
So lange man kein Mittel hat, Zinkoxyd oder andere Substanzen in
derselben Weise in einer chemischen Verbindung aufzulösen,
werden diese Farben nie in Dauerhaftigkeit und Deckkraft mit dem
Bleiweiß wetteifern können, und alle Versuche, die man anstellen
würde, um durch Ausfällen des ganzen Bleigehaltes einer Lösung
als Carbonat ein größeres Ausbringen an Bleiweiß zu erhalten,
würden nur eine Farbe von geringerer Deckkraft liefern, als sie
die wirklich echte Waare besitzt. (Nach einem Vortrage in der
Society of Public Analysts durch
Scientific American Supplement, Juni 1877 S.
1187.)
W. K.