Titel: | Die Speisewasserreinigung mittels Magnesiapräparat; von G. Bohlig. |
Autor: | G. Bohlig |
Fundstelle: | Band 226, Jahrgang 1877, S. 527 |
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Die Speisewasserreinigung
mittels Magnesiapräparat; von G. Bohlig.
Bohlig, über Speisewasser-Reinigung mittels
Magnesiapräparat.
Die Magnesia (MgO) ist, meinen
zahlreichen Versuchen zufolge, welche ich seit mehr als einem
Jahr mit Wässern aller Art vorgenommen, ein äußerst rationelles
Wasserreinigungsmittel, welchem, was Billigkeit, Einfachheit der
Manipulation und sichere Wirkung betrifft, von keinem andern
Verfahren der Rang streitig gemacht werden kann.
Es wird jeder Techniker einräumen, daß allen seitherigen
Verfahren mindestens der eine große Mangel der Umständlichkeit
anhaftet; bei den jetzigen Methoden sind beide, ganz
verschiedene, zur Verwendung kommende Fällmittel im Wasser
löslich, müssen also mit Sorgfalt jeder neuen Wassermenge
zugewogen werden, wie es bei Kalk und Chlorbarium, Aetznatron
und Soda u.s.w. der Fall ist.
Die gebrannte Magnesia (MgO) ist im
Wasser so gut wie unlöslich; hierdurch ist es möglich, dieselbe
auf längere Zeit hin in die Reinigungsbehälter in Vorrath zu
geben. Der ungeheure Vortheil für die Praxis liegt auf der Hand.
Jede Controle fällt weg; sobald nur nach jeder frischen Füllung
des Behälters tüchtig aufgerührt wird, ist man seiner
gewünschten Wirkung sicher. Aller Kalk ist als kohlensaurer Kalk
ausgefällt und für den im Wasser vorhandenen Gyps ist die leicht
lösliche schwefelsaure Magnesia eingetauscht. Wir werden später
die ausgezeichnete Wirkung dieses Salzes auf den alten
Kesselstein der Dampfkessel besonders betrachten.
Die chemische Wirkung der Magnesia ist derjenigen des Kalkes
höchst ähnlich; sie fällt wie jener aus den Wässern die
Erdbicarbonate des Kalkes und der Magnesia, Eisenoxyd, Thonerde,
Kieselerde aus ihren Verbindungen. Sie zersetzt aber weiters
auch den Gyps, indem sämmtliche durch
Absorption aus den Erdbicarbonaten entstandene kohlensaure
Magnesia sich mit diesem sofort umsetzt in kohlensauren Kalk und
schwefelsaure Magnesia. Daß der vorhandene Gehalt aller
Dolomit-Wässer an Magnesiabicarbonat meinem Verfahren bezüglich
der Ausfällung des Gypses noch nebenbei zu Gute kommt, ist
wichtig genug.
Denken wir uns ein Wasser von der Zusammensetzung MgO, (CO₂)₂ + 2 (CaO,
SO₃), so würde dies durch Zusatz von MgO vollkommen von seinem Kalk befreit.
Wenn 1cbm Wasser
enthält 42 kohlensaure Magnesia in CO₂ gelöst, und 136 Gyps, so würden nur 20
Magnesiumoxyd gebraucht, oder 30 meines gebrannten Magnesits. An
Chlorbarium allein würde 1cbm dieses Wassers brauchen 262 × 5/4 = 328. Im ungünstigsten Falle aber stehen 30 meiner Reinigungsmasse zu
164 rohen Chlorbarium.
Nach diesen Ausführungen erübrigt noch eine Antwort auf die
Cardinalfrage, welche die Praxis meiner Reinigungsmethode
stellen muß: Ist die Wirkung des Magnesiumoxydes auch fähig,
ihre absorbirende Wirkung so schnell zu äußern, um in der kurzen
Zeit eines Umrührens von 5 Minuten allen Kalk des Wassers
auszufällen?
