Titel: | Ueber den Einfluss der Wärme auf die Structur des Stahles. |
Autor: | – r. |
Fundstelle: | Band 229, Jahrgang 1878, S. 92 |
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Ueber den Einfluſs der Wärme auf die Structur des
Stahles.
Ueber den Einfluſs der Wärme auf die Structur des
Stahles.
In einem früheren Artikel von W. Mattieu Williams:
„Zur Theorie des Stahles (1878 228 543) ist die
Ansicht entwickelt und begründet worden, daſs man am leichtesten die Eigenschaft
dieses Metalles, bei verschiedenen Temperaturgraden und entsprechender Behandlung
verschiedene Härtegrade anzunehmen, daraus erklären kann, daſs Stahl ein
mechanisches Gemenge von chemisch reinem Eisen mit einer nach bestimmten
Verhältnissen zusammengesetzten chemischen Verbindung von Eisen und Kohlenstoff ist,
und daſs aus den physikalischen Eigenthümlichkeiten der beiden Gemengtheile alle
Structurveränderungen, denen die Stahlmasse überhaupt unterworfen werden kann,
folgen. William Metcalf, Mitbesitzer der Crescent Steel Works in Pittsburg veröffentlicht nun in
der Metallurgical Review, 1877 Bd. 1 S. 245 ein sehr
einfaches Verfahren, welches uns des Weiteren darüber belehrt, welche
Vorsichtsmaſsregeln zu beobachten sind, um beim Härten von Stahl das vorgesteckte
Ziel mit Sicherheit zu erreichen.
Wenn man eine Stahlstange von beiläufig 50 × 25mm
Querschnitt an einem Ende bis zur Dunkelrothglut erwärmt, in Abständen von etwa
20mm bis auf eine Länge von 200 bis 230mm ringsherum mit 8 Kerben versieht, sodann das
erste abgekerbte Stück in einem Schmiedefeuer bis zum Funken sprühen erhitzt, indem
man gleichzeitig dafür sorgt, daſs der übrige Theil der Stange nur durch das
Leitungsvermögen erhitzt werde, und diese Erhitzung so lange fortsetzt, bis die von
dem Feuer am weitesten abgelegene Kerbe eben dunkelroth geworden ist, und
schlieſslich die ganze Stange bis zur vollständigen Abkühlung in kaltes Wasser
taucht, so kann man Folgendes an ihr beobachten: Das äuſserste Stück Nr. 1 ritzt
Glas, 2, 3 und 4 sind auſserordentlich hart, 5 und 6 gut gehärtet, 7 hart genug für
Gewindebohrer, 8 nicht gehärtet. Bricht man die Stücke in den Kerben über einem
Ambos der Reihe nach ab, so zeigt sich, daſs Nr. 1 so spröde ist wie Glas, 2 etwas
weniger spröde, daſs 3, 4 und 5 wohl leicht bricht, doch fester ist als die
vorhergehenden, und daſs 6 und 7 sehr fest und viel fester ist als das ungehärtete
Stück Nr. 8. Legt man nun die abgebrochenen Stücke in ihrer Reihenfolge so neben
einander auf, daſs man die Bruchflächen übersehen kann, so zeigt sich Nr. 1
grobkörmig mit gelblichem und sehr glänzendem Schein, 2 grobkörnig und weniger gelb,
3 etwas feiner als 1 und 2, aber gröber als 8 und mit feuerigem Schein; 4 gleicht 3,
hat jedoch feineres Korn als dieses und ist gröber als 8; 5 hat ungefähr dasselbe
Korn wie 8, aber noch immer einen feuerigen Schein; 6 ist viel feiner als 8, hat
keinen feuerigen Schein und ist durch die ganze Masse sehr hart (dies ist der
richtige raffinirte Stahl); 7 ist raffinirt, hart an den Kanten und Ecken, nach der
Mitte zu gröber und weniger hart (der richtige Stahl für Bohrer und Drehmeisel); 8
endlich hat das ursprüngliche Korn unverändert beibehalten. Bei der beschriebenen
Operation erhält die Stahlstange fast immer in der Nähe des Stückes Nr. 6 Risse.
