Titel: | Ueber die Härtung des Glases. |
Autor: | P. E. |
Fundstelle: | Band 229, Jahrgang 1878, S. 57 |
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Ueber die Härtung des Glases.
Ueber die Härtung des Glases.
Die Erfindung des Hartglases durch Royer de la Bastle
(1875 215 186) hat wie wenig andere in weitesten, auch
der Technik fernstehenden Kreisen das gröſste Aufsehen erregt; die weit gehendsten
Hoffnungen haben sich daran geknüpft, der Begriff und die Natur des Glases schien
plötzlich auf den Kopf gestellt zu sein. Die Erwartungen waren um so höher
gestiegen, als de la Bastie für seine Patente in
Deutschland allein den abenteuerlichen Preis von 1 Frank für jeden Kopf, in Summe
also 42 Millionen Fr. forderte. Aus dem französischen verre
trempé und dem englischen toughened glass
wurde bald ein elastisches, dann unzerbrechliches Glas und endlich das Hartglas, ganz abgesehen von Pieper's Vulkanglas. Jetzt nach einem Verlauf
von beiläufig 3 Jahren nimmt sich die Sache weit anders aus. Die groſsen Erwartungen
haben sich keineswegs
erfüllt, das Hartglas ist nicht im Geringsten im Stande gewesen, das gewöhnliche
Glas in seiner Bedeutung einzuschränken; ja man wird nicht weit fehl gehen mit der
Behauptung, die Hartglasfrage sei einstweilen eine noch schwebende; trotz der
bedeutenden Anstrengungen nach allen Richtungen bleibt bis jetzt das Hartglas nur
ein Product, welches wegen seiner Eigenschaften Interesse erregt, dessen
Vorzüglichkeit dem anderen Glas gegenüber aber noch keineswegs endgiltig
festgestellt ist.
Das Härteverfahren besteht bekanntlich im Wesentlichen in einer schnellen
gleichmäſsigen Abkühlung des im Erweichungszustande befindlichen, bereits fertig
verblasenen und geformten Glases (vgl. 1875 216 75) 288).
Durch dieselbe wird dem letzteren eine solche physikalische Beschaffenheit ertheilt,
daſs es besser als gewöhnliches, langsam gekühltes Glas im Stande ist, äuſseren
Angriffen, wie Stoſs, Schlag u. dgl. zu widerstehen (vgl. 1875 215 381) 568). Es ist de la Bastie's
unbestrittenes Verdienst, die Art der Abkühlung in dieser Richtung zum Glashärten
benutzt zu haben; es ist jedoch auch nicht zu verkennen, daſs kurze Zeit nach ihm
andere Techniker, allerdings unter Zugrundelegung der de la
Bastie'schen Erfahrungen, neue selbstständige Härtungsverfahren in
Vorschlag brachten und sich dieselben theilweise patentiren lieſsen (vgl. 1875 218 181) 1877 225 360). Die
Unterschiede dieser Verfahren liegen wesentlich in der Wahl und Anwendung der
kühlenden Flüssigkeit. Auſser den von de la Bastie
benutzten Fettbädern verdient besondere Beachtung das von Friedr. Siemens bereits praktisch ausgeführte Verfahren der Härtung mit
festen kalten Gegenständen, z.B. Thonplatten u.s.w.
Wesen der Glashärtung. Die zu härtenden Gläser werden,
nachdem sie bis zur Erweichung erhitzt sind, einer plötzlichen Abkühlung
„Abschreckung“ unterworfen. Dieser Zweck läſst sich in der
verschiedensten Weise und mit den verschiedensten kühlenden Mitteln erreichen. Der
Vorgang an sich ist durchaus physikalischer Natur, das Glas wird in seiner
chemischen Constitution nicht verändert. Als Folge der schnellen Ueberwindung des
Erweichungszustandes tritt ein Zustand der molecularen Spannung im Glase ein, der
seinerseits dem Hartglase seine specifischen Eigenschaften ertheilt.
