Titel: | Der Swoszowicer Schwefel und Schwefelkohlenstoff; von Arnulf Nawratil, technischer Chemiker. |
Autor: | Arnulf Nawratil |
Fundstelle: | Band 227, Jahrgang 1878, S. 289 |
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Der Swoszowicer Schwefel und Schwefelkohlenstoff;
von Arnulf Nawratil, technischer
Chemiker.
Nawratil, über das Swoszowicer Schwefelvorkommen.
Bei Swoszowice (einem Dorfe bei Krakau) findet sich Schwefel eingelagert mit Gyps im
Kalkmergel des Steinsalzgebirges der Molassegruppe; man trifft sehr oft auf Abdrücke
von Blättern und Baumstücken, manchmal auch auf Meermuscheln. Es wird auch
behauptet, dass der Swoszowicer Schwefel sein Vorkommen eben diesen organischen
Körpern verdanke; dieselben reducirten bei sehr beschränktem Luftzutritt den Gyps,
das entstandene Schwefelcalcium wurde durch die gebildete Kohlensäure in
kohlensauren Kalk und Schwefelwasserstoff zerlegt und aus letzterem durch den
Sauerstoff der Luft Schwefel ausgeschieden, welcher in vielen Jahrhunderten die
heutigen Schwefellager gebildet hat. Auf gleiche Weise sollen die Schwefellager in
Czarkowa an der Nida, in Piotrkowice bei Proszowice, in Radoboj in Croatien, in
Girgenti in Sicilien u.s.w. entstanden sein.Schwarzenberg bestreitet diese Hypothese in
Beziehung auf die sicilianischen Ablagerungen, da die physikalische
Beschaffenheit des Schwefels dieser Lager ganz abweichend ist von jener
Beschaffenheit des aus Schwefelwasserstoff abgelagerten Schwefels. Er nimmt
an, dass dieser Schwefel viel wahrscheinlicher durch Hitze aus
Schwefelmetallen, welche in vielen Gesteinsgruppen vorkommen, ausgetrieben
wurde.
Der mit Schwefel vermengte Mergel bildet in Swoszowice, so weit es bis heute
untersucht wurde, zwei über einander liegende Flötze, von denen das obere aus zwei
dünnen Schichten besteht und 1m,58 mächtig ist,
das untere 2m,84. Diese Flötze, welche von
einander durch eine starke Schicht Fasergyps getrennt wird, laufen wellenförmig über einander und sind
sehr oft durch eine schwefellose Mergelschicht unterbrochen; die Mächtigkeit der
schwefligen Flötze ist jedoch nicht überall gleich, an manchen Stellen beträgt sie
kaum einige Centimeter. Die Mächtigkeit der wellenförmig laufenden Schichten sammt
der Fasergypseinlagerung beträgt bis 25m und die
Ausdehnung der schwefelhaltigen Schichten, nach den ausgeführten Bohrungen, von Nord
gegen Süd bis 7000m, von Ost gegen West 3000m. Die grösste Tiefe der Grube beträgt in dem
Rudolfschachte 60m.
Das Swoszowicer Gestein, welches 14,5 Proc. Schwefel liefert, wird in ziemlich
grossen Klumpen, ähnlich wie das Steinsalz in Wieliczka, mittels Dampfmaschinen aus
der Grube heraufgezogen, in prismatische Haufen zusammengelegt und an der Luft
getrocknet; die trockenen Klumpen werden dann zerschlagen, wobei kleine Abfälle,
welche man dort „mial“ (Schwefelklein) nennt,
zurückbleiben; aus diesem Klein wird der Schwefel abgesondert gewonnen.
