Titel: | Ueber die Reinigung des Kesselspeisewassers nach E. de Haën's und E. Rohlig's Verfahren; von Ferd. Fischer. |
Autor: | Ferd. Fischer |
Fundstelle: | Band 226, Jahrgang 1877, S. 94 |
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Ueber die Reinigung des
Kesselspeisewassers nach E. de Haën's und
E.
Rohlig's Verfahren; von Ferd. Fischer.
F. Fischer, über die Reinigung des
Kesselspeisewassers.
Von einer süddeutschen Fabrik erhielt ich neulich eine Probe des
Kesselspeisewassers vor (I) und nach der Reinigung (II) nach der
de Haën'schen Methode, sowie eine Probe des Wassers aus
einem im Betriebe befindlichen Dampfkessel (III) zugeschickt.
1l derselben
enthielt:
I.
II.
III.
Chlor
22mg
78mg
2765mg
Schwefelsäure (SO₃)
55
Spur
147
Salpetersäure (NO₅)
42
41
1260
Salpetrige Säure
Spur
Stark
Sehr stark
Ammoniak
Geringe Spur
Spur
Spur
Organische Stoffe
35
33
0
Magnesia
9
Spur
Spur
Kalk
175
80
2240
Davon durch Kochen
fällbar:
Kalk
141
entsprechend:
Kohlensaures Calcium
252
0
0
Schwefelsaures Calcium
83
Spur
250
Schwefelsaures Natrium
11
0
0
Chlormagnesium
21
Spur
Spur
Chlorcalcium
0
121
4236
Salpetersaures Natrium
66
65
1983.
Das dazu verwendete Chlorbarium, welches von E. de Haën bezogen war, hatte
folgende Zusammensetzung:
Chlorbarium (BaCl₂)
82,18
Chlorcalcium
0,39
Chlormagnesium
Spur
Unlöslich
0,48
Wasser
15,71
Chloralkalien und Verlust
1,24
–––––
100,00.
Das gereinigte Wasser reagirte neutral und enthielt noch
Schwefelsäure, bei der Reinigung war demnach zu wenig
Chlorbarium und Kalk zugesetzt.
Wie mir mitgetheilt wurde, war das Wasser früher mit Natronlauge
gereinigt; man hatte aber nur ein unvollkommenes Resultat
erzielt (vgl. 1876 220 266) und war daher zur
Reinigung mit Chlorbarium und Kalk übergegangen, machte jedoch
die Beobachtung, daß nun Kesselwände, Hähne u.s.w. angegriffen
wurden. Ein mir zugeschickter Nietkopf aus einem Siederohr war
völlig in Eisenoxyd verwandelt. Da Chloride und
Ammoniumverbindungen, sowie auch die Nitrate und Nitrite das
Rosten des Eisens sehr begünstigen, Soda und Kalk aber dasselbe
verhindern (vgl. 1875 218 71) 1876 219 526), so wird dieses starke Rosten der Kesseltheile den
verhältnißmäßig großen Mengen dieser Verbindungen und dem
mangelhaften Kalkzusatz zuzuschreiben sein. Es sollte demnach
dem Wasser stets so viel Kalk zugesetzt werden, daß dasselbe
nach dem Absetzen schwach alkalisch reagirt, so daß rothes
Lackmuspapier nach etwa 1 Minute blau wird; zu großer Ueberschuß
ist natürlich zu vermeiden. Uebrigens dürfte für dieses Wasser
die Reinigung mit Kalk und Soda vorzuziehen sein.
Ein anderes Wasser, welches mir Hr. Dr. M. Heeren zur Untersuchung
übergab, enthielt vor (I) und nach der Reinigung (II) in 1l:
I.
II.
Chlor
142mg
391mg
Schwefelsäure
209
0
Salpetersäure
63
60
Salpetrige Säure
Stark
Stark
Ammoniak
Zieml. stark
Spur
Organische Stoffe
47
39
Baryt
0
53
Magnesia
22
12
Kalk
294
241
Davon durch
Kochen fällbar:
Kalk
137
–
Magnesia
Spur
–
1l des gereinigten
Wassers erforderte zur Neutralisation 5cc,8 Zehntelsäure,
entsprechend 21mg
Calciumhydrat oder 17mg
Magnesiumhydrat. Diesen analytischen Angaben würde folgende
Zusammensetzung entsprechen:
I.
II.
Kohlensaures Calcium
245
0
Schwefelsaures Calcium
354
341
0
Chlorcalcium
33
477
Chlormagnesium
52
0
Chlorbarium
0
72
Magnesiumhydrat
0
17.
