Titel: | Krieger's Verfahren der Extraction des Kalkes aus Knochenkohle mittels Kohlensäure. |
Fundstelle: | Band 226, Jahrgang 1877, S. 604 |
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Krieger's Verfahren der
Extraction des Kalkes aus Knochenkohle mittels
Kohlensäure.
Mit Abbildungen auf Tafel XII [c.d/3].
Krieger's Entkalkung der Knochenkohle mittels
Kohlensäure.
Der Wiederbelebung der Knochenkohle in den Zuckerfabriken hat die
Entfernung der Kalkverbindungen vorauszugehen. Es geschieht dies
gewöhnlich in großen Bottichen mit Salzsäure, welche mehrmals
über die Kohle gegossen wird. Die Nachtheile dieses
Verfahrens hat man durch Anwendung von Essig und von Kohlensäure
zu umgehen versucht. Aber erst durch den Proceß von Dr. G. Krieger Vgl. die Notiz 1876 222 590. Patentliste 1877 223 228, Schlagwort
„Zucker“. in Wien scheint eine
ökonomische Verwendung der letztern möglich zu sein.
Dieses Verfahren beruht darauf, daß kaustischer, kohlensaurer,
schwefelsaurer Kalk und noch eine große Anzahl anderer
Kalkverbindungen sich von den organischen Säuren in mit
Kohlensäure imprägnirtem Wasser trennen und dies in erheblichem
Maße, wenn 1) die Kohlensäure möglichst
frei von atmosphärischer Luft ist; 2) die zu entfernenden
Kalkverbindungen frisch gebildet,
unmittelbar nach der Filtration vorhanden sind; 3) das
kohlensaure Wasser unter Druck gesättigt und die Einwirkung auf
die Kohle ebenfalls unter Druck stattfindet, welcher sowohl das
Entweichen der Kohlensäure verhindert, als auch das Eindringen
des Wassers in die Poren der Kohle und somit die Lösung der
Kalkverbindungen erleichtert.
Die Kohlensäure kann von den Kalkofengasen oder aus den
Feuerungsgasen der Dampfkessel entnommen werden. Auch auf den
nicht frisch gebildeten kohlensauren Kalk übt das kohlensaure
Wasser lösenden Einfluß aus, doch ist derselbe viel schwächer
und langsamer. Während eine gewisse Menge frisch abgeschiedenes
Carbonat in 1/2 Stunde gelöst wird, löst sich in mehrern Stunden
nur 1/4 derselben Menge alten Carbonates.
Die Anordnung, welche Krieger seinen
Apparaten gegeben hat, erlaubt nicht nur einen continuirlichen
Betrieb in der Behandlung der Kohle, sondern auch in der
ökonomischen Gewinnung reiner Kohlensäure. Wenn man
Natronbicarbonat erhitzt, so entweicht bei 70 bis 80° ein
halbes, bei 110 bis 115° ein ganzes Aequivalent
Kohlensäure. Wird eine Sodalösung mit Kohlensäure behandelt, so
entsteht Natronbicarbonat. Enthält die Kohlensäure Luft, so
entweicht dieselbe. Bei starker Concentration der Sodalösung
fällt dabei ein Niederschlag von Bicarbonat aus, weshalb nur
schwache Lösungen anzuwenden sind. Man rechnet auf 100 Th. der
Lösung 6,25 Th. wasserleere Soda oder etwa 17 Th.
krystallisirtes Bicarbonat (NaO,
CO₂ + HO, CO₂),
was ungefähr einer Stärke von 9° B. entspricht.
In den angeführten Thatsachen hat man die Grundlage des
Krieger'schen Verfahrens, und die zuletzt erwähnte Lösung ist
das Mittel, durch welches fortgesetzt ein Strom reiner
Kohlensäure erhalten wird. Die Anordnung des Apparates ist aus
den Figuren
22 bis 24 ersichtlich. Im dritten Stock (Fig. 22)
steht das Hauptgefäß A für Wasser.
