Titel: | Ueber die Ausgleichung der Kettenfadenspannung beim Fachbilden, insbesondere über Theis' Streichbaum-Anordnung. |
Fundstelle: | Band 229, Jahrgang 1878, S. 250 |
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Ueber die Ausgleichung der Kettenfadenspannung
beim Fachbilden, insbesondere über Theis' Streichbaum-Anordnung.
Mit Abbildungen auf Tafel 21.
Ausgleichung der Kettenspannung bei Webstühlen.
Für die Erzielung einer vollständig gleichmäſsigen Schuſsdichte macht es sich nöthig,
mit gleichbleibender Kettenfadenspannung zu arbeiten. Die hierzu verwendeten
Kettenbremsapparate sind die Seilbremse, Kettenbremse, Bandbremse und die
Garnbaumregulatoren; erstere benöthigen eine Nachstellung seitens des Webers,
letztere arbeiten selbstthätig. Immer tritt aber noch, auch wenn die genannten
Vorrichtungen tadellos eingestellt werden, ein Unterschied in der
Kettenfadenspannung während des Eintragens eines jeden Schuſsfadens ein. Seilbremsen
und die sogen. Garnbaum-Differentialregulatoren wirken zwar diesem Uebelstand
entgegen, sind aber schwerfällig, zumeist zu langsam wirkend und können namentlich
bei unelastischen Garnen die verschiedene Spannung während des Oeffnens und
Schlieſsens des Faches nicht vollständig ausgleichen. Man bedient sich aus diesem
Grunde des beweglichen Streichbaumes und läſst denselben während des Fachöffnens so
viel nachschwingen, als nöthig ist, um nahezu dieselbe Spannung wie beim Fachschluſs
zu erzielen.
Ist z.B. die Länge des vollständigen Faches bei gleichgroſsem
Vorder- und Hinterfach = 40cm und die mittlere
Fachhöhe = 8cm, so müſste der Schwingbaum bei
geschlossenem Fache
=2{\sqrt\left(\frac{40}2\right)^2+\left(\frac{8}{2}\right)^2}-40=0^{cm},8
weiter nach hinten zu
stehen, als bei offenem Fache. Dies erreicht man auf die einfachste Weise dadurch,
daſs man auf die Antriebwelle des Webstuhles ein Excenter a (Fig. 3 Taf.
21) steckt, den Streichbaum mittels angegossener Zapfen b an seinen beiden Enden drehbar lagert und an einer Seite mit einem Arm
c verbindet, welcher sich auf das Excenter a auflegt. Sehr viel wird noch hierbei auf die richtige
Form des Excenters ankommen. In Fig. 3
muſste der Hub desselben, wenn die Hebellängen am Schwingbaum 10 und 26cm betragen, = (0,8 × 26) : 10 = 2cm,08 werden, die Excentercurve aber so construirt
sein, daſs für jedes Schlieſsen oder Oeffnen bei entsprechender Drehung von a der Streichbaum eine solche Stellung erhält, daſs die
Kettenfadenlänge zwischen dem zuletzt eingetragenen Schuſsfaden und dem Schwingbaum
stets gleichbleibt. Theoretisch ist diese Aufgabe nicht schwierig zu lösen; es läſst
sich für eine bestimmte Fachöffnung und Schaftbewegung ein solches Excenter leicht
construiren; aber für die Praxis ist dies werthlos, wenigstens für die meisten
Webstühle und namentlich für solche des englischen Systemes. Die Fachhöhe und das
Fachtreten hängt von der Schnürungsweise ab; manche Weber schnüren straff an, andere
lockerer; für die eine Waare macht sich höheres, für die andere niedrigeres, für
verschiedene Garne längeres oder kürzeres Fach nöthig. Man müſste demnach für jeden
Fall ein besonderes Excenter aufstecken.
Dies führt dazu, daſs man das Excenter zumeist nur für das nahezu
geschlossene Fach zur Einwirkung auf die Kettenfäden bringt und bei offenem Fache
einen leicht regulirbaren Federzug anwendet. Solche Beispiele sind in Fig.
3 bis 5 Taf. 21
gezeichnet.
In Fig. 4 ist
ein Garnbaum-Differentialregulator angenommen und zur Ausgleichung der noch
vorhandenen Spannungsdifferenzen in der ausgespannten Kette oben am Gestell bei a eine Spiralfeder b
befestigt, welche den um c drehbaren Schwingbaum d durch den Arm e stets
zurückzudrehen sucht. Beim Ladenanschlag wird sich die Feder zusammenziehen und d zurückschwingen; beim Fachöffnen aber wird der
Streichbaum d durch das Garn hereingezogen und die
Feder b gespannt werden; diese Spannung läſst sich
zufolge der Befestigungsweise von b an a leicht gröſser oder kleiner machen.
In Fig. 3 ist
die Feder d bei f an dem
Webstuhlgestell und bei g an einen Arm des um b schwingenden Streichbaumes angehängt. Man spannt
hierbei die Feder so an, daſs für das ganz geöffnete Fach zwischen der
Excenterfläche und c noch ungefähr 5mm Spielraum bleibt. Zur Zurückziehung der Kette
während des Fachschlieſsens genügt alsdann ein einfaches Kreisexcenter; man hat aber
auch Herzscheiben in Anwendung gebracht. Nach dem vorigen Beispiel ist der Hub des
Excenters a nicht 2cm
,08, sondern 2cm,5, wovon demnach während der Ladenvorbewegung nur 2cm nutzbar gemacht werden.
Einen ähnlichen Gedanken weist die von C. Theis zu
Ohligs unter Nr. 474 vom 29. August 1877 in Deutschland patentirte Anordnung des
beweglichen Streichbaumes für mechanische Webstühle auf (Fig. 5). Der
Schwingbaum ist um zwei Zapfen a drehbar im
Stuhlgestell gelagert und wird durch eine Spiralfeder b
gespannt, wenn die Kette locker wird und auſserdem noch gehemmt, wenn er zu viel
vorwärts gezogen wird. Diese Hemmung läſst sich durch die Stellschraube c begrenzen,
bezieh. reguliren.
In Fig. 4
erfolgt diese Hemmung durch den Ansatz f, gegen welchen
sich der Streichbaum d bei sehr stark gespannter Kette
legt; in Fig. 3 wirkt
die Excenterfläche zurückhaltend; beide Fälle sollen aber bei richtiger Regulirung
der Feder- und Kettenfadenspannung nicht eintreten.