Titel: | Ueber die Verwerthung des Wollschweisses; von Ferd. Fischer. |
Autor: | Ferd. Fischer |
Fundstelle: | Band 229, Jahrgang 1878, S. 446 |
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Ueber die Verwerthung des Wollschweiſses; von
Ferd. Fischer.
F. Fischer, über die Verwerthung des Wollschweiſses.
Bekanntlich enthält Rohwolle etwa 20 Proc. in kaltem Wasser löslichen Wollschweiſs;
derselbe besteht aus den Kaliumverbindungen der Oelsäure, Stearinsäure und
Essigsäure mit wenig Valeriansäure und viel sonstigen organischen Stoffen; auſserdem
enthält derselbe Chlorkalium, schwefelsaures Kalium, Ammoniumverbindungen, meist
auch kohlensaures Kalium und Natriumverbindungen.
Im vorigen Sommer hatte ich mehrfach Gelegenheit, die Gewinnung dieses Wollschweiſses
und die Verarbeitung desselben auf Potasche in der Wollwäscherei zu Döhren bei
Hannover zu beobachten. Die Schmutzwolle wird zu diesem Zweck in Fässer mit
doppeltem Boden gepackt und mit Wasser ausgelaugt. Wie bereits früher (*1877 223 415) erwähnt, eignet sich hierzu der von H. Fischer (*1875 218 486)
angegebene Schauckelapparat zwar weit besser; doch konnte derselbe hier wegen
Raummangel noch nicht aufgestellt werden.
Die so erhaltene dunkelbraune, eigenthümlich riechende Flüssigkeit hatte ein
specifisches Gewicht von 1,069; zur Neutralisation erforderte 1l soviel Normalsäure, als 3g,98 kohlensaures Kalium entspricht. Mit Salzsäure
neutralisirt und mit Benzin ausgeschüttelt, gab 1l
Lauge nur 916mg eines gelben, stark riechenden,
zähen Fettes, 1l derselben eingedampft, gab bei
120° getrocknet 122g,16 einer sehr hygroskopischen
Masse, die sich beim Glühen stark aufblähte und eine groſse Menge mit leuchtender
Flamme brennendes Gas entwickelte. Nach längerem Erhitzen an der Luft wurden durch
Ausziehen mit Wasser und Abdampfen 72g,16 einer
weiſsen Salzmasse und 2g,98 eines aus Sand,
Thonerde, Kalk und Phosphorsäure bestehenden unlöslichen Rückstandes erhalten. Beim
Verbrennen des bei 120° getrockneten Wollschweiſses im Sauerstoffstrome wurde so
viel Wasser und Kohlensäure erhalten, als 3,04 Proc. Wasserstoff und 19,92 Proc.
Kohlenstoff entspricht. Die organischen Verbindungen des Kaliums geben hierbei
kohlensaures Kalium.
An eine vortheilhafte Gewinnung des Fettes und der Essigsäure ist nicht zu denken;
dagegen empfiehlt sich, wie schon Maumené (1860 157 156) vorgeschlagen und ausgeführt hat, die
Verarbeitung der eingedampften Masse auf Leuchtgas und Potasche. In Deutschland wird
meines Wissens die Masse zur Gewinnung von Potasche nur in Flammöfen geglüht, das gebildete
Leuchtgas somit mehr oder weniger vollkommen als Heizmaterial verwerthet.
Der in Döhren verwendete Ofen wurde bereits früher beschrieben (*1875 218 488). Mit gütiger Erlaubniſs des Hrn. Director Richartz habe ich an zwei Tagen die beim Abdampfen und
Glühen aus dem Ofen abziehenden Gase untersucht. Der Ofen war beim ersten Versuch
(Tabelle I) seit 6 Uhr Morgens gefeuert, die
letzte Lauge um 9 Uhr in den Calcinirofen eingelassen; die zweite Versuchsreihe
(Tabelle II)
Tabelle I.
