Titel: | Zwei Methoden zur Gewinnung von Zucker aus Melasse; Kalkosmose und Kalk-Kalisulfat-Verfahren; von Dr. H. Schwarz, Professor an der technischen Hochschule in Graz. |
Autor: | H. Schwarz |
Fundstelle: | Band 226, Jahrgang 1877, S. 405 |
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Zwei Methoden zur Gewinnung
von Zucker aus Melasse; Kalkosmose und Kalk-Kalisulfat-Verfahren;
von Dr. H.
Schwarz, Professor an der technischen Hochschule in
Graz.
(Schluß von S. 193 dieses
Bandes.)
Schwarz, über Gewinnung von Zucker aus
Melasse.
Schon vor etwa 15 Jahren, als ich noch Professor in Breslau war,
hatte ich auf Veranlassung eines befreundeten Zuckertechnikers
Versuche angestellt, das Kali aus der Melasse zu fällen. Als
Fällungsmittel hatte ich Weinsäure und Schwefelsäure verwendet.
Um die Absonderung des Weinsteins resp. Kalisulfates zu
vollenden, wurde Alkohol zugesetzt. Während die Melasse im
neutralen Zustande beim Zusatz von Alkohol zur wässerigen Lösung
als dickes ölartiges Magma unverändert herausfällt, schlagen
sich aus der mit obigen Säuren versetzten Melasse nur die Salze
nieder. Die abfiltrirte, stark saure Lösung sollte nun mit Kalk
neutralisirt, der Alkohol abdestillirt, die Melasse eingedickt
und dann mit nahezu absolutem Alkohol versetzt werden. Wenn eine
reine concentrirte Zuckerlösung allmälig mit absolutem Alkohol
versetzt wird, trübt sie sich; es setzen sich käsig erscheinende
Massen zu Boden, die aber beim Stehenlassen, besonders an einem
warmen Ort, in schöne, durchsichtige, regelmäßige
Kandiskrystalle übergehen. Bei der nach Obigem behandelten
Melasse trat auch die käsige Fällung ein, welche aber beim
Stehen nicht in Krystalle, sondern in denselben öligen Syrup
überging, wie ihn die rohe Melasse unter diesen Umständen
liefert. Es lag demnach der Schluß nahe, daß die freigemachte
Melassensäure, nunmehr an Kalk – statt wie früher an Kali
– gebunden, ein genau dem Kalisalze als Melassenbildner
gleichstehendes Kalksalz gebildet habe.
Dies war, wie es sich jetzt herausgestellt hat, ein Irrthum. Bei
den in neuerer Zeit von mir wieder aufgenommenen Untersuchungen
zeigte es sich in der That, daß das Kalk- resp. Magnesiasalz der
Melassensäure die Krystallisation des Zuckers in viel
geringerem Maße behindert als das Kalisalz.
Vor der Hand ging indessen mein Bestreben dahin, die Menge des
melassensaurenIch weiß sehr wohl, daß hier mehrere noch nicht genügend
untersuchte Säuren vorliegen; Melassensäure ist daher nur ein
der Einfachheit halber gewählter Collectivbegriff.
Kalkes dadurch zu vermindern, daß man vor der Sättigung
möglichst viel der freigemachten Säure eliminirte. Dies kann, da
die Säuren, darunter Essigsäure, zum Theil flüchtig sind, durch
Einkochen der sauren Melasse geschehen. Die Inversion soll
dabei, falls nur das Einkochen im Vacuum bei niederer Temperatur
geschieht und blos organische Säuren vorhanden sind, nur in
begrenztem Maße zu fürchten sein. Da mir indessen kein
hinreichend wirksames Vacuum zu Gebote stand, und es sich bei
einem Versuche, wobei der Siedepunkt auf etwa 65°
gehalten wurde, zeigte, daß die Rechtspolarisation rasch abnahm,
ging ich zu Versuchen über, die Säuren durch Ausschütteln mit
Aether, auch mit Fuselöl, zu entfernen. Es gelang hierdurch in
der That etwa 40 Proc. der freigemachten Säuren zu beseitigen.