In dem nächst untern Stockwerk befindet sich ein anderes Gefäß
B, das am Boden eine Dampfschlange
hat und in welchem die bei 14° Temperatur 9grädige Lauge
hergestellt wird. Zur Abkühlung geht die warme Lauge durch eine
in C angebrachte Kühlschlange,
welche durch ein Rohr a aus A mit Wasser versehen wird. Das durch
Rohr c abfließende Kühlwasser, von
dem eine große Menge nöthig ist, geht in den später näher zu
erwähnenden Waschbottich L₁
(im Erdgeschoß) und aus diesem durch das Heberrohr 1 ins Freie.
Die gekühlte Lauge anderseits gelangt durch Rohr b in die (im 1. Stockwerk befindliche)
Kufe D₁ (etwa 2m hoch bei 1m Durchmesser), an deren
Boden das Rohr b im Kreise
herumläuft und vielfach durchlöchert ist – derart, daß
die Lösung nach dem Mittel der Kufe hinspritzt. Bei 64 bis 80cm Höhe des Standes der
Lauge tritt letztere durch d in die
Kufe D₂ und ebenso später in
eine dritte Kufe D₃ über
(event. auch in eine vierte, fünfte u.s.w.), um continuirlich
durch Rohr d' in das Gefäß E abzufließen.
In den Kufen D₁, D₂ ... findet die Ueberführung der Soda in Bicarbonat statt
in der Weise, daß entweder die Kamingase (mit 10 bis 11 Proc.
Kohlensäure) oder die Kalkofengase (mit etwa 20 Proc.
Kohlensäure) durch eine (im Erdgeschoß aufgestellte) Pumpe P oder einen Aspirator in den
Waschbottich L₁ gezogen
werden, der, wie schon erwähnt, aus der Leitung c mit erwärmtem Kühlwasser gespeist
wird. Der zweite Bottich L₂
ist theilweise mit Kalkstücken angefüllt, welche schweflige
Säure und mechanisch mitgerissenen Staub zurückhalten. Die Gase
werden nunmehr von der Pumpe P durch
den Waschbottich L₃ gedrückt,
der mit einer Lösung von Eisenchlorid oder schwefelsaurem Eisen
gefüllt ist, um etwa vorhandenen Schwefelwasserstoff
zurückzuhalten. In einem vierten mit Wasser oder Sodalösung
gefüllten Waschbottich L₄
werden die aus L₃ mechanisch
mitgerissenen Theilchen zurückgehalten.
Die so gereinigten Gase werden nunmehr continuirlich durch die in
den Kufen D₃, D₂ und D₁ enthaltene Sodalauge hindurchgedrückt, indem sie
durch das Rohr e nach D₃ übertreten, wo e nahe am Boden des Bottichs im Kreise
aufgerollt und an der untern Seite vielfach durchlöchert ist.
Der weitere Gang des kohlensauren Gases durch e₁ und e₂ und f ist ohne
weiteres verständlich. Es nehmen somit die Flüssigkeiten und die
Gase entgegengesetzte Wege, und während aus dem Laugenbottich
durch f die dem Gase beigemengt
gewesene Luft abgeht, tritt aus der Kufe D₃ durch d₁ eine
Lösung von Natronbicarbonat aus. Es müssen sich das Gas und die
Sodalösung in entsprechenden Mengen begegnen, doch schadet ein
Gasüberschuß nicht. Um einen ungehinderten Abfluß der Lösungen aus
D₃ zu erzielen, läßt man die
durch f abgehende Luft nicht direct
ins Freie gehen, sondern in dem Behälter F unter Wasser austreten, worauf sie durch das Rohr f₁ ins Freie gelangt.
