Titel: | Ueber eine praktische Form des Haarhygrometers; von Dr. C. Koppe. |
Autor: | C. Koppe |
Fundstelle: | Band 226, Jahrgang 1877, S. 297 |
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Ueber eine praktische Form
des Haarhygrometers; von Dr. C. Koppe.
Koppe's Haarhygrometer.
Durch die Versuche von Saussure und
später diejenigen von Gay-Lussac und
Regnault ist hinreichend dargethan,
daß ein Haar, auf angemessene Weise von Fett befreit, dem Grade
der relativen Feuchtigkeit des Raumes, in welchem es sich
befindet, mit großer Regelmäßigkeit folgt, so daß man dasselbe
als Hygrometer benutzen kann. Regnault überzeugte sich durch Versuche, daß gut
construirte Haarhygrometer die relative Feuchtigkeit bis auf
einzelne Procente genau anzugeben im Stande sind; nichts desto
weniger glaubte er vom Gebrauche dieser Art Hygrometer abrathen
zu müssen, da die von ihm benutzten Instrumente zu leicht in
Unordnung geriethen, um, wenn ein Transport derselben
nothwendig, auch nur einigermaßen zuverlässige Resultate
erwarten zu lassen. Dies gilt auch jetzt noch von allen den
Haarhygrometern gegebenen Formen, sowie von allen
Feuchtigkeitsmessern, welche auf den hygroskopischen
Eigenschaften organischer Substanzen beruhen, unter denen das
Haarhygrometer unstreitig am regelmäßigsten arbeitet. Die
Störungen, welche diese Instrumente durch den Transport, die
Witterung, die Zeit u. dgl. erleiden, fallen theilweise dem
Mechanismus zur Last, welcher die durch den Wechsel der
Feuchtigkeit bedingte kleine Verlängerung oder Verkürzung des
Haares zur Anschauung bringen soll, theilweise haben sie ihren
Grund in einer wirklichen Dehnung, d.h. einer von dem
Feuchtigkeitsgrade unabhängigen Aenderung der Länge des Haares.
Ein gereinigtes Menschenhaar hat im Mitte eine Tragkraft von
100g und eine
Elasticität von 33 Proc., d.h. es läßt sich um 1/3 seiner Länge
aus einander ziehen, ehe es zerreißt. Ist es im Haarhygrometer
um eine Achse geschlungen, welche 4mm Durchmesser hat, nimmt
ferner die Scale einen Quadranten ein, und denkt man sich
dieselbe in 100 gleiche Theile getheilt, so entspricht ein
solcher Theil einer Veränderung der Länge des Haares von wenigen
Hundertsteln eines Millimeter, und wenn das Haar selbst einige
hundert Millimeter lang ist, so läßt sich schon voraussehen, daß
auch eine wirkliche Dehnung des Haares, welche eine Verstellung
des Zeigers um mehrere Procente bewirkt, im Vergleich zur ganzen
Länge des Haares so gering ist, daß sie keine wesentliche
Veränderung der hygroskopischen Eigenschaften des Haares
veranlaßt, sondern nur den Nullpunkt der Scale verschiebt. Dies
gilt selbstredend von allen den Verstellungen, welche im
Mechanismus ihren Grund haben, so daß, wenn man für ein Haar die
Procentscale einmal genau bestimmt hat und das Hygrometer in
Folge des Transportes und Gebrauches ganz unrichtig zeigt, man
doch eine ganz identische Procentscale erhält, wenn man dieselbe
durch neue Vergleichungen noch einmal bestimmt. Ein solches
Hygrometer wird daher wieder ganz richtig zeigen, wenn man die
Mittel besitzt, einen Punkt der Scale zu controliren und zu
berichtigen, was durch zahlreiche praktische Versuche
hinreichend bestätigt worden ist. Eine bleibende und wesentliche
Veränderung des Haares ist erst dann eingetreten, wenn dasselbe
eine sehr auffallende Erscheinung zeigt, wenn es nämlich, aus
einem trockenen in einen vollständig feuchten Raum gebracht,
sich nicht verlängert, sondern verkürzt. In diesem Falle ist die
Elasticitätsgrenze überschritten und das Haar unbrauchbar. Man
kann sich hiervon leicht überzeugen, wenn man ein Haar gewaltsam
zerreißt und das eine Ende desselben in ein Hygrometer spannt.
