Titel: | Ferd. Vict. Kallab's neues Bleichverfahren für animalische Gespinnstfasern. |
Autor: | Kl. |
Fundstelle: | Band 229, Jahrgang 1878, S. 89 |
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Ferd. Vict. Kallab's neues Bleichverfahren für
animalische Gespinnstfasern.
Kallab's neues Bleichverfahren.
Die auf die eine oder andere Weise mittels schwefliger Säure gebleichte Wolle zeigt
immer noch einen gelblichen Stich; um denselben zu verdecken, werden nachträglich
verschiedene blaue und violette Farbstoffe den Garnen oder Geweben einverleibt, wie
Indigocarmin, Indigopurpur, Anilinblau, Anilinviolett, Flechtenfarbstoffe,
Ultramarin, Berlinerblau und Kobaltblau. Obwohl die auf diesem Wege erzielten
Resultate bezüglich der Schönheit des Weiſs zum Theil ganz befriedigend sind, so ist
doch bei manchen der genannten Farbstoffe die Widerstandsfähigkeit dieser
Schönungsmittel das eine Mal gegen Luft und Licht, das andere Mal gegen die
Einwirkung von heiſsen Wasserdämpfen oder gegenüber Seifeflüssigkeiten eine ziemlich
fragliche.
Ferd. Vict. Kallab in Wiese bei Jägerndorf hat einen neuen Weg eingeschlagen, um Seide, namentlich
aber Wolle unter Anwendung von Indigo und von Schützenberger's unterschwefliger (vgl. 1877 225 383) Säure H2SO2 zu bleichen und vollkommen licht-, luft- und
walkecht zu azuriren.
Nachdem der zu bleichende Stoff in der sonst üblichen Weise (vgl. 1877 225 389) vollkommen von seinen Verunreinigungen befreit
worden ist, wird derselbe feucht in ein reines Wasserbad von gewöhnlicher Temperatur
gebracht, dem man zuvor 0,5 bis 1g feinst
gemahlenen, röthlich blauen Indigo auf 1001
Flüssigkeit zugefügt hat, so daſs eine Probe der letzteren in eine weiſse
Porzellanschale gegossen nur einen schwach bläulichen Ton zeigt. Nach kurzem
Aufenthalt in dieser Flüssigkeit wird der jetzt mit fein zertheiltem Indigo
bekleidete Stoff ausgedrückt oder ausgewunden und unter entsprechender Hantirung in
das Bleichbad gebracht.
Die Bleichflüssigkeit befindet sich in einem hölzernen, dicht verschlieſsbaren Gefäſs
und besteht aus einer Lösung von frisch bereitetem unterschwefligsaurem Natrium
NaHSO2 von 1,0069 bis 1,0283 sp. G. je nachdem
sich das Bedürfniſs einer schwächeren oder stärkeren Concentration herausstellt. Auf
je 11 Flüssigkeit werden noch 5 bis 20cc 50procentiger, von starken Mineralsäuren freier
Essigsäure zugefügt, das Ganze gut umgerührt, sodann die Garne oder Gewebe in das
Bad eingelegt und das Gefäſs verschlossen, um den Zutritt der atmosphärischen Luft
zu verhindern. Hier wird nun der mechanisch anhaftende Indigo zu Indigweiſs reducirt
und in gelöster Form von der Faser aufgenommen, während die aus dem Hyposulfit sich
bildende schweflige Säure gleichzeitig das Bleichen besorgt. Ist der Bleichproceſs
beendet, wozu je nach der Art der Gewebsfaser wenige, in manchen Fällen aber auch 12
bis 24 und noch mehr Stunden erforderlich sind, so muſs eine aus dem Bad herausgenommene
Stoffprobe nach dem Abspülen mit Wasser an der Luft ein vollkommen reines Weiſs mit
bläulichem Schimmer zeigen. Im zutreffenden Fall geht man mit der gesammten Waare
aus dem Bleichbad heraus, läſst ablaufen und setzt sie der Luft aus. Das Indigweiſs
verwandelt sich nunmehr in Indigblau zurück und bewirkt so eine vollkommen echte
Azurage der Gewebsfaser. Bei Anwendung von concentrirten Bleichbädern ist eine
darauffolgende Behandlung mit 0,5 bis 1 proc. Lösung von krystallisirter Soda zu
empfehlen. Schlieſslich wird in flieſsendem Wasser gut abgespült, ausgeschleudert
und in der Luft oder in der Trockenkammer bei 30 bis 35° getrocknet.
Man kann auch in der Weise vorgehen, daſs man die mit Indigopulver getränkten Garne
oder Gewebe von dem Zusatz der Essigsäure in das Bleichbad einlegt und letztere erst
später zufügt, wobei selbstverständlich die ersteren vorübergehend herausgenommen
werden müssen. Doch ist nicht zu übersehen, daſs damit ein besonderer Vortheil in
der Anwendung der Essigsäure verloren geht. Dieselbe hat nicht nur den Zweck, das
sich bildende Indigweiſs auf der Faser zurückzuhalten, sondern auch zu verhindern,
daſs der anfänglich nur mechanisch abgelagerte blaue Indigo nicht von den Stoffen in
die umgebende Flüssigkeit übergehe. Man kann sich von dieser Wirkung des
Säurezusatzes leicht überzeugen, wenn man feucht geriebenen Indigo in reinem Wasser
vertheilt: Das Wasser wird alsdann tagelang blau gefärbt erscheinen; wird jedoch
etwas Säure (Essigsäure, Salzsäure) hinzugefügt, so schlägt sich aller Indigo sehr
bald zu Boden.