Die Eigenschaften des zu härtenden Glases sind für den
Erfolg der Härtung von groſser Bedeutung. Es muſs vor Allem gut verschmolzen und
geläutert sein und darf weder unverschmolzene Quarzkörner, noch Glasgalle enthalten;
Gegenstände aus streifigem oder schlecht geläutertem Glas zerspringen im Härtebad
fast durchweg. Je mehr ein Glas den amorphen Charakter hat, je weniger es zur
Krystallisation geneigt ist, um so besser läſst es sich härten, ganz besonders z.B.
der Bleikrystall. Entglaste oder in der Entglasung begriffene Gläser stehen im
Härtebad nicht. Es ist deshalb erforderlich, daſs ein mit geschmolzenem Glas gefüllter Schmelztiegel
möglichst schnell verarbeitet und gehärtet wird, damit keine Entmischung eintreten
kann. Die chemische Zusammensetzung eines Glases ist in Bezug auf die
Härtungsfähigkeit insofern von Wichtigkeit, als dadurch die physikalischen
Eigenschaften zum groſsen Theil bedingt werden, so z.B. die Schmelzbarkeit. Wie
bereits erwähnt, besteht der Härtungsproceſs in der schnellen Ueberwindung eines
bestimmten Erweichungszustandes innerhalb gewisser Grenzen. Bei schwer schmelzbaren
Gläsern wird er höher liegen, als bei leichter schmelzbaren, und nach ihm richtet
sich wiederum die Temperatur der kühlenden Bäder. So bedarf der leicht schmelzbare
Bleikrystall von Baccaras, bestehend aus 300 Th. Sand, 100 Th. Potasche und 50 Th.
Mennige, eines Härtebades von 60 bis 120°. Schwerer schmelzbare Flaschengläser, also
Natronkalkgläser, erfordern dagegen Bäder mit Temperaturen von 150 bis 300°, und
sehr schwer schmelzbarer böhmischer Krystall ist nicht unter 300° zu härten.
Auſserdem ist die chemische Zusammensetzung noch deswegen von Bedeutung, weil durch
das Vorwalten basischer oder saurer Bestandtheile oder sonst im Glase nur schwer
gelöster Körper die Neigung zum Entglasen befördert und damit der Härteproceſs
erschwert wird.
Die äuſsere Form und die Wandstärke der Gefäſse haben groſsen Einfluſs auf den Erfolg
der Härtung. Stücke oder Gegenstände mit dicker Wandung sind in heiſseren Bädern zu
härten als solche mit dünner; bei ersteren darf die Abschreckung nicht eine so
plötzliche sein, die Spannungszustände würden bei bedeutenderer Wandstärke zu groſs
werden; der Gegenstand zerreiſst oder zerspringt im Bad. So werden in Choissy le Roi
aus dem gleichen Glas hergestellte Cylinder bei 600, Becher nach Form und Dicke bei
60 bis 75° und Wassernaschen endlich bei 75 bis 900 gehärtet (vgl. 1877 225 360).
Die Temperatur, welche dem zu härtenden Gegenstande vor der Härtung ertheilt werden
muſs, ist die Erweichungstemperatur des Glases; entweder wird dasselbe direct von
der Pfeife oder nach abermaligem Anwärmen im Vorwärmofen ins Härtebad eingesenkt.
Der Arbeiter hat zu beurtheilen, ob der Gegenstand an allen Stellen gleich heiſs
ist; vorkommenden Falles werden die heiſseren Stellen durch Bestreichen mit
angefeuchtetem Papier auf gleiche Temperatur mit den übrigen gebracht.
Die Bäder (Härtebäder) und
deren Verwendung machen den hauptsächlichsten Theil des gesammten Verfahrens aus. Im
Anfang der Glashärtung war der Glaube verbreitet, und zu demselben hat wohl de la Bastie vorwiegend Grund gegeben, die das Härtebad
ausmachenden chemischen Verbindungen seien von entscheidender Bedeutung für dessen
Verwendbarkeit. So sollten nach den ursprünglichen Angaben nur Gemische gewisser
Fette zu Härtebädern geeignet sein, während chemisch einfache Substanzen ausgeschlossen
wurden. Es ist nunmehr aber festgestellt, daſs, abgesehen von der Zersetzlichkeit
bei hoher Temperatur, nur die physikalischen
Eigenschaften der Härtebäder für den Härteproceſs selbst entscheidend sind.