Das verwendete Chlorbarium hatte folgende Zusammensetzung:
Chlorbarium
76,75
Chlorcalcium
1,86
Chlormagnesium
Spur
Wasser
19,72
Chloralkalien, Verlust
1,67
–––––
100,00.
Nachdem das vorgewärmte Wasser mit dem Chlorbarium und Kalk
gemischt ist, nimmt die völlige Klärung desselben nur 3 bis 4
Minuten in Anspruch. Irgend welcher Nachtheil auf die
Kesseltheile hat sich, wie bereits früher (1876 220 375) erwähnt, bis jetzt nicht gezeigt; die Reinigung ist
eine vollkommene.
In einer Broschüre von Wirth und Comp. in Frankfurt a. M.Rationelle Wasserreinigungsmethode für alle Arten von Wasser
mittels Bohlig's Magnesiapräparat. wird außer
sonstigen unrichtigen Angaben behauptet, das de Häën'sche
Reinigungsverfahren erfordere ziemlich kostspielige
Einrichtungen, es seien 3 bis 4 Absatzbehälter nöthig, die
Reinigung dauere 6 bis 7 Stunden, jeder Ueberschuß beider
Fällungsmittel wirke außerordentlich nachtheilig auf den Kessel
ein, da er nicht nur das Metall angreife, sondern auch selbst
Kesselstein bilde u. dgl. m. Diese Behauptungen sind völlig aus
der Luft gegriffen, abgesehen davon, daß ein sehr starker
Kalküberschuß allerdings Kesselstein bilden kann (vgl. 1876 220 372). In den mir bekannten Fabriken besteht die ganze
Reinigungsanlage aus zwei schmiedeisernen KästenVerfasser hatte nachträglich Gelegenheit, die
Theerfarbenfabrik von Meister, Lucius
und Brüning in Höchst, unter
freundlicher Führung des Hrn. Dr.
König, eingehend zu besichtigen.
Dieselbe lieferte im J. 1876 140000k Anilinfarbstoffe, ohne
Arsen hergestellt, und 1350000k Alizarin. Das für diese
großartige Anlage erforderliche Kesselspeisewasser, dem Main
entnommen, wird ebenfalls nach dem de Haën'schen
Verfahren in zwei schmiedeisernen Kästen gereinigt. Das Absetzen
des Niederschlages erfordert nur 3 bis 5 Minuten; irgend welche
schädliche Einwirkungen auf die Kessel wurden nicht
beobachtet., die Mischung der Fällungsmittel mit dem
Wasser erfolgt durch Handarbeit oder mittels eines Körting'schen
Gebläses. Daß überschüssiges Chlorbarium keinen Kesselstein
bilden, Kalk den Kessel nicht angreifen kann, liegt auf der
Hand; daß auch überschüssiges Chlorbarium den Kessel nicht
angreift, wurde von Beuther (1876 220 262) nachgewiesen.
Wirth und Comp. empfehlen nun ein neues Kesselsteinmittel,
„Bohlig's
Magnesiapräparat“ genannt. Dasselbe wird
angeblich dem Speisewasser genau angepaßt, schützt die
Kesselwände gegen Rost, beseitigt alten Kesselstein, hält alle
Metallflächen blank u.s.w.
Dr. M. Heeren war so freundlich, mir sowohl hinreichende Mengen
des
bereits erwähnten Brunnenwassers, als auch eine Probe des dafür
bezogenen Magnesiapräparates zur Verfügung zu stellen. Die dafür
erhaltene Gebrauchsanweisung lautet:
Zur vollständigen Reinigung des uns
bemusterten Speisewassers brauchen Sie etwa 1508 Präparat für
1cbm Wasser und bitten
wir Sie, Folgendes zu beachten. Nach den neuesten Versuchen des
Hrn. Bohlig ist es bei gypshaltigen Wässern, wie das Ihrige,
wünschenswerth, die Flüssigkeit nach jeder Beimischung von
Präparat nicht nur 10 Minuten lang tüchtig umzurühren, sondern
auch einen Strom heißer Feuerluft aus
dem Fuchs hindurchzuleiten und sie dadurch
zum Aufkochen zu bringen. Bei kalter Behandlung des Wassers
würden Sie ungefähr das Doppelte (an Präparat) brauchen.
Das Präparat bildet ein weißes, gröbliches Pulver von folgender
Zusammensetzung:
Magnesiumoxyd
71,96
Kohlensaures Magnesium
11,69
Kieselsäure
1,66
Unlösliches
4,31
Wasser
9,67
–––––
99,29.