Bis zum J. 1875 standen in Swoszowice zur Ausschmelzung des Schwefels folgende
Apparate in Verwendung: In einem grossen Galeerenofen waren 27 eiserne Cylinder
angebracht (in drei Reihen von je 9 Stück über einander). Jeder Cylinder wurde mit
70 bis 73k des schwefelhaltigen Gesteins
beschickt; in je 12 Stunden wurde die unterste, zunächst des Feuerherdes befindliche
Cylinderreihe 4 Mal, die mittlere 3 Mal und die oberste Reihe nur 2 Mal beschickt;
in Zeit von 12 Stunden hatte man also in 81 Cylindern 5792k schwefelhaltiges Gestein verarbeitet und erhielt
daraus 784 bis 840k Rohschwefel. Dieses Verfahren
war sehr ungünstig und kostspielig: man verbrauchte dazu viel Brennmaterial, die dem
directen Feuer ausgesetzten eisernen Cylinder gingen durch Bildung von Schwefeleisen
schnell zu Grunde, die Arbeit ging langsam von statten und die Arbeiter hatten viel
durch Einathmen von schwefliger Säure zu leiden. Diese Schwefelgewinnungsmethode war
unter dem Namen „Swoszowicer Methode“ bekannt.
Der jetzige Vorsteher des dortigen Werkes, Stanislaus
Mrowec, hat nach Besichtigung der ausländischen Musterwerke die alte
Swoszowicer Methode verworfen; heute, wo die neuen Apparate erst 1 Jahr im Betriebe
sind, arbeitet man viel billiger, schneller und bequemer als früher.
Die Aufbereitung des schwefelhaltigen Gesteins blieb unverändert, nur die Gewinnung
des Schwefels wird anders betrieben, und zwar werden die grösseren Klumpen direct
mittels Wasserdampf ausgesaigert, das Schwefelklein aber wird mittels
Schwefelkohlenstoff ausgezogen.
Die Aussaigerung erfolgt mittels überhitzten Dampfes, welche Methode Schaffner seit vielen Jahren zur Aussaigerung des aus
den Sodarückständen regenerirten Schwefels verwendet. E. und P. Thomas saigern schon seit vielen
Jahren auf diese Weise den Schwefel aus, jedoch sind ihre Apparate von den Mrowec'schen verschieden.
Der Swoszowicer Apparat besteht aus zwei in einander gesteckten, vertical stehenden
Cylindern, die mit einander fest verbunden sind. Der äussere Cylinder besteht aus
ziemlich starken, zusammengenieteten Eisenplatten. Der Mantel des innern Cylinders
ist mit kleinen Oeffnungen versehen, welche schräg unter einem Winkel von 30° zur
Achse geneigt sind. Das untere Ende des innern Cylinders ist offen und mit einem
Gitter versehen, auf dem sich ein eisernes Drahtnetz befindet, auf welches
Weidenäste gelegt werden. Durch die Mitte längs des innern Cylinders geht eine
eiserne Röhre hindurch, welche wieder mit schrägen Oeffnungen, ähnlich wie der
innere Cylindermantel, versehen ist. Diese Röhre steht oben mit einer
Dampfleitungsröhre in Verbindung. Unter den Cylindern befindet sich eine
gusseiserne, doppelwandige, umgestürzte Glocke, welche mittels Schrauben und
Flanschen fest und hermetisch an die beschriebenen Cylinder angepasst wird. Der so
zusammengestellte Apparat ist in einem Gebälke passend gelagert.
Der Apparat wird mit dem schwefelhaltigen Gestein von oben beschickt, dann der Deckel
mittels Schrauben verschlossen und endlich der überhitzte Wasserdampf (140 bis 150°)
zugeführt. Dieser geht durch die Oeffnungen der Röhre in den innern Cylinder,
streicht durch das schwefelhaltige Gestein und saigert den Schwefel aus, der durch
das Sieb filtrirt und in die innere heisse Glocke fliesst, von wo er mittels eines
Hahnes in eiserne Gefässe abgelassen wird. Der Wasserdampf streicht durch die
Oeffnungen des innern Cylinders, circulirt zwischen dem äussern und innern Cylinder
und fliesst nach der Condensirung zwischen die äussere und innere Glocke, von wo er
ins Freie abgeleitet wird.