Aus obigem Versuch erfahren wir folgendes: Jeder Temperaturunterschied, welcher
hinreicht, eine Verschiedenheit in der Farbe zu bewirken, erzeugt auch einen
Unterschied im Korn; letzterer veranlaſst eine innere Spannung, welche häufig von
Rissen begleitet wird. War die Temperatur so hoch, daſs das Korn gröber wird, als es
vor dem Erhitzen war, so ist das gehärtete Stück brüchig, zu Rissen geneigt und
zeigt wenig Widerstandsfähigkeit an den Kanten. War die Temperatur hoch genug, nur
ein Stück zu härten, ohne daſs das Korn gröber wurde, so ist der Stahl im wahren
Sinne des Wortes raffinirt; er ist stärker geworden, als er vorher war, und seine
Kanten werden zähe und schneidend. Eine Temperatur, welche die Kanten und Ecken
einer Stange hinreichend härtet, ohne ihre Wirkung bis in das Innere derselben
auszudehnen, ist am geeignetsten zur Herstellung von Bohr- und Schneidinstrumenten.
Diese Regeln sind ganz allgemein und auf jede Stahlsorte anwendbar.
Es ist wohl bekannt, daſs man jeden gehärteten Stahl durch Wiedererhitzen und darauf
folgendes langsames Abkühlen nachlassen kann; jedoch erhält derselbe hierbei nie
seine ursprüngliche Festigkeit wieder.
Aus Obigem geht hervor, daſs jedes aus Stahl gefertigte Werkzeug nach dem Erhitzen,
selbst bei der sorgfältigsten Abkühlung, Risse bekommen und Formveränderungen
erleiden kann, wenn seine einzelnen Theile vorher nicht einer gleichmäſsigen
Temperatur ausgesetzt worden waren, und ferner, daſs jedes Werkzeug aus diesem
Metall zu dem Zwecke, für welchen es geschaffen wurde, absolut unbrauchbar werden
kann, wenn die Temperatur, bis zu welcher es erhitzt worden war, dem gedachten
Zwecke nicht vollständig entsprach.
Prof. John W. Langley hat im November 1876 im American Chemist eine Abhandlung veröffentlicht, welche
mit den Erfahrungen Metcalf's vollständig
übereinstimmt, uns aber nebenbei interessante Aufschlüsse über die
Dichtigkeitsverhältnisse von ungehärtetem und gehärtetem Stahl gibt. Aus einer Reihe
von Versuchen, welche Langley in dieser Richtung
angestellt hat, geht nämlich hervor, daſs jede Stahlstange nach dem Auswalzen eine
gröſsere Dichtigkeit zeigt als der Barren, aus welcher sie hergestellt wurde, und
ferner, daſs bei der Behandlung der Stahlstange in oben beschriebener Weise die
Dichtigkeit der einzelnen abgekerbten Stücke ganz regelmäſsig von dem ungehärteten
Stück Nr. 8 bis zu 1 abnimmt. So betrug beispielsweise in einem Stahl mit 1,005
Proc. Kohlenstoffgehalt, das specifische Gewicht des Barren 7,807, dasjenige der
Stange in Nr. 8 7,826 und nahm bis Nr. 1 auf 7,744 ab. Bei allen übrigen Versuchen
ergab sich ein ganz ähnliches Verhältniſs. Wir lernen hieraus: 1) daſs das Auswalzen
die Dichtigkeit vermehrt; 2) daſs das Härten die Dichtigkeit vermindert; 3) daſs das
Raffiniren die Dichtigkeit nicht vermehrt. – Die angeführten Thatsachen sind
jedenfalls dazu geeignet, den Stahlconsumenten einen Fingerzeig zu geben, daſs sie
nicht durch falsche Behandlung dieses so kostspieligen Materials Geld und Zeit auf
sorglose Weise verschwenden.
– r.