Titel: | Ueber homogenes Eisen. |
Fundstelle: | Band 226, Jahrgang 1877, S. 164 |
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Ueber homogenes
Eisen.
Ueber homogenes Eisen.
Der im Januar d. J. von Henry Kirk aus
Workington vor der Institution of
Mechanical Engineers in Birmigham gehaltene Vortrag über
die Darstellung von homogenem Eisen, welcher S. 55 d. Bd. im
Auszug wiedergegeben ist, gewinnt dadurch an Werth, daß derselbe
inzwischen auf einer Versammlung zu London von J. L. Bell und Stead
(letzterer Chemiker in Middlesbrough) in seinen wesentlichsten
Punkten einer öffentlichen Besprechung unterzogen wurde, unter
Zuhilfenahme der seitdem auf dem betreffenden Gebiete gemachten
Erfahrungen. Das Resultat dieser Besprechungen, welches sich im
Wesentlichen als eine Bestätigung und Ergänzung der von Kirk aufgestellten Behauptungen
darstellt, mag daher nach Engineering, Juni
1877 S. 439 in Kürze hier folgen.
Es ist im Eingang des Vortrages darauf hingewiesen worden, daß
die körnige Structur des homogenen Eisens an und für sich seine
allgemeine Einführung zu Constructionszwecken erschwert, weil
die betreffenden Ingenieure durchweg an der Idee festhalten, daß
starkes Eisen sehnig sein müsse. Zum Glück mehren sich in
jüngster Zeit Beispiele, welche unwiderleglich das Gegentheil
beweisen. Wie hartnäckig an dem alten Glauben festgehalten wird,
geht aus folgendem Fall hervor: Eine Firma verweigerte die
Annahme von Nieten, weil sie einen stahlartigen Bruch zeigten.
Nach den mit denselben vorgenommenen Festigkeitsproben, ergab es
sich, daß das Eisen, aus welchem sie hergestellt waren, auf 1qc eine Last von über
3900k trug und dabei
eine Ausdehnung von 25 Proc. erlitt. Die zum Versuch gebrauchten
Stäbe waren 305mm lang.
Es ist also unzweifelhaft, daß die Qualität außergewöhnlich gut
war. Trotzdem die Besteller hiervon Kenntniß hatten, nahmen sie
die Nieten nicht an. Bei einem zweiten ganz ähnlichen Fall
weigerten sich die Parteien beharrlich, die Resultate der
Festigkeitsprobe mitzutheilen, obgleich die Abnehmer fortfuhren,
Eisen derselben Qualität zu beziehen.
Wie schon an anderem Ort erwähnt, wird die Sehne häufig künstlich
hervorgebracht, dadurch daß in dem Eisen fein zertheilte
Schlacke zurückbleibt, welche die Krystallausbildung und den
Zusammenhang der einzelnen Krystalle unter sich hindert. Bei
Eisen von sonst schlechter Qualität kann dieser Schlackengehalt
vortheilhaft sein, weil plötzliche Stöße sich dann weniger
leicht durch die ganze Masse fühlbar machen und deshalb weniger
schnell Brüche entstehen. Bei guten Eisensorten dagegen, welche
das Umbiegen, Zusammenschlagen und wieder Aufbiegen vertragen,
ohne
hierbei Brüche zu erleiden, kann ein Gehalt an Schlacke nur
schädlich sein. Eine Firma, welche mit dem Hause Kirk in Geschäftsverbindung stand,
verlangte vor Kurzem, gegen ihre Gewohnheit, plötzlich ein
sehniges weiches Eisen. Trotz der Einwendung, daß solches Eisen
gleichzeitig schwächer sei als das früher bezogene, beharrte sie
bei ihrer Forderung unter der Angabe, daß das vor der Zeit
erhaltene Eisen stets viel stärker gewesen sei, als ihren
Anforderungen entsprach. Ihrem Wunsch zufolge wurde daher ein
Betrieb auf sehniges Eisen eingerichtet, indem man den Zusatz
von Hämatit-Eisen auf 1/5 des gewohnten Quantums verminderte,
oder auch wohl diese Eisensorte ganz fortließ. Das erzielte
Product entsprach dem Aeußern nach allen Anforderungen der
Besteller und wurde fortan bezogen. Nach einiger Zeit ereignete
es sich indessen, daß Schlag auf Schlag Klagen laut wurden über
Brüche der aus dem betreffenden Eisen verfertigten Artikel. Man
war deshalb gezwungen, alsbald wenigstens annähernd wieder zu
der früheren Eisenmischung zurückzukehren, worauf die erwähnten
Uebelstände sofort verschwanden. Versuche, welche mit dem
producirten sehnigen Eisen angestellt wurden, ergaben, daß
dasselbe auf 1qc nur
470 bis 630k trug, und
daß seine Zusammenziehung an der Bruchfläche und der Grad der
Ausdehnung in demselben Verhältniß ungenügend waren. Ein anderer
Uebelstand, welcher durch den Schlackengehalt des Eisens
entsteht, ist die Warmbrüchigkeit; einige vorgelegte Proben,
welche nach stattgefundener Analyse einen bedeutenden
Schlackengehalt zeigten, dienten zum Beweis hiervon.
Ferner wurde in dem Vortrag erwähnt, daß die Darstellung eines
vollständig homogenen Eisens im Puddelofen weder bei Hand-, noch
bei Maschinenbetrieb in zuverlässiger Weise möglich sei, weil
das Eisen in teigigem Zustand verarbeitet werden muß und deshalb
nicht jedes Theilchen in genügendem Maße gereinigt werden kann.