Der ganze Apparat ist 3m,025 hoch, der Durchmesser
des innern Cylinders beträgt 1m,300, des äussern
aber 1m,320. In diesem Apparate werden in 3½
Stunden aus 4000k Gestein bis 580k Schwefel ausgeschmolzen. Nach der Ausschmelzung
wird der Apparat, ohne dass man die Glocke abnimmt, so geneigt, dass man das vom
Schwefel schon befreite Gestein herauskrücken kann. Wenn man bei diesem Verfahren
auf jede Beschickung und Auskrückung des Apparates 1 Stunde rechnet, so kann man
innerhalb 24 Stunden aus 21333k Gestein 3100k Schwefel ausschmelzen.
Der so erhaltene Schwefel ist nicht rein und zeigt eine schmutzig gelbe Farbe. Man
reinigt ihn durch Destillation. Hierzu bedient man sich in Swoszowice eines sehr
einfachen Apparates, bestehend aus einer Reihe eiserner Röhren, welche in einem Ofen
eingemauert sind. Jede Röhre steht in Verbindung mit einem Rohre, welches die Rolle
eines Kühlers spielt, aus dem der abgekühlte Schwefel als eine dicke, dunkelbraune
Flüssigkeit in untergestellte Blechgefässe herunterfliesst, um schliesslich
ausgeschöpft und in feuchte hölzerne Formen eingegossen zu werden. Auf diese Weise
bekommt man den Schwefel in Gestalt von Stangen oder Kuchen. Hoffentlich wird auch
dieser Destillirapparat bald durch einen andern ersetzt, wie man auch zum Formen des
Schwefels wohl die Vorrichtung von L. Reis, welche die
Fabrik Hoch und Reis in Dam bei Antwerpen mit grossem
Erfolge benutztVgl. A. Bauer: Bericht über die chemische
Grossindustrie auf der Wiener Weltausstellung 1873 (Wien 1874), S.
2., in Anwendung bringen dürfte.
Die kleinen Abfälle, das sogen. Schwefelklein, welche beim Zerschlagen der grossen
Klumpen zurückbleiben, sammeln sich in grossen Massen an und bilden das
schwefelreichste Gestein; dasselbe kann in dem oben beschriebenen Apparate nicht
ausgeschmolzen werden, da der Wasserdampf beim Condensiren aus dem Klein eine
teigige Masse bilden oder ein Zusammenballen zu grösseren dichten Klumpen
veranlassen und dadurch die Circulation des Wasserdampfes hindern, sowie die
Oeffnungen der dampfführenden Röhre und des innern Cylinders verstopfen würde. Um
diesem Uebelstande vorzubeugen, zieht Mrowec nach H. C Bollmann's Vorgang den Schwefel aus diesem
Schwefelklein mittels Schwefelkohlenstoff aus. Zu diesem Behufe wendet er einen sehr
einfachen Apparat an, der jenem zum Extrahiren der Oele aus dem Oelsamen ähnlich
ist.
Dieser Apparat besteht aus einem doppelwandigen eisernen Cylinder – einem
Blechbehälter, welcher den schon mit Schwefel gesättigten Schwefelkohlenstoff
aufnimmt – aus einer eisernen Retorte, eisernen Kühlschlangen, die 150m lang sind und in welchen der
Schwefelkohlenstoffdampf condensirt wird, endlich aus zwei Behältern, in welche der
condensirte Schwefelkohlenstoff hineinfliesst.
Der Cylinder wird von oben mit dem Schwefelklein beschickt, sodann mit
Schwefelkohlenstoff gefüllt und mittels eines Deckels luftdicht verschlossen. Nach 2
Stunden, sobald der Schwefelkohlenstoff mit Schwefel gesättigt ist, wird derselbe
durch eine am Boden angebrachte Röhre in den Blechbehälter herausgelassen und kommt
von da in die Retorte. Dieselbe besteht aus zwei in einander steckenden weiten
Röhren, zwischen welchen Wasserdampf circulirt. Der Schwefelkohlenstoff wird
verdampft, in der langen Kühlschlange condensirt und dem grösseren Reservoir
zugeleitet. Der in der Retorte zurückbleibende krystallinische Schwefel setzt sich
am Boden des innern Rohres ab.
