Titel: | Miscellen. |
Fundstelle: | Band 226, Jahrgang 1877, Nr. , S. 209 |
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Miscellen.
Miscellen.
Priorität in Geradführungen.
Als auf der Weltausstellung in Wien 1873 der russische Ingenieur
Tschebyscheff eine kleine
Dampfmaschine ausgestellt hatte, bei welcher die Kurbel mit der
Kolbenstange nicht mittels Kreuzkopfführung und Treibstange,
sondern durch eine eigenthümliche Geradführung in Verbindung
gesetzt war, erschien vielen dieser Mechanismus als etwas völlig
Neues und Originelles, wenn man auch bemerken mußte, daß der
angebliche Vortheil, die Kurbelwelle recht nahe an den Cylinder
zu legen, wohl kaum eine so complicirte und ungünstig
beanspruchte Verbindung rechtfertigte.
Schon bei der Beschreibung in diesem Journal (* 1876 220 21) nach Professor Radinger's
Weltausstellungsberichte wurde darauf hingewiesen, daß das Neue
der Construction allein in der Horizontalgeradführung liege,
während die Verticalgeradführung nur die Verkörperung des
bekannten geometrischen Satzes bilde, daß der Halbirungspunkt
einer Geraden, deren beide Enden in zwei auf einander
senkrechten Dichtungen geführt sind, einen Kreis um den
Schnittpunkt der Führungen als Mittelpunkt beschreibt.
Dagegen war in Bd. 220 S. 22 angeführt, die ganze Geradführung
sei schon mehrere Jahre früher von Peaucellier erfunden worden, während wir anderseits in Reuleaux (Kinematik, S. 354) lesen, daß
schon 1868 Tschebyscheff ein Modell
seiner Geradführung ausgestellt hatte, und daß auch auf der
ersten Londoner Weltausstellung 1851 ein ähnlicher Mechanismus
von Booth zu sehen war.
Inzwischen erhielten wir die Mittheilung von Professor Dr. Emsmann
in Stettin, daß er schon 1840 von dem in der Tschebyscheff'schen
Geradführung verkörperten Gesetze Anwendung gemacht habe, um die
Kreisbogenbewegung des Pumpenschwengels bei Brunnenpumpen in die
verticale Geradbewegung des Pumpenkolbens umzusetzen, und
finden darüber im Polytechnischen Centralblatt, 1841 S. 478 eine
ausführliche Beschreibung. Dagegen bemerkt Karmarsch, bei Erwähnung der Emsmann'schen Geradführung in Dingler's polyt. Journal
(1842 83 71), daß der Mechaniker Rumpf in Göttingen schon mehrere Jahre
vor Emsmann einen ganz gleichen
Mechanismus erdacht habe, und daß ein von Rumpf schon viele
Jahre vor 1842 verfertigtes Modell sich in der Sammlung der
höheren Gewerbeschule zu Hannover befinde.
Wenn somit Professor Emsmann wohl kaum
vermögen dürfte, sich einen Antheil an der Tschebyscheff'schen
Geradführung zu vindiciren, so theilt er mit diesem das gleiche
Schicksal, daß ihre beiden Erfindungen schon viele Decennien
früher ausgeführt worden sind. Die Emsmann'sche Geradführung
stimmt nämlich völlig überein mit dem Lenker, welcher schon 1801
von dem Amerikaner Oliver Evans bei
einer Dampfmaschine angewendet wurde (vgl. Rühlmann: Allgemeine Maschinenlehre, 1. Band, 2. Auflage
S. 518). Und ebenso wurde die Umsetzung der Kurbelbewegung in
die geradlinige des Kolbens, wie sie Tschebyscheff anwendet, das erste Mal 1816 bei einer
Dampfmaschine von Dawes ausgeführt,
welche in Reuleaux: Kinematik S. 353
abgebildet ist. Es bleibt somit für Tschebyscheff nichts
original, als tue ziemlich uncorrecte Horizontalgeradführung
mittels zweier neben einander schwingenden Lenker und einer
Zwischenkoppel.
M-M.
Davies'
zerlegbarer Dampfkessel.
Diese in Engineering, August 1877 S.
