Titel: | Mittheilungen über neue Handfeuerwaffen; von F. Hentsch. Hauptmann a. D. in Berlin. |
Autor: | F. Hentsch |
Fundstelle: | Band 226, Jahrgang 1877, S. 357 |
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Mittheilungen über neue
Handfeuerwaffen; von F. Hentsch. Hauptmann a. D. in
Berlin.
Mit Abbildungen auf Taf. VIII [a/4].
(Fortsetzung von S. 147 dieses
Bandes.)
Hentsch, über neue Handfeuerwaffen.
Gewehrsystem Möller
und Kellner.
Das von den Gewehrfabrikanten Möller
und Kellner in Zella construirte und
unter dem 22. September 1876 patentirte Hinterladegewehr gehört
zur Classe der Blockverschlußgewehre und bildet eine
Vervollkommnung des in England und mehreren andern Staaten zur
Einführung gelangten Martini-Systemes, welchem seinerseits
wieder das Peabody-System zu Grunde liegt.
Figur 21 zeigt den Längenschnitt bei geschlossenem und
abgefeuertem Gewehre, Figur 22
die Ansicht des Schloßbleches von der linken Seite.
Wie bei allen Waffen dieser Gattung ist auf das hintere Ende des
Laufes eine viereckige, oben und unten offene kastenartige Hülse
A geschraubt, welche einen Theil der
Schloß- und Verschlußtheile direct, die übrigen durch das als
Mittelglied dienende Schloßblech B
in sich aufnimmt und den aus zwei getrennten Theilen, den
Vorder- und Hinterschaft, bestehenden Schaft zu einem Ganzen
vereinigt. Das Schraubengewinde für den Lauf ist an der linken
Seite bis zur Höhe der Seelenachse behufs Aufnahme des
Ejectorarmes beseitigt, und setzt sich diese Auslassung durch
den Lauf hindurch bis in das Patronenlager fort. In den
Seitenwänden der Hülse befinden sich die Bohrungen zur Aufnahme
der Ejectorschraube D und des
Verschlußstückbolzens E und an der
untern Kante je eine Auslassung zur Aufnahme zweier Ansätze des
Schloßbleches, von denen die in der linken Seitenwand
befindliche nicht so hoch reicht wie die rechtsseitige. Ueber
ersterer ist die Hülsenwand innen geschwächt, und schiebt sich
dieselbe mit dieser Abschwächung über den obern Theil des linken
Schloßblechansatzes und hinter den Kopf des in dem Schloßbleche
befestigten und dadurch in seinem Lager festgehaltenen
Pivotbolzens F des Hebels G. Im obern Theile der innern Fläche der
hintern Hülsenwand ist eine horizontale Aussenkung in Form eines
Kreisabschnittes angebracht, in welche sich der entsprechend
geformte hintere Theil des Verschlußstückes H legt. Der untere Theil dieser
Hülsenwand ist mit einer durch ihre ganze Stärke
hindurchgehenden, aber nicht ganz bis unten reichenden
Auslassung versehen, welche im untern Theile zur Aufnahme eines
hakenförmigen, das Schloßblech festhaltenden Ansatzes, im obern
Theile zum Durchlassen der Stange J
mit ihrer Feder K bestimmt ist.
Das Verschlußstück H ist, wie die
entsprechenden Theile aller dieser Waffengattung angehörenden
Gewehre, ein viereckiges massives Eisenstück, auf der obern
Fläche mit einer muldenförmigen Aussenkung und der Länge nach
mit einer zur Aufnahme des Schlagbolzens L dienenden Bohrung versehen. An dem hintern Ende befindet
sich in der Mitte der untern Seite eine bis in die
Schlagbolzenbohrung reichende senkrechte Auslassung, um dem
Schlagstücke M den erforderlichen
Raum zur Bewegung zu gestatten. In den zu beiden Seiten stehen
gebliebenen Wänden sind senkrechte Auslassungen angebracht, in
welche die Ansätze a des Hebels G bei dem Oeffnen des Gewehres treten.
Mit dem obern Theile der hintern Fläche, dem Ansatze b, legt sich das Verschlußstück gegen
die hintere Hülsenwand, findet hier also einen Stützpunkt, und
wird dadurch der Druck der Gase auf die Hülse übertragen, der
Pivotbolzen E des Verschlußstückes
also nicht in Anspruch genommen und ein Zerbrechen desselben
verhindert. Quer durch die linke Seite des Verschlußstückes
hindurch, etwa in seiner Mitte, geht eine horizontale Schraube
N, welche den Schlagbolzen L in seinem Lager festhält. Das
Verschlußstück H wird durch den
cylindrischen Bolzen E in der Hülse
und dieser wieder durch eine mit ihrem Kopfe sich in eine an ihm
befindliche Auslassung legende und in der rechten Hülsenwand
befestigte Schraube gehalten. Die letztere besitzt in ihrem
Kopfe eine Auslassung in Form eines Kreisabschnittes,
welcher dem Querschnitte des Pivotbolzens entspricht. Es braucht
also behufs Entfernens des letztern die Schraube nur so weit
gedreht werden, daß der Ausschnitt über dem Bolzen liegt und
dieser dadurch frei wird. Ein gänzliches Ausschrauben der
Schraube ist somit nicht erforderlich.