Der Extractionscylinder fasst 3250k Schwefelklein,
zu dem 1500k Schwefelkohlenstoff gegossen werden.
Eine Beschickung wird mit demselben Schwefelkohlenstoff 3 Mal ausgezogen, wobei man
400 bis 500k Schwefel bekommt. Nach dem ersten
Ausziehen bleibt in der Retorte die stärkste Schicht Schwefel, nach der dritten
schon eine ganz dünne. Das weitere Ausziehen der Beschickung, welches schon sehr schwefelarm ist,
lohnt sich nicht mehr, da die Gewinnungskosten seinen Werth übersteigen.
Das Abtreiben des Schwefelkohlenstoffes vom Schwefel dauert jedesmal 3¼ Stunden. Nach
3maligem Ausziehen einer und derselben Schwefelkleinbeschickung verliert man
verhältnissmässig wenig Schwefelkohlenstoff, nur 1,66 Proc; die Apparate sind so
luftdicht und so gut angebracht, dass der verlorene Schwefelkohlenstoff die Luft im
Fabriksraume nicht verunreinigt, sondern nach aussen entweicht. Nach 3maligem
Ausziehen leitet man in den Extractionscylinder überhitzten Dampf direct durch eine
Röhre zu, welche durch die Mitte desselben aufsteigt, und indirect zwischen den
inneren und äusseren Mantel, um das vom Schwefel schon befreite, jedoch bei den
früher besprochenen Operationen noch mit Schwefelkohlenstoff getränkte Gestein von
demselben zu befreien. Schwefelkohlenstoffdampf und Wasserdampf streichen durch die
Kühlschlangen, werden verdichtet unduud fliessen in den zweiten kleineren Behälter. Dieses Einleiten des
Wasserdampfes dauert 3 Stunden.
Das von Schwefelkohlenstoff befreite Gestein wird aus dem Extractionscylinder durch
eine an seinem Boden angebrachte Oeffnung herausgekrückt. Selbstverständlich muss
diese Oeffnung während des Ausziehens luftdicht verschlossen sein.
Bei diesem Verfahren kann man innerhalb 72 Stunden den Extractionscylinder 4 Mal
füllen und 600k Schwefel gewinnen. Der auf diese
Weise erhaltene Schwefel ist krystallinisch, hat eine gelbe Farbe und ist ziemlich
rein. Anfangs hat derselbe einen mit der Zeit verschwindenden bituminösen
Geruch.
Mit den beiden beschriebenen Apparaten producirt das Swoszowicer Werk 1050 bis
1087t Schwefel aus 7500t Gestein jährlich; doch könnte selbst die
doppelte Menge dargestellt werden. Da der nach der letztern Methode erhaltene
Schwefel reiner erhalten wird und man mit demselben viel günstigere Resultate
erzielt, baut jetzt Mrowec drei solche
Schwefelextractionsapparate, in welchen er die gesammte Schwefelerzmenge (= 7500t) auf Schwefel verarbeiten wird.
Da auch diese Schwefelmenge keinen oder nur einen geringen Absatz findet, so wird
jetzt daraus Schwefelkohlenstoff dargestellt. Schwefelkohlenstoff (CS2) wurde i. J. 1776 von Lampadius in Freiburg entdeckt. Man erhält ihn bekanntlich, indem man
Schwefeldampf durch glühende Kohle durchstreichen lässt. Nach Rud. v. Wagner bildet sich derselbe bei der trockenen
Destillation von Kohle mit Schwefelmetallen, z.B. mit Schwefeleisen,
Schwefelantimon, Zinkblende u.s.w. Nach der letztern Methode wird bis jetzt kein
Schwefelkohlenstoff fabriksmässig dargestellt; jedoch bildet sich derselbe auf diese
Weise bei der trockenen Destillation der Steinkohle und verunreinigt das
Leuchtgas.