Die abkühlende Wirkung eines Härtebades hängt von dem specifischen
Wärmeleitungsvermögen des das Bad bildenden Mittels ab. Ein und dasselbe Glas wird
in verschiedenen Bädern gleich gut zu härten sein; nur muſs je nach dem specifischen
Leitungsvermögen die Temperatur derselben höher oder niedriger sein. Schnell
leitende Bäder verlangen höhere, langsamer leitende dagegen niedere Temperaturen,
wenn die Abschreckung des Glases in beiden eine gleiche sein soll. Die erste Gruppe
der für Härtebäder geeigneten Substanzen umfaſst die Flüssigkeiten oder solche feste
Körper, welche bei den Härtetemperaturen sich im geschmolzenen Zustande befinden, so
Gemische von Fetten, Oelen, Glycerin, Paraffin, Kohlenwasserstoffen, concentrirten
Salzlösungen und leichtflüssige Metalllegirungen. Ausgeschlossen ist reines Wasser.
Gläser, die bei 70° im Fettbad gehärtet werden, zerspringen in Wasserbädern von
dieser Temperatur, da die Wärmeleitung derselben zu groſs, der in der Zeiteinheit
vom glühenden Glas durchlaufene Temperaturunterschied und die dadurch hervorgerufene
Spannung zu stark für die innere Festigkeit des Glases ist. Würde sich Wasser von
120 bis 170° zur Härtung benutzen lassen, so dürfte Wasser allein brauchbare
Resultate liefern; es gelingt dies auch insofern, als zum Härten bereits mit Erfolg
benutzte concentrirte Salzlösungen auf obiges hinauslaufen.
Am besten haben sich die aus Fetten oder fettartigen Substanzen hergestellten Bäder
bewährt; auch Oel ist ganz vorzüglich geeignet und ist dessen Verwendung nur durch
die enorme Schwierigkeit, welche die Reinigung der in Oel gehärteten Gegenstände mit
sich bringt, eingeschränkt. Sind hohe Temperaturen zum Härten erforderlich, so
eignen sich Gemische von Oel und Fett am besten, z.B. 3 Th. Leinöl und 1 Th. Fett.
Keinem Fettbade darf die geringste Menge Wasser anhaften; eine Spur des letzteren
macht das Bad für einige Zeit unbrauchbar. Nur durch tagelanges Erwärmen auf 150 bis
170° werden nach de la Bastie die geringsten
Wassermengen entfernt. Im Allgemeinen ist ein Fettbad um so besser, je älter es ist.
Der praktischen Verwendbarkeit der Fettbäder steht neben dem hohen Preis des
Materials die Entzündlichkeit und damit die Feuergefährlichkeit entgegen, wenngleich
diese durch entsprechende Einrichtungen zu vermeiden oder doch erheblich zu
vermindern ist; auſserdem bleibt die Temperatur der Fettbäder kaum gleich; durch die
hineinfallenden glühenden Gegenstände steigt sie fort und fort; eine Hauptbedingung
der erfolgreichen Härtung wird damit erschwert. Durch sehr groſse, voluminöse oder
auch eine Reihe kleinerer Bäder kann dieser Uebelstand vermieden werden. Der
Verwendbarkeit der Fettbäder stehen endlich die groſsen Kosten entgegen, welche die
Reinigung der fertigen Gläser mit sich bringt – Kosten, die sich sowohl auf
Einrichtung, Arbeitslohn, als auch auf nicht unbedeutende Verluste an Fett
erstrecken.
Neben den Flüssigkeiten haben die gas- oder dampfförmigen Körper zur Glashärtung
Verwendung gefunden, die ersteren wohl nur unbewuſst, z.B. beim Glasspinnen; die
hohe Biegsamkeit der Glasfäden läſst sich vielleicht zum Theil mit auf die kühlende,
härtende Wirkung der Luft zurückführen. Für gröſsere oder dickere Gegenstände reicht
dagegen die abkühlende Wirkung der gasförmigen Substanzen nicht aus, da ihr
specifisches Wärmeleitungsvermögen nur ein sehr kleines ist. Das Leitungsvermögen
der Dämpfe ist etwa dreimal so groſs als das der Gase. Der hauptsächlich in Betracht
kommende Wasserdampf hat mit den Fettbädern die Eigentümlichkeit gemein, bei
verschieden hoher Temperatur verwendbar zu sein; das Bad hat auſserdem immer
dieselbe Temperatur – ein wesentlicher Vorzug vor den Fettbädern. Die kühlende
Wirkung des Wasserdampfbades auf das glühende Glas läſst sich, abgesehen von der
höheren oder niederen Temperatur, noch dadurch reguliren, daſs er als überhitzter,
gesättigter oder übersättigter Wasserdampf verwendet wird. Uebersättigter
Wasserdampf enthält bereits condensirtes Wasser in höchst feiner Vertheilung; es
wird am kräftigsten kühlend wirken, da nicht nur der Dampf als solcher kühlt,
sondern auch eine bedeutende Menge der Wärme des zu härtenden Glases durch die
Vergasung des im flüssigen Zustande vorhandenen Wassers gebunden wird. Ein weiterer
Vortheil der Dampfbäder den Fettbädern gegenüber besteht in der Schnelligkeit, mit
welcher der Dampf die Gegenstände umgibt, sich den Flächen anschmiegt, selbst
Höhlungen ausfüllt. Mit groſser Billigkeit vereinen die Dampfbäder eine groſse
Gefahrlosigkeit. Ein weiterer Vortheil der Härtung im Dampfstrahl soll noch darin
liegen, daſs das Glas keinen matten Schein zeigt, wie dies dem in Fett gehärteten
(vielleicht durch den nachherigen Reinigungsproceſs entstehend) nachgesagt wird.
