Titel: | Ueber fäulnissfähige organische Substanz im Trinkwasser; von Gustav Bischof. |
Autor: | Gustav Bischof [GND] |
Fundstelle: | Band 227, Jahrgang 1878, S. 474 |
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Ueber fäulnissfähige organische Substanz im
Trinkwasser; von Gustav
Bischof.
Mit einer Abbildung.
Bischof, über fäulnissfähige organische Substanz im
Trinkwasser.
Glücklicherweise zeigen unsere Geruchs- und Geschmacksnerven mit ausserordentlich
grosser Empfindlichkeit an, wenn ein Nahrungsmittel in Fäulniss übergegangen ist.
Leider lässt sich dies nicht auf Trinkwasser ausdehnen, welches bekanntlich in hohem
Grade mit fäulnissfähiger organischer Substanz verunreinigt sein kann, ohne dass unsere
Sinne irgend einen Verdacht schöpfen. Und doch hängt die Beantwortung der Frage, ob
ein Wasser gut bekommt, in erster Linie von der Gegenwart oder Abwesenheit solcher
fäulnisserregenden Substanz ab, da diese grade Störungen im menschlichen Organismus
herbeiführen. Am gefährlichsten sind jedoch die Folgen, wenn jene niedrigen Formen
des organischen Lebens, welche höchst wahrscheinlich das specifische Gift der
Cholera, des Typhus und anderer Krankheiten bilden, zu Trinkwasser gelangen, das
durch fäulnissfähige Substanz verunreinigt ist (vgl. 1877 223 517). Eine Reihe von Beobachtungen führt nämlich zu dem Schluss, dass
diese Organismen oder deren Keime nicht ansteckend sind, so lange sie von frischer
organischer Substanz umgeben sind; sobald jedoch die erste Zersetzung eingeleitet
ist, zeigen sie ihren bösartigen giftigen Charakter. So hat man beispielsweise
beobachtet, dass die Entleerungen von Cholera- und Typhuskranken nicht ansteckend
sind, so lange sie frisch sind, sondern erst bei der Fäulniss ihr giftiger Charakter
hervortritt.
Die chemische Analyse ist ausser Stande zwischen lebender und todter, zwischen
frischer und verdorbener organischer Materie zu unterscheiden. Das Mikroskop
offenbart die Natur derselben schon vollkommener; aber nichts desto weniger ist es
häufig schwer zu entscheiden, ob Fäulnissbakterien in einem Wasser vorhanden sind
oder nicht. Es schien mir daher, dass diese Entscheidung, in einigen Fällen
wenigstens, mit grösserer Sicherheit auf indirectem Wege gefunden werden könnte.
Textabbildung Bd. 237, S. 474Wenn wir bestimmen wollen, ob ein Gas Kohlensäure ist, leiten wir es durch
Kaliröhren und sehen zu, ob deren Gewicht zugenommen hat. In ähnlicher Weise können
wir die Gegenwart oder Abwesenheit von Fäulnisserregern in einem Wasser durch ihre
Wirkung auf organische Substanz entdecken. Als Reagens wählte ich frisches Fleisch,
weil die geringsten, durch Fäulniss in ihm hervorgebrachten Veränderungen sehr
leicht durch den Geruch erkannt werden können. Die Versuche, welche ursprünglich mit
der Absicht gemacht wurden, die Verbesserung des Wassers dadurch zu ermitteln, dass
man es durch verschiedene Substanzen filtrirte, wurden (mit Ausnahme von Versuch 8)
folgendermassen ausgeführt.
Auf den durchbohrten Boden a eines Steingutgefässes ss bringe ich ein Stückchen frischen Fleisches. Das
Gefäss wird sodann zu etwa ⅔ mit der zu prüfenden Substanz und schliesslich mit
Wasser gefüllt. In eine Oeffnung bei c ist eine Röhre
aus Zinn befestigt, welche erst aufwärts und dann abwärts in Form eines umgekehrten
U gebogen ist, um zu verhindern, dass Bakterien oder deren Keime durch diese
Ausflussröhre auf den Boden des Gefässes gelangen können. Das Luftloch d wird bis zu c herab mit
fest zusammengedrückter Baumwolle gefüllt und ein am untern Ende verschlossenes
Glasrohr durch die zu prüfende Substanz hindurch geführt, damit man die Temperatur
in der unmittelbaren Nähe des Fleisches messen kann. Die so vorbereiteten Gefässe
kommen jetzt in einen Kessel mit kaltem Wasser, welches allmälig erhitzt und einige
Stunden im Sieden erhalten wird, um etwaige dem Fleisch anhängende Keime zu
zerstören. Die Temperatur am Boden des verschlossenen Glasrohres war während des
Kochens in allen folgenden Versuchen 93 bis 95°.