Dies verlängert sich dann, aus dem Trocknen ins Feuchte
gebracht, zuerst ein wenig, verkürzt sich aber unmittelbar
darauf so, daß der Zeiger oft rückwärts über die ganze Scale
geführt wird. Dieselbe Eigenschaft zeigt ein Haar, welches zu
stark belastet ist, je nach dem Grade der Belastung nach
kürzerer oder längerer Zeit, und soll daher die Kraft, mit
welcher ein Haar im Hygrometer gespannt ist, 0g,5 nicht übersteigen.
Dieses Gewicht genügt zwar nicht, das trockene Haar ganz gerade
zu spannen, wohl aber das feuchte, und auch aus diesem Grunde
kann ein transportables Haarhygrometer, bei welchem das Haar
während des Transportes entlastet war, nicht richtig zeigen,
denn das Haar krümmt und kräuselt sich etwas in der Trockenheit,
das schwache Gewichtchen genügt dann nicht, dasselbe wieder ganz
gerade zu spannen, und erst durch Einführen in einen ganz mit
Feuchtigkeit gesättigten Raum wird es wieder auf seine normale
Länge ausgedehnt. Da ein solcher Raum aber im Allgemeinen sehr
selten zur Hand ist, so findet man bei fast allen Hygrometern
das Gewicht, mit welchem das Haar gespannt ist, so groß, daß
hierdurch das Haar binnen Kurzem unbrauchbar
werden muß, wie Saussure durch seine
mühsamen, aber umfassenden Versuche so klar nachgewiesen hat,
daß es wohl verdiente, etwas mehr beachtet zu werden.
Durch fortgesetztes Behandeln mit Aether, Natron, Kali u.s.w.
läßt sich ein Haar ungemein empfindlich machen; doch kann man
hierin leicht zu weit gehen und die Haltbarkeit des Haares
wesentlich beeinträchtigen. Ein zu lange Zeit oder zu energisch
mit Reinigungsmitteln behandeltes Haar wird auch durch das
schwächste Gewicht sehr bald aus einander gezogen und kommt in
einem mit Feuchtigkeit gesättigten Räume nicht zur Ruhe, sondern
verlängert sich immer mehr.
Alle im Vorigen erwähnten Eigenschaften des Haares lassen es
wünschenswerth erscheinen, stets einen mit Feuchtigkeit
gesättigten Raum zur Prüfung und Justirung des Hygrometers zur
Hand zu haben, und diese Ueberlegung hat zu folgender
Einrichtung desselben geführt. Das gut gereinigte und durch
häufiges und wechselweises Einführen aus dem Trocknen ins
Feuchte gut präparirte Haar ist in einen Rahmen von 20 bis 25cm Länge eingezogen. Es
wird gespannt durch eine kleine Spiralfeder aus hartem
Neusilberdraht, deren Kraft durch Einhängen eines Gewichtchens
von 0g,5 in das Oehr,
in welchem der Faden befestigt ist, leicht auf diesen Betrag
genau regulirt werden kann. Man dreht zu diesem Zwecke das
Hygrometer um, hängt das Gewichtchen vorn an die Feder und zieht
diese durch Drehen mit einem Schraubenzieher an oder läßt sie
nach, bis sie grade 0g,5 trägt. Für den Transport ist diese Einrichtung bei
weitem bequemer, als ein beständig angehängtes Gewichtchen; sie
bietet den weitern Vortheil, daß man die Kraft, mit welcher das
Haar gespannt ist, nach Gutdünken reguliren kann. Die Achse
besteht aus Neusilber, um Rost zu vermeiden und die Reibung
möglichst gering zu machen. Sie hat die im Vorigen angegebenen
Dimensionen.