Die Apparate, welche allgemein zur Darstellung des Schwefelkohlenstoffes in
Verwendung stehen, sind alle einander ähnlich; sie bestehen aus einer senkrecht in
einen Ofen eingemauerten Retorte, welche oben mit einem Deckel und zwei Oeffnungen
versehen ist. Durch die eine Oeffnung geht bis fast an den Boden der Retorte eine
gerade, an beiden Enden offene Röhre. Die zweite Oeffnung ist mit einer
Kühlvorrichtung verbunden, in welcher der in der Retorte sich bildende
Schwefelkohlenstoffdampf verflüssigt wird. Nachdem die Retorte mit Holzkohle oder
Kokes beschickt ist, wird dieselbe mit dem Deckel verschlossen und mit der
Kühlvorrichtung in Verbindung gesetzt. Die unter der Retorte angebrachte Feuerung
bringt die in der Retorte befindliche Kohle zum Glühen, und sobald dies erreicht
ist, wirft man (durch die bis zum Boden der Retorte gehende Röhre) den Schwefel zu.
Nach jeder Beschickung mit Schwefel wird die Röhre gasdicht verstopft. Der Schwefel
verwandelt sich in Dampf und der sich bildende Schwefelkohlenstoffdampf geht in die
Kühlvorrichtung, wo derselbe verdichtet wird.
In Swoszowice sind zwei Apparate thätig; der kleinere unterscheidet sich von dem
früher beschriebenen dadurch, dass das Rohr, durch welches man den Schwefel in die
Retorte wirft, anders angebracht ist; es ist nämlich die Einrichtung getroffen
worden, dass vom Boden der Retorte nach aussen eine in die Höhe gebogene Röhre
ausmündet, durch welche der Schwefel von Zeit zu Zeit zugeworfen wird. Nach
jedesmaliger Beschickung wird diese Röhre mittels eines Pfropfens geschlossen.
Dieser Apparat liefert in 24 Stunden 200k
Schwefelkohlenstoff, wobei man auf 93k Kohle
100k Schwefel verbraucht.
Der zweite neuere Apparat ist grösser als der eben beschriebene, in der Einrichtung
aber derselbe jenem ähnlich; hier wird der Schwefel von oben beschickt. Die Retorte
ist von innen und von aussen bis zu einer gewissen Höhe mit einem feuerfesten Thon
bekleidet. Zwischen der Retorte und dem Kühlapparate befinden sich drei bodenlose
eiserne Condensatoren, welche in einer eisernen Pfanne stehen und mit einander
mittels Röhren, die vom obern Ende derselben ausgehen, verbunden sind. Sobald
Schwefelkohlenstoff aus der Retorte durch eine 26cm breite Röhre herauskommt, verdichtet er sich grösstentheils schon in
diesen drei Condensatoren und fliesst unter einer Wasserschicht zu Boden der Pfanne,
in welcher diese Condensatoren auf einem Roste stehen. Der hier nicht condensirte
Schwefelkohlenstoff streicht durch die Kühlschlangen, verflüssigt sich und fliesst
in ein untergestelltes Gefäss. Dieser Apparat zeichnet sich noch dadurch aus, dass
die 2m,25 tiefe Retorte elliptisch ist (die
grössere Achse beträgt 1m,33, die kleinere 0m,95); dadurch soll ein rascheres Glühen der
Kohlen in der Retorte erzielt werden. Man muss jedoch trachten, die Temperatur nicht
zu hoch steigen zu lassen, da sonst die Retorte rasch zerstört würde.In Swoszowice zeigte sich, dass diese Retorte zu breit ist, weshalb die
grosse Menge Kohle ungleichförmig und nicht hinreichend glühend wird. Dies
ist auch der eigentliche Grund, warum man ziemlich grosse Verluste an
Schwefel bekommt. Es werden daher zwei neue Retorten von einem kleineren
Durchmesser aufgestellt. Der Apparat erzeugt in 24 Stunden 400k Schwefelkohlenstoff.
