Titel: | Mittheilungen über neue Handfeuerwaffen; von F. Hentsch. Hauptmann a. D. in Berlin. |
Autor: | F. Hentsch |
Fundstelle: | Band 226, Jahrgang 1877, S. 493 |
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Mittheilungen über neue
Handfeuerwaffen; von F. Hentsch. Hauptmann a. D. in
Berlin.
Mit Abbildungen auf Taf. IX [b.c/4].
(Fortsetzung von S. 361 dieses
Bandes.)
Hentsch, über neue Handfeuerwaffen.
Gewehrsystem Krag
und Peterson.
Zur Bewaffnung der norwegischen Marinetruppen ist in jüngster
Zeit ein Gewehrsystem angenommen, welches insofern äußerst
interessant ist, als es eine Mittelstellung zwischen den
Einzelladern und den Repetirgewehren einnimmt und bis jetzt
einzig dasteht. Da die Erfinder bei diesem Gewehre das
Einschieben der Patrone in den Lauf nicht auch automatisch
ausführen lassen, sondern hierzu ein besonderer Griff
erforderlich ist, so haben sie die Schloßconstruction im
Vergleiche mit den Repetirgewehren außerordentlich vereinfachen
können. Die Constructeure dieser Waffe sind der ehemalige
Lieutenant der norwegischen Artillerie Krag und der schwedische Ingenieur Peterson, und haben dieselben ihrer Waffe im großen Ganzen
das Peabody-Gewehr zu Grunde gelegt.
Was die Construction betrifft, von welcher Fig. 17
den Verticallängenschnitt bei geöffnetem Gewehre, Fig.
18 den vergrößerten Verticalquerschnitt nach der Linie
I–II, Fig. 19
die Ansicht des Ejectors zeigt, so entspricht
der Lauf dem des norwegischen Remington-Gewehres. Derselbe hat
12mm, 17 Kaliber, 6
Züge von 0mm,47 Tiefe
und einen Drall von 80 Laufkalibern Länge. Die Länge des
gezogenen Theiles des Laufes beträgt 900mm. Das Visir ist
abweichend construirt und besteht aus einem Visirfuße mit
treppenartigen Seitenbacken für die Entfernungen bis 350mm bei auf die
entsprechenden Stufen niedergeschlagenem Visire und einem
Quadrantenvisire mit zum Auflegen auf die Stufen des Visirfußes
bestimmtem Schieber. Das Quadrantenvisir wird in den
verschiedenen Stellungen für die Entfernungen von 350 bis 940m gebraucht und nach den an
den Seiten des Visirfußes befindlichen Theilstrichen
eingestellt.
Auf den hintern Theil des Laufes ist die viereckige, kastenartige
Hülse A geschraubt. Dieselbe wird
unten durch das Abzugsblech B
geschlossen, und sind zwischen ihren Seitenbacken der
Verschlußblock C, der Hahn D und der Ejector E befestigt. Das Verschlußstück C sowohl als auch der Hahn D
werden durch Bolzen, um welche sie sich in verticaler Richtung
drehen können, gehalten und diese ihrerseits am Herausfallen
dadurch verhindert, daß ein an der linken äußern Seite der Hülse
in ihrer Mitte durch eine Schraube gehaltene Scheibe sich auf
sie legt. Wird die Halteschraube der Scheibe etwas gelockert, so
kann letztere sich drehen, wodurch die Bolzen frei und nach
dieser Seite hin herausgenommen werden. Der Ejector E ist durch eine Schraube befestigt,
welche zugleich das Abzugsblech B
mit dem vordern Theile in der Hülfe A festhält, während den gleichen Zweck an seinem hintern
Ende die Kreuzschraube erfüllt.