Es ist dies in der That der Fall, wenn man die Natur des Mittels
berücksichtigt und danach verfährt. Das Anhydrid der Magnesia
(MgO) nimmt bekanntlich das Wasser
nur langsam an, und doch muß dies der Kohlensäure-Absorption
vorausgehen. Bei Anwendung von geglühter Magnesia, auch durch
das feinste Sieb getrieben, können gröbere Partikelchen tagelang
unter Wasser liegen, ehe sie zu Hydrat, also wirkungsfähig
werden. Dieser Umstand würde aber nur dann störend sein, wenn
man gezwungen wäre, beim Reinigen einer jeden Wassermenge auf
die völlige Hydratbildung der gebrannten Magnesia warten zu
müssen.
Meine Anweisung zur praktischen Ausführung des Versuches lautet:
„Das Reinigungsbassin erhält so viel Präparat auf einmal, wie das für einen Monat hinter
einander darin zu reinigende Wasserquantum der Rechnung nach
verlangt. Diese Menge an Präparat wird besonders von mir
angegeben.“ Ergibt also z.B. die Analyse, daß ein
fragliches Wasser für 1cbm 120g Magnesia
bedarf, so erhält das betreffende Bassin, falls täglich 10cbm zureinigen wären, 120
× 10 × 30 = 36k, mit wenig Wasser zu einer Milch angerührt, auf einmal.
Es ist weiter keine Controle nöthig als tüchtiges 5 Minuten
langes Umrühren nach jeder Bassinfüllung mit frischem Wasser. Es
ist klar, daß für die ersten Tage der große Ueberschuß sichere
Fällung des Kalkes bewirken muß; in dem Maße, als dieser aber
geringer wird, bildet sich Magnesiahydrat, welches mit größter
Begierde Kohlensäure anzieht, wie der Kalk. Bis gegen Ende des
Monats sind auch die gröbsten Theilchen des Anhydrids
absorptionsfähig und thun ihre Schuldigkeit.
Würde nun Jemand, dem eben Ausgeführten entgegen, 1l dieses Wassers mit 12mg 10 oder 20 Minuten lang
schütteln, so liegt es auf der Hand, daß selbst nach 15 Stunden
das Wasser nicht völlig, resp. nur zum kleinsten Theil kalkfrei
sein kann; dieser Versuch hat indeß nicht das geringste zu thun
mit meiner Methode, in der Praxis das Wasser zu reinigen.
Daß die Gegenwart verschiedener Salze, besonders der Alkalien,
die völlige Ausfällung des kohlensauren Kalkes etwas behindert,
ist eine bekannte Thatsache; dieser Vorwurf trifft
aber die Kalk-, Soda- und Magnesia-Methode gleichheitlich.
Mit dem Absetzen hat es eine ähnliche Bewandtniß; nur ist
dasselbe höchstens das erste Mal so, daß die Flüssigkeit nicht
wasserhell erscheint, das zweite und dritte Mal schon ist das
Absetzen selbst in der Kälte bis zur Glanzhelle in Zeit von 30
Minuten gediehen, wie es die Praxis zur Genüge beweist und wie
es schon der Umstand erklärt, daß es ja der Hauptsache nach
immer dieselben Molecüle sind, welche aufgerührt werden und die
frisch gebildete Menge kohlensauren Kalk einhüllen und
niederreißen.
