Titel: | Rundschau auf dem Gebiete der Brauerei. |
Autor: | V. Griessmayer |
Fundstelle: | Band 227, Jahrgang 1878, S. 390 |
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Rundschau auf dem Gebiete der
Brauerei.
(Fortsetzung von S. 302 dieses
Bandes.)
Griessmayer, Rundschau auf dem Gebiete der Brauerei.
Zuckerbestimmung. Die Zuckerbestimmung mittels der Fehling'schen Kupferlösung erfordert grosse
Gewandtheit, die nicht Jedermann eigenthümlich ist. Auch wird diese Methode
unendlich variirt, indem Manche das ausgeschiedene Kupferoxydul auswaschen, trocknen
und wiegen, Andere den Niederschlag mit Filter im Porzellantiegel (mit oder ohne
Zugabe von Salpetersäure) einäschern und das gebildete Kupferoxyd wiegen (O'Sullivan). Girard
trocknet das ausgewaschene Oxydul im zusammengefalteten Filter zuerst auf dem
Platinschiffchen, verbrennt es dann bei Luftzutritt, bringt dann Schiffchen nebst
Niederschlag nach dem Erkalten in eine Glasröhre und reducirt im Wasserstoffstrom zu
metallischem Kupfer. Lagrange wählt eine alkalische
Lösung von weinsaurem, Barföd eine saure von
essigsaurem Kupfer. Von diesen sämmtlichen Methoden ist mir nur die von Lagrange nicht näher bekannt. Alle andern, zumal die
von O'Sullivan und Girard
geben gute Resultate; doch sind die letzteren sehr umständlich. – Knapp's Cyanquecksilber-Methode hatte nur ein ephemeres
Dasein.
In der neuesten Zeit nun hat Rob, Sachsse
Chemie und Physiologie der Farbstoffe und
Kohlehydrate (Leipzig 1877). eine Jodquecksilber-Methode vorgeschlagen. Es werden 18g reines und trocknes Jodquecksilber mit Hilfe von
25g Jodkalium in Wasser gelöst. Zu dieser
Lösung fügt man 80g Aetzkali in Wasser gelöst und
verdünnt das Ganze auf 100cc. Man bringt nun 40cc der Quecksilberlösung in einer Porzellanschale
zum Kochen und lässt die etwa ½proc. Zuckerlösung zufliessen, bis alles
Quecksilber ausgefällt ist, und zwar setzt man erst von 5 zu 5, dann von 1 zu 1 und
endlich 0,1 zu 0,1 zu. Um genau den Punkt zu finden, wo alles Quecksilber ausgefällt
ist, bringt man einige Tropfen einer mit Alkali übersättigten Zinnsalzlösung in
kleine Porzellanschälchen und setzt einige Tropfen der Quecksilberlösung zu. Anfangs
entsteht ein starker schwarzer Niederschlag, der um so geringer wird, je mehr die
Fällung des Quecksilbers durch den Traubenzucker stattfindet; sobald es farblos
bleibt, ist alles Quecksilber ausgefällt.
In der verbrauchten Zuckerlösung hat man dann 0g,1501 Dextrose, denn der Wirkungswerth der nach obiger Vorschrift bereiteten
Lösung wurde gegen reinen, wasserfreien Traubenzucker festgestellt. Es wurde nämlich
gefunden:
0,1505 1,503 0,1495 0,1506 0,1500 0,1498 Mittel 0,1501.
In einer späteren Mittheilung (Chemisches Centralblatt,
1877 S. 471) gibt Sachsse die Erklärung ab, dass die zu
obiger Titerstellung benutzte Dextrose aus dem chemisch reinen Traubenzucker des
Handels in der Weise dargestellt wurde, dass zur Entfernung des Wassers das Präparat
mit absolutem Alkohol gewaschen und nachher zweimal aus absolutem Alkohol
auskrystallisiren gelassen wurde. Die erhaltenen Krystalle waren vollkommen weiss,
schmolzen jedoch immer noch im Luftbade bei 100°. Das moleculare Rotationsvermögen
fand er mit + 54,6°. Behufs neuer Titerstellung bereitete er nun eine Dextrose aus
einer alkoholischen Rohrzuckerlösung, welche mit Salzsäure versetzt war (Methode von
Schwarz). Nun fand er, dass 40cc Quecksilberlösung 0g,1342 Dextrose entsprechen.