Für das Bleichen von loser Wolle setzt man dem Hyposulfitbad selbst den Indigo zu,
geht nach Verlauf von ¼ Stunde mit der Wolle in das Bad ein und fügt weiter nach ½
Stunde, ohne die Wolle erst herauszunehmen, langsam die nöthige Menge verdünnter
Essigsäure (10 Th. Wasser, 1 Th. Essigsäure) unter entsprechender Hantirung des
Materials hinzu. Die weitere Behandlung ist dieselbe, wie oben angegeben.
Zeigt die gebleichte Waare noch kein vollkommenes Weiſs, so bringt man sie wiederholt
in ein Bleichbad, ohne nochmals zu bläuen. Man kann hierzu ein altes Bleichbad
benutzen, das mit Salzsäure versetzt wird. Dasselbe wird zunächst mit frisch
gefälltem Chlorsilber geprüft, ob es metallisches Silber reducirt, und mit
Salzsäure, ob es Schwefel ausscheidet. Treten beide Reactionen ein, so enthält das
alte Bad wirklich noch unterschweflige Säure. Andern Falls, wenn die Flüssigkeit
kein unterschwefligsaures Natrium mehr enthält, fügt man dem gebrauchten Bleichbade,
um es auszunutzen,1/10 bis ¼ des zuvor angewendeten Hyposulfites zu und bringt eine neue Menge
halb gebleichter oder auch frischer, mit Indigo gebläuter Waare in das Bad, in
welchem dieselbe so lange verweilt, bis das Hyposulfit sich vollständig in
Natriumsulfit verwandelt hat. Hierauf wird sie herausgenommen und, nachdem die Flüssigkeit mit
so viel Salzsäure versetzt worden, bis der Geruch nach schwefliger Säure deutlich
wahrnehmbar ist, wieder in das Bad zurückgegeben, um nun fertig gebleicht zu werden.
Der erste Aufenthalt im Bad bewirkt die Befestigung des Indigos auf der Faser, der
zweite entspricht der alten Bleichmethode mit wässeriger schwefliger Säure.
Hat man lose Wolle zu bleichen, so kann ein stärkeres Bleichbad von 1,0356 bis 1,0431
sp. G. und zwar ohne Zusatz von Essigsäure benutzt werden. Ein solches Bad, welches
nach dem Gebrauch nur Natriumsulfit enthält, kann alsdann durch Zusatz von
Salzsäure, bis die Flüssigkeit deutlich nach schwefliger Säure riecht, und darauf
folgenden Zusatz von metallischem Zink regenerirt werden.
Ist eine Wolle auffallend gelb gefärbt, so verwendet man zum Bleichen
unterschwefligsauren Kalk anstatt des Natriumsalzes. Letzteres wird bekanntlich
erhalten, indem man zu einer Lösung des Natriumbisulfits metallisches Zink zufügt,
worauf das die Lösung enthaltende Gefäſs verschlossen und von Zeit zu Zeit
geschüttelt wird. Nach ungefähr 1 Stunde gieſst man die klare Flüssigkeit, welche
etwas Zink in Form eines Doppelsalzes von Zink- und Natriumsulfit gelöst enthält,
von dem überschüssigen metallischen Zink ab, um sie direct für das Bleichbad zu
verwenden. Will man aber mit Calciumhyposulfit bleichen, so wird jene Flüssigkeit
mit Kalkmilch versetzt, bis sie eben schwach alkalisch reagirt. Man bereitet alsdann
ohne anderweitigen Zusatz ein Calciumhyposulfitbad von 1 bis 1,0283 sp. G. und geht
mit der zu bleichenden Wolle ohne vorhergehendes Bläuen mit Indigo in das Bad ein.
Nach beendigtem Bleichproceſs wird die Wolle abgespült, mit schwacher Essigsäure
behandelt und nochmals in Wasser gespült.
Sollte das Weiſs einen grünlichen Schimmer zeigen, so zieht man die Waare durch ein
Wasserbad, dem man bis zu eintretendem Essiggeschmack Salzsäure oder Schwefelsäure
zugefügt hat. Ist ein Weiſs mit violettem oder röthlichem Stich verlangt, so kann
man die gebleichte Waare durch ein mit einem entsprechenden Farbstoff versetztes
kaltes Wasserbad nehmen und erhält so den gewünschten Ton, jedoch mit solidem
Küpengrund. Die Menge des dem Bläuungsbade einzuverleibenden Indigos kann bis zu
einer gewissen Gränze vermehrt werden; es entstehen alsdann lichtblaue Nüancen, z.B.
Kornblau, welche dem gewöhnlichen Küpenblau an Reinheit gleichkommen und schon darum
interessant genug sind, weil sie bei 10° aus saurem Bad gefärbt sind.
Für Seide muſs die Bleichflüssigkeit schwächer genommen werden als für Wolle; die
Stärke der Flüssigkeit richtet sich überhaupt nach der mehr oder weniger starken
Färbung des zu bleichenden Materials; doch soll sie im Allgemeinen sich in den oben
angegebenen Gränzen bewegen. Das Verfahren läſst sich in gleicher Weise auf Seide anwenden, welche mit
Wolle verwebt ist und den Walkproceſs durchzumachen hat. Auch Federn, Badeschwämme,
Leinen, Hanf, Baumwolle, Holz und Stroh werden nach längerem Verweilen in einem der
erwähnten Hyposulfitbäder stark entfärbt. Im Uebrigen stellt sich das neue
Verfahren, welches den Patentschutz in Oesterreich-Ungarn, Frankreich, Belgien,
England und Deutschland (D. R. P. Anmeldung Nr. 4758 vom 6. December 1877) genieſst,
nicht theurer als die bisher angewendeten, während es den bis jetzt nicht erreichten
Vortheil einer möglichst echten Azurage bietet.
Kl.