Titel: | Oenochemische Untersuchungen von Dr. Max Buchner in Graz. |
Autor: | Max Buchner |
Fundstelle: | Band 226, Jahrgang 1877, S. 532 |
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Oenochemische Untersuchungen
von Dr. Max
Buchner in Graz.
Buchner, önochemische
Untersuchungen.
Die Beantwortung der Frage, ob ein als Wein verkauftes Product
wirklicher Naturwein oder Kunstwein sei, wird in einem Weinlande
wie Steiermark dem Chemiker ziemlich häufig vorgelegt; demselben
ist es sattsam bekannt, wie schwierig oft solche Fragen
unbedingt zu bejahen oder zu verneinen sind. Theoretisch
betrachtet, wäre man überhaupt kaum in der Lage, solche Fragen
zu beantworten, da man sich über die Definition von Kunstwein
noch nicht geeinigt hat und eigentliche Kunstweine, d.h. solche,
welche gar keinen Traubensaft enthalten, seltener in den Handel
gebracht werden, sondern meist Gemenge wirklichen Weines mit
Alkohol, Wasser, Essenzen u. dgl., also Flüssigkeiten, welche
qualitativ die Bestandtheile des echten Weines enthalten. Nun
sind derartige Producte meist als Ersatz der sogen. Schankweine,
leichterer und billigerer Weinsorten im Gebrauche, obwohl
bekannt ist, daß die Fabrikation von Flaschenweinen ganz ohne
Traubensaft namentlich in größeren Städten eine bedeutende Ausdehnung genommen hat. Die chemische Literatur gibt uns eine
große Anzahl von Weinanalysen, welche sich jedoch meist auf
bessere Sorten bezogen, während leichtere und billige Weine
weniger Gegenstand der chemischen Untersuchung waren. Um nun
ganz sichere Anhaltspunkte für die Beurtheilung von Weinen im
chemischen Sinne zu gewinnen, habe ich in einer Reihe von Weinen
den Procentgehalt an Alkohol, Extract, Säure und
Mineralbestandtheilen bestimmt, wozu ich bemerken will, daß der
Alkoholgehalt durch Destillation, der Extractgehalt durch
Trocknen bei 105° im Luftstrome ermittelt, die Säure aber
als Weinsäure berechnet wurde.
Textabbildung Bd. 226, S. 532
Sorte; Alkohol;
Gew.-Proc.; Vol.-Proc.; Extract; Säure; Asche; Weißweine;
Rothwein; Marburger; Tiroler; Sausaler; Südtiroler; Windisch
Bücheln; Fünfkirchner; Windisch Bücheln; Schilcher (aus
Budapest beanstandet.); Flaschenweine; Radkersburger;
Jerusalemer weiß; Niersteiner; Sexzarder roth; Weißweine;
beanstandet; Vöslauer roth; Meneschen Ausbruch; Marsala
Aus diesen Analysen ergibt sich nun, daß leichte Weine der
Steiermark und des angrenzenden Ungarns meist zwischen 6 und 9
Gew.-Proc. Alkohol, 1,2 bis 2,5 Proc. Extract, 0,6 bis 0,8 Proc.
Säure und 0,11 bis 0,18 Proc. Asche enthalten; nur die
Tirolerweine waren aschenreicher, die Extractbestandtheile waren
in normaler Menge vorhanden und zeigten nur geringe Mengen von
Traubenzucker. Bei Vergleichung obiger Zahlen ergibt sich nun,
daß eine bestimmte Beziehung zwischen Alkohol-, Extract- und
Aschengehalt besteht. Nach Mohr
erreicht der Aschengehalt der Weine selten 0,5 Proc., nach von
Gokow, Diez und Neubauer schwankt derselbe zwischen 0,11
bis 0,6 Proc.; ich habe in einer Sorte ganz echten Weines als
Minimum 0,11 Proc. bei 1,4 Proc. Extractgehalt gefunden. Geht
man von der Erwägung aus, daß der Traubensaft bei einem gewissen
Gehalt von gährungsfähigem Zucker auch eine gewisse Menge von
Mineralbestandtheilen enthält, welche bei der Veraschung des
Weines einen bestimmten Zahlenwerth darstellen, so müssen Weine
von normalem Alkoholgehalte auch eine entsprechend große
Aschenmenge aufweisen; ein zu niedriger Aschengehalt wird also
bei niedrigem Alkoholgehalt auf Verdünnung, bei normalem
Alkoholgehalte auf Verdünnung mit Wasser und Zusatz von Alkohol
schließen lassen. Fünf gerichtlich beanstandete Weinsorten,
welche zur chemischen Untersuchung gelangten, zeigten auch einen
abnorm geringen Aschengehalt, während der Extractgehalt nicht in
gleichem Maße erniedrigt erschien; ich bin der Meinung, daß die
Beziehung zwischen Alkohol- und Aschengehalt in den meisten
Fällen willkommenen Aufschluß über die Qualität des Weines
liefern wird; es ist ja die Bestimmung des Aschengehaltes auch
bei anderen Handelsartikeln, wie beim Indigo, als Kriterium
empfohlen worden.
Außer einer Reihe von leichten Weinen wurden auch einige bessere
Sorten in den Kreis der Untersuchung gezogen, wodurch die
vorstehenden Folgerungen nur bestätigt werden; nur bei den
Ausbruchweinen, welche übrigens mehr oder weniger als
Kunstproducte zu bezeichnen sind, steht der Aschengehalt zu dem
Extractgehalt in abnormem Verhältnisse, während die Beziehung
zwischen Alkohol- und Aschengehalt als normal gefunden wurde;
der hohe Extractgehalt ohne entsprechend höherem Gehalt an
Mineralbestandtheilen spricht also für directen
Zuckerzusatz.
Man wird zwar einwenden können, daß ihrer Zusammensetzung nach
gut nachgeahmte Kunstweine gleichen Aschengehalt aufweisen
können; die Erfahrung lehrt aber, daß der Zusatz von
Mineralbestandtheilen nicht so leicht ausgeführt ist, und daß
die Kunstweinfabrikanten entweder nicht die hinreichenden
Kenntnisse besitzen, oder sich der Mühe nicht unterziehen, eine
derartige Nachahmung in allen Theilen genau durchzuführen. Die
Kunstweinfabrikation, bezieh. die Weinvermehrung durch
ungehörigen Zusatz von Wasser, Alkohol und Essenzen, hat zum
guten Theil deshalb so an Ausdehnung gewonnen, weil vielfach der
Satz aufgestellt wurde, die Chemie sei nicht im Stande, solche
Weine von Naturweinen zu unterscheiden, daß also der Beweis der
Fälschung nicht zu führen sei. Dies hat nur insofern Geltung,
als es sich um sogen. Weinverbesserung handelt, nicht aber in
jenen Fällen, wo der Gehalt an wahren Wein nur einen gewissen
Theil der Handelswaare beträgt.