Strohmer und Klauss (Organ für Rübenzuckerindustrie in der
österreichisch-ungarischen Monarchie, 1877 S. 619) haben das Verfahren von
Sachsse eingehend geprüft. Zu diesem Zwecke trugen
sie Rohrzucker in eine salzsaure Alkohollösung ein und wuschen die abgeschiedene
Dextrose direct mit 65proc. Alkohol bis zur Neutralität, dann mit 95proc. und
schliesslich mit absolutem Alkohol unter Druck aus und trockneten sie über
Schwefelsäure im Recipienten. Das so gewonnene Präparat war weiss, vollkommen rein,
hinterliess beim Verbrennen wicht die geringste Spur Asche, und konnte durch 5
stündiges Trocknen bei 110° kein Wasserverlust bemerkt werden. Zwei hiermit
durchgeführte Verbrennungen ergaben 100,04 und 99,99 Proc. Dextrose, so dass sie als
vollständig rein erachtet werden konnte.
Als Titer fanden sie 40cc Quecksilberlösung = 0g,14505 Dextrose. Vergleichende Proben mit Fehling's Lösung gaben gut stimmende Resultate. Die
Differenz ihres Titers von dem Sachsse'schen Titer
suchen sie durch ein Verstäuben ihres Jodquecksilbers zu erklären. Sie fanden, dass
Rohrzucker auch reducirend darauf einwirkt und um so mehr, je mehr Dextrose dabei
ist. Daher ist die neue Methode bei Gemengen von Rohr- und Traubenzucker unanwendbar. Zur
Bestimmung des Zuckers in reinen Invertzuckerlösungen erklären sie dieselbe für
geeignet; sie fanden aber 40cc Quecksilberlösung =
0g,099 Invertzucker, während Bromme hierfür 0g,1072 fand. Ihr niederer Titer wird wieder durch die Verstaubung erklärt.
Auch zur Bestimmung von Dextrin neben Dextrose fanden die Genannten die Sachsse'sche Methode ungeeignet. Um ja nicht irre zu
gehen, bereiteten sie nun mehrmals eine Jodquecksilberlösung und stellten sie auf
ihre inzwischen mit dem Soleil-Ventzke'schen Apparat
geprüfte Dextrose. Sie fanden αj = + 53,43° (Tollens fand 53,1°). Der neue Titer, der hierbei
herauskam, war 40cc Quecksilberlösung = 0g,1213 Dextrose.
Aus obiger Darstellung ergibt sich, dass die neue Methode nur zur Bestimmung von
reiner Dextrose oder Invertzuckerlösungen gebraucht werden könnte, dass man bei
jedem Versuche einen neuen Titer erhält und dass daher von irgend einer Verwendung
dieser Methode so lange Abstand genommen werden muss, bis es dem Erfinder oder
seinen Controleuren gelungen sein wird, einen rechtsbeständigen Titer
nachzuweisen.
Stickstoffbestimmung in Gerste und Malz, Würze und Bier.
Bei dem grossen Einflüsse, welchen der Proteïngehalt der Rohmaterialien auf die
Fabrikation der Würzen und Biere ausübt, ist die Vornahme einer umfassenden Menge
von Stickstoffbestimmungen eine nicht zu umgehende Nothwendigkeit. Die bekannten
Methoden von Varrentrapp, Will und Dumas sind aber zur Ausführung von Massenbestimmungen
nicht einfach genug. Es wäre daher ein wirklicher Fortschritt zu nennen, wenn die
modificirte Methode von Wanclyn verlässige Resultate
liefern würde. Schon vor längerer Zeit hatten Wanclyn,
Chapman und Smith (Journal of the Chemical Society, 1868 Bd. 5 S. 591) folgendes Verfahren
zur Bestimmung der in dem Wasser vorkommenden Stickstoff haltigen organischen Stoffe
gegeben: Man macht das zu prüfende Wasser vorher alkalisch und destillirt das etwa
darin schon befindliche Ammoniak ab; dann versetzt man es mit einer alkalischen
Lösung von Permanganat und destillirt von neuem; aller Stickstoff der organischen
Verbindung wurde hierdurch in Ammoniak übergeführt (analog wie bei der Verbrennung
mit Natronkalk), und dieses Ammoniak bestimmt man hierauf mit dem Nessler'schen Reagens, einer alkalischen
Quecksilberkaliumjodid-Lösung. Aus dem so bestimmten Ammoniak berechnet man dann die
organische Substanz.
Gegen diese Methode sind vielfache Einwürfe erhoben worden. So erklären schon Frankland und Armstrong
(Journal of the Chemical Society, 1869 Bd. 6 S.
