Titel: | Die Unschädlichmachung der Arsenrückstände der Anilin-Farbenfabriken. |
Fundstelle: | Band 226, Jahrgang 1877, S. 317 |
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Die Unschädlichmachung der
Arsenrückstände der Anilin-Farbenfabriken.
Die Unschädlichmachung der Arsenrückstände der
Anilinfarbenfabriken.
Leider werden noch immer zur Ueberführung des Anilinöles in
Fuchsin große Mengen von Arsensäure verbraucht (vgl. 1872 205 267). So arbeitet z.B. auch die Frankfurter Chemische
Farbenfabrik mit Arsensäure unter Wiedergewinnung des Arsens und
liefert hierbei jährlich bis zu 1500t Arsensäure, 75t Fuchsin, 60t Methylviolett, 30t Methylgrün, 30t Blau und 75t Indigocarmin.
Der erste Vorschlag, die Arsenrückstände, vorwiegend
arsenigsaures und arsensaures Calcium, nutzbar zu machen, wurde
von Bolley (1863 168 56) gemacht, nach welchem dieselben mit concentrirter
Salzsäure oder mit Kochsalz und Schwefelsäure destillirt werden
sollten, um so Arsenchlorür zu erhalten. Dieses Verfahren hat
sich ebenso wenig bewährt als die Vorschläge von Stopp, Taburin und Lemaire (1867 184 146) u.a.
Cl. Winkler (Verhandlungen des
Vereines zur Beförderung des Gewerbfleißes, 1876 S. 211) schlug
nun vor, die Mutterlaugen von der Fuchsinkrystallisation mit
Soda zu neutralisiren, den dadurch abgeschiedenen Farbstoff
abzufiltriren und die alles Arsen enthaltende Lösung mit Soda zu
übersättigen. Die alkalische Flüssigkeit wird abgedampft zur
Salzhaut und mit so viel gepochtem Kalkstein und Kohlenpulver
gemischt, daß auf je 100k Na₂HAsO₄ 30k Kalkstein und 25k Steinkohlenpulver kommen.
Das auf diese Weise erhaltene bröcklige Gemisch wird in einem
Muffelröstofen erhitzt; alles Arsen wird reducirt und
verflüchtigt sich als Metall. Will man arsenige Säure gewinnen,
so führt man die Arsendämpfe mit atmosphärischer Luft zusammen,
um sie zu verbrennen. Aus dem Glührückstande zieht Wasser das
Natron als Soda aus, mit welcher neue Mengen Fuchsinlaugen
neutralisirt werden können.
C. A. Martius (Verhandlungen des
Vereines zur Beförderung des Gewerbfleißes, 1877 S. 115)
schreibt dieser Methode keine wesentliche praktische Bedeutung
zu, da durch sie keineswegs die Gefahren beseitigt werden,
welche bei der Aufarbeitung so großer Mengen arsenhaltiger
Massen, wie sie hierbei in Frage kommen, entstehen. Er hebt
folgende Punkte hervor, die gegen die praktische Ausführbarkeit
des Verfahrens sprechen:
1) Das Verfahren läßt die schwarzen, harzigen, stark
arsenikhaltigen Rückstände, welche beim Auslaugen des
Rohfuchsins zurückbleiben und 70 bis 80 Proc. des angewendeten
Anilins betragen, ganz unberücksichtigt.
2) Beim Großbetrieb wird der rückständige kohlensaure Kalt
schwerlich frei von Arsenik zu erhalten sein, sondern einen
neuen arsenikhaltigen Rückstand bilden.
3) Das vollständige Auslaugen der Soda aus dem kohlensauren Kalk
dürfte im Großen sehr schwierig, wenn nicht unmöglich sein.
4) Der Ballast an Kochsalz in den Arsenikmutterlaugen wird sich
nicht vermeiden lassen, wenn nicht eine sehr unvollkommene
Zersetzung des arseniksauren Rosanilins die Folge sein soll. Die
großen Mengen Kochsalz werden die Soda sehr bald für ihren Zweck
unbrauchbar machen, wenn nicht vorher das Kochsalz durch
Aussacken aus der Lauge entfernt wird.
5) Der Verlust an Soda ist auf mindestens 10 Proc., wenn nicht
erheblich mehr, zu veranschlagen.
6) Die angegebene Quantität Kohle ist viel zu gering zur
Abdampfung der Arsenikmutterlaugen bis zu einem
Concentrationsgrade, bei welchem das arseniksaure Natron nach
dem Erkalten erstarren soll.
7) Obgleich sich theoretisch nichts gegen die Methode einwenden
läßt, so spielt doch das unreine Rohmaterial eine so wesentliche
Rolle, daß Versuche mit auf anderm Wege erhaltenem arsensaurem
Natron nicht als entscheidend angesehen werden können. Die
Versuche mit wirklichen Rückständen waren aber nur
Laboratoriumsversuche.
8) Es ist zu erwarten, daß die selbst im abgedampften und
abgeschäumten arseniksauren Natron noch zurückbleibenden
organischen Verbindungen beim Glühen Destillationsproducte
liefern, welche den weißen Arsenik verunreinigen und dann auch
bei der Darstellung von Arseniksäure störend sein werden.
9) Winkler hat endlich ganz
unberücksichtigt gelassen, daß in der That eine
Aufarbeitungsmethode der Arsenikrückstände nicht nur
versuchsweise, sondern im großen und regelmäßigen Betriebe zu
Haan bei Elberfeld längere Zeit in Ausführung war, und daß diese
Methode allen Anforderungen entsprach, die überhaupt bei
Aufarbeitung von so großen Massen arsenikhaltiger Verbindungen
möglich ist. Wenn sich diese Methode trotzdem in der Praxis für
die Nachbarschaft gefährlich erwies, so lag dies eben daran, daß
auch bei noch so großer Sorgfalt Umstände eintreten können, bei
denen selbst die bestgeleitetsten Operationen gestört werden.
–
Die Frage der Verwerthung dieser Arsenrückstände ist hiernach
keineswegs als völlig gelöst zu erachten. Es sollte daher
immermehr darauf hingewirkt werden, die Anwendung von Arsen in
der Anilinfarbenfabrikation überhaupt zu verlassen. Daß dies
praktisch sehr wohl ausführbar ist, zeigt die musterhaft
eingerichtete Theerfarbenfabrik von Meister, Lucius und Brüning in
Höchst, welche bereits seit 1872 ohne Arsen arbeitet und im J.
1876 dennoch 140t
Anilinfarbstoffe versendete (vgl. 1877 226 96 Note 2).