122 und 123 ausführlich illustrirte und sogar wirklich
ausgeführte Construction bietet so ziemlich das Absurdeste dar,
was noch je im Dampfkesselbau vorgeschlagen worden ist. Man
denke sich zwei kurze Rundkessel direct über einander gelegt,
von denen der untere zur Aufnahme und Vertheilung des
Speisewassers, der obere als Dampfsammler dient. Auf beiden
Seiten von diesen Centralkesseln sind nun in Zwischenräumen von
je 300mm sechs
Flachkessel neben einander ausgestellt, 3000mm hoch, 1200mm breit und von 150mm lichter Weite. Dieselben
sind aus zwei großen Blechtafeln über einem U-förmigen
Rahmen derart zusammengenietet, daß man überhaupt nicht
begreift, wie die Nieten eingebracht und vorgehalten werden
konnten; schließlich sind die beiden Tafeln, um dem Dampfdrucke
Widerstand leisten zu können, durch Stehbolzen (Theilung 150mm) versteift, so daß ein
Reinigen dieser Kesseltheile absolut unmöglich wird. Die Kessel
sind schwach geneigt aufgestellt; ein siebenter, ähnlicher, aber
entgegengesetzt geneigter Kasten bildet auf jeder Seite den
Abschluß, während auf den Querseiten beiderseits noch je vier
weitere Wände gleicher Construction angesetzt sind, um die
inneren Räume abzuschließen und „die Einmauerung zu
ersparen“.
Der an beiden Enden gebildete, dachförmige Raum enthält die
Roste, von denen aus die Gase durch ein Heizthür ähnliches Loch
in die obere Hälfte des angrenzenden Flachkessels entweichen,
den nächstfolgenden Kesseltheil nach abwärts und dann nach
aufwärts zu bestreichend, durch eine Oeffnung des dritten
Flachkessels weiter ziehen u.s.f., und endlich längs des untern
Rundkessels in den Schornstein gelangen.
Die Vertheilung des Speisewassers, sowie die Dampfentnahme
geschieht durch je ein Längsrohr, das mit jedem einzelnen
Kesseltheil durch Kupferrohre verbunden ist.
Der ganze Kessel besteht ohne die Rohrverbindungen aus nicht
weniger als 26 Haupttheilen mit etwa 5000 Stehbolzen (während
ein Locomotivkessel deren höchstens 500 hat), besitzt außerdem
etwa 120 Flanschverbindungen und entwickelt bei einer effectiven
Heizfläche von etwa 160qm eine Abkühlungsoberfläche von mindestens 100qm. Die Verdampffähigkeit
muß schon deshalb weit hinter einem Röhrenkessel zurückstehen,
weil die Blechstärke der flachen Wände, um einem Dampfdruck von
6at Widerstand zu
leisten und den Stehbolzen hinreichendes Gewinde zu gewähren,
mindestens 10mm stark
sein muß. Der Preis eines solchen Kessels, dessen Theile
schwieriger herzustellen sind wie die complicirteste
Feuerbüchse, wird jedenfalls der eines Siederohrkessels gleicher
Heizfläche um das Vielfache übersteigen.
Und doch wird in dem praktischen England solcherlei Mißgeburt
nicht allein erdacht, sondern auch empfohlen, ausgeführt und in
ausgedehnten Heizversuchen erprobt.
M-M.
Zahnradbahn in Amerika.
Auf der Mount-Washington-Eisenbahn verkehrt jetzt eine
Zahnradlocomotive, welche einen Personenwagen mit 36 Fahrgästen
in 1 1/2 Stunden aus die Spitze des Berges zieht, und die
Thalfahrt in 1 1/4 Stunde bewerkstelligt. Die Bahnlänge beträgt
4km,827, die Höhe der
Spitze über Seeniveau 1911m, die gesammte Steigung der Bahn 1200m, so daß sich eine
mittlere Steigung von 1 : 3,9 ergibt. (Nach Engineering, August 1877 S. 197.)
Geschwindigkeitsregulator für
Locomotiven.
Ein derartiger Apparat, wie er sich speciell für secundäre
Eisenbahnen oder Dampftramways eignet, ist nach dem Patent von
H. Hughes in Leicester (England) im
Engineers' Mechanic beschrieben,
und, in allerdings sehr primitiver Form, dargestellt.