Die constant abfließende Lösung von Bicarbonat gibt nun beim
Erwärmen auf 80° oder eventuell auf 105 bis 110°
reine Kohlensäure. Man füllt aus dem im Erdgeschoß aufgestellten
Reservoir E den Druckkessel G zu 2/3 mit Lauge an und läßt aus dem
Dampfrohre t, welches von der
Hauptleitung T abgezweigt ist,
entweder durch eine Schlange s oder
sogleich durch den Hahn s₁
Dampf eintreten, bis die gewünschte Temperatur erreicht ist. Die
ausgetriebene Kohlensäure gelangt durch g₁ theilweise gekühlt in den Gasometer H. Die zurückbleibende Lösung, welche
nun nur noch einfaches oder anderthalbfaches kohlensaures Natron
enthält, wird, indem man bei geöffnetem Hahn des Steigrohres h den Dampfhahn s₁ öffnet, nach dem Sammelgefäß B gedrückt und kann nun, nachdem sie
entweder durch Zusatz von etwas Soda oder von Wasser wieder auf
9° B. gebracht ist, den bekannten Kreislauf wieder
beginnen.
Die gewonnene Kohlensäure wird in dem Mischcylinder I (Fig. 23
und 24) von
Wasser aufgenommen. Der Cylinder I
besitzt eine mit Tafeln I₁
besetzte Welle i, und zwei
Stopfbüchsen j und j₁ schließen die Durchgänge der
Welle durch den Cylinder ab, die bei p eine feste und eine lose Scheibe trägt. Sämmtliche
innern Theile des Cylinders, welche mit dem kohlensauren Wasser
in Berührung kommen können, sind von Kupfer, das gut verzinnt
ist. Die äußere Armatur des Cylinders besteht aus dem
Sicherheitsventil k, dem Manometer
k₁ und dem Wasserstandzeiger
K, letzterer mit dem Probirhahn l. Vier mit Hähnen versehene Rohre L, M, N, O dienen bezieh. L zur Zuführung von Wasser mittels einer
Pumpe, M zur Zuführung von
Kohlensäure durch die Kohlensäurepumpe, N zur Verbindung mit dem Scheidegefäß P (um darin denselben Druck wie in I herzustellen) und O zum Uebergange des Wassers nach P. Die Pumpen bringen gleichzeitig und
beständig Kohlensäure sowie kaltes Wasser (die erstere aus dem
Gasometer H entnommen) und arbeiten
derart, daß ein gesättigtes kohlensaures Wasser erhalten wird
und stets 3 bis 3at,5
Druck im Cylinder I bleiben. Man
kann jedoch den Cylinder auch in Absätzen arbeiten lassen, so
daß er nach jeder Operation entleert und schnell wieder bis zu
2/3 gefüllt wird.
Die Gefäße P sind mit zwei
Mannlöchern versehen, von denen das eine o oben die Stelle des Deckels vertritt, das andere (in der
Zeichnung nicht mehr angegebene) über einem falschen Boden sich
befindet, auf welchem die Kohle liegt. Der wirkliche Boden des
Gefäßes ist im Mittelpunkte mit einem sich in zwei Zweige
theilenden Rohre versehen; der eine Zweig gibt
etwa überschüssig werdende Kohlensäure nach der Kufe D₃ ab, der andere mit einem Hahn
versehene Zweig dient zur Entleerung.
Krieger glaubt sein Verfahren dadurch
noch ökonomischer ausführen zu können, daß er den Mischcylinder
I wegläßt und dann in folgender
Weise vorgeht, wobei freilich etwas mehr Kohlensäure gebraucht
wird. Es wird entweder in einem geräumigen kupfernen Druckkessel
Kohlensäure auf 5 bis 6at comprimirt, die an Stelle von Dampf benutzt wird, um
mit einem besonders hierzu construirten Injector Wasser
anzusaugen und staubförmig zu vertheilen, ferner Köhlensäure und
Wasser direct in die Gefäße P zu
bringen; oder man hält in einem Kessel Wasser unter 8 bis 9at Druck und läßt es dann
durch einen gleichen Injector, wie vorher erwähnt, gehen und
saugt Kohlensäure damit an, um sie mit dem fein vertheilten
Wasser ebenfalls sofort an die Knochenkohle zu bringen. Es
sollen diese beiden Modificationen gute Resultate gegeben haben
– selbst mit Gasen, welche die Waschgefäße nicht passirt
hatten und nicht aus der Zersetzung von Bicarbonat
resultirten.