Das Verschlußstück C entspricht im
Allgemeinen demjenigen des Peabody-Systemes, unterscheidet sich
aber in einigen wichtigen Einzelheiten von ihm. Zunächst hat die
obere muldenförmige, zum Einführen der Patrone bestimmte
Auslassung a eine Aenderung
erfahren, indem ihr vorderer Theil eine tiefere Aussenkung
erhalten hat, welche genau die Länge der Patrone besitzt und im
hintern Theile scharf abgesetzt ist. Bei dem Oeffnen wird in
dieselbe die neue Patrone aus dem Magazine geschoben, ein
Heraustreten einer zweiten Patrone aus letzterm aber dadurch
verhindert, daß ihre Längenabmessung genau derjenigen der
Patrone entspricht. An der untern Seite im hintern Theile ist
eine kreisförmige Querauslassung b
zur Aufnahme eines ebenso geformten Hahnhebels c, welcher bei dem Oeffnen der Waffe in
die Auslassung b eintritt, und
hinter dieser ein Haken d
angebracht, gegen welchen der Hebel c wirkt. Vor dieser Auslassung b hat die untere Fläche f die
Gestalt eines Kreisabschnittes, dessen Mittelpunkt die Achse des
Pivotbolzens des Hahnes D bildet,
sobald das Gewehr geschlossen ist. An dem vordern Ende der
untern Fläche besitzt das Verschlußstück einen Ansatz, welcher
bei geschlossenem Gewehre das Heraustreten der Patronen aus dem
Magazine verhindert. An der linken Seite ist eine Auslassung,
deren Rand bei dem Oeffnen des Gewehres den horizontalen Arm des
Ejectors E trifft.
Der Schlagbolzen F liegt wie bei dem
ersten Peabody'schen Modelle in einer Auslassung der rechten
Seite des Verschlußstückes C, trifft
den Patronenboden an der rechten Seite, und wird demzufolge eine
Patrone mit Randzündung angewendet. Letztere Einrichtung ist
dadurch bedingt, daß die Waffe ein Magazingewehr ist. Bei
Centralfeuerpatronen wäre eine Selbstentzündung der Patronen im
Magazine durch Gegenstoßen der Geschoßspitze gegen die in dem
Centrum des Bodens liegende Zündvorrichtung der vor ihr
befindlichen Patrone zu befürchten. Die Vor- und
Rückwärtsbewegung des Schlagbolzens wird dadurch begrenzt, daß
er an seinem hintern Ende eine ovale Querauslassung besitzt,
durch welche der Verschlußstückbolzen hindurchgeht. Endlich hat
er in seinem hintern Ende an der untern Seite einen
hakenförmigen Ansatz, gegen welchen bei dem Oeffnen der Waffe
der Hahnhebel c drückt, wodurch er
so weit zurückgeführt wird, daß seine Spitze nicht mehr über die
vordere Fläche des Verschlußblockes C hervorsteht und Anlaß zu Selbstentzündungen gibt.
Der Hahn D besteht aus einer
verticalen, in der Mitte der Hülse liegenden Eisenplatte, welche
an dem obern Ende einen nach rechts hervorstehenden horizontalen
Ansatz g mit Griff zur Handhabung
besitzt. Die vordere Fläche dieses Ansatzes dient als
Schlagfläche. Nach hinten besitzt der Hahn einen Ansatz h, welcher die obere Hülsenöffnung
hinter dem Schlagstücke bei abgeschossenem Gewehre verschließt.
An seiner untern Seite sind die Spann- und Ruherast angebracht
und an der vordern Seite der oben angeführte, als Hebel dienende
Ansatz c mit kreisförmige Form
besitzendem Kopfe, welcher zum Bewegen des Verschlußstückes C bestimmt ist. An der hintern Seite
endlich befindet sich ein Ansatz, gegen welchen von unten die
Schlagfeder wirkt. Ein quer durch das hintere Ende der Hülse
hindurchgehender Stift H begrenzt
das Niederlegen des Hahnes nach hinten.
Die Schlagfeder G ist eine
zweiarmige, auf dem Abzugsbleche liegende Feder, deren unterer
Arm in eine Vertiefung des letztern tritt, deren oberer Arm
gegen den Hahn drückt.
Der als Stange dienende Abzug J wird
in dem Abzugsbleche mittels einer Schraube befestigt und
entspricht dem eines gewöhnlichen Percussionsgewehres. Gegen
einen an seiner vordern Seite befindlichen Ansatz wirkt von
unten die zweiarmige Stangenfeder.
Der Ejector E erfaßt die Patrone in
Höhe der Seelenachse, aber nur an der linken Seite. Derselbe ist
schmal und nimmt nicht wie bei den sonst gebräuchlichen Waffen
dieser Art den ganzen Raum zwischen den Seitenwänden der Hülse
ein. Der Grund für diese abweichende Construction liegt darin,
daß der Ejector im letztern Falle die Magazinöffnung verdecken
würde. Im Uebrigen ist er wie die anderen ein zweiarmiger Hebel.