Es wurde zuerst der Gehalt an freier Säure in der mit
Schwefelsäure und Alkohol versetzten, von dem schwefelsauren
Kali abfiltrirten Flüssigkeit maßanalytisch bestimmt. Fügte man
nunmehr zu der alkoholischen Flüssigkeit Aether und schüttelte
tüchtig, so setzte sich beim Stehen die Melasse als
dickflüssige, braun gefärbte Schicht zu Boden. Das darüber
stehende, wenig gefärbte Alkohol-Aethergemisch wurde durch einen
Scheidetrichter abgeschieden, mit überschüssigem Normalalkali
geschüttelt und nach dem Abdestilliren der Rest des Alkalis
maßanalytisch bestimmt. Diese Bestimmung, sowie die
acidimetrische Prüfung der niedergeschlagenen Melasse zeigten in
der That, daß ein gewisser Antheil Säure vom
Alkohol-Aethergemisch aufgenommen war – eine Entsäuerung,
die sich durch Wiederholung der Operation noch vergrößern ließ.
Als die erhaltenen Natronsalze dann mit überschüssiger
Schwefelsäure destillirt und das saure Destillat mit Barytwasser
neutralisirt wurde, erhielt ich aus dieser Lösung Schüppchen
eines Barytsalzes, dessen Gehalt an Baryt durch Glühen mit
Schwefelsäure ermittelt wurde. Das Gewicht des entstandenen
schwefelsauren Baryts entsprach dem essigsauren Baryt. Wurde die
partiell entsäuerte Melasse nun mit Kalk neutralisirt, der
Ueberschuß an Kalk durch Kohlensäure und Aufkochen beseitigt und
im Oelbade genügend abgedampft, so krystallisirte im
Trockenschranke nach etwa 8 Tagen eine reichliche Menge Zucker
heraus.
Das beste Resultat, eine schon nach 24 Stunden erfolgende
Krystallisation, welche der eines ersten Productes
gleichkam, erhielt ich auf folgendem freilich sehr umständlichen
Wege. Der braune Farbstoff, wie die gummiartige Substanz, die so
charakteristisch für Melasse sind, waren weder durch die
Kalifällung, noch durch das Ausschütteln mit Aether zu
beseitigen. Ich griff daher zu dem so vortrefflich entfärbend
wirkenden basisch essigsauren Bleioxyd. Melasse, mit gleichviel
Wasser verdünnt, wurde so lange mit der zur Polarisation
verwendeten Bleiessiglösung versetzt, bis keine Fällung mehr
erfolgte und das Filtrat hellgelb erschien. Dasselbe wurde, um
das noch gelöste Bleioxyd zum größten Theil zu beseitigen, mit
Kalkmilch versetzt, mit Kohlensäure behandelt und aufgekocht.
Nach dem Abfiltriren von kohlensaurem Kalk und Bleioxyd wurde
die stark entfärbte Lösung wieder auf die ursprüngliche
Concentration gebracht. Sie enthielt den Zucker, die
Melassensäuren und die Essigsäure des Bleisalzes – theils
an Kali, theils an Kalk gebunden. Direct wäre sie natürlich
nicht krystallisirt, da der Gehalt an organischen Salzen sich
noch bedeuterd gesteigert hatte. Es wurde daher Schwefelsäure so
lange zugesetzt, als noch ein Niederschlag von schwefelsaurem
Kali und schwefelsaurem Kalk sich bildete. Durch Alkoholzusatz
wurde die Fällung vervollständigt, und aufs neue abfiltrirt.