Auf der Locomotive ist ein Regulator angebracht und durch eine
Riemenscheibe mit einer Treibachse verbunden. Die
Regulatorspindel ist hohl und läßt eine Zugstange passiren,
welche mit den Kugeln gehoben und gesenkt wird und an ihrem
andern Ende einen Ringkolben trägt, welcher, wenn die Kugeln
steigen, den Zufluß des Dampfes unter den eigentlichen
Regulirungskolben vermittelt. Wird nämlich derselbe durch
zutretenden frischen Kesseldampf gehoben, so verdreht die
Kolbenstange desselben einen Dreiweghahn derart, daß der Kolben
des Bremscylinders aus dem Schieberlasten der Dampfmaschine
frischen Dampf empfängt, aufsteigt, die Bremsbacken anzieht und,
in der höchsten Stellung angelangt, durch eine Verlängerung
seiner Kolbenstange nach aufwärts den Dampfzutritt zu den
Cylindern absperrt. Die dritte Oeffnung des Dreiweghahnes dient
dazu, um den Dampf des Bremscylinders, nachdem die
Regulatorkugeln gesunken sind, wieder den Ausfluß in die freie
Atmosphäre zu gestatten.
R.
Die Brückenbauten in Frankreich.
Nach einer Statistik, die kürzlich aufgemacht wurde, besitzt
Frankreich gegenwärtig 1982 größere wichtige Brücken, deren
Gesammtlänge auf 106km,
und deren Herstellungskosten auf 228,4 Millionen Mark angegeben
werden. Von diesen Bauten waren 861 schon am Beginn dieses
Jahrhunderts vorhanden, verdanken 64 ihre Entstehung dem ersten
Kaiserreiche, 180 der Restauration, während unter der Herrschaft
Ludwig Philipp's 580 und 297 seit dem
J. 1848 erbaut wurden.
Die 11 bedeutendsten Brücken, die zusammen einen Aufwand von
37307200 M. verursachten, sind folgende:
Die Brücken
mit einerLänge von
Herstellungskosten
von Bordeaux
501m
5480000 M.
über die Dordogne bei Cubzac
545
1760000
Saint-Esprit
738
3600000
von Toulouse über die Garonne
–
2160000
„
Libourne über die Dordogne
–
3388800
„
Tours über die Loire
434
3380000
de la Guillotière in Lyon
262
2000000
von Brest
–
2240000
Pout-Neuf über die Seine
231
3200000
Pont d'Jena in Paris
–
4908000
von Roanne
232
5190400.
Von den vielen Ueberbrückungen der Seine in Paris erscheinen zwei
in dieser Zusammenstellung. Welchen bedeutenden Werth die
übrigen aufweisen und was für erhebliche Ansprüche deren
Unterhaltung erforderte, läßt sich daraus schließen, daß allein
in der Hauptstadt während der letzten Jahre 15672800 M. an Bau-
und Reparaturkosten für Brücken erfordert wurden. (Nach der
Statistischen Correspondenz, 1877 Nr. 30.)
Elektromotor von A. Hasseberg in Buckau-Magdeburg.
Eine Elektromagnetspule und ihr hohler Eisenkern sind durch
Hartgummischeiben in 6 Abtheilungen getheilt; im Innern befindet
sich ein Eisenanker, dessen Dicke etwa. 1/4 einer Abtheilung
beträgt, auf einer Stange, welche ihre Bewegung auf eine
Schwungradwelle überträgt. Die Schließung des Stromes durch die
6 Spulenabtheilungen nach einander vermittelt eine
Platin-Doppelfeder, die an einem drehbar in einem geführten
Stabe befestigten Kloben sitzt, auf dessen anderes Ende ein von
der Ankerstange herabkommendes Stäbchen wirkt, so daß sich die
Feder beim Abwärtsgehen mit ihrem untern, beim Aufwärtsgehen mit
ihrem obern Ende gegen ein Elfenbeinstäbchen legt, in welches
Platinplättchen eingelegt sind, woran je ein Ende einer
Spulenabtheilung geführt ist. Bei jedem halben Spiel wirken auf
den Anker-5 Anziehungen; das Schwungrad hilft über den todten
Punkt.
Fällen von Bäumen mittels
Elektricität.
Nachdem vor einigen Jahren schon Dr.