77), dass nur bei wenigen organischen Verbindungen aller Stickstoff durch die
alkalische Permanganatlösung in Ammoniak übergeführt werde (Hippursäure); bei den meisten
hingegen trat nur ein Theil desselben als Ammoniak auf (Morphin, Strychnin u.a.).
Auch Pott (Journal für
praktische Chemie, 1872 Bd. 5 8; 355) fand, dass bei der Behandlung von
Eiweiss und Conglutin mit der genannten Lösung nur ein Theil des Stickstoffes in
Ammoniak verwandelt werde. Cloëz und Guignet (Annalen der Chemie und
Pharmacie, 1858 Bd. 108 S. 378) weisen nach, dass Ammoniak durch
Kaliumpermanganat in alkalischer Lösung je nach Temperatur und Mengenverhältniss zu
Kaliumnitrit oder Kaliumnitrat oxydirt werde.
In den Berichten der deutschen chemischen Gesellschaft,
1877 S. 1936 finden wir die neueste Veröffentlichung über diesen Gegenstand von S.
Hoogewerff und W. A. van
Dorp, welche nachweisen, dass bei der Behandlung mit dem alkalischen
Permanganat das Amylamin in der That seinen ganzen Stickstoff als Ammoniak abgibt,
Chinin, Naphtylamin, Toluidin nur die Hälfte, Theïn nur ein Viertel. Genau wurden
die Reactionsproducte des Anilins untersucht, weshalb ich auch hierauf näher
eingehen muss. Als Apparat diente ein mit doppelt durchbohrtem Kork verschliessbarer
Kolben; die eine Durchbohrung hielt einen kleinen Trichter für den Zufluss des
Chamäleons, in die andere mündete ein aufrecht stehender Kühler. Die
Destillationsröhre war verbunden mit einer U-förmigen, mit Salzsäure gefüllten Röhre
zur Aufnahme und Neutralisirung des übergehenden Ammoniaks. Der Kolben wurde nur mit
10proc. Kalilauge und dem Anilin beschickt, auf das Wasserbad gebracht und die
Operation in der Weise fortgeleitet, dass man durch den Trichter allmälig je 20cc einer 4proc. Lösung von Kalipermanganat
einfliessen liess; erst nach gänzlicher Entfärbung gab man eine neue Menge zu. Die
Oxydation verläuft sehr rasch; man beendigt sie, wenn die Flüssigkeit nur mehr grün,
aber noch nicht entfärbt ist. Auf 1g Anilin
verbrauchte man so 8 bis 9g KMnO4. Nach Vollendung dieses Processes wird filtrirt
und nun erst destillirt und das Product in der U-Röhre aufgefangen. Es ergab sich,
dass fast genau die Hälfte des Stickstoffes als
Ammoniak auftrat. Ein Drittel desselben wurde hierbei in Azobenzol übergeführt;
ausserdem entstand noch ein uncarakterisirbarer Stickstoff haltiger Körper und
Oxalsäure. Chinin analog behandelt lieferte ebenfalls die Hälfte seines Stickstoffes
als Ammoniak. Die Verfasser versichern, dass unter den Modalitäten ihres Versuches
eine Oxydation des gebildeten Ammoniaks nicht stattfinde.
In der Zwischenzeit waren aber zwei andere Arbeiten erschienen, auf welche die oben
genannten Verfasser keinen Bezug nehmen. Wanclyn selbst
in Verbindung mit Cooper veröffentlichen in dem Philosophical Magazine, März 1877 S. 382 ein
modificirtes Verfahren, aas gerade für die Untersuchung der Cerealien alle
Schwierigkeiten zu lösen verspricht. Man wiegt genau 1g der vegetabilischen Substanz ab, bringt in eine Literflasche, setzt
20cc einer Zehntelnormal-Kalilösung zu und dann destillirtes
Wasser bis zur Marke. Nun bringt man in eine Retorte 300 bis 500cc Trinkwasser, hierauf 50cc einer Lösung, bestehend aus 10g Aetzkali und 0g,4 Kaliumpermanganat, und destillirt nun, bis kein (im Wasser
präexistirendes) Ammoniak mehr übergeht. Alsdann bringt man in diese Retorte 10 bis
20cc der eben erwähnten vorgerichteten
Proteïnlösung und destillirt weiter. Das überdestillirte Ammoniak wird mit Nessler's Reagens bestimmt. Nicht nur Eieralbumin, sondern auch die Pflanzenalbumine liefern hierbei 1/10 ihres
Proteïngewichtes an Ammoniak. Multiplicirt man daher das gefundene Ammoniak
mit 10, so hat man den Gehalt an Protein:
Proc.