Zeit
Kohlen-dioxyd
Kohlenoxyd
Sauerstoff
Stickstoff
Bemerkungen
Uhr 9
Min.20
6,5
–
13,7
79,8
Thür zum Aschenfall offen, Feuerthür mangel- haft
geschlossen.
9
35
5,4
–
14,8
79,8
9
40
8,6
–
12,1
79,3
Feuerthür geschlossen.
9
50
4,8
–
16,0
79,2
10
6,8
–
13,6
79,6
Kurz nach dem Schüren.
10
11
7,7
0,4
11,9
80,0
Unmittelbar nach dem Aufwerfen der Kohlen; Temp. der in Fuchs
abgehenden Gase 145°.
10
34
8,4
–
11,4
80,2
Unmittelbar nach dem Aufwerfen der Kohlen.
11
9,0
–
10,6
80,4
Temperatur der abgehenden Gase 168°.
11
10
12,1
0,8
6,6
80,5
Unmittelbar nach dem Aufwerfen der Kohlen: Temperatur der
abgehenden Gase 235°.
12
12
10,4
–
6,8
82,8
Die der Feuerbrücke zunächst liegenden Masse fängt an, zu
brennen.
12
25
11,1
–
6,4
82,5
12
35
12,1
–
6,5
81,4
Eine Luftzuführungsklappe geöffnet.
12
45
11,9
–
5,6
82,5
Beide Klappen geöffnet.
12
51
12,2
–
8,0
79,8
Temperatur der abgehenden Gase 335°.
2
15
14,0
–
4,2
81,8
Die Masse hinter der Feuerbrücke brennt.
2
35
9,2
–
10,6
80,2
Thür etwas geöffnet.
2
48
17,4
–
2,5
80,1
Die Masse brennt lebhafter.
2
55
19,7
–
0,3
80,0
Temperatur der abgehenden Gase 360°.
3
2
18,6
0,3
–
81,1
3
12
16,8
1,2
–
82,0
3
25
16,0
1,1
–
82,9
Die Masse brennt vollständig.
3
40
17,0
–
1,0
82,0
Feuerthür theilweise geöffnet.
3
50
17,3
0,5
–
82,2
4
5
12,0
0,9
–
87,1
Alles in voller Glut; Feuerthür ganz offen.
4
12
12,1
0,9
–
87,0
Beide Feuerthüren offen.
4
35
10,2
–
1,8
88,0
4
50
6,3
–
13,5
80,2
Flamme hat wesentlich abgenommen.
4
58
6,1
–
13,9
80,0
Feuerthüren sind wieder geschlossen.
5
5
8,5
–
11,6
79,9
Luftklappen ebenfalls geschlossen.
5
20
8,0
–
12,2
79,8
Die Masse war vorher umgearbeitet.
5
30
5,8
–
15,1
79,1
5
40
5,3
–
15,7
79,0
Die Masse war nochmals umgearbeitet.
5
47
4,7
–
16,1
79,2
5
53
4,0
–
16,7
79,3
6
2
3,4
–
17,6
79,0
Die Rohpotasche wird ausgezogen.
Tabelle II.
Zeit
Kohlen-dioxyd
Kohlenoxyd
Sauerstoff
Stickstoff
Bemerkungen
Uhr1
Min.36
6,8
–
13,0
80,2
Bald nach dem Einlassen von Lauge und un- mittelbar nach dem
Schüren.
1
48
5,9
–
13,8
80,3
Einzelne Fetttheile fangen an, zu brennen.
1
55
6,9
–
13,2
79,9
Unmittelbar nach dem Umrühren der Lauge; Temperatur der
abziehenden Gase 314°.
2
8
8,1
–
11,7
80,21
2
20
9,7
–
10,0
80,3
Temperatur der abziehenden Gase 321°.
2
31
12,0
–
6,6
81,4
Masse hinter der Feuerbrücke brennt lebhafter.
2
40
11,9
–
6,9
81,2
2
48
12,8
–
6,0
81,2
2
58
14,2
–
3,8
82,0
Temperatur der abziehenden Gase über 350°.