An der vordern Seite seines senkrechten Armes besitzt er einen
federnden Ansatz i, wodurch er bei
dem Oeffnen der Waffe die zum Auswerfen der Patrone
erforderliche federnde Bewegung erhält.
Das Magazin liegt senkrecht unter dem Laufe und besteht aus einer
nach hinten geöffneten, dünnern Metallröhre. Der untere Theil
der hintern Fläche derselben steht weiter nach rückwärts hervor,
und hat letztere die Gestalt eines Kreisabschnittes, dessen
Mittelpunkt die Pivotbolzenachse des Verschlußstückes ist. Die
Röhre nimmt 10 Patronen und einen nach rückwärts geschlossenen,
vorn offenen, mit einem umgebogenen Rande am vordern Ende
versehenen hohlen Cylinder auf. Durch Gegenlegen des Randes
gegen eine Verengung der Röhre wird das Heraustreten des
Cylinders nach hinten verhindert. In den letztern tritt von vorn
eine in dem Magazin liegende Spiralfeder und sucht ihn stets
zurückzudrücken. Um das Magazin abzusperren, ist an der rechten
Seitenwand der Hülse ein in senkrechter Richtung beweglicher
Schieber L angebracht, welcher hoch
geschoben dasselbe schließt, niedergeschoben die hintere
Oeffnung freilegt.
Was nun die Handhabung der Waffe betrifft, so nehmen die Schloß-
und Verschlußtheile bei geschlossenem und abgeschossenem Zustand
folgende Stellung ein: Der Verschlußblock C verschließt den Lauf, der Ejectoransatz liegt vor dem
Patronenbodenwulste, der Schlagbolzen F ist vorgedrückt, gegen seine hintere Fläche legt sich
der Hahn D, dessen Hebelarm c wiederum gegen die geschweifte Fläche
f des Verschlußblockes C drückt und letztern in geschlossener
Lage erhält. Der vordere Ansatz des Verschlußblockes verhindert
das Heraustreten einer Patrone aus den Magazinen nach hinten,
der Abzug J ist aus den Rasten
getreten. Soll das Gewehr als Magazingewehr benutzt werden, so
ist der Schieber L niedergeschoben,
das Magazin somit hinten geöffnet. Der Hahn D wird nach rückwärts mit seinem Griffe
g fast bis auf den Kolbenhals
niedergelegt und zwar bedeutend weiter, als zum Eintreten des
Abzuges J in die Spannrast
erforderlich ist, also überspannt. Die Schlagfeder G erhält dadurch starke Anspannung. Der
Hebelarm c des Hahnes gleitet
hierbei an der geschweiften Fläche f
des Verschlußblockes C hoch, tritt
in die Auslassung b des letztern,
legt sich gegen den Haken d und
zwingt das Verschlußstück zu einer Drehung um seinen
Bolzen, also zum Niedergehen seines vordern Theiles. Zugleich
drückt der Hebel c auch den
Schlagbolzen F zurück, so daß dieser
mit seinem hintern Ende über die hintere Fläche des
Verschlußstückes etwas hervortritt. Bei dem Niedergehen des
letztern gleitet seine vordere Fläche an der hintern des
Magazines nieder. Ist der Hahn D
überspannt, so hat sich die Aussenkung a hinter die Magazinröhre gelegt. Es kann nun eine Patrone
aus dieser austreten, und wird durch die Spiralfeder eine solche
in die Aussenkung des Verschlußblockes geschoben. Während dieses
Vorganges hat aber auch das vordere Ende des Verschlußblockes
den Ejector E getroffen, in
Thätigkeit versetzt, und wird die leere Hülse nach hinten
ausgeworfen. Läßt man nunmehr den Hahn D los, so wird er durch die Schlagfeder G nach vorn gedreht und das
Verschlußstück C gehoben; doch kann
sich letzteres nicht ganz heben, da der Ansatz l des Ejectors E sich über dasselbe gelegt hat und durch den federnden
Ansatz i in dieser Stellung erhalten
wird. Der Abzug J tritt somit auch
noch nicht in die Spannrast, sondern bleibt zwischen ihm und
letzterer noch ein Spielraum. Jetzt schiebt man die Patrone mit
dem Daumen vor und in den Lauf, wobei der Ejector E mitgenommen und sein Ansatz l auf seinen Platz im Laufe gebracht
wird. Der nunmehr freie Verschlußblock C wird durch den Hebelarm c
des Hahnes gänzlich gehoben und der Lauf dadurch hinten
geschlossen. Hierbei schiebt sich der Hahnhebel c unter die geschweifte Fläche f der untern Seite des Verschlußblockes
und hält diesen in seiner Lage fest. Das Gewehr ist jetzt zum
Abfeuern bereit. Erfolgt nun ein Druck auf den Abzug J, so wird dieser aus der Spannrast
entfernt, der Hahn D schnellt vor,
sein Hebelarm c gleitet an der
geschweiften Fläche f des
Verschlußblockes entlang, sein oberer Seitenansatz g trifft den Schlagbolzen F, treibt ihn vor, und die Entzündung
der Patrone erfolgt. Die Ruhestellung entspricht derjenigen
eines gewöhnlichen Percussionsgewehres.