Robinson in New-York ein Patent auf
das Fällen van Bäumen mittels eines durch eine elektrische
Batterie weißglühend gemachten, vor und zurück bewegten und
dabei steif erhaltenen Drahtes genommen hatte, thaten dies
neuerdings auch H. H. S. Parkinson
und W. H. Martin in Bombay. Bei dem
damit angestellten Versuche erwies sich der dickste verfügbare
Platindraht als zu dünn; doch wirkte er ganz gut, so lange er
nicht riß. Der Baum wurde auf 1/5 durchschnitten, und es ließ
sich berechnen, daß ein Baum, der jetzt in 2 Stunden gefällt
wird, so in 15 Minuten fällt; dabei gibt es keine Sägespäne und
keine Holzverwüstung. (Nach dem Scientific American, Juni 1877 S. 370.)
Die pneumatische Feder.
Dieselbe unterscheidet sich von Edison's elektrischer Feder (1877 223 221), welche
jetzt für 160 M. ab Berlin verkauft wird (vgl. Papierzeitung,
1877 S. 420), wesentlich nur dadurch, daß die zum Durchstechen
des Papiers dienende Feder mittels eines Excenters bewegt wird,
das auf der Achse eines kleinen Schaufelrädchens sitzt. Dieses
Rädchen befindet sich in einem geschlossenen Gehäuse am obern
Ende des Federhalters und wird durch einen Luftstrom in rasche
Umdrehung versetzt, welcher durch ein Kautschukrohr entweder vom
Munde des Schreibenden oder durch einen Blasebalg eingeblasen
wird. (Scientific American
Supplement, 1876 S. 774.)
E–e.
Bronzeläufe für Handfeuerwaffen.
Von Louis Müller, Metallwaarenfabrikant in Wien (Fünfhaus),
wurden Bronzeläufe für alle Handfeuerwaffen patentirt, und ein
Karabinerlauf für Werndl-Karabiner (als das Mittelding zwischen
Infanterie- und Revolverlauf) auf sein Ansuchen vom k. k.
technischen und administrativen Militär-Comité mit
Bewilligung, des k. k. ö. Reichs-Kriegsministeriums einer
eingehenden Erprobung unterzogen. Wir wollen im Folgenden die
wichtigsten Eigenschaften, sowie die Vortheile dieser
Bronzeläufe, denen wohl schon heute besondere Aussichten für die
Zukunft vorhergesagt werden können, näher besprechen und, daran
anschließend, die äußerst werthvollen und interessanten
Ergebnisse der Prüfung mittheilen.
Bohrung, Eintheilung und Tiefe der Züge sowie die äußeren
Dimensionen, Durchmesser und Länge der Bronzeläufe stimmen mit
jenen der Stahlläufe überein. Die zur Herstellung derselben
verwendeten Materialien sind reines Kupfer und Zinn, welche auf
chemischem Wege durch Phosphor gereinigt, somit von allen Oxyden
befreit sind. (Vgl. die Notiz über Phosphorzinn und
Phosphorbronze 1877 225 514).
Die Vortheile, welche solche Bronzeläufe den Stahlläufen
gegenüber besitzen, sind folgende: 1) Hat die Bronze, welche zu
Handfeuerwaffen verwendet wird, bei gleicher Härte eine
bedeutend größere Elasticität und Zähigkeit als der Stahl. 2) Sind
Läufe aus dieser Bronze durch Anwendung von bei Gewehren
üblichen Pulverladungen, oder bei Verwendung von Knallpräparaten
als Triebmittel, Ausbrennungen nicht unterworfen. 3) Ist eine
Abnutzung der Züge selbst nach einer großen Anzahl von Schüssen
bei Läufen aus dieser Bronze nicht zu bemerken. 4) Ist die
Conservirung der Läufe höchst einfach, da ein Oxydiren sowohl,
als ein Rosten derselben nicht eintreten kann, eine
Vernachlässigung der Reinigung der Laufbohrung daher ganz ohne
nachtheilige Folgen ist. 5) Ist der Anschaffungspreis solcher
Bronzeläufe nicht höher als der guter Stahlläufe, und
repräsentirt der Bronzelauf (falls wirklich einmal unbrauchbar)
immer 50 Proc. des Anschaffungswerthes, wogegen der Werth des
unbrauchbar gewordenen Stahllaufes gleich Null ist. 6) Wird man
nicht in die Nothwendigkeit versetzt, wie bisher Nachschaffungen
für die durch mangelhafte Conservirung verdorbenen Läufe zu
machen.