3
6
12,9
–
4,9
82,0
3
18
14,6
–
2,1
83,3
Luftklappen geöffnet.
3
28
12,2
–
2,3
85,5
Die ganze Masse in heller Glut; die Flamme schlägt bis zum ersten
Theil des Abdampfofens.
3
40
12,9
–
2,1
85,0
Masse umgerührt.
3
50
12,4
–
1,9
85,7
Mittlere Feuerthür etwas geöffnet.
4
2
12,6
–
2,1
85,3
4
12
13,2
0,8
0,7
85,3
Nach dem Umarbeiten der Masse.
4
20
10,5
0,4
1,2
87,9
Die Flamme wird so heftig, daſs etwas Lauge nachgelassen wird, um
das ebersteigen der Abdampfpfanne zu verhüten.
4
35
12,0
0,6
4,8
82,6
Thür wird geschlossen, Kohle nachgefüllt; nur die Luftklappen
offen.
4
45
11,7
–
6,1
82,2
Die Masse brennt wieder lebhaft.
4
55
9,9
–
9,2
80,9
Thür etwas geöffnet.
5
3
10,2
–
8,8
81,0
5
12
9,5
–
9,1
81,4
5
22
9,0
–
10,1
80,9
5
30
5,3
–
14,2
80,5
Feuerthür wieder geschlossen.
5
40
9,8
–
9,0
81,2
Luftklappen geschlossen.
5
50
13,0
–
4,8
82,2
Die lebhaft brennende Masse ist fast ganz ge- schmolzen.
6
4
9,8
–
7,2
83,0
wurde 8 Tage später gemacht. Wie die in den Tabellen
angegebene Zusammensetzung der Rauchgase zeigt, findet sich auch hier (vgl. 1878 228 440) selten Kohlenoxyd, trotz der stark ruſsenden
Flamme; nur wenn die Masse in voller Glut ist, verschwindet der Sauerstoff, auch bei
offenen Feuerthüren, oft vollständig und es tritt etwas Kohlenoxyd auf.
Sobald die eingedampften Laugen brennen, werden keine Kohlen mehr aufgeworfen, da die
entwickelte Hitze dann völlig zur Zerstörung der organischen Stoffe ausreicht. Die
noch viel fein vertheilte Kohle enthaltende Masse wird noch glühend in einen kleinen
Schachtofen geworfen und brennt sich hier ohne weitere Anwendung von Brennstoffen
fast weiſs. Es gelingt so, mit 1k westphälischer
Kohle 12k Lauge abzudampfen und zu glühen. Die bei den
Versuchen verwendete Kohle hatte folgende Zusammensetzung:
Wasser
2,62
Flüchtige Stoffe
28,49
Koke
69,89.
Die Koke ist fest. Bei 120° getrocknet, gab die Analyse der
Kohle folgende Resultate:
Kohlenstoff
76,11
Wasserstoff
4,52
Schwefel
1,19
Sauerstoff (und Stickstoff)
10,06
Asche
8,12.
Die dem Ofen entnommene Rohpotasche bestand aus:
Wasserlöslichen Salzen
92,05
Unlöslich
4,92
Organischen Stoffen
3,03.
Die löslichen Salze hatten folgende Zusammensetzung:
Kohlensaures Kalium
85,34
Chlorkalium
6,15
Schwefelsaures Kalium
2,98
Kohlensaures Natrium
5,02
–––––
99,49.
Ein Theil der Verunreinigungen ist auf das zum Auslaugen verwendete Leinewasser
zurückzuführen.
W. Graff in Lesum verarbeitet diese Rohpotasche aus 6
Wollwäschereien Deutschlands zu reinem kohlensaurem Kalium, Kaliumbicarbonat,
Chlorkalium und schwefelsaurem Kalium. Er beschäftigt hierfür 10 bis 12 Arbeiter;
der Jahresumsatz beträgt etwa 120000 M. Die von ihm auf der Allgemeinen
Gewerbeausstellung für die Provinz Hannover 1878 (vgl. S. 385 d. Bd.) ausgestellten
Producte sind sehr schön.