Mag man jedoch wie immer zu Werke gehen, stets kann man die
geschlossenen Filter als Scheidegefäße anwenden, um den Kalk mit
kohlensaurem Wasser wegzuschaffen, nachdem man zunächst
Kohlensäure auf das in der Kohle noch enthaltene Wasser hat
wirken lassen. Für die Ausführung ist es jedoch bequemer, an
Stelle von zwei abwechselnd thätigen Filtern zwei Scheidegefäße
zu nehmen, die ebenso wie die Filter, nur kleiner, etwa mit 1
bis 1cbm,5
Fassungsraum, ausgeführt sein können. In denselben wird dann die
von den Filtern kommende Kohle aufgeschüttet, zunächst mit
Kohlensäure, hierauf mit kohlensaurem Wasser behandelt.
Der Betrieb des Apparates findet statt, indem durch den am Boden
des Scheidegefäßes vorhandenen Hahn zunächst das aus der Kohle
austretende Wasser abgelassen wird. Bei geschlossenem Hahn wird
hierauf das Gefäß vollständig mit kohlensaurem Wasser gefüllt,
welches 1/2 Stunde auf der Kohle bleibt. Hierbei sind die Hähne
der Rohre O und N (Fig. 23)
geöffnet, so daß man stets 3 bis 3at,5 Druck im Scheidegefäß
hat. Nach Verlauf dieser Zeit wird der Ablaßhahn am Boden wieder
mäßig geöffnet, so daß ein langsamer Ausfluß entsteht, der stets
wieder ergänzt wird, daher das Gefäß immer mit kohlensaurem
Wasser gefüllt bleibt, bis ein doppeltes bis dreifaches Volum an
letzterm durchgegangen ist. Die Operation ist alsdann beendet,
das überschüssige Wasser wird abgelassen und die Kohle zur
Gährung oder sogleich zur Behandlung mit kaustischer Lauge
gebracht.
Ueber die Kosten des Verfahrens fehlen bisher noch genauere
Angaben. Es erspart Salzsäure, schont die Structur
der Kohle und vermeidet die Bildung von Gyps und
Schwefelcalcium. Es erlaubt außerdem, nach jeder Filtration die gesammten Kalksalze, ferner aber
auch, falls dies nöthig ist, ältere Kalkabsätze bis zu einem
gewünschten Minimum nach und nach zu entfernen, und gibt die
Sicherheit, daß anderseits wiederum nicht zu viel Kalk extrahirt
wird.Obiger
Bericht gründet sich auf die zur Zeit der Patentirung des
Verfahrens erhaltene Beschreibung. Inzwischen ist dasselbe, nach
gef. Mittheilung des Erfinders, bei der praktischen Ausführung
auf einen vorgeschritteneren Standpunkt gelangt. Es werden statt
der dünnen Laugen jetzt möglichst concentrirte angewendet,
welche stark Natronbicarbonat absondern; ferner geschieht die
Absorption möglichst kalt, und es wird im Zusammenhange mit den
nun beabsichtigten Niederschlägen nur ein Absorptionsgefäß mit Rührwerk, weiten Ablaßröhren und
-Hähnen verwendet. Dr. Krieger erzielt auf diese Art mit einer
Manipulation viel mehr Kohlensäure, wenn auch die Gase nicht
mehr wie früher ausgenutzt werden. – Für gewisse Länder
(z.B. Rußland) empfiehlt sich eine Lauge aus Holzasche, also
kohlensaures Kali.D. Red.
F. B.