Die beiden Apparate erzeugen Schwefelkohlenstoff ohne Unterbrechung und werden mit
Kohle nach je 12 Stunden, mit Schwefel nach je 8 bis 10 Minuten beschickt.
Die Retorten reinigt man in Swoszowice, bei Verwendung des nicht raffinirten
Schwefels, jede 2 Wochen, bei Verwendung des meinen Schwefels jede 2 Monate. Diese
Reinigung ist eine sehr mühsame Arbeit; sie nimmt viel Zeit in Anspruch, bedingt
Verluste an Material, und die Arbeiter sind dabei der Hitze und den Dämpfen des
brennenden Schwefelkohlenstoffes ausgesetzt.
Was die Dauerhaftigkeit der Retorten anbelangt, hat die Praxis in Swoszowice gezeigt,
dass eine gut eingemauerte und mit feuerfesten Ziegeln ummauerte Retorte auf jede
Gewichtseinheit des Eisens bis 10 Mal so viel Schwefelkohlenstoff erzeugen kann.
Schwefelwasserstoff, der sich bei der Darstellung des Schwefelkohlenstoffes bildet,
verunreinigt die Luft in den Fabriksräumen. Die Arbeiter, die schon 2 Jahre in
dieser Luft arbeiten, haben aber bis jetzt noch keine Gesundheitsstörungen
erlitten.
Der in Swoszowice erhaltene Schwefelkohlenstoff ist unrein, enthalt 8 bis 10 Proc.
und manchmal auch mehr aufgelösten Schwefel, ausserdem Schwefelwasserstoff und viele
andere Körper, wahrscheinlich Verbindungen von Kohle, Schwefel, Sauerstoff und
Wasserstoff, welche näher untersucht werden sollten. Eben diesen Körpern verdankt
der Schwefelkohlenstoff seinen üblen Geruch; ein ganz reiner Schwefelkohlenstoff
soll an Chloroform erinnern. Ohne Annahme solcher Körper wäre nach Braun
A. W. Hof mann: Amtlicher Bericht über die
Weltausstellung in Wien 1873, Bd. 1 S. 270. die sehr
bedeutende Gasentwicklung und der bis 25 Proc. steigende Verlust beim Destilliren
des rohen Productes nicht zu erklären. In Swoszowice verliert man bei der
Destillation nur 15 Proc., Dank der guten Condensation.
In Swoszowice reinigt man den Schwefelkohlenstoff durch einmaliges Destilliren; dabei
erhält man ein farbloses Product, welches noch nicht ganz schwefelfrei ist und
ausserdem noch immer einen unangenehmen Geruch besitzt. Diese Destillation wird in
einem sehr einfachen Apparate ausgeführt, welcher jenen ähnlich ist, die man
gewöhnlich zur Destillation des Wassers in den chemischen Laboratorien verwendet und
sich von den letztern nur dadurch unterscheidet, dass die Destillirblase in einem
Wasserbade erhitzt wird und die Kühlschlangen bedeutend länger sind.
Der so gereinigte Schwefelkohlenstoff kommt in den Handel in blechernen Gefässen.
Eine solche Flasche enthält 50k
Schwefelkohlenstoff.
Ein reines Product bekommt man nach Rud. v. Wagner durch
Destillation des rohen Schwefelkohlenstoffes mit einer Chlorkalklösung. Nach Braun erhält man ein sehr reines Product, wenn man den
Schwefelkohlenstoff einige Mal mit reinem Oel destillirt. Das Oel hält jedesmal die
unangenehm riechenden Producte und den Schwefel zurück. Deiss
Wagners Jahresbericht, 1861 S. 162.
destillirt den Schwefelkohlenstoff mit Natriumhydrat, Chlorwasser und
Chlorkalklösung. Nach Sidot
Wagner's Jahresbericht, 1870 S. 171.
bekommt man reines Product durch Schütteln des rectificirten Schwefelkohlenstoffes
mit reinem Quecksilber. Cloëz
Comptes rendus, 1869 Bd. 69 S. 1356.
schüttelt CS2 mit 0,5 Proc. Sublimat und destillirt
denselben dann mit 2 Proc. eines farblosen Fettes.