Durch das Schütteln mit Aether wurden dann die freigemachten
Säuren zum größten Theile beseitigt, und endlich die
abgeschiedene, unter dem Alkohol-Aethergemisch stehende
Zuckerlösung mit Kalk übersättigt, der Ueberschuß des Kalkes
durch Kohlensäure beseitigt und nach der Filtration zur
Krystallisation eingedampft, die dann auch sehr bald und sehr
vollkommen eintrat.
Ich empfehle den Proceß als ein sehr instructives Beispiel für
die Erläuterung der Melassenzusammensetzung. Es kann natürlich
keine Rede davon sein, diese umständliche und mit theuren
Reagentien arbeitende Methode in die Praxis einzuführen.
Bleisalze sind giftig, Alkohol und noch mehr Aether theuer,
flüchtig und entzündlich. Jede Methode, die z.B. mit starkem
Alkohol experimentirt, muß schon an der nicht zu vermeidenden
Verflüchtigung scheitern.
Ein Gleiches gilt von der Anwendung der Weinsäure zur
Kalifällung, die hier und da vorgeschlagen wurde. Es bleibt für
diese nur die Schwefelsäure übrig. Das schwefelsaure Kali aber
ist für sich immer noch zu löslich, 1 Th. in 10 Th. kaltem
Wasser. Es scheidet sich selbst aus ziemlich concentrirter
Melassenlösung nur sehr unvollkommen aus und gibt überdies einen
so schleimigen Niederschlag, daß man es nur schwer durch
Filtration beseitigen kann. Man wollte es mit schwefelsaurer
Thonerde verbinden und als Alaun fällen, der indessen ebenfalls
noch
zu löslich ist, auch Thonerde in die Melasse bringt, die aus
solchen organischen Verbindungen nicht zu entfernen ist. Endlich
würde man auch zu beträchtliche Mengen schwefelsaure Thonerde
zur Fällung brauchen.5 Proc. KO in der Melasse
erfordern zur Fällung als Alaun etwa 5 Proc. SO₃HO
und 36 Proc. krystallisirte schwefelsaure Thonerde.
Unter diesen Umständen erinnerte ich mich an die Verbindung von
schwefelsaurem Kalk und schwefelsaurem Kali CaO, SO₃ + KO, SO₃ + HO, welche
sich bekanntlich unmittelbar beim Zusammenbringen von Gyps mit
einer Lösung von schwefelsaurem Kali bildet. Diese Verbindung
ist einmal sehr unlöslich im Wasser, ferner neutral und führt
höchstens Gyps als Verunreinigung ein, welcher, obwohl er in
reineren Syrupen natürlich zu vermeiden ist, bei der so wie so
schon stark verunreinigten Melasse nicht viel schaden kann,
außerdem aber den Vortheil großer Billigkeit darbietet.
Der Gang der Operationen gestaltete sich unter diesen Umständen
folgendermaßen: Die Melasse wurde mit 50 bis 60 Proc. Wasser
verdünnt, was unter schwachem Erwärmen geschah. Nach dem
Abkühlen setzte man eine dem Kali äquivalente Menge Aetzkalk und
endlich die zur Fällung sowohl des Kalis, als des Kalkes nöthige
Menge Schwefelsäure zu. Auch diese wurde, um nicht zu zerstörend
am Punkte des Einfallens zu wirken, mit der 2 bis 3 fachen Menge
Wasser verdünnt und gleichfalls die Abkühlung des Gemisches
abgewartet. Zur Ermittlung der nöthigen Menge der Reagentien
ging eine Aschenanalyse der Melassenprobe voraus, welche in der
oben angeführten Art durch Verkohlung u.s.w. durchgeführt wurde.
Es trat dann aber noch eine Analyse des Salzrückstandes hinzu,
bei der es vor allem auf eine genaue Bestimmung des an
Kohlensäure gebundenen Kalis ankam. Auch das an Schwefelsäure
gebundene Kali kann wichtig sein. Es addirt sich zu dem aus dem
organischsauren Kali durch den Zusatz der Schwefelsäure
entstandenen Sulfat.