Das ganze Hygrometer ist in ein Blechkästchen gestellt, welches
vorn durch eine Glasscheibe und hinten durch einen Schieber
geschlossen werden kann; vor letzterem ist ein mit dünnem Zeuge
überspanntes Rähmchen in einer Ruth eingeschoben. Soll das
Instrument zu Beobachtungen benutzt werden, so wird das auf das
Rähmchen aufgezogene Gewebe in Wasser getränkt und eingeschoben.
Das Kästchen füllt sich dann in kurzer Zeit vollständig mit
Feuchtigkeit, weil die verdunstende Oberfläche verhältnißmäßig
sehr groß ist, und da sich das Haar seiner ganzen Länge nach in
unmittelbarer Nähe des nassen Gewebes befindet, so wird sich
dasselbe rasch mit Feuchtigkeit sättigen und der Zeiger bis zu
einem Punkte vorrücken, welcher dieser vollkommenen Sättigung
entspricht und dort stehen bleiben. Dieser Punkt sollte der
Theilstrich für 100 Proc. sein; in Folge der Veränderungen des
Instrumentes beim Transport u.s.w. wird es aber in vielen Fällen
nicht zutreffen. Man hat dann nur einen Uhrschlüssel durch das
oben in der Glasscheibe befindliche Loch auf die Achse
aufzusetzen, in welcher das obere Ende des Haares befestigt ist
und durch Drehen den Zeiger auf 100 zu führen. Um die Reibung
der Achse leichter zu überwinden, ist es gut, etwas auf den Fuß
des Hygrometers zu klopfen und von Neuem einzustellen, wenn
durch das Klopfen eine kleine Verrückung des Zeigers
hervorgebracht wird. Dann ist das Instrument justirt und wird,
nachdem man Schieber, Gewebe und Glas fortgenommen, einige
Minuten später den Feuchtigkeitsgrad des zu prüfenden Raumes
richtig anzeigen. Das etwa abgetropfte Wasser läßt sich leicht
beseitigen und kann dieser Art der Justirung eben so wenig zum
Vorwurf gemacht werden, wie das zur Untersuchung des Nullpunktes
eines Thermometers erforderliche Eis dieser letztern. Beide
Methoden der Prüfung haben in mancher Beziehung Aehnlichkeit mit
einander.
Die eben beschriebene Einrichtung des Haarhygrometers bietet den
Vortheil, daß man sich jeden Augenblick auf sehr einfache Weise
überzeugen kann, ob das Instrument noch richtig zeigt, und durch
sie dürfte dieses Hygrometer einen praktischen Werth erhalten,
welchen es vorher in Folge der unvermeidlichen Verstellungen
nicht besaß. Zur Bestimmung der Procentscale ist es nothwendig,
eine längere Vergleichung mit einem Regnault'schen Hygrometer
bei möglichst verschiedenen Feuchtigkeitsgraden vorzunehmen. Am
einfachsten bedient man sich hierzu nach dem Vorgange von Gay-Lussac einer großen Glasglocke, deren
Wände mit den von ihm angegebenen Salzlösungen befeuchtet
werden. Anstatt aber die relative Feuchtigkeit nach dem
specifischen Gewichte der Salzlösung und der jedesmaligen
Temperatur zu bestimmen, ist es bequemer und genauer, ein
Regnault'sches Hygrometer mit unter die Glocke zu stellen, die
Schläuche durch kleine Oeffnungen im Deckel durchzuführen und
nach seinen Angaben den jedesmaligen Feuchtigkeitsgrad zu
berechnen. Ist auf diese Weise im Mittel aus mehreren
Bestimmungen, am besten durch graphische Ausgleichung, die
Procentscale einmal genau bestimmt, so wird man mit einem
solchen Instrumente auf sehr bequeme Weise wissenschaftlich
genaue Resultate erhalten können. Die Controle eines solchen
Hygrometers mit dem Psychrometer ist unzulässig, da die
Unsicherheit in den Angaben dieser Instrumente nach den
Beobachtungen von Regnault und den
ein Jahr lang fortgesetzten und in den schweizerischen,
metereologischen Beobachtungen mitgetheilten Vergleichungen
von Prof. Wolf so bedeutend ist, daß
der Fehler in ungünstigen Fällen, wenn die Temperatur um den
Thaupunkt schwankt, die abnorme Größe von 25 bis 30 Proc.
erreichen kann. In geschlossenen Räumen ist zudem das
Psychrometer gar nicht zu gebrauchen.