C. Pieper in Dresden schlug zuerst die Härtung mit Dampf
vor; Boistel und Léger erhielten am 12. Februar 1875
ein französisches Patent auf ein ähnliches Verfahren.Annales de la Société des sciences industrielles de
Lyon, 1877. Praktische Anwendung hat dieses Verfahren
übrigens noch nicht gefunden.
Die dritte Gruppe der zum Kühlen benutzten Mittel umfaſst die festen Körper.
Pulverförmige Substanzen schmiegen sich den Glasgegenständen wie die Flüssigkeiten
an, sie wirken wie diese; auch bei ihnen liegt es durch geeignete Wahl in der Hand
des Fabrikanten, schneller oder langsam zu kühlen. Beim Härten mit festen Körpern
tritt zu dem
Härteproceſs noch die Formgebung hinzu. In den flüssigen Bädern verlieren die
erweichten Gegenstände leicht ihre Form, besonders die Platten verbiegen sich;
dagegen wird beim Siemens'schen Preſshartglas nicht nur
die Form erhalten, sondern auch beim Proceſs innerhalb gewisser Grenzen nach
Belieben gegeben; dies ist ein Vorzug, welcher wohl im Stande sein dürfte, die
Kosten für die groſse Anzahl von Mustern, Formen und sonstigen Einrichtungen, die es
erfordert, aufzuwiegen.
Die Eigenschaften des Hartglases sind zurückzuführen auf
den Zustand der Spannung, in welcher sich die einzelnen Glastheilchen befinden, eine
Lagerung der Molecüle, die sich als Elasticität, Festigkeit und Härte kundgibt. Die
Elasticität des Hartglases ist beträchtlich; beim Härteproceſs erheblich gebogene
Platten konnten nach V. de LuynesBulletin de la Société d'Encouragement, 1875
Bd. 2 S. 597. ohne zu zerbrechen, durch darauf gestellte Gewichte
geebnet werden; nach Aufhebung des Druckes nahm die Glasplatte ihre ursprüngliche
Form wieder an. Besonders stark tritt diese Eigenthümlichkeit bei sehr plötzlich
abgekühltem Glas hervor, so bei den durch Eingieſsen von geschmolzenem Glas in
kaltes Wasser entstehenden Glaslocken. Diese mehrere Millimeter starken, hin und her
gebogenen Glasfäden lassen sich um ein Drittel ihrer Länge ausdehnen, ohne zu
zerreiſsen; erst bei erheblicher Kraftanstrengung werden sie getheilt und fahren
dann zu höchst kleinen Theilen aus einander. Gläser, Glasschalen und Glasteller
können aus beträchtlicher Höhe auf den Boden fallen, ohne zu zerbrechen. Die
beachtenswerthesten, weil in etwas vergleichbaren Versuche sind mit Glasplatten
angestellt, auf die man Gewichtsstücke aus wechselnden Höhen fallen lieſs, um zu
bestimmen, bei welcher Fallhöhe des Gewichtes sie zerbrachen. Eine Hartglasplatte
von 16cm Länge, 12cm Breite und 5mm Dicke ertrug nach Luynes den Fall eines Gewichtes von 200g aus einer Höhe von 1 bis 4m. Eine gleiche Platte aus gewöhnlichem Glase
zerbrach bei 100g und einer Fallhöhe von 30 bis
40cm. Eine andere Hartglasplatte, 25cm lang, 16cm
breit und 6 bis 7mm dick, zerbrach erst bei einem
aus der Höhe von 2m darauf fallenden Gewicht von
500g. Die entsprechende nicht gehärtete Platte
zerbrach bei 100g und 30 bis 40cm Fallhöhe. In allen diesen Fällen waren die
Platten zwischen zwei Rahmen eingeklemmt und das Gewicht fiel auf die Mitte
derselben auf. In gleicher Weise widersteht das Hartglas dem Zug und Druck. Um
Platten aus Hartglas durch Belastung zu zerbrechen, war etwa das 4fache des
Gewichtes, welche gleiche, nicht gehärtete Platten erforderten, nöthig.