Im Allgemeinen kann man in der Melasse einen Gehalt von 10 Proc.
an löslichen Salzen annehmen. Wenn man darin etwa 69 Proc.
kohlensaures Kali voraussetzt, geht man im Allgemeinen nicht
irre und kann dann den an organische Säuren gebundenen
Kaligehalt der Melasse mit 4,7 Proc. in Anschlag bringen. Im
Ganzen ging ich von dieser Annahme aus. Das Aequivalent der zur
Sättigung dieses Kalis nöthigen Schwefelsäure wäre 49; da die
käufliche concentrirte Schwefelsäure immer noch etwas Wasser
enthält, so kann man 10 Proc. dieses Hydrates (= 2 Aequivalente)
als die richtige Menge annehmen. Man könnte natürlich auch die
Asche direct mit Normalsäure sättigen und annehmen, daß man zur
Austreibung der organischen Säuren genau so viel Säure braucht
als zur Austreibung der Kohlensäure. Dabei würde aber auch das
Natronsalz mitgerechnet, und da dieses als Sulfat nicht von Gyps
gebunden wird, so ist die Zersetzung des organischsauren
Natronsalzes ohne Werth. Von Kalk benutzte man wieder 1 Aeq. =
2,8 Proc. oder, da er meistens unrein, 3 Proc.
Statt der hier angewendeten 2 Aeq. Schwefelsäure kann man auch
der neutralen Melasse nur 1 Aeq. zur Bildung des Kalisulfates
zusetzen und dann 1 Aeq. fertig gebildeten Gyps zufügen. Ich
schlug den erstern Weg ein, um durch die Bildung des Gypses
gleichzeitig mit dem Kalisulfate innerhalb der Flüssigkeit die
Bildung des Doppelsalzes sicher zu stellen. Man spart indessen
durch den directen Gypszusatz die Hälfte der Schwefelsäure und
vermeidet auch leichter eine locale stärkere Anhäufung der
Schwefelsäure, die zur partiellen Inversion führen könnte.
Der Niederschlag von Kalitalksulfat ist sehr reichlich. Die
Melasse verdickt sich dabei stark und erst nach längerem Stehen
setzt sich etwa 1/3 bis 1/2 der Flüssigkeit klar ab. Man braucht
darauf aber nicht zu warten, da sich der Rest sehr leicht durch
Abfiltriren und Abpressen gewinnen läßt. Es ist ein günstiger
Umstand, daß dieses Doppelsulfat stark krystallinisch ist. Die
abgepreßte Flüssigkeit ist stark sauer; sie wird durch Kalkmilch
neutralisirt, der etwaige Ueberschuß von Kalk durch Kohlensäure
und Aufkochen beseitigt. Bei dem nun folgenden Abdampfen setzte
sich noch etwas Gyps oder vielmehr etwas des Doppelsalzes ab,
was ein nochmaliges Abgießen in eine neue Schale nöthig machte.
Schließlich wurde im Oelbade bis zur starken Fadenprobe
abgedampft. Das eintretende Schäumen ließ sich durch einen
Tropfen Oel leicht in Schranken halten. Die bis zur Fadenprobe
eingedickte Masse, in einem auf 40° erwärmten
Trockenschranke sich selbst überlassen, höchstens von Zeit zu
Zeit etwas umgerührt, ergab nach etwa 8 bis 10 Tagen eine
reichliche Krystallisation, welche schließlich bis zur
dickbreiigen Consistenz fortschritt. Ließ die Krystallisation
allzu lange auf sich warten, so wurde sie bald durch Einrühren
einer Prise Rohrzucker hervorgerufen.
Im Laboratorium war es leicht, die Erwärmung der Melasse durch
die Reaction in Schranken zu halten. Im Großen erschien dies
besonders in den heißen Räumen einer Zuckerfabrik schwieriger,
wenn man nicht umständliche Kühlvorrichtungen anwenden wollte.