Aus dem Berichte des oben genannten Militär-Comité ist
hervorzuheben, daß „die Visitirung des eingelieferten
Laufes, nachdem aus demselben der Angabe des Erfinders gemäß 300
Schüsse abgegeben worden waren, weder bemerkenswerthe Fehler,
noch Abweichungen in den Dimensionirungen ergab. Die
Schußpräcision des Laufes war befriedigend und ebenso gut wie
jene des normalen Werndl-Karabiners. Nach Abgabe von weiteren
500 scharfen Schüssen, worunter 10 mit reißenden Patronenhülsen,
und wobei der Lauf nach je 25 Schüssen gereinigt wurde, hat die
Schußpräcision des Laufes nicht im mindesten abgenommen. Zwar
wurden nach dieser Schußzahl kleine Rauhigkeiten im rückwärtigen
Theile der Bohrung sichtbar, welche erfahrungsgemäß bei
Bronzeläufen früher oder später immer eintreten; doch haben
dieselben keinen Einfluß weder auf die Schußpräcision, noch auf
die Güte oder Haltbarkeit des Laufes. Sonst hatte die Bohrung
keine meßbare Veränderung erfahren, die Zugkanten blieben scharf
– ein Beweis für die genügende Härte des Materials. Ein
Verbleien der Bohrung trat nicht ein, und es ließ sich dieselbe
stets leicht und schnell reinigen. Aus diesen Versuchen, sowie
aus den vorhandenen Erfahrungen läßt sich der Schluß ziehen, daß
entsprechend sorgfältig bearbeitete Bronze recht gut zu Läufen
für Handfeuerwaffen verwendet werden kann, und daß solche Läufe
den wesentlichen Vortheil der leichtern Conservirung gegenüber
den Stahlläufen besitzen. Hingegen dürfte die Herstellung einer
homogenen und dichten Bronze, sowie die nachherige Bearbeitung
des Laufes etwas schwieriger als bei Verwendung von Stahl sein.
Das Gewicht der Bronze verhält sich zu dem des Stahls wie
ungefähr 9 : 8.“
Einfluß der Magnetisirung auf die
Wärmeleitungsfähigkeit des Eisens.
Naccari und Bellati haben bei verschiedenen Versuchen keinen
Unterschied in der Wärmeleitungsfähigkeit des magnetisirten und
des unmagnetisirten Eisens nachweisen können. (Cimento, 1877 t. 1. p. 107.)
Schwimmendes geschmolzenes Eisen; von W.
J. Miller.
Wirft man reine Kugeln von kaltem Eisen auf eine geschmolzene, an
ihrer Oberfläche gleichfalls gereinigte Eisenmasse, so sinken
die Kugeln erst unter, kommen aber dann bald wieder an die
Oberfläche und schwimmen; der aus der Flüssigkeit ragende Theil
derselben ist freilich sehr klein. Das ursprüngliche Untersinken
des Eisens erklärt sich daraus, daß das kalte Metall ein
größeres specifisches Gewicht als das geschmolzene besitzt; im
glühenden Zustande wäre dasselbe aber, wie sein späteres
schwimmen ergibt, ein wenig leichter als das geschmolzene. Es
dehnt sich also in der That beim Erstarren das Eisen wie das
Wasser aus. Daß flache Eisenstücke, auf geschmolzenes Eisen
geworfen, gar nicht untersinken, erklärt sich daraus, daß sie
bei gleicher Masse eine größere Oberfläche als die Kugel
besitzen und sich daher schneller erwärmen.
Bei Versuchen mit Blei ergibt sich stets ein Untersinken der
aufgeworfenen Kugeln, das Blei zieht sich also wie die meisten
Körper beim Erstarren zusammen. (Nach der Nature) t. 16 p. 23, durch
Beiblätter zu Poggendorff's Annalen, 1877 S. 468.)
Verfahren, um den Brechungsindex von
Flüssigkeiten zu bestimmen; von De
Waha.
Versilbert man die hintere Fläche eines Prismas mit dem
brechenden Winkel α und
bestimmt den Einfallswinkel i, bei
welchem der gebrochene Strahl senkrecht auf der hintern Fläche
steht, bei dem er also nach der Reflexion an der hintern Fläche
und erneuter Brechung an der vordern mit dem einfallenden Strahl
zusammenfällt, so ist der Brechungsexponent n = sin
i/sin α. Um diese
Methode für die Bestimmung des Brechungsexponenten von
Flüssigkeiten zu benutzen, taucht der Verfasser in den dieselben
enthaltenden parallelepipedischen Trog eine versilberte
Glasplatte und bildet dadurch ein Flüssigkeitsprisma, dessen
Winkel nach bekannten Methoden bestimmt wird. (Beiblätter zu
Poggendorff's Annalen, 1877 S. 472.)