Bis zum J. 1850 wurde Schwefelkohlenstoff ausschliesslich zum Vulcanisiren des
Kautschuks verwendet, jetzt verwendet man denselben ausserdem zu folgenden
Zwecken:
Zum Extrahiren der Fette aus den
Samen. Diese Methode ist sehr günstig, namentlich dort, wo das Viehfutter
billig ist und die Presslinge, die noch eine beträchtliche Menge Oel (sehr oft bis
25 Proc.) enthalten, schwer verkauft werden können. Diese Oelgewinnung ist da
ziemlich verbreitet.
Schwefelkohlenstoff dient zum Entfetten
der Wolle und das gewonnene Fett zur Seifenfabrikation. Die Apparate, welche hierzu dienen, sind beschrieben
worden von: Deiss
Wagners Jahresbericht, 1857 S. 108.,
Deprat
Moniteur scientifique, 1865 S. 298.,
Löwenberg
Wagners Jahresbericht, 1862 S. 519.,
Braun
A. W. Hofmann: Amtlicher Bericht über die Wiener
Weltausstellung 1873, Bd. 1 S. 272., Heyl
Polytechnisches Centralblatt, 1864 S.
414.;
Hädicke (1871 201 427), Fischer (1872 205 274), Payen (1863 170 290), H. Schwarz
Offizieller Ausstellungsbericht: Die Fettwaaren
(Wien 1873), S. 3. u.a.Wagner's Jahresbericht, 1864 S. 489. 1865 S.
558.
Schwefelkohlenstoff wird ferner verwendet zum Entfetten der Knochen, aus welchen man Spodium erzeugt,
zur Fabrikation löslicher Gewürze aus Pfeffer, Nelken,
Knoblauch, Zwiebel u.s.w.Wagner's Jahresbericht, 1869 S. 175.
445. , zur Fabrikation des Ferrocyanhaliums nach Gelis' Methode, indem
man den Schwefelkohlenstoff zuerst in Schwefelammonium überführtWagner's Jahresbericht, 1864 S. 254.;
zum Reinigen des Paraffins nach Alcan's MethodeWagner's Jahresbericht, 1858 S. 127.;
zum Betrieb der Dampfmaschinen (vgl. 1873 208 233); zum Reinigen des
amorphen Phosphors; zur Bereitung des phönicischen
Feuers, einer Lösung von Phosphor und Schwefelkohlenstoff, womit
Brandgeschosse für gezogene Geschütze gefüllt werden.
F. Louis aus Paris erlangte in
England ein Privilegium zur Bereitung der Zündhölzchen
aus einer Lösung von Phosphor und Schwefelkohlenstoff.Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft,
1872 S. 733. Zum Vertilgen der Phylloxera
rastatrix
Die Verwaltung der Klosterneuburger Weingärten hat im J. 1876 aus Swoszowice
60000k und die Ungarn im selben Jahre
50000k Schwefelkohlenstoff bezogen. und zum Tödten der Ratten,
des Kornwurmes, der Motten, sowie zur Bereitung des
xantkogensauren Kaliums (vgl. 1875 217 79) 430.
1876 221 191. 222 190. 191.
1877 224 558. 226 433) ist
Schwefelkohlenstoff in Anwendung gebracht worden.
Eine Auflösung von Kautschuk in Schwefelkohlenstoff ist nach Bolley ein vortreffliches Deckmittel für Landkarten und Aufschriftkarten etc. Eine Auflösung von Wachs in Schwefelkohlenstoff
dient zur Bereitung von Wachspapier und zum Bestreichen von Gypsmodellen. Schwefelkohlenstoff dient
ferner noch zur Bereitung des Chlorkohlenstoffes CCl4.
Krakau, September 1877.