Ammoniak
Proc.
Ammoniak
Erbsenmehl
lieferte
2,30
Countryflour
lieferte
1,08
Reis
„
0,62
Suffolk
„
1,00
Mais
„
1,03
Ungarisches
„
1,10
Hafer
„
1,00
Anderes Ungar.
„
1,05
Gerste
„
1,10
Darblay Paris
„
1,05
Malz
„
0,50
Wiener
„
1,08
Roggen
„
1,45
Australisches
„
0,92
Arrowroot
„
0,08
Californisches
„
1,13
Weizenmehl
Amerikanisches
„
1,14
Cambridgeshire superf.
„
1,10
Anderes Amer.
„
1,17
Ein anderes Muster
„
1,00
Householdflour
„
1,13
Also liefert Weizenmehl 10 bis 11,3 Proc. Protein.
In der angeführten Abhandlung sind die Controlversuche nicht angegeben, welche Wanclyn und Cooper durch
Verbrennung mit Natronkalk, oder nach Dumas, angestellt
haben. Allein es wäre ungereimt anzunehmen, dass diese Forscher einen so wichtigen
und folgenschweren Satz geradezu ins Blaue hinein ausgesprochen hätten. Werden aber
die Analysen Wanclyn s durch andere Untersuchungen
bestätigt, so haben wir ein Resultat gewonnen, welches einen ausserordentlichen
Fortschritt in der analytischen und hierdurch auch in der physiologischen und
technischen Chemie bezeichnet. Freilich die Methode gilt dann zunächst nur für die
genuinen Proteïne; für Peptone und deren Verwandte, für Würze und Bier muss sie erst
festgestellt werden. Da wir aber auch aus den Analysen von Hoogewerff und van Dorp bereits ersehen, dass
die entwickelte Menge Ammoniak für ein und dieselbe Substanz bei gleichen
Versuchsbedingungen eine unveränderliche ist, so zweifle ich nicht, dass auch für
Würze und Bier diese Constante gefunden werden wird. Es eröffnet sich hier ein
lohnendes Feld für die Versuchsstationen.
In dem Brewer's Journal, 1877 Bd. 13 S. 83 hat bereits
ein Unbekannter über Versuche berichtet, die er und vor ihm Clifton in dieser Richtung angestellt haben. Nun beziehen sich diese
Versuche nicht auf die neueste Entwicklung der Methode Wanclyn's, sondern auf die ältere Form. Sie verfahren in folgender Weise:
Die Würze oder das Bier werden zuerst filtrirt, dann nimmt man 5cc davon, verdünnt sie mit destillirtem Wasser auf 500cc und nimmt nun hiervon 5cc (= 1cc ursprüngliche Probe) in Verwendung. Hierauf
bringt man diese 5cc nebst 300cc Wasser in die Retorte, fügt 50cc einer concentrirten Lösung von
Kaliumpermanganat hinzu und destillirt nun 250cc
hievon über. Die Menge des Chamäleons muss so gewählt sein, dass die Flüssigkeit in
der Retorte während des ganzen Processes eine tief purpurne Farbe behält; sollte nur
ein grüner oder rother Schatten mehr übrig sein, so würde dies beweisen, dass zu
wenig Permanganat zur gänzlichen Oxydirung der organischen Substanz vorhanden sei;
auch Kali muss im Ueberschusse vorhanden sein. Das Destillat wird nesslerisirt. Als
Vergleichsflüssigkeit benutzen sie eine Lösung von verdünntem Ammoniak, die auf 1cc 0mg,01
Ammoniak enthält. Clifton fand so bei einer
vergleichenden Analyse: 1) Nach Wanclyn 2,77 Pfund
Proteïn in 1 Barrel Würze = 0,7268 Proc. Protein. 2) Nach Varrentrapp-Will 2,89 Pfund Protein in 1 Barrel Würze, entsprechend nach
deutscher Art berechnet 0,758 Proc. Protein. Die Differenzen sind nicht unerheblich
und scheinen davon herzukommen, dass die Ansicht der Autoren von der zu verwendenden
Chamäleonmenge falsch ist. Ist zu viel da, so erstreckt sich die oxydirende Wirkung
auch auf das Ammoniak selbst und wird dann zu wenig gefunden. Die richtigen
Verhältnisse können offenbar nur durch eine längere vergleichende Versuchsreihe
gefunden werden; doch ist so viel bereits klar, dass die Lebensfähigkeit der neuen
Methode gesichert ist.
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V. Griessmayer.