Nach dem Erkalten wurde das Wasser der Chelsea Company
(London) in Richtung der Pfeile in möglichst gleicher Schnelligkeit durch die
Gefässe geführt. Es ist klar, dass Fäulnissbakterien oder deren Keime nach einiger
Zeit das Fleisch zum Verderben bringen würden; dass aber falls das Fleisch frisch
bleibt, dieselben abwesend oder wenigstens inactiv sein müssen, wenn das Wasser das
Fleisch erreicht.
1. Versuch: Eines der Gefässe wurde mit Eisenschwamm (vgl. 1871
200 419) 1873 210 40. 1876
219 325) gefüllt und in der oben beschriebenen Weise
behandelt; nach 14 Tagen war das Fleisch noch vollkommen frisch.
2. Versuch: Ein Gefäss mit Thierkohle gefüllt; nach 14 Tagen
zeigte das Fleisch deutliche Spuren von eingeleiteter Zersetzung. Da Versuch 1 und 2
neben einander ausgeführt wurden, so beweist dieses Resultat, dass die Conservation
des Fleisches bei Versuch 1 nicht etwa auf aussere Grunde, wie z.B. die damals
gerade vorwiegend niedrige Temperatur, zurückgeführt werden darf.
3. Versuch: Das Wasser lief 4 Wochen lang durch ein mit
Eisenschwamm beschicktes Gefäss; selbst jetzt war das Fleisch vollkommen frisch und
hart.
4. Versuch wie Nr. 2, nur wurde die Filtration durch Thierkohle 4
Wochen lang fortgesetzt. Das Fleisch war weich und vollständig in Faulniss
übergegangen. Im Verlauf des Versuches verstopfte sich die Ausflussrohre mehrere
Male mit schleimigen Substanzen.
5. Versuch: In Nr. 1 und 2 war der Eisenschwamm ohne vorherige
Trennung vom feinen Staub angewendet worden. Zur Vergewisserung, ob die Bakterien
nur mechanisch zurückgehalten waren, wurde ein Gefäss mit Eisenschwamm beschickt,
welcher vorher durch ein Sieb von 12 Maschen auf 1cm von allen feineren Theilchen getrennt worden war. Die Substanz war
daher in diesem Fall von poröser Beschaffenheit. Nach 4wöchentlicher Filtration
wurde das Fleisch vollkommen frisch befunden.
6. Versuch. In den vorhergehenden Versuchen mit Eisenschwamm
befand sich das Fleisch in Berührung mit Wasser, aus welchem das in Losung
befindliche Eisen nicht entfernt war. Um Gewissheit zu erlangen, ob dieses geloste
Eisen etwa der conservirende Körper war, wurde ein Steingutgefäss unterhalb des
Eisenschwammes mit Braunstein und Sand beschickt, um so das Wasser vom Eisen zu
befreien, ehe es mit dem Fleisch in Berührung kam. Auch hier wurde nach
4wöchentlicher Filtration das Fleisch unverdorben befunden.
7. Versuch. Durch einen besondern Versuch überzeugte ich mich,
dass der Sauerstoff aus dem Wasser, während dasselbe durch Eisenschwamm geht,
vollständig entfernt wird. Um zu bestimmen, ob die Abwesenheit des Sauerstoffes die
Conservirung des Fleisches bewirkt habe, und ob die Bakterien oder ihre Keime
getödtet werden und wieder belebt werden können, wenn ihnen Sauerstsoff zugeführt
wird, wurde eine Abdampfschale über das Fleisch gelegt. Diese musste eine gewisse
Menge Luft in ihrer Hohlung zurückhalten, und wurde so die Luft nach und nach von dem Wasser in
unmittelbarer Nähe des Fleisches aufgelöst. Nach 4wöchentlicher Filtration war das
Fleisch vollkommen frisch. Es gelang mir, eine kleine Blase des Gases, welches sich
noch in der Schale befand, aufzufangen; dasselbe war frei von Sauerstoff. Es ist
daher unentschieden, ob der Sauerstoff hinreichend lange genug dem Wasser zugeführt
war, um irgend welche Schlüsse aus diesem Versuch zu rechtfertigen. Inzwischen
machten die Resultate von Versuch 8 eine Wiederholung überflüssig.