Die zahlreichsten Versuche sind mit nach de la Bastie
gehärtetem Glas angestellt; das nach den übrigen Verfahren erzielte Product scheint
sich von ersterem in Bezug auf die Haltbarkeit nicht wesentlich zu unterscheiden. So soll der
Widerstand bei in Fett gehärtetem Glas 601k, mit
Dampf gehärtet 700 bis 1100k betragen, während
nicht gehärtetes Glas 220k Bruchfestigkeit auf
1qc ergab.Revue industrielle, 1875 S. 296. Vgl. auch Zeitschrift des Vereines deutscher Ingenieure,
1877 S. 301. Hartglas hat demnach die 3- bis 4fache
Widerstandsfähigkeit gegen Druck oder Zug als das gewöhnliche. Nicht gehärtete
Flaschen hielten einen Druck von 39, gehärtete von 52at aus, ihre Druckfestigkeit betrug 1320k für 1qc bei gewöhnlichem Glas nur
550k. Nach den vorliegenden Mittheilungen
widersteht das Hartglas plötzlichen Temperaturdifferenzen. Gehärtete Lampencylinder
sind selbst unter den ungünstigsten Bedingungen nicht zersprungen; gehärtete Becher
konnten, nachdem sie ziemlich stark mit der Bunsen'schen Flamme erhitzt waren, mit Wasser besprengt werden, ohne zu
zerreiſsen. Im Allgemeinen gleicht das gehärtete Glas dem langsam gekühlten darin,
daſs Gegenstände mit gleichmäſsiger Wandstärke am haltbarsten sind. Eine im Fettbade
gehärtete, 20cm lange und 3 bis 4cm breite Platte wurde von Luynes auf glühenden Kohlen stark erhitzt und dann in kaltes Wasser
getaucht, ohne zu zerbrechen. Noch viele von den verschiedensten Seiten in dieser
Richtung angestellte Versuche bestätigen mehr oder weniger die obigen Resultate,
ohne jedoch erschöpfend zu sein.
Optisches Verhalten des Hartglases. Wird gewöhnliches,
langsam gekühltes Glas im Polarisationsapparat betrachtet, so treten keine
auffallenden Erscheinungen hervor – ein Zeichen dafür, daſs eine Ungleichheit im
Gefüge oder eine Spannung in demselben nicht vorhanden ist. Durch Anbringung fest
anzuziehender Schrauben läſst sich diese Ungleichheit des Gefüges im Glase
hervorrufen, so daſs sofort charakteristische Farbenerscheinungen im polarisirten
Lichte hervortreten. Gehärtetes Glas verhält sich wesentlich anders; die
Untersuchung mit dem Polarisationsapparat ergibt für das gesammte Hartglas farbige
Erscheinungen, und zwar nicht für alle Gegenstände gleiche, sondern wechselnd in
Gestalt und Intensität mit der Form, Dicke und Härtungsart desselben. Eine
quadratische, nach de la Bastie gehärtete Glasplatte
zeigte nach de Luynes und Feil im polarisirten Lichte ein schwarzes Kreuz, dessen Arme parallel den
Seiten des Quadrates laufen; runde oder sonstige gehärtete Glasstücke von
wechselnder Form zeigen andere Streifen. Während beim Angriff der Säge oder des
Schmirgelrades das Hartglas gesprengt wird, kann es in der Richtung dieser schwarzen
Linien geschnitten werden, ohne daſs ersteres eintritt. Die Stücke einer in dieser
Weise geschnittenen quadratischen Platte waren im polarisirten Licht mit farbigen
und dunklen Bändern durchzogen und zwar in je zwei Stücken symmetrisch, so daſs,
wenn zwei entgegengesetzte, aber sich entsprechende Theile gleichzeitig im
polarisirten Lichte
betrachtet wurden, die Bänder verschwanden. Sehr gut lassen sich diese schwarzen
Linien vergleichen mit den Knotenlinien, durch welche die schwingenden Theile einer
in Bewegung gesetzten Glasplatte begrenzt sind. So viel steht fest, daſs innerhalb
dieser Linien die Spannung im Hartglas am geringsten ist.