Will man das Gewehr als Einzellader benutzen, so wird der
Sperrschieber L hochgeschoben, das
Magazin dadurch abgesperrt, bei dem Laden die Patrone aus der
Patrontasche genommen und in den Lauf geschoben. Alles Andere
bleibt unverändert.
Um das Magazin zu laden, wird der Hahn D niedergelegt, überspannt und in dieser Stellung mit der
rechten Hand erhalten, während man mit der linken die Patronen
von hinten in die Magazinröhre schiebt, wobei ihre Spitzen nach
vorn gerichtet sind. Hierbei ist darauf zu achten, daß man jede
Patrone nicht ganz hineinschiebt, sondern sie etwas nach hinten
hervorstehen läßt und erst durch die folgende ganz einführt.
Dadurch ist es möglich gemacht, die rechte Hand von dem Hahn D zu entfernen, ohne daß dieser seine
Lage verändert, und die ganze Operation zu erleichtern. Nach
Füllung des Magazins und gänzlichem Hineinschieben der letzten
Patrone wird durch den Hahn D und
die Schlagfeder G das Verschlußstück
C wieder gehoben.
Das Gewehr erfordert somit zum Laden zwei Griffe: 1) Niederlegen
des Hahnes, wobei das Gewehr geöffnet, die Hülse der
abgeschossenen Patrone ausgeworfen und die neue Patrone in die
Aussenkung des Verschlußblockes geschoben wird; 2) Einführen der
Patrone, welcher Griff bei allen Einzelladern erforderlich ist,
und automatisches Schließen der Waffe.
Der Schaft besteht aus zwei getrennten Theilen. Der Vorderschaft
ist etwas stärker wie gewöhnlich, da sich in ihm das Magazin
befindet. Derselbe wird durch 3 Ringe mit dem Laufe verbunden.
Ein Ladestock ist nicht vorhanden, und wird der Lauf mittels
eines im Tornister aufgerollt mitzuführenden Rohrstockes
gereinigt. Das Gewehr hat eine Länge ohne Bajonnet von 1358mm, mit Bajonnet 1841mm; das Gewicht beträgt
ohne Bajonnet 4k,35,
mit demselben 5k,10.
Die Patrone ist 35g,8
schwer, ihre Hülse aus Kupfer gefertigt. Das Geschoß besitzt
23g,7 Schwere, 12mm,61 Kaliber, 1mm,95 Länge. Die Belastung
des Querschnittes mit Blei auf 1qc beträgt 0g,204. Die Pulverladung ist
4g,08. Was die
ballistischen Leistungen betrifft, so beträgt die
Anfangsgeschwindigkeit 381m, die Streuungsradien der bessern Hälfte der Schüsse sind
auf 300, 600 und 900m
bezieh. 77, 168 und 270cm.
Was nun die Beurtheilung des Gewehres betrifft, so zeigt es eine
glückliche Lösung der Aufgabe, Repetirgewehr und Einzellader zu
verbinden. Der Mechanismus ist sinnreich und einfach; auch
könnte man die Federn auf eine beschränken, wenn man den untern
Arm der Schlagfeder zugleich als Stangenfeder functioniren
ließe. Ein Uebelstand ist, daß das Auseinandernehmen des
Mechanismus das Lösen einer Anzahl Schrauben erfordert; doch
ließe sich dies nach dem Vorbilde des bayerischen
Werder-Gewehres leicht beheben. Im Allgemeinen muß aber die
Waffe als durchaus kriegsbrauchbar bezeichnet werden, und kann
dieselbe eine bedeutende Feuergeschwindigkeit ergeben.