Ueber die Löslichkeit der Alkalien in
Aether.
Will. Skey (Chemical News, August 1877 Bd. 36 S. 48) hat gefunden, daß
sowohl Kaliumcarbonat, wie gewöhnliche Soda in Aether löslich
sind. Er konnte nicht nur eine alkalische Reaction eines mit den
genannten Alkalien geschüttelten Aethers nachweisen, sondern er
fand auch einen deutlichen Rückstand von einem fixen Alkali nach
dem Verdampfen des Aethers. Ebenso verhielten sich Magnesia und
Kalk, während Natriumbicarbonat vollkommen unlöslich zu sein
scheint. Aus diesem Grunde empfiehlt er zur Darstellung reiner
Alkaloide nach dem Stas'schen Verfahren an Stelle der
kaustischen Alkalien die Anwendung von Natriumbicarbonat oder
noch besser von kohlensauren Erden.
Außerdem hat Skey gefunden, daß viele
Salze in wasserfreiem Aether löslich sind, welche in
gewöhnlichem (wasserhaltigem) unlöslich oder nahezu unlöslich
sind. So verhalten sich z.B. die Chloride des Calciums, des
Nickels, des Zinks, des Cadmiums und des Platins, sowie auch die
Sulfocyanide des Nickels, Kupfers und Zinks. Fügt man zu diesen
Lösungen ein ganz klein wenig Wasser, so tritt sogleich Trübung
ein und die gelösten Salze schlagen sich als Hydrate nieder.
Durch Anwendung von wasserfreiem Aether und durch Eindampfen in
trockener Luft gelingt es daher auch, manche Salzverbindungen
darzustellen, welche auf andere Weise schwerlich darstellbar
sein dürften. Es gelang Skey beispielsweise auf diesem Wege,
Doppelverbindungen von gewissen Alkaloiden mit Nickelsulfocyanid
und selbst mit Kupfersulfocyanid darzustellen.
S–t.
Ueber die angebliche Diathermansie des
Steinsalzes.
Bekanntlich wurde bisher nach den Versuchen von Melloni allgemein angenommen, daß
Steinsalz für alle Wärmestrahlen diatherman sei. Vor kurzer Zeit
zeigte Buff, daß Steinsalz einen ganz
beträchtlichen Bruchtheil der auffallenden Wärme absorbirt; der
Grund dafür, daß Melloni eine fast
vollkommene Diathermansie gefunden, liegt darin, daß das
Steinsalz dieselben Wärmestrahlen absorbirt wie die
atmosphärische Luft, und da bei den Melloni'schen Versuchen die
Wärme, welche die Steinsalzplatte traf, bereits durch eine
Luftschicht gegangen war, waren in ihr keine Strahlen mehr
enthalten, welche das Steinsalz noch absorbiren konnte. Jetzt
bestätigt nun auch Harrison (Philosophical Magazine, Juni 1877 p. 424. Naturforscher 1877 S. 303), daß
Steinsalz keineswegs diatherman ist.
Die Mars-Monde.
Ueber die jüngst entdeckten zwei Monde des Mars berichtet Rodgers (Naturforscher, 1877 S. 353), daß
die Entfernungen des äußern etwa 23000km, die des innern nur etwa
9300km vom Mittelpunkte
des Mars beträgt. Die Umlaufszeit des erstern beträgt
30 Stunden 14 Minuten, die des innern sogar nur 7 Stunden 38,5
Minuten. Nach Newcomb ist der
Durchmesser des äußern Mondes kaum 16km; beide Satelliten sind
als die bei weitem kleinsten der bis jetzt bekannten
Himmelskörper anzusehen.
Pflanzliche Parasiten des menschlichen
Körpers.