Eine weitere Frage an die Magnesia-Methode ist diese: wie stellt
sich dieselbe den eigentlichen Gypswässern gegenüber, in welchen
die Erdbicarbonate oft sehr zurücktreten? Hier bedarf es einer
Magnesia mit genügendem Kohlensäuregehalt. Dies ist nun freilich
nicht zu erreichen durch Zumischen von
rohem Magnesit zu geglühtem. Derselbe setzt sich mit einer
Gypslösung nicht um, wenigstens nicht
entfernt in einer praktisch brauchbaren Weise. Es läßt sich also
hierauf weder meine Gypsfällung noch eine Herstellung von
Bittersalz begründen. Ich würde es freudig begrüßt haben, wenn
der gewöhnliche Magnesit etwas freigebiger mit seiner
Kohlensäure wäre; ich habe ihn aber bis heute nicht zur Abgabe
zwingen können, so daß die Angabe Mitscherlich's, „Magnesit und Gyps setze sich
um“, sicherlich nicht der natürlichen kohlensauren
Magnesia, sondern dem geglühten und wieder mit Kohlensäure
gesättigten Magnesit (also der künstlich dargestellten
kohlensauren Magnesia) gilt. Einen andern und billigern Weg der
Herstellung von basisch kohlensaurer Magnesia gibt es also
nicht, und ich mußte denselben gleichfalls einschlagen, um ein
wirksames Präparat für Gypswässer zu bekommen.
Es bedarf somit keiner besondern Bemerkung, daß diese Umsetzung
bereits bekannt war, wohl aber wird constatirt werden müssen,
daß ich sie zum ersten Mal auf eine sehr natürliche und billige
Wasserreinigung anzuwenden lehrte. Das blose Bekanntsein einer
Thatsache, eines chemischen Processes, hat ja sehr oft weniger
Werth als der Nachweis ihrer praktischen Verwendbarkeit nach
einer neuen Richtung hin, oder zur Erklärung einer Erscheinung,
die bis jetzt vielleicht unaufgeklärt gewesen ist.
Die Thatsache z.B., daß alle Flüsse und Bäche im Oberlauf reicher
sind an Erdbicarbonaten als im Unterlauf, ist längst direct
erbracht, eine andere, die der allmäligen Anreicherung der Bäche
und Flüsse mit Bittersalz unter Zurücktreten des Gypses, würde
ohne jeden directen Nachweis mit einer eben solchen
Sicherheit erschlossen werden können aus der Consequenz
derjenigen bekannten Thatsache, welche ich meiner
Magnesia-Wasserreinigung zu Grunde gelegt habe, der Umsetzung
des Gypses mit kohlensaurer Magnesia bei gewöhnlicher Temperatur
und bis zu 100°. Man würde also, wenn es nur auf Neuheit
der Processe ankäme, an meiner Magnesia-Methode in der That
nichts Neues finden können; denn nachweislich bedient sich die
Natur ganz desselben Processes, soweit ihr Magnesiagehalt eben
reicht.
Was die Preisverhältnisse meiner Methode anlangt, so berechnet
Ferd. Fischer (S. 99 d. Bd.) die
Preise, wie folgt: 136g
Gyps werden zu zersetzen sein mit einem Aufwand von 5,2 Pf. für
Chlorbarium, 2,7 Pf. für Soda, 4,0 Pf. für Bohlig's
Magnesiapräparat; da nun mein Präparat nicht blos zu 50 sondern
zu 80 Proc. wirkt, und in diesem Falle statt 80 nur 50g nöthig sind, so würden
statt 4 nur 3,5 Pf. Kosten auf das Magnesia-Verfahren entfallen.
Daß bei regelmäßiger Abnahme der Preis nicht 50 M. für 100k, wie ihn Wirth und Comp. für kleine Probesendungen ansetzten, maßgebend sein
kann, bedarf keiner Erörterung. Ebenso ist der Nachweis von F.
Fischer, daß das Präparat in vielen
Fällen nur geglühter Magnesit war, um so leichter zu erbringen
gewesen, als ich ja hieraus kein Geheimniß zu machen
beabsichtigte.
Der Name Magnesiapräparat wird wohl seine Berechtigung haben für
ein Gemenge von geglühtem Magnesitpulver mit gefällter
kohlensaurer Magnesia, wie es anfangs für reine Gypswässer
versendet wurde. Die Versuche, die kohlensaure Magnesia, deren
Herstellung im Großen bedeutende Schwierigkeit bietet, zu
ersetzen durch Anwendung von Gebläsrührern, welche jeder
Wassermenge die nöthige Kohlensäure direct zuführten, werden
bald erweisen, welche Methode für die Praxis die bessere
ist.