Theorie der Glashärtung. Bald nach dem Bekanntwerden der
de la Bastie'schen Glashärtung wurden von
verschiedenen Seiten Arbeiten unternommen, um über die Natur des Hartglases Licht zu
verbreiten. In Folge einiger nicht richtig gemachter Beobachtungen hatte sich die
Meinung verbreitet, das specifische Gewicht des gehärteten Glases sei gröſser als
das des langsam abgekühlten; das Glas würde damit sich dem Eisen anschlieſsen, das
im geschmolzenen Zustande eine höhere Dichte als im festen besitzt. Daraus folgte,
daſs bei dem plötzlichen Uebergang aus dem flüssigen in den festen Zustand das Glas
an der Ausdehnung gehindert und damit specifisch dichter wurde – ein Vorgang, von
dem die übrigen charakteristischen Eigenschaften des Hartglases abhängen sollten.
Durch neuere Untersuchungen ist grade das Gegentheil dargethan, das gehärtete Glas
ist specifisch weniger dicht als das langsam abgekühlte, woraus hervorgeht, daſs
auch geschmolzenes Glas weniger dicht ist als festes. Es wird diese Thatsache noch
in anderer Weise bestätigt. Das Glas enthält je nach der Schmelzdauer, Lauterkeit
u.s.w. mehr oder weniger Luft oder andere Gase eingeschlossen. In den daraus
gefertigten Gegenständen macht sich dieses Glas in Form von Kügelchen bemerklich,
die in vielen Fällen, besonders bei Linsen, den Werth erheblich vermindern. Im
gehärteten Glase treten diese Blasen mehr hervor als im gewöhnlichen, da dieselben,
bei der hohen Erweichungstemperatur dem Mariotte'schen
Gesetz folgend, einen gröſseren Raum einnehmen als bei niederer und diesen bei der
plötzlichen Abkühlung beibehalten. Die Folge der plötzlichen Erkaltung des Glases
beim Härten und der dann stattfindenden langsameren Abkühlung des Inneren ist ein
Zustand der Spannung zwischen den einzelnen Glastheilchen, je nach der Form des
Gefäſses gleichmäſsig oder weniger gleichmäſsig wirkend. Diese Spannung ertheilt dem
Hartglas die Festigkeit, Elasticität u.s.f., ist aber auch die Ursache der
explosionsartigen Zertrümmerung, wenn sie an einer Stelle plötzlich entlastet wird
(vgl. 1875 216 75). Für abgeschlossen kann man die Frage
erst ansehen, wenn es gelingen sollte, den ganzen Härteproceſs und die Resultate
desselben in Form einer mathematischen Gleichung wiederzugeben.
Verwendbarkeit des Hartglases. Wie gewöhnlich bei allem
Neuen, so ganz besonders beim Hartglas verbreitete sich die Ansicht, es sei zu den
verschiedensten Zwecken mit Erfolg zu benutzen; das gewöhnliche Glas, ja Porzellan
und Steingut schienen überflüssig geworden zu sein. Da ausreichende praktische Erfahrungen über das
Hartglas noch nicht vorliegen, die Praxis die Hartglasfrage noch nicht entschieden
hat, so bleibt nichts übrig, als ihr vom theoretischen Standpunkt aus näher zu
treten. Ein Gegenstand von Hartglas wird um so widerstandsfähiger gegen äuſsere
mechanische Angriffe sein, je gröſser die Elastizität an der getroffenen Stelle ist.