Aus diesen Gründen ging ich schließlich zu einer neuen
verbesserten Methode über, welche zwar vielleicht etwas mehr
Chemikalien erfordert, die aber dafür wenigstens in Sachsen,
Schlesien und der Marksehr billig zu stehen kommen. Diese
Modification beruht nämlich auf der Anwendung der schwefelsauren
Magnesia, die ja jetzt in Staßfurt aus dem Kieserit sich so
äußerst wohlfeil herstellen läßt. Ich habe bisher nur mit
krystallisirtem Bittersalz gearbeitet, glaube aber, daß die
Zuckerfabriken wohl thun würden, sich die schwefelsaure Magnesia
aus dem geschlämmten Kieserit durch Auflösen in warmem Wasser
und Abklären herzustellen, vorausgesetzt, daß der Kieserit
hinreichend frei von Kochsalz zu erhalten ist.
Das bei der Zerlegung entstandene schwefelsaure Kali wird durch
Gyps hinweggenommen. Die Flüssigkeit kann hierbei keinen
Augenblick eine saure Reaction annehmen. Man hat nach der
Zerlegung einfach eine Magnesia-, statt einer Kalimelasse; die
melassensaure Magnesia hindert aber die Krystallisation
bedeutend weniger, als das melassensaure Kali. Das Aequivalent
des Bittersalzes ist 123; 12,3 Proc. der Melasse an Bittersalz
fällen 4,7 Proc. KO.
Es tauchte auch der Gedanke auf, statt 1 Aeq. Bittersalz 2 Aeq.
anzuwenden. Auch mit der schwefelsauren Magnesia bildet ja das
schwefelsaure Kali ein Doppelsalz, den bekannten Schönit oder
Pikromerit, der gut ausgebildete Krystalle darstellt. Das erste
Aequivalent schwefelsaure Magnesia sollte das melassensaure Kali
umsetzen, das zweite sollte mit dem entstandenen schwefelsauren
Kali Pikromerit ergeben, den man durch vorsichtiges Abdampfen
oder Anwendung sehr concentrirter Lösungen vor dem Zucker zur
Krystallisation zu bringen hoffte. Bei der relativ hohen
Löslichkeit des Pikromerits blieben diese Versuche indessen ohne
Resultat.
Der Gyps zur Bindung des schwefelsauren Kalis kann entweder in
der Form, wie ihn die Natur liefert, als feinst gemahlener
krystallisirter Gyps, oder auch im gebrannten Zustande, indem
man eine daraus frisch bereitete Gypsmilch in die Melasse
einrührt, oder endlich als fein gepulverter Gußgyps verwendet
werden. Ein wesentlicher Unterschied in der Fähigkeit,
Kalisulfat anzuziehen, stellt sich dabei nicht heraus. Selbst
bei möglichst fein vertheiltem Gyps ist der erhaltene
Niederschlag nicht ganz mit Kalisulfat gesättigt, was
begreiflich ist, da die Aufnahme nur an der Außenfläche der
Gypskrystalle stattfindet. Es erscheint überhaupt unmöglich,
alles Kali auf eine der angegebenen Arten zu eliminiren,
vielleicht weil sich bei Anwendung freier Schwefelsäure saures
schwefelsaures Kali neben unzersetztem melassensaurem Kali
bildet (nach Analogie der Zersetzung des Kochsalzes und des
Salpeters durch Schwefelsäure), oder weil bei Anwendung des
Bittersalzes das melassensaure Kali nur zum Theil
schwefelsaures Kali bildet, das den Rest des Bittersalzes zu
Pikromerit bindet.
Die Resultate einiger im größern Laboratoriums-Maßstabe
ausgeführten Versuche zeigen, wie weit man das Kali entfernen
kann.
1) 400g Melasse wurden mit 1508 Wasser verdünnt, 128 (3 Proc.)