Der Schlagbolzen L entspricht im
Allgemeinen denjenigen anderer Systeme dieser Art. Derselbe
wird, sobald der Druck des Schlagstückes M gegen seine hintere Fläche aufhört, durch eine
Spiralfeder o zurückgedrückt, und
durch die oben erwähnte Schraube N
derart in seinem Lager erhalten, daß ihm eine Vor- und
Rückwärtsbewegung ermöglicht ist.
Die übrigen Schloßtheile sind an dem Schloßbleche B befestigt, welches zu diesem Zwecke an
beiden Längenseiten aufrecht stehende, zwischen die Seitenwände
der Hülse tretende Backen besitzt. Dasselbe verschließt die
Hülse unten, läßt durch eine Oeffnung den Hebel G nach außen hindurchtreten und wird in
der Art befestigt, daß ein an seinem hintern Ende befindlicher
Ansatz d sich in die Auslassung der
hintern Hülsenwand legt und durch das vordere Ende ihrer
Seitenbacken die Ejectorschraube D
hindurchgeht, welche ihre Befestigung in den Hülsenwänden
findet. Die Seitenwände haben in dem hintern Theile an der
Außenseite je eine Verstärkung, welche in die oben erwähnten
Auslassungen der Hülsenwände passen und dadurch die Lage des
Schloßbleches sichern. An dem vordern Ende des Schloßbleches
wird der Ejector P durch die schon
erwähnte Schraube D befestigt.
Derselbe ist ähnlich wie bei allen Blockverschlußgewehren
geformt und bildet einen zweiarmigen Winkelhebel, unterscheidet
sich aber insofern von den andern, als er nur mit einem Arme die
Patrone an der linken Seite in Höhe der Seelenachse erfaßt. Im
hintern Theile ist durch den Bolzen F der zugleich als Abzugsbügel dienende Hebel G befestigt. Derselbe besitzt an dem
obern Ende zwei aufwärts gerichtete Arme a, welche zur Bewegung behufs Oeffnens und Schließens und
zum Festhalten des Verschlußstückes bei geschlossenem Gewehre
dienen. Zwischen ihnen ist auf dem Bolzen F das Schlagstück M befestigt.
Die vordere Fläche f des Hebels G zwingt das Schlagstück M bei dem Niederlegen des Hebels G die Drehung desselben mitzumachen.
Dadurch, daß die hintere Fläche g
einen Winkel mit f bildet und nach
rückwärts abfällt, ist der erforderliche Raum geschaffen, daß
das Schlagstück M bei dem Heben des
Hebels G in seiner Lage verharren
kann. Der Hebel G wird dadurch in
seiner Lage bei geschlossenem Gewehre erhalten, daß sein
hinteres, nach oben gerichtetes Ende federnd in ein Loch greift,
welches in einer an der untern Seite des Hinterschaftes
angebrachten Eisenschiene sich befindet. Das Schlagstück M besitzt an seinem untern Ende einen
nach vorn gerichteten Ansatz h, auf
welchen die Schlagfeder R von oben
drückt, an seiner hintern Seite einen als Spannrast dienenden
Ansatz i, auf den sich der
Stangenschnabel J bei gespanntem
Gewehre legt. Vor der Auslassung für den Hebel G ist auf dem Schloßbleche mittels einer
Schraube S die Schlagfeder R befestigt; da die Schraube S wegen ihres kurzen Gewindes und ihrer
Schwäche zum Festhalten nicht ausreichen würde, so legt sich auf
das vordere Ende der Schlagfeder R
noch die Schraube D des Ejectors P und hält sie dadurch um so sicherer
fest. Um dies zu ermöglichen und den erforderlichen Raum für die
Schlagfeder R zu schaffen, ist der
untere Theil der rechten Seite des Ejectors weggefeilt. Die
Feder hat aus diesem Grunde auch nicht die Breite des Raumes
zwischen den Schloßblechbacken, sondern nur die Hälfte desselben
erhalten und nimmt an dem vordern Ende den Platz an der rechten
Schloßblechbacke ein. Hinten ist sie nach links geschweift, so
daß sie hier in der Mitte liegt, und entspricht ihre Breite in
diesem Theile der Stärke des Schlagstückes M. Hinter dem Hebel G ist durch einen horizontalen Stift T zwischen den Schloßblechbacken die
Stange J befestigt, welche in der
Rast i des Schlagstückes M durch eine auf ihrer obern Fläche
befestigte Feder, die Stangenfeder K, gehalten wird. Dieselbe legt sich mit ihrem vordern
Ende auf zwei Ansätze m an der
Innenseite der Schloßblechbacken, und indem sie auf diese von
oben drückt, preßt sich die Stange J
auf die Rast i des Schlagstückes M. Der Abzug U entspricht denjenigen des gewöhnlichen
Percussionsschlosses.