Zum Vergleich ließ ich mir eine Probe gebrannten Magnesit von Bruck in Frankenstein (Schlesien) kommen.
Derselbe besteht aus:
Magnesiumoxyd
82,97
Kohlensaures Magnesium
7,94
Kieselsäure
2,02
Unlösliches
3,66
Wasser
3,01
–––––
99,60.
Das Magnesiapräparat ist demnach einfach gebrannter Magnesit.
Daß sich Magnesit mit einer Gypslösung in kohlensaures Calcium
und schwefelsaures Magnesium umsetzt, wurde schon von Mitscherlich G. Bischof: Geologie (1846) S. 592. angegeben,
und Findeisen Wagner's Jahresbericht, 1860 S.
255. gründete auf diese Umsetzung bereits ein
Verfahren zur Herstellung von Bittersalz. Magnesiumoxyd entzieht
offenbar den Bicarbonaten des Speisewassers Kohlensäure und
zersetzt sich dann mit den übrigen Calciumverbindungen.
Es wurde nun 1l des
Wassers mit 300mg des
Präparates gut geschüttelt; die Flüssigkeit war selbst nach 15
Stunden noch nicht völlig klar. Ferner wurden 3l Wasser mit 1g Magnesia 10 Minuten
geschüttelt, nach 5 Minuten 200cc abfiltrirt und auf Kalk
geprüft. 1l enthielt
noch 206mg Kalk, nach
ferneren 15 Minuten 182, nach 1 Stunde 171, nach 15 Stunden 119,
nach 2 Tagen noch 53mg
Kalk und 146mg
Magnesia.
Obgleich also ein Ueberschuß an Magnesia angewendet wurde, war
der Kalk selbst nach 2 Tagen nicht völlig entfernt. Ferner war
etwas mehr Magnesia in Lösung gegangen als dem gefällten Kalk,
der nicht als Bicarbonat vorhanden war, entspricht. (157
– 53 = 104mg
Kalk entspr. 74mg
Magnesia.)
Nun wurde 1l mit 150mg Magnesiapräparat 15
Minuten unter langsamem Einleiten von Kohlensäure auf 90 bis
100° erhitzt. Nach 15 Minuten Stehen enthielt 1l noch 167mg Kalk, nach ferneren 30
Minuten 151 und nach 15 Stunden noch 122mg Kalk. Die Einwirkung war
also durchaus ungenügend.
Ferner wurde 1l mit 2g Magnesiapräparat 20
Minuten auf 90 bis 100° erhitzt; selbst nach 30 Minuten
Stehen war die Flüssigkeit nicht völlig klar. Nach einstündiger
Einwirkung enthielt 1l
noch 54mg Kalk, nach 12
Stunden nur noch Spuren Kalk, dagegen 208mg Magnesia.
Ebenfalls unter langsamem Einleiten von Kohlensäure wurde jetzt
1l Wasser mit 5g Magnesiapräparat 10
Minuten zum Sieden erhitzt. Die abfiltrirte Flüssigkeit enthielt
nur noch Spuren von Kalk. Derselbe Versuch mit gebranntem
Magnesit von Bruck ausgeführt, gab
dasselbe Resultat.
Hiernach ist zur völligen Reinigung ein großer Ueberschuß an
Magnesia erforderlich, da nur das staubfeine Pulver rasch zur
Wirkung kommt, während die Hauptmenge der Magnesia nur sehr
langsam sich an der Umsetzung betheiligt.
Zum Vergleich wurde schließlich 1l desselben Wassers mit
Kalkwasser bis zur schwach alkalischen Reaction, dann mit 600mg kohlensaurem Natrium
versetzt und auf 80 bis 90° erhitzt. Die Flüssigkeit war
nach 10 Minuten völlig klar; 1l derselben enthielt 21mg Kalk und nur Spuren von
Magnesia. Die Reinigung war also durchaus befriedigend.
Um die Versuche mit einem zweiten Wasser ausführen zu können, war
Hr. Davids so freundlich, eine
Flasche seines Speisewassers einzuschicken und mir das dafür
erhaltene Probefäßchen Magnesiapräparat zu überlassen. 1l dieses Wassers
enthielt:
Chlor
216mg
Schwefelsäure
294
Salpetersäure
201
Salpetrige Säure
Stark
Ammoniak
Sehr stark
Organische Stoffe
117
Kalk
382
Magnesia
61
Davon durch Kochen
fällbar:
Kalk
294
Magnesia
Spur,
entsprechend:
Kohlensaures Calcium
525
Schwefelsaures Calcium
214
Chlormagnesium
145
Schwefelsaures Natrium
298.