Kalk, mit 508 Wasser gelöscht, zugegeben, endlich 408 (10 Proc.)
Schwefelsäure, mit 808 Wasser vermischt, nach dem Abkühlen
zugesetzt. Durch Abpressen in einer hydraulischen Presse erhielt
ich 1008 feuchten Preßkuchen, welcher durch Austrocknen 15g Wasser verlor, durch
Glühen schwarz wurde und bei directer Analyse 16 Proc. Kali
ergab. Dies macht 4 Proc. der Melasse.
2) Bei einem ganz gleichen Versuche, bei
welchem nur der Kalk in Form einer dünnen, vorher alkalimetrisch
zu 15 Proc. CaO bestimmten Kalkmilch
zugegeben und 60 Proc. der Melasse im Ganzen als Wasser zugefügt
wurde, betrug die Gesammtmenge der Mischung 692g; davon erhielt man durch
Abpressen 575g
Flüssigkeit, 1003 feuchten Preßkuchen und 178 Verlust am Tuch
etc., zusammen 692g.
Die 1003 Preßkuchen verloren durch Glühen bis zum Weißwerden und
SchmelzenDieses Kalikalksulfat schmilzt sehr leicht, schon bei
Rothglut. 33,8 Proc. Es blieben 663,2 oder 16,55
Proc. der Melasse.
Bei der Analyse enthielt dieser Rückstand
57,12 Proc. CaO, SO₃ und
42,88 Proc. KO, SO₃ Es wurden
also 7,096 Proc. der Melasse an schwefelsaurem Kali
abgeschieden, oder 3,83 Proc. Kali, während nach der
angewendeten Schwefelsäure 4,70 Proc. hätten abgeschieden werden
müssen. Die reine Verbindung sollte 56,13 Proc. KO, SO₃ und 43,87 Proc. CaO, SO₃ enthalten.
3) Versuche der Fällung mit Bittersalz. Es
wurden 300g Melasse (=
100 Proc.) gelöst in 90g Wasser (= 30 Proc.), dazu 39g Bittersalz (= 13 Proc.)
gelöst in 60g heißem
Wasser (= 20 Proc.), dazu 25g,8 natürlichen Gyps (= 8,6 Proc.). Es wurde erhalten
71g feuchter Preßling
(= 23,6 Proc. der Melasse); derselbe verlor durch Glühen 44,6
Proc. Im Rückstand blieben 53,4 Proc., welche 28,8 Proc. KO
enthielten; also sind (23,6 × 53,4 × 28,8) : (100
× 100 × 100) = 3,63 Proc. Kali der Melasse
entfernt worden.
4) 300g Melasse (= 100 Proc.), 150g Wasser (= 50 Proc.), 393
Bittersalz (= 13 Proc.) und 308 gepulverter Gußgyps ergaben 908
feuchten Preßling (= 30 Proc. der Melasse), 48 Proc. des
Preßlings Glührückstand, darin 29,03 Proc. Kali, somit (30
× 48 × 29,03) : (100 × 100 × 100) =
4,18 Proc. Kali der Melasse ausgeschieden.
Ich habe einen Versuch im Großen mit der
Schwefelsäure-Kalk-Methode in der Grazer Actienzuckerfabrik,
einen andern freilich überstürzten in der Halle'schen Raffinerie
durchgeführt. Beide Versuche ergaben eine sehr reichliche
Ausscheidung des Kalis; da es aber unmöglich war, die Temperatur
hinreichend niedrig zu halten, so trat Inversion, in Folge davon
schlechtes Kochen und keine Krystallisation ein. Es zeigte sich
bei der Analyse, daß die bearbeitete Melasse, die ursprünglich
13 Proc. lösliche Salze ergeben hatte, nur noch 4,65 Proc. im
Wasser lösliche Aschenbestandtheile enthielt.