Was nun das Zusammenwirken der Schloß- und Verschlußtheile
betrifft, so haben dieselben bei abgeschossenem und
geschlossenem Gewehre folgende Stellung zu einander: Der Hebel
G ist hoch gehoben, seine oberen
Ansätze a stützen das Verschlußstück
H an der untern Seite und erhalten
es damit in gehobener Stellung, so daß es den Lauf nach hinten
verschließt. Der Schlagbolzen L ist
durch das gegen seine hintere Fläche drückende Schlagstück M vorgedrückt und in den Patronenboden
getreten, die Spiralfeder o
zusammengedrückt. Der Ejector P
befindet sich vor dem Patronenbodenwulste, die Schlagfeder R außer Spannung.
Behufs Oeffnens des Gewehres wird der Hebel G niedergedrückt. Hierbei legen sich
seine obern Ansätze a gegen die
hintern Ansätze n des
Verschlußstückes H, drücken sie
zurück und zwingen das letztere zu einer Drehung um seinen
Bolzen E. Das vordere Ende des
Verschlußstückes H geht in Folge
dessen nieder, trifft den horizontalen Arm des Ejectors P, setzt diesen in Thätigkeit, und wird
die Patronenhülse aus der nunmehr frei gewordenen hintern
Lauföffnung ausgeworfen. Wie oben bereits angegeben, muß das
Schlagstück M sich mit dem Hebel G um den Bolzen F drehen und zwar so weit, bis der Stangenschnabel J in die Spannrast i tritt und dadurch das Schlagstück M in seiner Lage festhält. Hierbei hat
sich natürlich der vordere Ansatz h
des letztern gehoben und dadurch die Schlagfeder R angespannt. Da außerdem durch
Entfernen des Schlagstückes M vom
Schlagbolzen L der Druck auf
letzteren aufhört, so kann sich die Spiralfeder o ausdehnen und den Schlagbolzen L zurückdrücken. Nach dem Einführen der
Patrone wird der Hebel G gehoben,
seine obern Ansätze a heben hierbei
auch das Verschlußstück H wieder
hoch und halten es in seiner Lage fest. Das Schlagstück M hat diese Bewegung nicht mitgemacht,
sondern ist in seiner Spannstellung geblieben. Der Ejector P ist in die Auslassung des Laufes
getreten und das Gewehr somit zum Abfeuern bereit. Soll
letzteres geschehen, so wird durch den Abzug U die Kraft der Stangenfeder K überwunden, der Stangenschnabel J aus der Rast i des Schlagstückes M
entfernt, letzteres durch die Schlagfeder R gegen den Schlagbolzen L,
dieser seinerseits nach Ueberwindung des Widerstandes der
Spiralfeder o vor und gegen den
Patronenboden geschnellt und dadurch die Entzündung der Ladung
herbeigeführt. Eine Ruhestellung ist nicht vorhanden.
Die Waffe erfordert somit zum Laden zwei Griffe, nämlich: 1)
Niederlegen des Hebels G und 2)
Heben desselben.
Was nun das Auseinandernehmen und Zusammensetzen des
Schloßmechanismus betrifft, so geschieht dies in folgender
Weise. Nachdem die Halteschraube des Verschlußstück-Bolzens E zur Hälfte eingedreht ist, wird E herausgenommen und das Verschlußstück
H entfernt. Bevor die
Ejectorschraube D gelöst wird, muß
die Schlagfeder R außer Spannung
sein. Ist dies geschehen, so wird die Feder R mittels des Hebels G wieder gespannt und das Schloßblech
B mit Hebel und den an ihn
befestigten Schloßtheilen ausgehakt. Durch Heben der Stange J wird sodann die Schlagfeder R wieder außer Spannung versetzt, der
Pivotbolzen F des Hebels G von links nach rechts herausgezogen,
worauf alle Theile abgenommen werden können. Das Zusammensetzen
geschieht in umgekehrter Reihenfolge und muß hierbei darauf
geachtet werden, daß der Bolzen F
des Hebels fest eingedrückt und die Schlagfeder R außer Spannung gesetzt ist, bevor die
Ejectorschraube D eingeschraubt
wird.