8. Versuch: Frisches Fleisch wurde auf den Boden eines
Glasgefässes gethan und, mit einer 10cm hohen
Eisenschwammschicht und Wasser bedeckt, stehen gelassen. Das Kochen war in diesem
Falle unterblieben. Nach 3 Wochen war das Fleisch sehr schlecht und zeigte somit,
dass die Wirkung der dem Fleisch anhängenden Bakterien nicht durch Eisenschwamm
verhindert wird und dass, wenn bei den vorhergehenden Versuchen mit Eisenschwamm
irgend ein Körper, welcher die Fäulniss einzuleiten fähig war, zu irgend einer Zeit
mit dem Fleisch in Berührung gekommen wäre – mit andern Worten, wenn die Bakterien
bei ihrem Durchgange durch den Eisenschwamm nicht getödtet worden wären – das
Fleisch Kennzeichen ihrer Einwirkung hätte zeigen müssen, wie im letzten
Versuch.
Es scheint daher, dass die Bakterien dauernd unschädlich gemacht werden, wenn sie in
Wasser durch Eisenschwamm filtriren. Dieser Schluss wird weiter durch die
Beobachtung gestützt, dass selbst Gossenwasser, wenn es durch das schwammige
Material hindurchgegangen ist, seit nunmehr 5 Jahren vollkommen klar blieb, während
es, dem Licht ausgesetzt, in einer halb gefüllten Flasche mit einem Kork
verschlossen war.
Ich glaube, dass die Wirkung des Eisenschwammes auf organische Substanz grossentheils
in einer Reduction von Eisenhydroxyd durch organische Unreinigkeiten im Wasser
besteht. Wir wissen, dass selbst organische Substanzen, wie Stroh oder Zweige, fähig
sind, Eisenoxydhydrat zu Eisenhydroxydul zu reduciren. Wir wissen, dass selbst so
schwer zerstörbare organische Substanz, wie Leinwand – und Wollgewebe, nach und nach
durch Rostflecken zerstört wird. Diese Wirkung ist langsam, wenn man gewöhnliches
Eisenoxydhydrat anwendet; aber sie kann, im status
nascens sehr energisch werden – um so mehr, wenn wir die Natur der im
Wasser vorhandenen organischen Substanz mit in Betrachtung ziehen. Eisenoxydhydrat
bildet sich stets im oberen Theil eines Eisenschwammlagers, wenn Wasser durch
dasselbe hindurchgeht. Das Eisenhydroxydul aus der Reduction durch organische
Substanz kann wieder durch den im Wasser gelösten Sauerstoff oxydirt werden und so werden diese beiden Reactionen eich wiederholen.
Hierdurch wäre es erklärt, weshalb die Wirkung des Eisenschwammes so lange vorhält.
Es ist ja ausserdem ganz sicher, dass auch eine reducirende Wirkung stattfindet,
wenn gewöhnliches Wasser durch Eisenschwamm filtrirt; dies wird durch die Reduction
der Nitrate klar erwiesen (vgl. 1873 210 51).
Unsere Kenntniss jener niedrigen Organismen, von denen man annimmt, dass sie die
Ursache gewisser Epidemien sind, ist zu begrenzt, um directe Versuche mit ihnen zu
gestatten. Es ist jedoch nicht unwahrscheinlich, dass sie wie die Fäulnissbakterien
unschädlich werden, wenn das Wasser, welches sie enthält, durch Eisenschwamm
filtrirt; bis wir aber die Mittel zur Isolirung dieser Organismen besitzen, kann
diese Frage nur durch praktische Erfahrung endgiltig erledigt werden. (Nach einem
vom Verfasser gef. eingesendeten Vortrag, abgehalten am 19. April 1877 in der
Royal Society zu
London. Vgl. auch Chemical
News, 1877 Bd. 36 S. 2.)