Titel: | Ueber einige schnell ausführbare Methoden zur Untersuchung der Milch. |
Fundstelle: | Band 226, Jahrgang 1877, S. 418 |
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Ueber einige schnell
ausführbare Methoden zur Untersuchung der Milch.
Schnelle Untersuchung der Milch.
Es ist ohne Zweifel eine Folge der zahlreichen Bestrebungen, den
Lebensmittelverfälschungen wirksam zu begegnen, daß eine ganze
Reihe von Chemikern sich mit der Aufgabe beschäftigt hat, leicht
ausführbare Methoden zur Ermittlung der Verfälschungen
aufzufinden. Namentlich auf dem Gebiet der Milchanalyse sind in
dieser Richtung mehrere Arbeiten zu verzeichnen, welche berufen
scheinen, bei der Milchcontrole eine größere Rolle zu
spielen.
Ritthausen (Journal für praktische
Chemie, 1877 Bd. 15 S. 329) überzeugte sich durch eine Reihe von
Versuchen, daß die Eiweißkörper der Milch: Caseïn, Eiweiß
und Lactoproteïn (nach Millon)
durch Kupferfalz und Kalilauge vollständig gefällt werden, und
gründete darauf folgendes Verfahren der Milchanalyse. 20 oder
10cc Milch werden auf
das zwanzigfache verdünnt, mit 10 bezieh. 5cc schwefelsaurer
Kupferlösung (mit 63g,5
krystallisirtem Kupfervitriol im Liter) versetzt; dann wird
sofort so viel Kalilauge hinzugefügt, als grade zur Zersetzung
der angewendeten Kupfermenge erforderlich ist. Der Niederschlag
setzt sich so rasch ab, daß die überstehende klare Flüssigkeit
mittels eines kleinen Tropfhebers durch ein gewogenes Filter
filtrirt, der Rückstand durch Decantation in kurzer Zeit
ausgewaschen und auf das Filter gebracht werden kann.
Das Filtrat enthält allen Milchzucker und kann zur
Zuckerbestimmung mittels Fehling'scher Lösung benutzt
werden.
Der Kupferniederschlag enthält außer den an Kupfer gebundenen
Proteïnstoffen die gesammte Menge des in der angewendeten
Milch enthaltenen Fettes, das durch wiederholtes Aufgießen von
Aether, bis dieser fettfrei abläuft, gelöst und nach Verdampfung
des Lösungsmittels gewogen werden kann; doch empfiehlt es sich,
den Kupferniederschlag zuvor mit einer geringen Menge absoluten
Alkoholes zu waschen, die am Filter festsitzende Masse mit dem
Platinspatel vorsichtig abzulösen und etwas zu zertheilen. Es
löst dann der Aether bei gewöhnlicher Temperatur die Fette
schnell und vollständig. Die rückständige Masse wird nochmals
mit absolutem Alkohol gewaschen, erst über Schwefelsäure und
dann 1 bis 2 Stunden bei 125° getrocknet und gewogen. Sie
stellt eine hellblaue, leicht zerreibliche Substanz von erdigem
Ansehen dar. Dieselbe wird vorsichtig geglüht, bis die leicht
verbrennliche Proteinsubstanz vollständig verbrannt ist, und der
Gewichtsverlust als Eiweiß berechnet. Hierauf wird der
Glührückstand auf einen Gehalt an Kohle untersucht und, falls
ein solcher gefunden wird, derselbe durch Wägung auf gewogenem
Filter bestimmt und die gefundene Menge der Porteinsubstanz
hinzugerechnet. Nachdem die Trockensubstanz in besonderer Probe
ermittelt, zieht man die Summe der gefundenen Zahlen für
Proteïnsubstanz, Fett und Zucker von der ermittelten
Trockensubstanz ab und hat damit die Menge der Salze; da die
Proteinsubstanz bei dem angegebenen Verfahren aschefrei gefunden
und berechnet wird, so darf diese Differenz, obwohl sie alle
Fehler der einzelnen Bestimmungen mit einschließt, unbedenklich
für den Gehalt der Milch an Aschebestandtheilen in Rechnung
gebracht werden.
Eine andere schnell auszuführende Bestimmung des Caseïns
und des Fettes hat J. Lehmann in
München der Akademie der Wissenschaften in München mitgetheilt.
Nach diesen Mittheilungen, welche noch einiger Ergänzungen über
die physikalische Beschaffenheit der erforderlichen Thonplatten
bedürfen, werden „geeignete“ Thonplatten
(bis jetzt wurden von Lehmann nur bei
einem Muster übereinstimmende
Resultate erzielt), nachdem sie einige Zeit bis auf oder über
100° erhitzt und wieder abgekühlt worden waren, bei
schräger Haltung auf der glatten Oberfläche mit einem dünnen
Strahl Wasser schnell übergossen und auf ein verhältnißmäßig
weites Glasgefäß gesetzt, dessen Boden mit einer dünnen Schicht
concentrirter Schwefelsäure bedeckt ist. Die zu untersuchende
Milch wird dann, nach vorheriger Verdünnung mit genau der
gleichen Gewichtsmenge destillirten Wassers mittels eines
kleinen Spritzglases vorsichtig und in vollem
Zusammenhange auf den Mittlern Theil der Platte aufgetragen und,
um Verdampfung zu vermeiden, mit einem glattrandigen
Glasschälchen bedeckt.
Zur Bestimmung des Gewichtes der zu untersuchenden Milch wird vor
und nach ihrem Auftragen das Spritzglas gewogen. Es genügen etwa
9 bis 10g verdünnter
Milch, um ein ganz sicheres analytisches Resultat zu erhalten.