Ein so empfindliches Instrument wie ein Haarhygrometer kann
selbstredend nicht unbeschadet allen Witterungseinflüssen
ausgesetzt werden, und auch aus diesem Grunde ist das Kästchen,
in welchem es vor Beschädigungen aller Art und Verunreinigungen
hinreichend geschützt ist, eine nützliche Beigabe. Die Haare
behalten ihre hygroskopischen Eigenschaften, wie aus der
Untersuchung der Haare von Mumien hervorgegangen ist, so lange
Zeit unverändert bei, daß bei einigermaßen guter Behandlung
nicht zu befürchten ist, daß ein solches Instrument zu bald
unbrauchbar werde. Saussure hat seine
Instrumente viele Jahre lang unverändert benutzt. Das häufige
Befeuchten des Haares ist für seine Erhaltung eher nützlich als
schädlich, worauf auch Saussure
ausdrücklich aufmerksam macht.
Einen Umstand möchte ich mir erlauben, noch besonders
hervorzuheben, da er im Allgemeinen zu wenig Beachtung findet.
Der Feuchtigkeitsgehalt der Luft ist in Folge der Production von
Wasserdämpfen durch Verdunstung, Verbrennung, den Lebensproceß
organischer Wesen u. dgl. einem so raschen Wechsel unterworfen
und an verschiedenen Orten in Folge der langsamen Verbreitung
der Wasserdämpfe durch den lufterfüllten Raum so verschieden,
daß nur ein so empfindliches Instrument, wie ein Haarhygrometer,
im Stande ist, diesen fortwährenden Wechsel unmittelbar zur
Anschauung zu bringen. Anderseits muß das Haar, wenn es richtig
functioniren soll, durchaus frei der Einwirkung der umgebenden
Luft ausgesetzt sein. Statt dessen findet man bei den meisten
Hygrometern zum Schutze des Haares in unmittelbarer Nähe
desselben eine Wand angebracht, oder das Haar seiner ganzen
Länge nach mit einer Metallhülse umgeben, oder man hat gar, wie
bei den neuesten Erzeugnissen der Industrie, die
Abgeschmacktheit so weit getrieben, das Haar ganz in ein Gehäuse
einzuschließen und dieses nur mit einigen kleinern Luftlöchern
versehen. Daß solche Instrumente das Hygrometeer in Mißcredit
bringen müssen, ist nur zu natürlich, und doch bewährt sich
immer mehr das Wort Saussure's, der
bereits vor nahe 100 Jahren behauptete: „Man wird,
wenn man alle andern Methoden, die Feuchtigkeit zu messen,
versucht hat, immer wieder zum Haarhygrometer, als dem
bequemsten und empfindlichsten Instrumente dieser Art,
zurückkehren.“ Durch die im Vorigen beschriebene
praktische Einrichtung desselben dürfte ein nicht unwesentlicher
Schritt weiter gethan sein zur allgemeinen Bewahrheitung dieses
Ausspruches. Der Werth eines einfachen und zuverlässigen
Feuchtigkeitsmessers wird in demselben Maße anerkannt werden, in
welchem die Erkenntniß wächst, eine wie wichtige Rolle der
Feuchtigkeitsgehalt der Luft in meteorologischer, sanitärer und
mercantiler Beziehung einnimmt.Die mathematische Werkstätte von
Jakob Goldschmid in Zürich verfertigt
die im Obigen beschriebenen sehr beachtenswerthen Haarhygrometer
zum Preise von 45 Franken. Die nöthigen Zuthaten (wie
Schraubenschlüssel, Gewichtchen und Uhrschlüssel) werden jedem
Instrumente beigegeben.Die Red.
Zürich, im September 1877.