Dieses Uebel wird indessen theilweise durch andere Einflüsse
gemildert. Wie schon mitgetheilt, machen Kohle, Silicium und
Phosphor das Eisen hart. Ein vermehrter Kohlenstoffgehalt macht
es stark, während Silicium und Phosphor es brüchig machen.
Sowohl nach den Mittheilungen von Kirk, als nach dem Vortrag von Bell über die Ausscheidung von Kohlenstoff, Silicium,
Schwefel und Phosphor im Frischfeuer, im Puddelofen und im
Bessemerconverter (vgl. 1877 225 264) 351) besteht eine
gewisse Wechselwirkung zwischen dem Kohlenstoffgehalt des Eisens
einerseits und dem Silicium- und Phosphorgehalt anderseits. Je
höher im gepuddelten Eisen der Kohlenstoffgehalt, um so geringer
ist Silicium und Phosphor und umgekehrt. Bell's Versuche ergaben, daß im Bowling und Kärntener
Roheisen viel Kohlenstoff, dagegen wenig Silicium und Phosphor
vorhanden, während im Cleveland-Eisen das Verhältniß
entgegengesetzt ist, und daß Cleveland-Eisen beim Verpuddeln
verhältnißmäßig doppelt so viel Kohlenstoff verliert als
Bowling-Eisen. Er wies ferner nach, daß wenn Clarence-
(Cleveland-) Eisen so verpuddelt wurde, daß viel Phosphor in der
Luppe zurückblieb, der Kohlenstoff fast auf Null reducirt war,
während Luppen, welche nur halb so viel Phosphor enthielten,
noch 0,07 bis 0,18 Proc. Kohlenstoff zeigten.
Den beim Handpuddelbetrieb stets vorkommenden Unregelmäßigkeiten
gegenüber wurde hervorgehoben, daß der Danks-Puddelofen
außerordentlich gleichmäßige Resultate liefert, wenn auf
stahlartiges Eisen gearbeitet wird, weil diejenigen
Eisentheilchen, welche zuerst garen, zusammenschweißen und einen
Luppenkern bilden, um welchen sich in dem Maße, wie das Eisen
frischt, immer weitere Theilchen ansetzen, bis die ganze Charge
sich als Luppe im Ofen befindet. Eine auf diese Weise gepuddelte
Eisenbahnschiene wurde an beiden Enden und in der Mitte auf
Phosphor untersucht und ergab bezieh. 0,179, 0,178 und 0,176
Proc. Soll dagegen sehniges Eisen im Danks-Ofen erzeugt werden
– Eisen, in welchem der Kohlenstoff auf ein Minimum
gebracht ist, so tritt ein sehr ungünstiges Verhältniß ein, weil
alsdann während der letzten Periode des Processes nur die
Oberfläche der Luppe der Einwirkung von Flamme und Schlacke
ausgesetzt ist, während deren innere Theile sich derselben
theilweise oder ganz entziehen. Hieraus folgt, daß der fertige
Luppenstab in seinen einzelnen Theilen sehr verschiedene
Zusammensetzung zeigen muß. Ein so gepuddelter, 19mm starker Rundeisenstab,
von etwa 5m Länge,
dessen Gewicht 1/30 von demjenigen der ganzen Charge betrug,
enthielt an einem Ende 0,243 und am andern 0,323 Proc.
Phosphor.
Auch die von Stead angestellten
Versuche bestätigen, daß ein geringer Phosphorgehalt sowohl im
Roheisen als im Luppeneisen mit hohem Kohlenstoffgehalt Hand in
Hand geht; daß ferner Kohlenstoff, Silicium und Schwefel bei der
Abkühlung geschmolzenes Eisen eher erstarren machen als
Phosphor. Deshalb begreift es sich auch, daß Eisen mit hohem
Phosphorgehalt im Puddelofen seinen Kohlenstoff reichlicher
abgibt als phosphorarmes Eisen, weil ersteres länger flüssig
bleibt als letzteres.
Sowohl Bell als Stead fanden, daß das Eisen bei sehr hohen
Temperaturgraden, wie solche im Bessemerconverter und im
Siemens-Gasofen vorkommen, begierig Phosphor aufnimmt. Hiermit
mag wohl die Erscheinung zusammenhängen, daß gepuddeltes Eisen
bedeutend an Dualität verliert, wenn gegen Ende der
Charge die Temperatur im Puddelofen sehr hoch gehalten wird.
Dies stimmt auch mit den Erfahrungen, welche Hopkins beim Betrieb des
Danks-Puddelofens gemacht hat. Er fand nämlich, daß das
gepuddelte Eisen, wenn es von der Luppenquetsche in einen
Schweißofen zum Ausglühen gebracht wurde, bei der darauf
folgenden Probe immer Grobkorn und Kaltbruch zeigte. Wurde
dagegen das Eisen nach der Behandlung unter der Luppenquetsche
direct ausgehämmert, so war es stets feinkörnig. Es scheint
also, daß im erstern Falle während des Ausglühens noch
nachträglich eine Aufnahme von Phosphor aus der in der Luppe
enthaltenen Schlacke stattfindet, wobei das Eisen gleichzeitig
an Kohlenstoff einbüßt.
Zum Schluß bemerkte Kirk, daß zu
Constructionszwecken unbedingt kohlenstoffreiches homogenes
Eisen dem weichen sehnigen Eisen vorzuziehen und daß das beste
Eisen auf die Dauer immer das billigste sei; denn es entstehen
bei seiner Verwendung weniger Reparaturen und weniger Brüche,
weil es das stärkste, härteste und dem geringsten Verschleiß
unterworfene ist. Die Folge davon sind Verminderung der
Betriebsstörungen und daher größere Leistungsfähigkeit,
geringere Arbeitslöhne und weniger Aufsichts- und allgemeine
Kosten.
– r.