Das Serum von der verdünnten Milch wird schon nach Verlauf von 1
bis 2 Stunden derart von der Platte eingesogen, daß man den aus
Caseïn und Fett bestehenden Rückstand mittels eines
starken, an der untern Seite gut zugeschärften Hornspatels
abnehmen und in ein gewogenes Uhrschälchen bringen kann. Dieser
Rückstand wird dann bei 105° im Luftbade getrocknet (was
stets nach 2 Stunden vollständig erfolgt ist) und gewogen. Man
erhält auf diese Weise die gesammte Menge Caseïn und Fett
als Trockensubstanz. Um darin jene beiden Bestandtheile getrennt
zu bestimmen, wird die Trockensubstanz, ohne sie vorher
pulverisirt zu haben, mittels einer Pincette auf ein gewogenes,
bei 105° getrocknetes Filter gebracht und zuerst mit
einer kleinen Menge Aether abgewaschen. Ist dies geschehen, so
bringt man sie in einen kleinen, glatten, mit Ausguß versehenen
Glasmörser und pulverisirt sie unter Einfluß einiger Tropfen
absoluten Alkoholes aufs feinste, setzt nun Aether zu, spült sie
damit auf das Filter und wäscht sie bis zu ihrer vollständigen
Befreiung vom Fett aus. Nach Verdampfung des abfiltrirten,
alkoholhaltigen Aethers bleibt in dem vorher gewogenen Kölbchen
das Fett zurück, was nach genügendem Austrocknen gewogen
wird.
Um das Caseïn zu bestimmen, braucht man nur das Filter mit
dem Rückstand wieder bei der oben angegebenen Temperatur so
lange auszutrocknen, bis es nicht mehr an Gewicht verliert. Da
aber in dem Caseïn noch ziemlich beträchtliche Antheile
von Asche enthalten sind, so muß auch diese speciell bestimmt
und in Abrechnung gebracht werden.
Es läßt sich nicht läugnen, daß die Lehmann'sche Methode nur
geringe Zeit in Anspruch nimmt und mehr Anhaltepunkte liefert
als eine Trockensubstanzbestimmung, welche man bis jetzt bei
polizeilicher Controle, wo es sich um schnelle Entscheidung
handelte, allgemein bevorzugte; doch wird eine große
Schwierigkeit in der Beschaffung
„geeigneter“ Thonplatten liegen. Wenn man
– unter Annahme der Größe der Milchkügelchen von
durchschnittlich 0mm,008 – die Beobachtungen von Heeren (1869 193 401) zu Grunde
legt, welcher sie wechselnd von 0,0017 bis zu 0mm,01 fand, so dürften in
den anzuwendenden Thonplatten keine Poren von über 0mm,0017 vorhanden sein
– eine Feinheit, wie sie sich schwer
herstellen lassen wird, ohne daß damit gleichzeitig der
Porosität Eintrag geschieht. Die Thonplatten wenigstens, welche
dem Referenten bis jetzt zur Verfügung standen, gaben trotz
äußerlicher Uebereinstimmung bei derselben Milch viel zu
abweichende Resultate.
Einen weitem Beitrag in dieser Richtung lieferte A. Kaiser
(Schweizerische Landwirthschaftliche Zeitung, nach der
Milchzeitung, 1877 S. 394); derselbe sucht durch die
Feststellung der Differenz der specifischen Gewichte der ganzen
Milch und der blauen Milch die Angaben des Rahmmessers zu
controliren, indem er eine Formel ableitet, durch welche der
Fettgehalt der Milch, ausgedrückt in Gewichtsprocenten, gefunden
wird aus den specifischen Gewichten der ganzen Milch, der Milch
im abgerahmten Zustand, des Milchfettes und des Milchserums. Das
specifische Gewicht des Milchserums wird dem specifischen
Gewichte der Milch im abgerahmten Zustande, vermehrt um 0,0011,
gleich gesetzt. Eine Vergleichung der mit dieser Formel
gefundenen Resultate mit den Resultaten der directen Bestimmung
auf dem Wege der Gewichtsanalyse führt den Verfasser zu dem
Schluß, daß die Differenz der Lactodensimetergrade der ganzen
und abgerahmten Milch um so näher mit dem Procentischen
Fettgehalt der ganzen Milch übereinstimmen, je vollständiger die
Ausrahmung verlief, und daß die Anwendbarkeit dieser Art der
Fettbestimmung abhängig sei von der Genauigkeit, mit welcher die
Bestimmung des specifischen Gewichtes ausgeführt wurde, und von
der Berechtigung der Annahme, daß das specifische Gewicht der
Substanz der Fettkügelchen in verschiedenen Milchsorten nicht
sehr verschieden sei Kaiser arbeitet
daher mit einer Senkwage, welche es gestattet, noch den zehnten
Theil eines „Grades“ (ein Tausendtheil)
abzulesen, und construirt sich ein Instrument, durch das sich
eine vollständigere Entrahmung als im gewöhnlichen Kremometer
erzielen lassen soll, und welches er
„Rahmfilter“ nennt. Die Milchzeitung
bemerkt dazu wohl ganz richtig, daß die Beobachtung der
specifischen Gewichte der Milch im ursprünglichen und im
abgerahmten Zustande sich zwar vortrefflich zur Entdeckung von
verwässerter Milch eigne; ob aber die Versuche, aus derselben
sichere Rückschlüsse auf die
procentische Menge eines der organischen Milchbestandtheile zu
ziehen, von Erfolg begleitet sein können, erscheint bis jetzt
noch zweifelhaft.
S–t.