Dieselbe als eine Folge der vorhandenen molecularen Spannung ist bei richtiger
Härtung wesentlich abhängig von Form und Dimension des gehärteten Gegenstandes. In
einer Kugel ist die Elasticität am gröſsten, die Spannung am gleichmäſsigsten, die
Kugelform steht am besten gegen Bruch. Eine Bestätigung dafür liegt in den
Glasthränen vor, der kugelförmige Theil derselben läſst sich durch die stärksten
Hammerschläge kaum zerschmettern. Den Kugeln schlieſsen sich Gegenstände mit mehr
oder weniger gleichmäſsigen Dimensionen an, runde und eckige Platten, Becher und
Schalen von gleichmäſsiger Wandung, dann Stücke mit verschiedener Wandstärke und
unregelmäſsigen Formen. Hier ist der Spannungszustand an den verschiedenen Stellen
ungleich; beim Stoſs nehmen je nach der getroffenen Stelle mehr oder weniger
Massentheilchen theil, die Elasticität wird daher an verschiedenen Stellen
verschieden leicht überwunden werden können, wodurch dann der Bruch des ganzen
Gegenstandes erfolgt. Bei allen Gegenständen mit hauptsächlich zwei Dimensionen,
Platten, Becher, Schalen u.s.f., liegen diese schwächsten Punkte in den Kanten, und
es sollte daher vermieden werden, Gegenstände zu härten, welche Angriffen in dieser
Richtung ausgesetzt sind. Eine gehärtete Glasplatte z.B., welche den Fall
bedeutender Gewichte verträgt, wenn dieselben in der Mitte aufschlagen, zerbricht
leicht, wenn gegen ihre Kanten oder Ecken mit einem nicht zu breiten Instrumente ein
Schlag geführt wird. Bei gewöhnlichem Glas bricht nur ein Theilchen, einige Splitter
aus, das Gefäſs o. dgl. wird durchaus nicht immer unbrauchbar, während das Hartglas
stets vollständig zersprengt wird. Aus dem Grunde dürfte sich die Härtung nicht
gerade für Gegenstände empfehlen, die Angriffen senkrecht zu ihren Kanten, also
Bierflaschen, Gläser u. dgl., ausgesetzt sind, während Fensterscheiben oder Platten,
da sie vorwiegend nur Angriffe gegen ihre Flächen erleiden und in dieser Richtung
die gröſste Widerstandsfähigkeit zeigen, am besten zur Härtung geeignet erscheinen
müssen. Aus Obigem erklärt sich auch die vielfach beobachtete Thatsache, daſs
Gegenstände aus Hartglas, nachdem sie die erstaunlichsten Proben auf
Widerstandsfähigkeit ausgehalten haben, bei geringfügigen Anlässen zerspringen. In
vielen Fällen, in welchen gehärtete Gegenstände ohne nennenswerthe Ursache
explodirten, läſst sich der Vorgang wohl auf ungenügende, falsche oder zu starke
Härtung zurückführen. Der allgemeinen Anwendung des Hartglases steht dieses
Verhalten um so mehr entgegen, als man nicht im Stande ist, vor dem Verkauf mit
Sicherheit das Gute von
dem Schlechten zu scheiden. Die Härtung ist überall da zu vermeiden, wo für einen
Bruch auch nur geringe Wahrscheinlichkeit vorliegt; denn die Art dieses Bruches, das
explosionsartige Auseinanderfahren vermindert den Werth des Hartglases
hauptsächlich; es hat dies das anfänglich groſse Vertrauen des Publicums rasch in
Miſstrauen verwandelt.
Ueber die Beständigkeit des Hartglases als solches liegen noch keine entgiltigen
Erfahrungen vor; wohl erscheint es möglich, daſs die Spannung im Hartglas mit der
Zeit mehr und mehr schwindet, zuletzt nur gewöhnliches Glas zurückbleibt. Die in
dieser Richtung ausgeführten Versuche, besonders durch starkes Erhitzen die
Spannungszustände auszugleichen, und deren negatives Ergebniſs sind keineswegs
entscheidend. Von anderer Seite liegen positive Beobachtungen vor, welche darthun,
daſs selbst in gewöhnlichem Glase durch milde, aber lang dauernde Einwirkungen, z.B.
des Lichtes, moleculare Verschiebungen Platz greifen – eine Thatsache, welche jeder
Photograph kennt und die für Mangan- und Goldhaltige Gläser mit Sicherheit
nachgewiesen ist.
Auſserdem weiſs jeder Glasbläser recht gut, wie sehr verschieden sich Röhren aus
gleichem Glase vor der Lampe verhalten, wenn sie soeben aus der Glashütte kommen,
oder wenn sie bereits jahrelang gestanden haben; das Gefüge ist nicht mehr ein
gleiches. Die Summe dieser Thatsache läſst die Frage berechtigt erscheinen, ob das
gehärtete Glas seine specifischen Eigenschaften immer behält, oder ob die
Spannungserscheinungen durch wenig intensive, aber andauernde äuſsere Einwirkungen
hinweggenommen werden können.
P. E.