Bekanntlich werden eine Anzahl Krankheiten der Haut und der
Schleimhäute durch bestimmte Pilze bewirkt, durch deren
Uebertragung auf andere Menschen auch die entsprechenden
Krankheiten verbreitet werden. P. Grawitz (Virchow's Archiv, 1877 Bd. 70 S. 546) zeigt nun
durch Culturversuche, daß der Soorpilz identisch ist mit dem
Hefepilz, die Pilze der unter den Namen Favus, Herpes tonsurans und Pityriasis versocolor bekannten
Hautkrankheiten aber dem bekannten Milchsäurepilz Oidium lactis gleichen. Dieselben geben
auf der Schleimhaut schwächlicher Thiere die entsprechenden
Krankheiten, direct ins Blut lebender Thiere eingeführt gehen
sie zu Grunde.
Ueber die Bakterien des Milzbrandes und
der schwarzen Blattern.
Wie früher Koch (1876 222 284) so zeigen jetzt auch Pasteur und Joubert (Comptes rendus, 1877
t. 84 p.
900. t. 85 p. 101), daß die Milzbrandkrankheit durch eine besondere
Bakterie veranlaßt wird. Zu ihrer Entwicklung bedürfen sie viel
Sauerstoff, welchen sie dem Blute entnehmen, und daher raschen
Tod durch Erstickung bewirken. Werden sie durch andere
Organismen, z.B. Fäulnißbakterien, oder auch durch
Blutkörperchen an der Sauerstoffaufnahme verhindert, so gehen
sie zu Grunde. In reinem Urin pflanzen sie sich ungemein rasch
fort. Auch das Gift der schwarzen Blattern ist nach den
Untersuchungen derselben Verfasser eine Bakterie.
Ueber die Bereitung des Stickstoffes; von
W. Gibbs.
Man findet in allen Lehrbüchern eine Methode zur
Stickstoffbereitung, welche auf der Zersetzung des
salpetrigsauren Ammoniaks beruht. Diese Methode ist aber in der
Praxis werthlos, weil man vollkommen reines Salz anwenden muß,
und weil selbst bei der Zersetzung eines reinen Salzes, dessen
Bereitung sehr mühsam ist, Spuren von Stickoxyd fast
unvermeidlich sind. Mischt man eine Lösung von käuflichem
salpetrigsaurem Natron NaNO₂ mit einer Lösung von
schwefelsaurem oder salpetersaurem Ammoniak, so entsteht in der
alkalischen oder neutralen Lösung fast gar keine Zersetzung.
Setzt man ein wenig Essigsäure zu, so entsteht ein Aufbrausen,
aber der frei werdende Stickstoff enthält eine bedeutende Menge
des Oxydes. Man vermeidet diesen Uebelstand vollständig dadurch,
daß man dem Gemenge der beiden Salzlösungen eine starke
Auflösung von saurem bis chromsaurem Kali
K₂Cr₂O₇ zusetzt, bis das freie Alkali
neutralisirt und ein ziemlich großer Ueberschuß des chromsauren
Salzes vorhanden ist. Dann erwärmt man das Ganze und erhält
reinen Stickstoff unter Aufbrausen so leicht wie Kohlensäure.
Enthalten aber die angewendeten Salze Chlor, selbst in geringen
Mengen, so hat der Stickstoff einen eigenthümlichen Geruch, ganz
ähnlich dem Geruch, den man bei der Mischung von Chlorkalk mit
der Lösung eines Ammoniaksalzes erhält. In diesem Falle ist es
nur nöthig, den Stickstoff mit Kalk oder Natronlösung zu
waschen, um ihn vollkommen rein zu erhalten. (Berichte der
deutschen chemischen Gesellschaft, 1877 S. 1387.)
Ueber die giftigen Eigenschaften des
Fuchsins; von H. Seidler in
Riga.
Nachdem die zu Anfang dieses Jahres von Bergeron und Clouet über dieses
Thema veröffentlichten Untersuchungen (1877 223 105) von anderer Seite Widerspruch erfahren haben, der
übrigens von den genannten Autoren erfolgreich zurückgewiesen
wurde, so bieten die neueren hierauf bezüglichen Untersuchungen
Seidler's ein besonderes
Interesse, sofern sie die Resultate von Bergeron und Clouet vollkommen
bestätigen. Seidler hat, wie er im
Correspondenzblatt des Naturforschervereines zu Riga mittheilt,
5 Wochen lang jeden Morgen 0g,05 Rubin (Anilinroth), welches nach dem
Nitrobenzolverfahren hergestellt und als frei von irgendwelchen
metallischen Verbindungen gefunden worden war, zu sich genommen,
ohne die geringsten nachtheiligen Wirkungen, sogar wenn er die
Dosis bis auf 0g,1
steigerte, zu verspüren. Mit gleichem Erfolge wurden dieselben
Versuche an zwei andern Personen ausgeführt. Das Rubin passirt
als indifferenter Stoff den thierischen Organismus, um aus
diesem nach kurzer Zeit (2 bis 3 Tagen) mit den Auswurfstoffen
unzersetzt entfernt zu werden.