Das dafür von Wirth und Comp. bezogene Magnesiapräparat hatte
folgende (I) Zusammensetzung:
I.
II.
Magnesiumoxyd
80,02
69,1
Kohlensaures Magnesium
10,09
11,9
Kieselsäure, Unlösliches
4,18
4,5
Wasser
5,11
14,0
––––––––––
99,40
99,5.
Unter II ist die Analyse einer dritten Probe Magnesiapräparat
beigefügt, welche mir Hr. Dr. Skalweit mittheilte. Trotzdem dieses
Wasser wesentlich verschieden von dem ersten ist, wurde also
doch dasselbe Präparat eingeschickt,
und zwar offenbar wieder gebrannter Magnesit. Die beigegebene
Gebrauchsanweisung lautet:
Zur vollständigen Reinigung des uns
bemusterten Speisewassers brauchen Sie etwa 150g Präparat auf 1cbm Wasser. Da Ihr Wasser
gypshaltig ist, so muß nach jeder Fällung ein Strom von etwa
290l Feuerluft in die
Flüssigkeit geleitet und dabei tüchtig umgerührt werden.
Es wurde nun 1l des
Wassers mit 400mg der
betreffenden Magnesia gut geschüttelt; nach 2 Stunden abfiltrirt
enthielt 1l noch 196mg Kalk. Ferner wurde 1l mit 5g Präparat 5 Minuten gut
umgeschüttelt, dann ruhig hingestellt. Die Flüssigkeit zeigte
selbst nach 2 Stunden kaum den Anfang einer Klärung. Abfiltrirt
enthielt 1l noch 101mg Kalk.
Nun wurde 1l mit 150mg Magnesiapräparat unter
langsamem Einleiten von Kohlensäure zum Sieden erhitzt; 1l enthielt noch 347mg Kalk. Mit 5g Magnesia in gleicher
Weise 5 Minuten gekocht enthielt 1l nur noch Spuren von Kalk,
dagegen 377mg Magnesia.
Also war auch hier wieder ein starker Ueberschuß zur Fällung des
Kalkes erforderlich.
136g schwefelsaures
Calcium erfordern zur Zersetzung 40g Magnesiumoxyd, 106g kohlensaures Natrium und
208g Chlorbarium. Da in
der Praxis kaum mehr als 50 Proc. des Präparates allmälig zur
Wirkung kommt, Soda und Chlorbarium im Handel meist 80 procentig
ist, so ergeben sich 80g Magnesia, 132g
Soda und 260g
Chlorbarium. 100k
Magnesiapräparat kosten nach den mir vorliegenden Rechnungen 50
M., 100k Soda etwa 20
M., 100k Chlorbarium 20
M. Die Zersetzung von 136g schwefelsauren Kalk würde demnach mit Bohlig's
Magnesiapräparat 4,0 Pf., mit Soda 2,7 und mit Chlorbarium 5,2
Pf. kosten, mit gebranntem Magnesit aus Frankenstein, den ich
nicht von dem Bohlig'schen Präparat zu unterscheiden
vermag, nur 1 bis 1,2 Pf., da 100k desselben in leicht
zerreiblichen Stücken nur 12 M., gemahlen 15 M. kosten. Bei
einem Wasser, welches auch Chlorcalcium oder salpetersaures
Calcium enthält, wird sich Chlorbarium den andern gegenüber
entsprechend günstiger, bei einem solchen, welches, wie das
letzte untersuchte Wasser, Alkalisulfate enthält, aber
ungünstiger stellen. Die Reinigung mit Kalk und Chlorbarium geht
am schnellsten vor sich, wenig langsamer die mit Soda, während
die mit Magnesit die längste Zeit in Anspruch nimmt. Zu
berücksichtigen ist ferner, daß bei der Reinigung nach de Haën und mit Soda die Magnesia
größtentheils entfernt wird, bei der Reinigung nach Bohlig mit Magnesit dagegen wesentliche
Mengen derselben in Lösung gehen. Die mehrfach beobachteten
schädlichen Wirkungen dieser Lösungen auf die Kesselwände (vgl.
1876 220 262) 222 244) lassen die Anwendung dieser Reinigung nicht
unbedenklich erscheinen. Unter Umständen ist aber die Reinigung
mit gebranntem Magnesit, nicht mit dem 3 bis 4 mal so theuren
Bohlig'schen Präparate, der großen Billigkeit wegen gewiß
beachtenswerth.