Weit günstiger stellte sich ein auf der Zuckerfabrik
Klein-Kletschkau bei Schweidnitz ausgeführter Versuch mit der
zweiten Methode heraus. Ich bin dem Eigenthümer dieser Fabrik,
vor allem aber dem dirigirenden Techniker Hrn. Inspector Beling, für die vorzügliche
Unterstützung, die ich dort gefunden, zu ganz besonderem Danke
verpflichtet.
Es wurden hierbei jedesmal 50 Ctr. Melasse in Arbeit genommen,
welche 44,2 Proc. polarisirte und durch Verkohlen, Auslaugen und
Eindampfen 9,13 Proc. lösliche Salze ergab, die nach der Analyse
zerfielen in
KO, CO₂
6,86
Proc.
der
Melasse
NaO, CO₂
1,07
„
„
„
KCl
0,33
„
„
„
KO, SO₃
0,87
„
„
„
Die 6,86 Proc. KO, CO₂ entsprechen 4,67
Proc. KO.
Hiernach wurden an Bittersalz erfordert 12,3 Proc. Eine kleine
Verunreinigung des Bittersalzes annehmend, wendete ich 12,6
Proc. oder 6,30 Ctr. und aus demselben Grunde beim gemahlenen
Gyps statt 6,8 8,6 Proc. oder 4,85 Ctr. an. Die Melasse wurde in
eine Scheidepfanne gebracht, mit 10 Ctr. Wasser verdünnt und
schwach erwärmt, bis sie vollkommen dünnflüssig geworden war. In
gleicher Art wurde das Bittersalz mit 10 Ctr. Wasser in einer
andern Scheidepfanne gelöst und zur Melasse übergeschöpft. Der
Gyps war etwas stückig, er wurde durch Sieben gleichmäßig in der
Melasse vertheilt und gut umgerührt; die Mischung blieb nun über
Nacht stehen. Am andern Morgen wurde sie in einen Montejus
abgelassen und dann mittels Hochdruckdampf in die Filterpresse
gedrückt. Es liefen etwa 80 Proc. der Flüssigkeit klar ab, die
Kuchen waren zusammenhängend, hielten aber noch so viel Syrup,
daß man etwa 18 Ctr. feuchten Preßling erhielt. Wäre eine
hydraulische Presse montirt gewesen, so hätte man diesen Syrup
wohl noch größtentheils gewinnen können. Ein Ausdecken mit Dampf
erschien nicht räthlich, da man eine Ausscheidung von
schwefelsaurem Kali aus dem Doppelsalze fürchten mußte. In der
Praxis wäre wenigstens ein Gesonderthalten des beim Ausdämpfen
erhaltenen Syrups zu empfehlen, der beim Erkalten reichliche
Mengen schwefelsaures Kali ergeben würde. Die ablaufende
Magnesiamelasse wurde nun in einer offenen Pfanne mit Heizröhren
vorläufig etwas abgedampft, um etwa noch gelösten Gyps
abzuscheiden, dann durch ein Tuch filtrirt und ins Vacuum
eingesogen. Das Kochen darin ging nicht schlechter vor sich als
wie bei gewöhnlicher Melasse. Bei dem ersten Versuch wurde
indessen das Kochen etwas zu zeitig eingestellt, weshalb diese
Portion nur wenig Krystalle ergab. Leider war es nicht
möglich, die eingedickte Masse in einem genügend warmen Raume
krystallisiren zu lassen; dies erscheint durchaus nöthig, um
hinreichend grobe Krystallisation zu erzielen, die sich
natürlich nicht ausbilden kann, wenn der dicke, etwas zähe Syrup
zu frühzeitig erkaltet. Trotz letzteren Uebelstandes wurden aus
der zweiten, etwas stärker eingedickten Melasse etwa 6 Ctr.
Zucker krystallisirt erhalten.
Ich gebe diese letztere Methode der weiteren Prüfung durch
Praktiker anheim.