Um 100l Limonade, gleich
135 Flaschen Limonade, roth zu färben, gebraucht man
beispielsweise 0g,13
Anilinroth; es enthält also eine Flasche noch nicht ganz 1mg Farbstoff. Ein Mensch
müßte also 100 Flaschen Limonade zu sich nehmen, um, wie Seidler, 0g,1 Anilinroth auf einmal
in seinen Körper einzuführen. Benutzt ferner ein Fabrikant zum
Färben seiner Spirituosen 2mg Fuchsin auf 1l, so wird der Consument beim Genuß eines größeren Glases
von etwa 40cc Inhalt
nur 0mg,08 des
genannten Farbstoffes in sich aufnehmen. Setzt man weiter den
Arsengehalt einer Sorte Anilinroth zu 1 Proc., was schon hoch
gegriffen ist, so kommt auf eine Flasche Limonade 0mg,01 Arsen – eine
Menge, die sicher keine schädlichen Einwirkungen auf den
menschlichen Organismus auszuüben vermag. Oder endlich den Fall
gesetzt, welcher aber nie vorkommen wird, daß ein Fabrikant zum
Färben seiner Spirituosen ein Fuchsin mit 10 Proc. Arsengehalt
verwende, so enthalten die 2mg des auf 1l
benöthigten Farbstoffes 0mg,2 Arsen. Spirituosen werden niemals literweise
getrunken; genießt man davon täglich 100cc, d.h. den Inhalt von 3
großen Schnapsgläsern, so gehen damit täglich 0mg,02 Arsen in den Körper
über – eine Menge, die wiederum als unschädlich
bezeichnet werden kann. Immerhin aber empfiehlt es sich, für
derartige Verwendungen entweder möglichst arsenfreies Fuchsin,
wie solches ganz gereinigt mit nur 0,00125 Proc. erhältlich ist,
oder noch besser statt dessen ein nach dem Coupier'schen
Verfahren hergestelltes, vollkommen arsenfreies Rubin zu
benutzen.
Kl.
Thoré's
neues Saccharimeter.
Der Haupttheil desselben ist eine sehr dünne, planparallele
Gypsplatte, die aus einem Zwillingskrystalle geschnitten ist.
Sie wird zwischen zwei parallele Glasplatten mit Canadabalsam
eingeschlossen und so auf ein rundes Diaphragma befestigt, daß
dasselbe von der Zwillingsebene halbirt wird. Das polarisirende
Nicol wird so gestellt, daß sein Hauptschnitt einen Winkel von
45° mit der betreffenden Ebene bildet. Stellt man dann
das analysirende Nicol senkrecht zu ersterem, so erscheinen
beide Hälften des Gesichtsfeldes gleich gefärbt, es ist dies die
Nulllage. Eine kleine, kaum 20 Minuten betragende Drehung dieses
Nicols genügt, um die Gleichheit verschwinden zu lassen. Hat man
die Nulllage bestimmt und schaltet dann zwischen die betreffende
Glasplatte und das analysirende Nicol die drehende Substanz ein,
so muß man das letztere um eine bestimmte Anzahl Grade, die
gleich der zu bestimmenden Drehung der Polarisationsebene sind,
drehen, damit wieder beide Hälften gleich gefärbt erscheinen.
(Nach Les Mondes, 1877 t. 42 p.
587, durch Beiblätter zu Poggendorff's Annalen, 1877 S.
471.)
Wassergehalt der Gespinnstfasern.
Nach den Versuchen von Benard
(Chemisches Centralblatt, 1877 S. 426) enthält lufttrockne Wolle
14,53, Seide 9,91, Baumwolle 7,24, feiner Flachs 10,45, Flachs
mit Werg gemischt 10,97, Jute 12,29 und Hanf 11,93 Proc.
Wasser.